Briefsammlung Walkenmatt
Die Briefsammlung Walkenmatt ist eine Sammlung von über 300 Briefen aus dem Zeitraum von 1890 bis 1946 im Diemtigtal im Schweizer Kanton Bern. Die transkribierten Briefe dokumentieren die weitverzweigte Korrespondenz der Familie von Susanna Hiltbrand-Dubach (1842–1918) über drei Generationen hinweg. Ihr Dreh- und Angelpunkt ist die Walkenmatt, das «Heimet» der Familie am steilen Weg vom Horboden auf den Springenboden, am östlichen Hang des Diemtigtals.
Bestand
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die drei Redaktoren Susanna Reinhart-Probst, Rudolf Probst und Edwin Pfaffen lektorierten zahlreiche Briefe der Familie Hiltbrand-Dubach aus gut 50 Jahren und ordneten sie zu einer leserfreundlichen Publikation.[1] Die Sammlung umfasst über 300 Briefe. Sie sind transkribiert, auch aus dem Russischen.[2] Kommentare erleichtern dem Leser das Verständnis. Ein Glossar erklärt Fachausdrücke und dialektale Wendungen jener Zeit in Kurzform.[3] Zahlreiche Fotos und Zeichnungen veranschaulichen die in den Briefen geschilderten Personen oder Örtlichkeiten. Darunter finden sich auch einige Faksimile-Seiten als Schriftproben aus dem historischen Briefbestand. Die originalen Briefe werden im Museum für Kommunikation in Bern verwahrt und sind für wissenschaftliche Zwecke einsehbar.
Briefkultur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Schreiben von Briefen war im 19. und bis ins dritte Viertel des 20. Jahrhunderts für die meisten Menschen eine der wenigen Möglichkeiten, sich über grosse Distanzen auszutauschen. Telefonieren und faxen waren bis zur Verbreitung des Internets teuer und nur ausnahmsweise für besonders wichtige oder dringliche Mitteilungen üblich. In Briefen berichtete man von Neuigkeiten vergangener Monate und Wochen oder kommentierte diese. Dann verschickte man den Brief mit ordentlicher Post und der Empfänger las ihn neugierig. Er reichte die Briefe oft an Nahestehende weiter und schickte in Briefform eine Antwort an den Absender zurück. Die Briefe wurden meist als wertvolle mehr oder weniger persönliche Dokumente behandelt und meist längere Zeit aufbewahrt.
Die Briefe sind Zeugen einer Schreibkultur und indirekt Kulturgut aus der Welt einer Familie und deren näheren Umgebung.
Die Briefe dieser Sammlung waren über Jahre von Frida Kurt-Hiltbrand, einer Tochter von Susanne Hiltbrand-Dubach, gehütet worden. Nach ihrem Tod gelangten sie in den Besitz ihrer Tochter Betli Probst-Kurt. Schliesslich bekam sie Susanna Reinhart, die Enkelin von Frida Kurt-Hiltbrand. Susanne Reinhart und ihr Ehemann Urs Reinhart regten die Veröffentlichung an und förderten diese.[4]
Obgleich viele private Angelegenheiten kommuniziert werden, gewähren die Briefe ungewohnte und vielfältige Einblicke in eine untergegangene Welt, die bis heute mangels Quellen kaum dokumentiert ist. In diesem Sinn hat diese Briefsammlung Seltenheitswert. In den Briefen spiegeln sich die grossen Themen des Menschseins aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus dem Blickwinkel einfacher Leute: Leben und Sterben, Jugend und Alter, Arbeit und kleine Freuden in Mussestunden, Lehr- und Wanderjahre, Heimat und Fremde, Klatsch und Tratsch sowie Liebe und Abschiednehmen. Aus historischer Ferne kommt hier das wieder ans Licht, was früher allgemein als alltäglich und deswegen uninteressant und nicht nennenswert abgetan wurde. Auffallend ist nicht nur, was berichtet wird, sondern auch wie dies geschieht. Es ist der Tonfall der gesprochenen Sprache und ein dialektal gefärbter Erzählduktus: «Tue den Brief verbrennen» schrieb eine Frau an ihre Schwägerin in Sütterlinschrift auf einem der erhaltenen Briefe.[5]
Die damalige Briefsprache lehnte sich an die gesprochene Sprache der Jahrhundertwende an. Die Normierung der Schriftsprache nach Konrad Duden hatte sich noch kaum durchgesetzt. Die Herausgeber der veröffentlichten Publikation legten Wert darauf, die Dokumente möglichst originalgetreu wiederzugeben. Es ging also nicht darum, bei der Transkribierung orthografische oder syntaktische Fehler zu berichtigen.[6]
Personen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Personenverzeichnis im Anhang soll den Lesenden das Verständnis erleichtern.[7] Auf diese Weise sind die Personen auch für Aussenstehende trotz familiärer Zu- und Kurznamen einwandfrei identifizierbar. Mehrere Stammbäume veranschaulichen auch die verwandtschaftlichen Beziehungen in dieser ausgedehnten Familie.[8] Russische Namen sind einheitlich verdeutscht und in einer Transliterationstabelle übersichtlich dargestellt.[9]
David Hiltbrand, sen 1794–1870 | Susanna Wenger 1797–1874 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Magdalena Wenger -1871 | David Hiltbrad 1828- | Marianna Berger 2. Gattin | Jakob Hiltbrand, sen. 1830–1904 | Magdalena Dubach 1833–1901 | Johannes Hiltbrand 1834–1892 | Susanna Dubach 1842–1918 | Rudolf Hiltbrand 1837–1914 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Wilhelm Küng 1863–1897 | Lisette Hiltbrand (1865–1937) | David Wenger 1870–1931 | Jakob Hiltbrand 1867–1943) | Magdalena Mani 1872–1960 | Luise Hiltbrand 1869–1950 | August Dubach 1868–1947 | Lina Hiltbrand 1871–1952 | David Kunz 1872–1955 | Karl Hiltbrand 1873–1879 | Robert Hiltbrand 1875–1915 | Klara Wiedmer 1871–1940 | Rosa Hiltbrand 1878–1954) | Rudolf Küng 1877–1955 | Karl Hiltbrand 1880–1957 | Emma Krenger 1877–1951 | Frieda Hiltbrand 1882–1961 | Johann Kurt 1872–1942 | Ida Baumberger 1878–1901) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Luisa Küng 1896–1897 | Frieda Wenger 1904–1994 | Hans Wenger 1906–1994 | Karl August Dubach 1891- | Emma Dubach 1892–1971 | Jakob Wampfler 1892–1959 | Hans Dubach 1894–1960 | Elise Knutti 181869-1980 | Frieda Dubach 1895–1976 | Arnold Imhof, 1898–1935 | Ernst Dubach, 1896–1901 | Rosa Dubach, 1901–1986 | Greti Dubach, 1904–1985 | Hans Eicher, 1898–1973 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Galerie
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Obere Walkenmatte
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Untere Walkenmatte: Friese
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Strassenschild Walkenmatte
Publikation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Walkenmatt. Briefe aus dem Diemtigtal, aus Russland und Amerika 1890–1946. Mit einer Einleitung von Kurt Stadelmann, einem Aufsatz zur Briefkultur von Rudolf Probst und einem Aufsatz zu inhaltlichen Aspekten des Briefwechsels von Edwin Pfaffen (= Museum für Kommunikation, Kurt Stadelmann [Hrsg.]: Schriftenreihe des Museums für Kommunikation, Bern). Chronos, Zürich 2001, ISBN 3-0340-0532-6.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Walkenmatte auf Karte von Bundesamt für Landestopografie
- Stammbaum von David Hiltbrand (1794-1870) und Susanna Wenger (1797–1874) gemäß Wikidata mittels EntiTree
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Walkenmatt. Briefe aus dem Dientigtal, aus Russland und Amerika 1890–1946 (= Museum für Kommunikation, Kurt Stadelmann [Hrsg.]: Schriftenreihe des Museums für Kommunikation, Bern). Chronos, Zürich 2001, ISBN 3-0340-0532-6.
- ↑ Bettina von Greyerz: [Buchbesprechung zu] Walkenmatt. Briefe aus dem Diemtigtal, aus Russland und Amerika 1890–1946. In: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde. Band 64, 2002, S. 211–212 (e-periodica.ch [PDF; abgerufen am 14. August 2022]).
- ↑ Walkenmatt. Briefe. S. 453–460.
- ↑ Walkenmatt. Briefe. 2001, S. 7.
- ↑ Walkenmatt. Briefe. 2001, S. 8.
- ↑ Walkenmatt. Briefe. 2001, S. 9.
- ↑ Walkenmatt. Briefe. 2001, S. 441–449.
- ↑ Walkenmatt. Briefe. 2001, S. 450–452.
- ↑ Walkenmatt. Briefe. 2001, S. 461–463.