Blauer Turm (Herten)
Als Blauer Turm Herten werden zwei Pilotprojekte zur gestuften Reformierung in der nordrhein-Westfälischen Stadt Herten bezeichnet. „Blau“ bezieht sich dabei auf die blaue Hülle um das Stahlskelett des Syntheseturmes.[1]
Während das erste, kleinere Projekt von 2001[2] bis zu seiner Demontage 2006 trotz verschiedener Probleme im Experimentalbetrieb lief, wurde das 2008 beschlossene Nachfolgeprojekt[3] wegen der Insolvenz des Hauptinvestors, der Solar Millennium AG, im Jahr 2011 abgebrochen. Die Entwicklung vom Prestige- und Vorzeigeprojekt zum Verlustobjekt war Thema vielfältiger Medienberichte.[4][5][6][7]
Technologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei dem angewandten thermochemischen Verfahren werden nachwachsende Rohstoffe, Wirtschaftsdünger oder biogene Abfälle in ein brennbares, Wasserstoffreiches und stickstoffarmes Gasgemisch umgewandelt.[8] Die Vielfalt der einsetzbaren Ausgangsstoffe gilt dabei als Vorteil des Verfahrens.
Bei hohen Temperaturen entsteht durch Pyrolyse neben Methan und Kohlenstoffmonoxid vor allem Wasserstoff. Das Verfahren, bei dem die Verschwelung der Biomasse und die Entstehung des Produktgases voneinander getrennt ablaufen, sollte zur Wärmeerzeugung und zur Gewinnung elektrischer Energie in Gasgeneratoren genutzt werden und später auch als Wasserstoffquelle dienen.
In praktischen Versuchen wurde ein Synthesegas mit etwa folgender Zusammensetzung erreicht:[9]
- 45 % H2
- 15 % CO
- 15 % CH4
Die Restbestandteile sind CO2 und Wasser. Dabei gilt nicht nur die je nach Beschaffenheit der Ausgangsstoffe veränderliche Gaszusammensetzung, sondern auch die notwendige Nachverdichtung als nachteilig für die Gesamteffizienz. Als problematisch werden der bei der Technologie anfallende Keramikstaub und die Nachreinigung des Gases angesehen.[1][10]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das von der Dr. Mühlen GmbH & CO. KG patentierte Verfahren wurde zwischen 2001 und 2006 in einer Pilotanlage mit einer Leistung von einem Megawatt in Herten angewandt.[2]
Nach dessen Demontage sollte in räumlicher Nähe eine offiziell als „Blauer Turm“ bezeichnete Anlage mit 10 Megawatt Leistung auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Ewald entstehen. Der Name bezog sich dabei sowohl auf die Farbe des entstehenden Synthetic Natural Gas mit hohem Wasserstoffanteil[11] als auch auf die Verkleidung des Stahlskelettes um den Reforming-Turm, der in Projektdarstellungen zusätzlich in der Nacht blau beleuchtet abgebildet wurde. Das Projekt wurde vom Land Nordrhein-Westfalen mit 7,1 Millionen Euro gefördert, etwa 3 Millionen Euro wurden bis zum Projektstop ausgezahlt.
Kritiker des Projekts hielten die Technologie von Beginn an für zu teuer und bezweifelten die Praxisreife und Energieeffizienz des Verfahrens. Auch die großen Volumina an Ausgangsstoffen zur Erzeugung des energiehaltigen Synthesegases und die Gefahr der illegalen Entsorgung von Sonderabfällen wurden von Kritikern bemängelt,[9] ebenso ungelöste Probleme bei der Technologie.[1]
Mit der Insolvenz des Mehrheitseigners der Firmenanteile der Blue Tower GmbH, der Solar Millennium AG, wurden die Baumaßnahmen eingestellt.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Stadtteilinfo Herten: 2010: Neubau des Blauen Turms auf Ewald (PDF; 1,3 MB), Umfeld und Projektbeschreibung
- Solar Millennium: Der Blaue Turm – Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c Ruhrbarone: Blaue Hoffnung in Herten, aufgerufen 14. August 2012.
- ↑ a b Energieagentur NRW, 23. Mai 2001: In Herten wurde eine Pilotanlage zur Umwandlung von Biomasse zu Strom eröffnet. ( des vom 22. Februar 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , aufgerufen 14. August 2012.
- ↑ Wasserstoffstadt-Herten: Der Blaue Turm – 150 m3 H2 in der Stunde ( des vom 2. November 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , aufgerufen 14. August 2012.
- ↑ WDR, 22. Dezember 2011: Hat der blaue Turm noch Zukunft?, aufgerufen 14. August 2012.
- ↑ Recklinghaeuser Zeitung, 5. Dezember 2011: Der "Blaue Turm" – Wasserstoffstadt Herten droht ein Desaster (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Juni 2023. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., aufgerufen 14. August 2012.
- ↑ WAZ, 4. Mai 2012: Blauer Turm – Land fordert Millionen zurück, aufgerufen 14. August 2012.
- ↑ Hertener Allgemeine, 22. Juli 2012: Ausverkauf nach der Insolvenz: Blauer-Turm-Baustelle wird zur Resterampe ( des vom 22. Februar 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , aufgerufen 14. August 2012.
- ↑ Wasserstoffstadt Herten: Technologiebeschreibung Blauer Turm ( des vom 3. November 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 115 kB), aufgerufen 24. August 2012.
- ↑ a b Biowasserstoff-Magazin, 15. April 2009: Wasserstoffgewinnung – Blauer Turm (PDF; 1,8 MB), aufgerufen 14. August 2012.
- ↑ CleanEnergy: Subventionsruine oder vielversprechende Innovation? ( des vom 22. Februar 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , aufgerufen 14. August 2012.
- ↑ RAG, 6. März 2009: Grundsteinlegung für Zukunftstechnologie Blauer Turm in Herten, aufgerufen 15. August 2012.
Koordinaten: 51° 34′ 25″ N, 7° 8′ 53″ O