Bromcyan

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Bromcyanid)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Strukturformel
Struktur von Bromcyan
Allgemeines
Name Bromcyan
Andere Namen
  • Cyanogenbromid
  • Cyanobromid
  • Bromcyanid
Summenformel BrCN
Kurzbeschreibung

farblose, flüchtige Nadeln[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 506-68-3
EG-Nummer 208-051-2
ECHA-InfoCard 100.007.320
PubChem 10476
ChemSpider 10044
Wikidata Q420258
Eigenschaften
Molare Masse 105,9 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

2,02 g·cm−3[2]

Schmelzpunkt

52 °C[2]

Siedepunkt

61,5 °C[2]

Dampfdruck

116 hPa (20 °C)[2]

Löslichkeit

löslich unter Hydrolyse in Wasser[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 300+310+330​‐​314​‐​400
EUH: 032
P: 260​‐​273​‐​280​‐​303+361+353​‐​304+340+310​‐​305+351+338[2]
Toxikologische Daten

92 ppm·10 min (LC50Menschinh.)[3]

Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0

140,5 kJ/mol[4]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Bromcyan ist ein Derivat der Blausäure (HCN), bei dem das Wasserstoffatom durch Brom ersetzt ist. Umgangssprachlich wird es auch Bromcyanid oder Campilit genannt.

Vorkommen und Biosynthese

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bromcyan kommt natürlich als Metabolit der Kieselalge Nitzschia pellucida (Gattung Nitzschia) vor. Die Alge benutzt die Verbindung als Gift, um ihre direkte Umgebung von konkurrierenden Algen anderer Arten zu befreien (Allelopathie). Die Biosynthese wird vermutlich durch eine Haloperoxidase katalysiert. Die gebildete Menge ist lichtabhängig. Kurz nach Sonnenaufgang bildet die Alge größere Mengen Bromcyan.[5]

Darstellung und Gewinnung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Darstellung von Bromcyan gelingt durch die Umsetzung von Brom mit Natriumcyanid in wässriger Lösung bei Temperaturen unterhalb von 20 °C.[6][7]

Eine weitere Synthese geht vom Kaliumthiocyanat oder Ammoniumthiocyanat aus.[8]

2,7 g Bromcyan

Bromcyan ist noch um ein Vielfaches giftiger als Kaliumcyanid (KCN). Seine außerordentliche Giftwirkung beruht auf den beiden Komponenten Brom und Cyanid, die sowohl durch enzym-inhibitorische Eigenschaften als Stoffwechselgift, als auch toxisch auf Nervenzellen wirken.[2]

Bromcyan liegt in Form von leicht flüchtigen farblosen Nadeln vor. Mit einer molaren Bildungsenthalpie von 185,6 kJ/mol für Bromcyandampf bzw. 140,4 kJ/mol für den Feststoff handelt es sich um eine instabile endotherme Verbindung,[9] Die Dampfdruckfunktion ergibt sich nach Antoine entsprechend log10(P) = A−(B/(T+C)) (P in bar, T in K) mit A = 3,53667, B = 727,385 und C = −130.052 im Temperaturbereich von 273 K bis 313 K.[9]

In Natronlauge erfolgt die Hydrolyse zu Natriumcyanat und Natriumbromid. Die Reaktion verläuft mit einer molaren Reaktionsenthalpie von −235 kJ·mol−1 stark exotherm.[9]

Bei höheren Temperaturen und in Gegenwart von Aluminiumbromid erfolgt eine Trimerisierung zum Cyanurbromid:[10][S 1]

Trimerisierung von Bromcyan
Trimerisierung von Bromcyan

Die Trimerisierung erfolgt auch langsam bei Raumtemperatur bei der Lagerung der Verbindung über einen längeren Zeitraum.[11] Die Reaktion von Bromcyan mit Phenol ergibt Phenylcyanat.[12]

Das BrCN-Molekül besitzt eine lineare Struktur. Die Bindungslängen der Br–C-Bindung bzw. der C–N-Bindung sind typisch für eine C–Br-Einfachbindung bzw. C–N-Dreifachbindung. Die Bindungslängen betragen für die C–Br–Bindung 1,789 Ångström, für die C–N–Bindung 1,160 Ångström.[13] Das Bromcyanmolekül ist polar. Das Dipolmoment beträgt 2,94 D.[14]

In der Biochemie wird es für Bromcyan als Hilfsmittel zur Sequenzierung von Proteinen eingesetzt. Es kann Proteine selektiv spalten, wodurch kürzere Peptidketten erhalten werden, die leichter zu analysieren sind.[15] Die Reaktion findet selektiv C-terminal nach der Aminosäure Methionin statt. Als Lösungsmittel eignen sich beispielsweise 0,1-molare Salzsäure, 75%ige Trifluoressigsäure oder 70 %ige Hypofluorige Säure.[16] In der Affinitätschromatographie dient Bromcyan als Reagenz, um Proteine an eine Unterlage, beispielsweise aus Agarose, zu binden.[17] Früher wurde es in der Cyanidlaugerei zur Goldgewinnung eingesetzt.[18]

Sicherheitshinweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gasförmiges Bromcyan wird über die Haut kaum, über Atemwege und Verdauungstrakt gut resorbiert. Es kann beim Kontakt mit Wasser und Magensäure oder beim Erhitzen zu Cyanwasserstoff, Bromwasserstoff, Dicyan und Cyanurbromid[S 1] hydrolysiert oder zersetzt werden. Auf Augen, Haut und Schleimhäute wirkt Bromcyan sehr stark reizend bis ätzend. Im Gegensatz zu Blausäure wird es bei Anwesenheit in der Luft ab 1 ppm als reizend wahrgenommen; bei etwa 9 ppm liegt die „Erträglichkeitsgrenze“.[2]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Eintrag zu Bromcyan. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 1. April 2014.
  2. a b c d e f g h i Eintrag zu Bromcyan in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 2. Januar 2024. (JavaScript erforderlich)
  3. National Technical Information Service, PB214-270.
  4. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-19.
  5. B. Vanelslander, C. Paul u. a.: Daily bursts of biogenic cyanogen bromide (BrCN) control biofilm formation around a marine benthic diatom. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. 109, 2012, S. 2412, doi:10.1073/pnas.1108062109.
  6. K.H. Slotta: Bromcyan und wasser-freie Blausäure in Chem. Ber. 67 (1934) 1028-1030. doi:10.1002/cber.19340670622.
  7. Hartmann, W.W., Dreger, E.E.: Cyanogen Bromide In: Organic Syntheses. 11, 1931, S. 30, doi:10.15227/orgsyn.011.0030; Coll. Vol. 2, 1943, S. 150 (PDF).
  8. W. König: Untersuchungen aus dem organ.‐chem. Laboratorium der Technischen Hochschule zu Dresden. XCVII. Über die Umsetzung von Rhodaniden mit Brom in wäßriger Lösung. In: Journal für Praktische Chemie. Band 84, Nr. 1, September 1911, S. 558–560, doi:10.1002/prac.19110840139.
  9. a b c G. Lord, A. A. Woolf: The cyanogen halides. Part III. Their heats of formation and free energies. In: Journal of the Chemical Society (Resumed). 1954, S. 2546–2551, doi:10.1039/JR9540002546.
  10. F. Oberhauser: Das Verhalten des Bromcyans gegenüber Metallsalzen in Chem. Ber. 60 (1927) 1434–1439, doi:10.1002/cber.19270600628.
  11. M.I. Grossmann: Cyanogen bromide danger in Chem. Eng. News 58 (1980) 43.
  12. Joel Morris, Lajos Kovács, Kouichi Ohe: Cyanogen Bromide. In: Encyclopedia of Reagents for Organic Synthesis. John Wiley & Sons, Ltd, Chichester, UK 2015, ISBN 978-0-470-84289-8, S. 1–8, doi:10.1002/047084289x.rc269.pub3 (wiley.com [abgerufen am 23. März 2024]).
  13. A. G. Smith, H. Ring, W. V. Smith, W. Gordy: Interatomic Distances and Nuclear Quadrupole Couplings in ClCN, BrCN, and ICN in Phys. Rev. 74 (1948) 370–372. doi:10.1103/PhysRev.74.370.
  14. J. K. Tyler, J. Sheridan: Structural studies of linear molecules by microwave spectroscopy in Trans. Faraday Soc. 59 (1963) 2661–2670. doi:10.1039/TF9635902661.
  15. Raymond Kaiser, Lorraine Metzka: Enhancement of Cyanogen Bromide Cleavage Yields for Methionyl-Serine and Methionyl-Threonine Peptide Bonds. In: Analytical Biochemistry. Band 266, Nr. 1, Januar 1999, S. 1–8, doi:10.1006/abio.1998.2945.
  16. W.A. Schroeder, Joan Balog Shelton, J.Roger Shelton: An examination of conditions for the cleavage of polypeptide chains with cyanogen bromide: Application to catalase. In: Archives of Biochemistry and Biophysics. Band 130, 1969, S. 551–555, doi:10.1016/0003-9861(69)90069-1.
  17. Luis A Jurado, James Mosley, Harry W Jarrett: Cyanogen bromide activation and coupling of ligands to diol-containing silica for high-performance affinity chromatography. In: Journal of Chromatography A. Band 971, Nr. 1-2, September 2002, S. 95–104, doi:10.1016/S0021-9673(02)00964-0.
  18. William E. Luttrell: Cyanogen bromide. In: Journal of Chemical Health & Safety. Band 16, Nr. 4, 1. Juli 2009, S. 29–30, doi:10.1016/j.jchas.2009.05.012.
  1. a b Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Cyanurbromid: CAS-Nr.: 14921-00-7, PubChem: 26967, Wikidata: Q82004286.