Bruno Weil (Jurist)
Ernst Bruno Jacob Weil (* 4. April 1883 in Saarlouis, 11. November 1961 in New York City) war ein deutsch-argentinischer Rechtsanwalt, Publizist, Politiker und Schriftsteller jüdischen Glaubens.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit seinen Eltern zog er 1896 nach Metz. Im Jahr 1901 begann er ein Studium der Rechtswissenschaften zunächst an der Universität München (1901–1903) und dann an der Universität Straßburg. Nach dem Referendariat (in Colmar und Straßburg) ließ er sich 1910 in Straßburg als Anwalt nieder.[1] Bruno Weil wurde 1906 an der Universität Würzburg mit einer Arbeit zum Familienrecht zum Doktor der Rechte promoviert.[2][3]
Von 1910 bis 1919 praktizierte Weil, unterbrochen vom Kriegsdienst von 1915 bis 1918 an der Ostfront,[4] als Rechtsanwalt in Strassburg. Von 1920 bis 1935 war er in Berlin als Notar, Industrieanwalt und Rechtsvertreter in Prozessen gegen Antisemiten, sowie deutscher Rechtsberater der englischen und französischen Botschaften tätig.[5]
Weil hatte sich schon vor dem Ersten Weltkrieg im Zusammenhang mit der Zabern-Affäre politisch engagiert und elsässische Zivilisten gegen preußische Soldaten vor Gericht vertreten.[1] Er war Mitglied und seit 1926 Vizepräsident des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. In der Zeit der Weimarer Republik war als Publizist, Redner und Anwalt führend am „Abwehrkampf gegen Antisemitismus und Nationalsozialismus“ beteiligt.[6] 1926 war er der vom Centralverein bestellte Anwalt der Verteidigung im Münchmeyer-Prozess.[7] Er galt als einer der versiertesten Prozessanwälte des Centralvereins.[8] In seiner Schrift „Der Politische Prozess“ wies er darauf hin, dass es in politischen Verfahren mehr auf das öffentliche Echo als auf die gerichtliche Entscheidung ankomme („Der Prozess ist nichts – das Echo alles!“).[9] Weil war Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), für die er bei der Reichstagswahl 1930[10] und 1932[6] erfolglos antrat.
Als Weltkriegsveteran und dank der Fürsprache der französischen Botschaft konnte Weil noch zu Beginn der Zeit des Nationalsozialismus bis 1935 in Deutschland als Anwalt praktizieren.[11][12] Da er zahlreiche internationale Klienten hatte, reiste er in den Jahren von 1933 bis 1935 viel und nutze diese, um im Ausland in Vorträgen und Treffen auf die Situation der Juden in Deutschland hinzuweisen und Ausreisemöglichkeiten zu schaffen.[13] Im NS-Staat wurden seine Rechte zunehmend beschnitten. Er erstritt sich vor dem Reichsgericht das Recht, bei der Saarabstimmung 1935 mit abstimmen zu dürfen. Im selben Jahr wurden ihm und seiner Frau Alice[14] vorübergehend ihre Pässen abgenommen und ihm durch Reinhard Heydrich jeder öffentliche Auftritt untersagt.
Im Oktober 1936 emigrierte er mit seiner Frau nach Argentinien und wurde im selben Jahr argentinischer Staatsbürger.[15][11] Im Jahr 1939 wurde er zusammen mit seiner Frau auf einer Reise nach Frankreich vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs überrascht und konnten das Land nicht mehr verlassen. Im Juni 1940 wurden sie als „feindliche Ausländer“ für zwei Monate interniert (er im Lager Le Vernet).[16] Nach dem Waffenstillstand von Compiègne konnte er nach Argentinien ausreisen.[17]
Im Jahr 1950 zog er in die USA. Dort gehörte er zu den Gründern der Axis Victims League, deren Präsident er war und die sich unter anderem für Rückgabe und Entschädigung enteigneten oder zerstörten jüdischen Vermögens einsetzte.[18]
Weil starb 1961 in New York City.[2] Sein Nachlass wird vom Leo Baeck Institut in New York verwaltet.
Schriften (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weil war Autor zahlreicher Bücher und Aufsätze. Neben juristischen Fachaufsätzen und politischen Artikeln und Redemanuskripten verfasste er mehrere populäre Monographien über historisch-juristische Themen, wie die Dreyfus-Affäre oder den Skandal rund um den ersten Versuch zum Bau des Panama-Kanals, die zum Teil zahlreiche Auflagen erlebten. Seine Monographie Der Prozess des Hauptmann Dreyfus diente als Vorlage zum 1930 von Richard Oswald gedrehten Film Dreyfus mit Fritz Kortner.
- Die deutsch-französischen Rechtsbeziehungen vom Kriegsanfang bis zur Gegenwart. Carl Heymann, Berlin 1929 (Inhalt).
- Der Prozess des Hauptmanns Dreyfus. Rothschild, Berlin-Grunewald 1930 (Inhaltsverzeichnis).
- Neue und erweiterte Ausgabe im Verlag Allgemeine Wochenzeitung der Juden in Deutschland, 1960.
- Glück und Elend des Generals Boulanger. Rothschild, Berlin-Grunewald 1931. (erschien gleichzeitig in französischer Sprache)
- Panama. Rothschild, Berlin-Grunewald 1931 (dnb.de). (auch in französischer und spanischer Übersetzung erschienen)
- Der Weg der deutschen Juden. Centralverein dt. Staatsbürger jüdischen Glaubens, 1934 (Digitalisat).
- Baracke 37 – stillgestanden! Ich sah Frankreichs Fall hinter Stacheldraht. Editorial Estrellas, Buenos Aires 1941 (Inhaltsverzeichnis).
- Durch drei Kontinente. Editorial Cosmopolita, Buenos Aires 1948 (Inhaltsverzeichnis).
- Peter C. Keller (Hrsg.): Mutterkorn Vaterland Bruno Weil: Autor – Advokat – Politiker. Ein Lesebuch. Röhrig, St. Ingbert 1960, ISBN 3-924555-25-7 (Inhalt).
- Clodia: Roms grosse Dame und Kurtisane. Classen, Zürich 1960.
- 2000 Jahre Cicero. Classen, Zürich 1962.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Simone Ladwig-Winters: Bruno Weil. A traveller across all continents. In: Bundesrechtsanwaltskammer (Hrsg.): Lawyers without Rights. 2000, S. 27 (englisch, uscourts.gov [PDF]).
- Ernst Gottfried Lowenthal: Zum Tode von Bruno Weil. In: (unbekannte Zeitung). Nr. 48, 1. Dezember 1961 (Zeitungsausschnitt in der Kreutzberger / Foerg Clippings Collection (S. 52) [PDF]).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Biographical Note. In: Bruno Weil Collection. Center for Jewish History, abgerufen am 19. August 2023 (englisch).
- Bilder und Texte von Bruno Weil. In: Center for Jewish History. (teilweise online zugänglich)
- Bruno Weil Collection 1854–1972: Reel 2. (PDF) (Sammlung von Notizen, Zeitungsartikeln und anderen Dokumenten von und über Weil sowie Prozessakten)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Bruno Weil Collection 1854–1972: Reel 2. (PDF) 1942, abgerufen am 19. August 2023 (englisch, S. 155 u S. 328, Aussageprotokoll B. Weil).
- ↑ a b Biographical Note. In: Bruno Weil Collection. Center for Jewish History, abgerufen am 19. August 2023 (englisch).
- ↑ Das Wesen des familienrechtlichen Vertrages. Zürich 1934 (d-nb.info).
- ↑ Tracey Hayes Norrell: For the Honor of Our Fatherland: German Jews on the Eastern Front during the Great War. Lexington Books, 2017, S. 63 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Weil, Bruno: Biographische Notiz. In: bundesarchiv.de. Abgerufen am 19. August 2023.
- ↑ a b Arnold Paucker: Der jüdische Abwehrkampf gegen Antisemitismus und Nationalsozialismus in den letzten Jahren der Weimarer Republik. Leibniz-Verlag, Hamburg 1968, S. 86, 94 (zeitgeschichte-hamburg.de [PDF]).
- ↑ Donald L. Niewyk: The Jews in Weimar Germany. In: Herbert A. Strauss (Hrsg.): Hostages of Modernization: Germany - Great Britain - France. Walter de Gruyter, 2011, S. 204–226, S. 211 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Warren Rosenblum: Jews, Justice, and the Power of ‘Sensation’ in the Weimar Republic. In: The Leo Baeck Institute Yearbook. Band 58, 2013, S. 35–52 (englisch).
- ↑ Bruno Weil: Der Politische Prozess. In: Centralverein Deutscher Staatsbürger Jüdischen Glaubens (Hrsg.): Deutsches Judentum und Rechtskrisis. Philo-Verlag, Berlin 1927, S. 89.
- ↑ New German Party Names Bruno Weil as Reichstag Candidate. In: Jewish Daily Bulletin. Band 7, Nr. 1743, 20. August 1930 (englisch, jta.org).
- ↑ a b Simone Ladwig-Winters: Bruno Weil. A traveller across all continents. In: Bundesrechtsanwaltskammer (Hrsg.): Lawyers without Rights. 2000, S. 27 (englisch, uscourts.gov [PDF]).
- ↑ Bruno Weil Collection 1854–1972: Reel 2. (PDF) 1942, abgerufen am 19. August 2023 (englisch, S. 160, Aussageprotokoll B. Weil).
- ↑ Bruno Weil Addresses Meeting, May 3rd, Hotel Warwick, 17th and Locust Streets. In: Shofar. Band 7, Nr. 8, Mai 1944 (Bruno Weil Collection 1854–1972: Reel 2, S. 34 [PDF]).
- ↑ Heirat am 1. Juni 1926, vgl. Bruno Weil Collection 1854–1972: Reel 2. (PDF) 1942, abgerufen am 19. August 2023 (englisch, S. 146, Aussageprotokoll von Frau Weil aus einem Gerichtsverfahren).
- ↑ Bruno Weil Collection 1854–1972: Reel 2. (PDF) 1942, abgerufen am 19. August 2023 (englisch, S. 265, Prozessakten).
- ↑ Bruno Weil Collection 1854–1972: Reel 2. (PDF) 1942, abgerufen am 19. August 2023 (englisch, S. 573ff, Vernehmungsprotokoll).
- ↑ Ruth Schwertfeger: In Transit: Narratives of German Jews in Exile, Flight, and Internment During "The Dark Years" of France. Frank & Timme, 2012, S. 90–94 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Melvin I. Urofsky, David W. Levy (Hrsg.): Letters of Louis D. Brandeis. Volume V (1921–1941): Elder Statesman. SUNY Press, 1978, S. 562, Fußnote 2 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Personendaten | |
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NAME | Weil, Bruno |
ALTERNATIVNAMEN | Weil, E. J. Bruno; Weil, Ernst Bruno Jacob |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-argentinischer Rechtsanwalt, Politiker und Autor |
GEBURTSDATUM | 4. April 1883 |
GEBURTSORT | Saarlouis |
STERBEDATUM | 11. November 1961 |
STERBEORT | New York City |
- Sachbuchautor
- Publizist
- Person des Judentums (Deutschland)
- Rechtsanwalt (Deutsches Reich)
- Notar (Deutsches Reich)
- DDP-Mitglied
- Emigrant aus dem Deutschen Reich zur Zeit des Nationalsozialismus
- Deutscher Emigrant in Argentinien
- Deutscher Emigrant in den Vereinigten Staaten
- Deutscher
- Argentinier
- Geboren 1883
- Gestorben 1961
- Mann
- Person im Ersten Weltkrieg (Deutsches Reich)