Blumenbinse

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Blumenbinse

Blühende Blumenbinse (Scheuchzeria palustris)

Systematik
Klasse: Bedecktsamer (Magnoliopsida)
Monokotyledonen
Ordnung: Froschlöffelartige (Alismatales)
Familie: Blumenbinsengewächse
Gattung: Scheuchzeria
Art: Blumenbinse
Wissenschaftlicher Name der Familie
Scheuchzeriaceae
F.Rudolphi
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Scheuchzeria
L.
Wissenschaftlicher Name der Art
Scheuchzeria palustris
L.

Die Blumenbinse (Scheuchzeria palustris), die nach der Form der Frucht auch Blasenbinse und in Österreich Blasensimse[1] genannt wird, ist die einzige Art in der monotypischen Gattung Scheuchzeria, die wiederum die einzige Gattung der Familie der Blumenbinsengewächse (Scheuchzeriaceae), auch Blasenbinsengewächse genannt, ist. Über eine Nutzung durch den Menschen ist nichts bekannt.

Der deutsche Artname Blumenbinse wird gelegentlich auch als Trivialname für die Schwanenblume (Butomus umbellatus) verwendet.

Illustration der Blumenbinse (Scheuchzeria palustris)

Habitus und Laubblätter

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Blumenbinse wächst als schlanke, überwinternd grüne, ausdauernde, krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 10 bis 30 Zentimetern erreicht. Diese Sumpfpflanze bildet kriechende Rhizome. Der aufrechte, unverzweigte Stängel verläuft zickzackförmig.

Die Laubblätter sind grundständig und wechselständig, zwei-, aber fast dreizeilig am Stängel angeordnet. Die binsenartigen Laubblätter sind in Blattscheide sowie Blattspreite gegliedert. Im unteren Bereich ist der Stängel auch mit abgestorbenen Blattscheiden umgeben. Die offenen, 1,5 bis 10 cm langen Blattscheiden besitzen 2 bis 12 mm lange, häutige Öhrchen (Ligulae). Die aufrechten, einfachen Blattspreiten sind parallelnervig, linealisch, halbrund, rinnig, 2 bis 41 cm lang und 1 bis 3 mm breit. Die Stomata sind tetracytisch. Es sind kleine Poren an der Spitze der Blattspreite. In den Blattachseln sind viele haarförmige Schuppen vorhanden.

Blütenstände und Blüten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In endständigen, 3 bis 10 cm langen, traubigen Blütenständen stehen drei bis zwölf Blüten und lange, laubblattähnliche Hochblätter zusammen. Die Blütenstandsachse verlängert sich nach der Befruchtung.

Die sternförmigen Blüten sind zwittrig und dreizählig. Es sind zwei Kreise mit je drei weißen bis gelb-grünen, freien, gleichgeformten Blütenhüllblättern vorhanden; sie sind haltbar, häutig und 2 bis 3 mm lang. Es zwei Kreise mit je drei freien Staubblättern vorhanden. Die dreizelligen Pollenkörner besitzen keine Apertur. Die drei oder selten sechs oberständigen Fruchtblätter sind nur an ihrer Basis verwachsen. Jedes Fruchtblatt besitzt an seiner Basis marginal ein bis drei anatrope Samenanlagen. Die meist drei, selten bis zu sechs Stempel sind 6 bis 7 mm lang und es ist kein Griffel ausgebildet; die papillösen Narben sind also sitzend. Die Bestäubung erfolgt durch den Wind (Anemophilie).

Blumenbinsen mit reifen (links) und hinfälligen (rechts) Balgfrüchten
Balgfrüchte der Blumenbinse

Früchte und Samen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In einer Sammelfrucht stehen ein bis vier Balgfrüchte zusammen. Ihre hellgrünen bis braunen, 4 bis 10 mm langen, ledrigen, schief-eiförmigen und stark aufgeblasenen Balgfrüchtchen besitzen einen 0,5 bis 1 mm langen Schnabel. Jede Balgfrucht enthält ein oder zwei, selten drei Samen.

Die stärkereiche Samen sind eiförmig, 4 bis 5 mm lang. Die glatte und harte Samenschale (Testa) besitzt eine braune bis schwarze Farbe.

Die Chromosomen sind 0,8 bis 2 µm lang. Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 22.[2]

Die Blumenbinse ist ein Rhizom-Geophyt mit unterirdischen Ausläufern.[3]

Die Bestäubung der Blüten erfolgt durch den Wind (Anemophilie). Blütezeit ist von Mai bis Juni.[3]

Je Blüte entwickeln sich 3(-6) blasige, 2-samige Balgfrüchte. Die stärkereichen Samen enthalten kein Endosperm, aber einen grünen, geraden Embryo, dessen Keimblatt (Kotyledon) nicht photosynthetisch aktiv ist. Die Samenschale ist von großen Interzellularräumen durchsetzt, was die Schwimmausbreitung der Samen ermöglicht.[3]

Als typischer Inhaltsstoff ist das Triglochinin zu nennen, das zu den Cyanogenen Glycosiden gehört. Es sind Calciumoxalat-Kristalle vorhanden.

Die Blumenbinse besitzt ein weites, zirkumpolares Verbreitungsgebiet von den polaren bis in die gemäßigten Klimazonen (südlich temperat bis boreal) der Nordhalbkugel[4], also eine holarktische Verbreitung. Die Verbreitung ist subozeanisch bis subkontinental. Die Verbreitungszentren der Art konzentrieren sich auf Nordosteuropa sowie Nordamerika. Darüber hinaus sind teils isolierte Vorkommen in Mitteleuropa und Ostasien zu nennen.

Diese Art ist auf saure Zwischenmoore und Hochmoorschlenken beschränkt; sie gilt als Charakterart der Assoziation Caricetum limosae (Schlammseggen-Gesellschaft).[2] Das Torfmoos-Schlammseggenried ist eine Pflanzengesellschaft, welche an oligotrophen Gewässern nicht betretbare Schwingrasen bildet. Vor allem Weißes Schnabelried (Rhynchospora alba), die Schlamm-Segge (Carex limosa) und die seltene Fadenwurzelige Segge (Carex chordorrhiza) bilden zusammen mit der Blasenbinse diese Gesellschaft.

Weltweit ist diese Art nicht gefährdet. In Mitteleuropa ist die Blumenbinse aufgrund der Zerstörung ihrer Lebensräume (Abbau, Kultivierung und Entwässerung von Moorstandorten) nur noch sehr selten zu finden. Sie wird auf der Roten Liste Deutschlands als „stark gefährdet“ eingestuft. Lediglich im Alpenvorland und in Teilen Nordostdeutschlands ist diese Art noch etwas stetiger anzutreffen, sonst existieren nur mehr punktuelle Vorkommen. In Niedersachsen kommt die Art mittlerweile nur noch sehr zerstreut vor. 2011 konnte sie noch in sechs Landkreisen nachgewiesen werden.[5] Aufgrund des Moorreichtums war sie früher gerade im Raum Emsland/Bentheim häufig, ist aber auch dort inzwischen selten geworden.

In den Allgäuer Alpen steigt sie in Vorarlberg bei Unterkrumbach nahe dem Hochtannbergpass bis zu 1570 m Meereshöhe auf.[6]

Die Erstveröffentlichung des Art- und Gattungsnamens Scheuchzeria palustris beziehungsweise Scheuchzeria erfolgte 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum.[7] Der Familienname Scheuchzeriaceae wurde 1830 von Friedrich Karl Ludwig Rudolphi in Systema orbis vegetabilium, 28 veröffentlicht. Synonyme für Scheuchzeria palustris sind Papillaria palustris (L.) Dulac, Scheuchzeria americana (Fernald) G.N.Jones, Scheuchzeria palustris subsp. americana (Fernald) Hultén, Scheuchzeria palustris var. americana Fernald.[8] Der wissenschaftliche Gattungsname Scheuchzeria ehrt den Schweizer Biologen Johann Jakob Scheuchzer (1672–1733) und seinen Bruder Johannes Scheuchzer (1684–1738).[9]

Die Familie der Scheuchzeriaceae gehört zur Ordnung der Alismatales innerhalb der Einkeimblättrigen Pflanzen. Scheuchzeria wurde manchmal in die Juncaginaceae eingegliedert. In den meisten wissenschaftlichen Veröffentlichungen seit 1940 stellen die Scheuchzeriaceae eine eigene Familie dar.

Die nordamerikanischen Exemplare unterscheiden sich etwas in der Fruchtform und so wurden sie als Varietät Scheuchzeria palustris var. americana Fernald oder als Unterart Scheuchzeria palustris subsp. americana (Fernald) Hultén oder Art Scheuchzeria americana (Fernald) G.N.Jones von einigen Autoren abgetrennt. Flora of North America (2010) erkennt nur die Art an, aber keine Varietäten oder Unterarten.

  • Tobias Böckermann: Die Blasenbinse (Scheuchzeria palustris) – eine seltene Pflanze der emsländischen Moore, in: Studiengesellschaft für Emsländische Regionalgeschichte (Hrsg.): Emsländische Geschichte 19, Haselünne 2012, S. 12–21.
  • Jürgen Feder: Die Blumenbinse (Scheuchzeria palustris L.) in Niedersachsen und Bremen. In: Floristische Notizen aus der Lüneburger Heide. Band 20, 2012.
  • Youhao Guo, Robert R. Haynes, C. Barre Hellquist: Scheuchzeriaceae. In: Wu Zheng-yi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China. Volume 23: Acoraceae through Cyperaceae. Science Press / Missouri Botanical Garden Press, Beijing / St. Louis 2010, ISBN 978-1-930723-99-3, S. 103 (englisch, online). (Abschnitte Beschreibung, Systematik und Verbreitung)
  • Mark A. Nienaber: Scheuchzeriaceae. In: Flora of North America Editorial Committee (Hrsg.): Flora of North America North of Mexico. Volume 3: Magnoliophyta: Magnoliidae and Hamamelidae. Oxford University Press, New York / Oxford u. a. 1997, ISBN 0-19-511246-6, S. 41–42 (englisch, Familie, Gattung und Art online). (Abschnitt Beschreibung und Systematik)

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Manfred A. Fischer, Karl Oswald, Wolfgang Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 3., verbesserte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2008, ISBN 978-3-85474-187-9, S. 1023.
  2. a b Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 109.
  3. a b c Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Porträt. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1, S. 796.
  4. Scheuchzeria. In: POWO = Plants of the World Online von Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew: Kew Science, abgerufen am 20. Juni 2018.
  5. Siehe hierzu Jürgen Feder: Die Blumenbinse (Scheuchzeria palustris L.) in Niedersachsen und Bremen. In: Floristische Notizen aus der Lüneburger Heide. Band 20, 2012, S. 35–39.
  6. Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 1, IHW, Eching 2001, ISBN 3-930167-50-6, S. 138.
  7. Carl von Linné: Species Plantarum. Band 1, Lars Salvius, Stockholm 1753, S. 338 (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttp%3A%2F%2Fwww.biodiversitylibrary.org%2Fopenurl%3Fpid%3Dtitle%3A669%26volume%3D1%26issue%3D%26spage%3D338%26date%3D1753~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D).
  8. Scheuchzeriaceae bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis
  9. Helmut Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 2., verbesserte Auflage. Birkhäuser, Basel/Boston/Berlin 1983, ISBN 3-7643-1399-4.
Commons: Blumenbinse – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien