Botschaft der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder zur Versöhnung
Die Botschaft der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder (polnisch: Orędzie biskupów polskich do ich niemieckich braci w Chrystusowym urzędzie pasterskim) wurde am 18. November 1965 von den polnischen katholischen Bischöfen an ihre Amtsbrüder der Deutschen Bischofskonferenz in der Bundesrepublik Deutschland gesandt.
Dieser Brief enthielt auch eine Einladung zu den katholischen Feierlichkeiten zum 1000. Jahrestag der Christianisierung Polens. Die deutschen Bischöfe antworteten nach wenigen Tagen.
Da sich sowohl die polnischen als auch die deutschen Bischöfe zum Zweiten Vatikanischen Konzil in Rom aufhielten, tragen beide Briefe „Rom“ als Ort der Abfassung.
Inhalt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In dem Schreiben formulierten die polnischen Bischöfe eine Reihe von historischen Ereignissen aus polnischer Sicht und angesichts der Millionen Toten und Vertriebenen auf beiden Seiten infolge des Zweiten Weltkriegs, unter anderem den berühmten Satz: „Wir vergeben und bitten um Vergebung“. Dies war einer der ersten Schritte zur Versöhnung zwischen Deutschen und Polen nach dem Zweiten Weltkrieg.
Verfasser des Briefes war der Breslauer Bischof Bolesław Kominek, der auch zunächst widerstrebende Amtsbrüder wie den Primas Kardinal Stefan Wyszyński überzeugen konnte, den Brief abzusenden.
Der damalige Krakauer Erzbischof Karol Wojtyła, der spätere Papst Johannes Paul II., unterstützte den Brief.
Reaktionen in Polen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Brief fand in den katholischen Kirchen Polens eine breite Veröffentlichung; die kommunistische Führung ging entschlossen dagegen vor. Die PZPR und ihr Parteichef Władysław Gomułka wollten eine Annäherung an Westdeutschland verhindern, zumal die wichtigsten Propagandamaßnahmen auf die Bundesrepublik abzielten und diese zum größten Feind Polens stilisierten. Wie schon in den Jahren seit 1945 betrieb die Führung auch antikatholische Propaganda und Maßnahmen. So wurde dem Primas von Polen der notwendige Pass für seine Rom-Reise vom 15. Januar 1966 verweigert. Mit der konkurrierenden staatlichen 1000-Jahr-Feier Polens wurde versucht, die katholischen Veranstaltungen zum 1000. Jahrestag der Christianisierung Polens in den Schatten zu stellen. Germanisten an polnischen Hochschulen wurden gezwungen, ein Protestpapier gegen diese katholischen Feierlichkeiten zu unterschreiben. 1966 sagte die politische Führung zweimal den Polenbesuch des Papstes Paul VI. ab.[1] Allgemein versuchten die Kommunisten bis zum Ende der Ära Gomułka, ihre Machtbasis zu stärken und katholische Schulen zu schließen.
Deutsche Antwort
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Antwort[2] der deutschen Bischöfe vom 5. Dezember 1965 wurde von polnischen Historikern aufgrund ihres als übermäßig diplomatisch wahrgenommenen Tons und des Fehlens einer klaren Entschuldigung als enttäuschend bewertet.[3] Während der Inhalt des ursprünglichen polnischen Schreibens mit dem deutschen Episkopat abgestimmt wurde, fanden bei der Vorbereitung der Antwort keine entsprechenden Konsultationen mit der polnischen Seite statt.[4]
Nach der deutschen Ansicht musste das Schreiben die Rücksichtnahme auf die Heimatvertriebenen einbeziehen, die der polnische Bischofsbrief vor vollendete Tatsachen stellen wollte. Die deutschen Bischöfe konnten sich in ihrem Antwortschreiben nicht zu einer Erklärung im selben Geist durchringen, obwohl sich mit Kardinal Julius Döpfner (1913–1976) ein entschiedener Befürworter der Aussöhnung in ihren Reihen befand.
Weltdokumentenerbe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Originaldokument wird im Historischen Archiv des Erzbistums Köln aufbewahrt, wohin es durch die dienstlichen Unterlagen des damaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, den Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Frings gelangte. 2024 schlug die polnische Seite eine Aufnahme des Briefwechsels ins Weltdokumentenerbe vor.[5]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Friedhelm Boll, Wiesław Wysocki, Klaus Ziemer (Hg.), Versöhnung und Politik. Polnisch-deutsche Versöhnungsinitiativen der 1960er-Jahre und die Entspannungspolitik. Dietz Verlag, Bonn 2009, ISBN 978-3-8012-4194-0.
- Sewerin Gawlitta: „Aus dem Geist des Konzils! Aus der Sorge der Nachbarn!“ Der Briefwechsel der polnischen und deutschen Bischöfe von 1965 und seine Kontexte. Wissenschaftsforum/Verlag Herder-Institut, Marburg 2016.
- Edith Heller: Macht Kirche Politik: der Briefwechsel zwischen den polnischen und deutschen Bischöfen im Jahre 1965. Treffpunkt Verlag, Köln 1991.
- Basil Kerski, Thomas Kycia, Robert Żurek: „Wir vergeben und bitten um Vergebung“: Der Briefwechsel der polnischen und deutschen Bischöfe 1965. Fibre Verlag, Osnabrück 2006, ISBN 3-938400-10-2.
- Piotr Łysakowski, Glosa do listu biskupów polskich do biskupów niemieckich z 18 listopada 1965 roku w dokumentach Instytutu Pamięci Narodowej. In: Rocznik Polsko-Niemiecki, 17(2009), S. 114–134.
- Piotr Madajczyk: Annäherung durch Vergebung. Die Botschaft der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Brüder im Hirtenamt vom 18. November 1965. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1992, Heft 2, S. 223–240.
- Jerzy Myszor: Orędzie biskupów polskich do niemieckich z 18 XI 1965 r. - z perspektywy czasu. In: Śląskie Studia Historyczno-Teologiczne, 39(1), 2006, S. 175. ISN 0137-3447 (polnisch)
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Text des Hirtenbriefs der polnischen Bischöfe (... wir (...) „gewähren Vergebung und bitten um Vergebung“) und Antwort der deutschen Bischöfe.
- OME-Lexikon: Briefwechsel der polnischen und deutschen Bischöfe, abgerufen am 1. Mai 2020.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Zur Situation im März 1966 siehe auch Die Zeit 13/1966
- ↑ Wortlaut des Briefwechsels der deutschen und der polnischen Bischöfe: „Wir gewähren Vergebung und bitten um Vergebung“, Domradio, 18. November 2015.
- ↑ [1]
- ↑ Jerzy Myszor: Orędzie biskupów polskich do niemieckich z 18 XI 1965 r. - z perspektywy czasu. In: Śląskie Studia Historyczno-Teologiczne, 39(1), 2006, S. 175. ISN 0137-3447 (polnisch)
- ↑ Versöhnungsbrief polnischer Bischöfe (1965). Abgerufen am 24. Oktober 2024.