Cadaloc
Cadaloc oder Chadaloch (* zwischen 770 und 775; † 802) war ein in Traismauer, im bairischen Ostland ansässiger fränkischer Markgraf, der am Awarenkrieg Karls des Großen (768–814) teilnahm und im Jahr 802 im Kampf fiel. Ob er tatsächlich auf dem Areal der heutigen Pfarrkirche von Traismauer bestattet wurde, konnte bisher nicht zweifelsfrei geklärt werden.
Entwicklung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Cadaloc war mit einer der Ehefrauen von Kaiser Karl verwandt. Im dritten Awarenaufstand wurde der missus Cadaloc[1], zusammen mit dem Präfekten des bairischen Ostlandes (Marcha orientalis) Goteram, nahe dem Kastell Guntio, "ad castellum Guntionis", getötet,[2][3] es konnte bis dato noch nicht lokalisiert werden. Nach Herwig Wolfram wird die häufig vorgenommene Gleichsetzung von Guntionis mit dem ungarischen Güns (Kiseg/Kőszeg) von der Namenkunde abgelehnt. Wolfram nimmt an, dass sich dieser Ort wahrscheinlich im nördlichen Burgenland befand. Bei "Guntio" könnte es sich auch um einen germanischen Adeligen gehandelt haben, der unter den Awaren seine Stellung behaubten konnte. Die Quellen berichten auch von einem Awaren mit gepidischen oder suebischen Namen der zu den Franken überlief.[4][5]
Das ursprünglich als Kastell Augustianis gegründete Traismauer trat nach dem Abzug der Römer erst wieder im 9. Jahrhundert ins Licht der Geschichte, 820 wurde das Gebiet um die Stadt dem Salzburger Erzbischof übertragen. Cadaloc wurde vermutlich in der damaligen Martinskirche, ein Holzbau, der über der Ruine der Principia des ehemaligen römischen Hilfstruppenlagers 'errichtet worden war, beigesetzt. Das urkundlich erstmals 799 als Tresma erwähnte Traismauer war Sitz der zivilen und kirchlichen Verwaltung[6] der karolingischen Grafschaft zwischen Enns und Wienerwald und bildete zudem mit der St. Martinskirche auch den geistlichen Mittelpunkt der Besitzungen des Erzstifts Salzburg an der Donau östlich der Enns.[7] Die Martinskirche gehörte zu einem an der Traisen gelegenen königlichen Gutshof, curtis ad Trigisimam.[8][9] Heute ist die Grabstätte von der Krypta (Unterkirche) der Ruprechtskirche überbaut.
Grabkammer
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das frühchristliche Körpergrab wurde 1975, im Zuge einer vom Österr. Bundesdenkmalamt (Hannsjörg Ubl) initiierten, fünfwöchigen Grabungskampagne (anlässlich der Renovierung der Stadtpfarrkirche), entdeckt. Im Zuge der Verlegung von Heizungsschächten wurde unter dem mittleren Joch des Langhauses der Estrich eines römerzeitlichen Gebäudes freigelegt, das durch ein Feuer zerstört worden war. Vier Räume konnten im östlichen und im mittleren Bereich des Langhauses ausgegraben werden, wobei vier Bauphasen unterschieden werden konnten. Bauphase II beinhaltete den Umbau bereits vorhandener Baustrukturen. Die Grablege (West-Ost-Ausrichtung) war in die römischen Schichten im östlichsten Joch eingetieft; östlich davon befand sich in Nord-Süd-Richtung das Mauerwerk der karolingischen Grabkammer, das direkt auf dem Fundament des 6 × 6 m großen Aedes principiorum[10] aufgesetzt war. Die Grablege war nur grob aus dem Estrich herausgemeisselt worden.[11] Im Osten hatte die Kammer eine Tür- oder Fensteröffnung. Der Grabbau war wohl als „confessio“ konzipiert worden, d. h. der Tote wurde während des Frühmittelalters als Heiliger oder Märtyrer verehrt.[12][13][14]
Befunde
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Grabung von 1975 brachte u. a. die Reste von 187 Menschen, darunter die eines zum Zeitpunkt seines Todes im frühen 9. Jahrhundert ca. 30-jährigen Mannes zu Tage. Die Grabkammer, die gut erhaltenen Zähne sowie Reste von Gold- und Silberfäden, er war offensichtlich in einem reich bestickten Übergewand mit Ledergürtel samt Riemenzunge bestattet worden, wiesen auf einen hohe gesellschaftliche Stellung des Toten hin. Die forensische Untersuchung ergab, dass der Mann durch einen Pfeil getötet worden war, jedoch ist nicht klar, an welcher Seite er ihn getroffen hat. Das Geschoss war an seiner Vorderseite eingedrungen, durchschlug die Eingeweide, verursachte eine Blutvergiftung und Wundstarrkrampf mit anschließenden Herzstillstand.[15] Der Befund birgt jedoch noch viele Unsicherheiten und lässt mehrere Interpretationsmöglichkeiten zu. Neben der Cadaloc-Deutung sind aber auch andere historische Szenarien für das in der Unterkirche liegende Individuum denkbar, z. B. dass der dort Bestattete schon im 5. Jahrhundert n. Chr. im Kampf gegen die Hunnen starb. 2022 wurde in Kooperation mit dem Department für Evolutionäre Anthropologie und dem Forschungsnetzwerk HEAS – Human Evolution and Archaeological Science der Universität Wien neue bioarchäologische Untersuchungen vorgenommen, die unter Anwendung modernster archäothanatologischer Untersuchungsmethoden ([digital-]archäologische, anthropologische und archäogenetische Analysen, 14C-Datierung und Isotopenuntersuchungen) neue Erkenntnisse über die Bestattung in der Unterkirche liefern sollen.[16]
Hinweis
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Über der Ausgrabungsstätte wurde eine neue Betondecke (Boden des Kirchenraums) eingezogen. Die Ausgrabungen sind damit von außen, wenn geöffnet, durch einen Treppenabgang für Interessierte zugänglich gemacht worden.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Johann Offenberger: Das römische Lager Augustianis-Traismauer. In: Fundberichte aus Österreich, Band 22, 1983.
- Herwig Friesinger, Brigitte Vacha: Die vielen Väter Österreichs. Römer-Germanen-Slawen. Eine Spurensuche, Compress Verlag, Wien 1987, ISBN 3-900607-03-6.
- Michael Mitterauer: Karolingische Markgrafen im Südosten. Fränkische Reichsaristokratie und bayerischer Stammesadel im österreichischen Raum. Österr. Akademie der Wissenschaften, Philosophisch historische Klasse, historische Kommission. Band 23, Hermann Böhlaus Nachf./Graz-Wien-Köln, Kommissionsverlag d. ÖADW, Wien 1963. PDF
- Franz Pieler, Elisabeth Nowotny (Hrsg.): Beiträge zum Tag der Niederösterreichischen Landesarchäologie 2023. Amt der Niederösterreichischen Landesregierung Abteilung Kunst und Kultur. St. Pölten 2023.
- Hans Krawarik: Siedlungsgeschichte Österreichs: Siedlungsanfänge, Siedlungstypen, Siedlungsgenese, LIT Verlag Dr. Wilhelm Hopf, 2006. ISBN 3-8258-9040-6.
- Fritz Zimmermann: Personennamen der Karolingerzeit in der Ortsnamengebung des burgenländischen Raumes. Burgenländische Heimatblätter, 2. Fortsetzung, Eisenstadt 1956.
- K. Lechner: Regensburger Besitz im Burgenland am Anfang des 9. Jahrhunderts. Burgenländische Heimatblätter, 15. Jahrgang, Heft 2, Eisenstadt 1953.
- Hannsjörg Ubl: Traismauer, Ausgrabungen unter der Stadtpfarrkirche, Traismauer 1975.
- Alois Mosser: Traismauer. Zentrum der karolingischen Grafschaft zwischen Enns und Wienerwald. In: Fundberichte aus Österreich, Band 16, 1977, S. 275–286.
- Alois Mosser: Salzburg und das Königsgut an der Traisen. Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Band 77, No. 3–4, 1969.
Einzelnachweise und Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Michael Mitterauer: Karolingische Markgrafen im Südosten. Fränkische Reichsaristokratie und bayerischer Stammesadel im österreichischen Raum. Österr. Akademie der Wissenschaften, Philosophisch historische Klasse, historische Kommission. Band 23, Hermann Böhlaus Nachf./Graz-Wien-Köln, Kommissionsverlag d. ÖADW, Wien 1963, S. 128.
- ↑ Fritz Zimmermann: Personennamen der Karolingerzeit in der Ortsnamengebung des burgenländischen Raumes. Burgenländische Heimatblätter, Eisenstadt, S. 99. (abgerufen am 11. Dezember 2024)
- ↑ Mitterauer Michael: Karolingische Markgrafen im Südosten. Archiv für österreichische Geschichte Band 123. Hermann Böhlaus Nachf./Graz-Wien-Köln 1963, S. 65. (abgerufen am 11. Dezember 2024).[1]
- ↑ Herwig Wolfram: "Der Raum der Güssinger Herrschaft in der Karolingerzeit", veröffentlicht in Die Güssinger, Ergebnisse der Symposien im Rahmen der „Schlaininger Gespräche“ 1986/1987, Hrsg. Burgenländisches Landesmuseum Eisenstadt, Eisenstadt 1989.
- ↑ K. Lechner: Regensburger Besitz im Burgenland am Anfang des 9. Jahrhunderts. Burgenländische Heimatblätter, 15. Jahrgang, Heft 2, Eisenstadt 1953.
- ↑ Vgl. die Urkunde Confirmatio Ludovici Pii (823), in welcher Traismauer an erster Stelle aufgeführt wird.
- ↑ Hans Krawarik: Siedlungsgeschichte Österreichs: Siedlungsanfänge, Siedlungstypen, Siedlungsgenese, Verlag Lit, 2006, S. 126f.
- ↑ Traismauer. In: Gedächtnis des Landes. Niederösterreichische Museum BetriebsgesmbH., abgerufen am 5. Oktober 2023.
- ↑ Alois Mosser: Salzburg und das Königsgut an der Traisen. Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Band 77, No. 3–4, 1969, S. 17ff.
- ↑ Fahnenheiligtum und Kellerraum für die Aufbewahrung der Truppenkasse.
- ↑ Stadtpfarrkirche Traismauer (abgerufen am 11. Dezember 2024).
- ↑ Offenberger: 1983, S. 133 und Friesinger/Vacha: 1987, S. 110.
- ↑ Unterkirche. Stadtgemeinde Traismauer, abgerufen am 5. Oktober 2023.
- ↑ FRE Der römische Limes in Österreich, Eva Kuttner: Stadtpfarrkirche 1975 (Gebäude - Principia) Allgemeines (abgerufen am 12. Dezember 2024).
- ↑ Offenberger: 1983, S. 133 und Friesinger/Vacha: 1987, S. 110.
- ↑ Dominik Hagmann: Im Nordosten viel Neues! Aktuelles zur provinzialrömischen und frühmittelalterlichen (Bio-)Archäologie sowie Kulturvermittlung in Traismauer (UNESCO-Welterbestätte „Donaulimes“), Principia und „Cadaloc“: Bioarchäologie in der Unterkirche, in: Franz Pieler, Elisabeth Nowotny (Hrsg.): Beiträge zum Tag der Niederösterreichischen Landesarchäologie 2023. Amt der Niederösterreichischen Landesregierung Abteilung Kunst und Kultur. St. Pölten 2023, S. 78.
Personendaten | |
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NAME | Cadaloc |
KURZBESCHREIBUNG | Grenzgraf im bairischen Ostland |
GEBURTSDATUM | zwischen 770 und 775 |
STERBEDATUM | 803 |
STERBEORT | Kastell Guntio |