Calle Fuhr

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Calle Fuhr (geboren 1994 in Düsseldorf) ist ein deutscher Theaterregisseur und -autor. Er widmet sich insbesondere dem Recherche- oder Investigativtheater, der Verbindung von investigativem Journalismus und Bühnenstück.[1]

Fuhr wuchs mit seinen Geschwistern in Düsseldorf auf. Bereits als Schüler des Görres-Gymnasiums fiel er mit seiner Theaterbegeisterung dem Regisseur Dušan David Pařízek auf, der ihm empfahl, sich auf eine Vakanz am Düsseldorfer Schauspielhaus zu bewerben.[2] Fuhr erhielt die Stelle und sammelte nach dem Abitur Erfahrungen als Regieassistent am Schauspielhaus in Düsseldorf, im Studio der Helden in Prag und am Volkstheater in Wien. Am Volkstheater gab ihm Anna Badora die Chance auf eigene kleinere Inszenierungen, und mit 22 Jahren brachte er Heiner Müllers Philoktet auf die Studiobühne des Theaters. Die Rolle des jungen Kriegers besetzte er mit Stefanie Reinsperger.[2]

2017 ging er nach Berlin und war freischaffend als Regisseur und Autor tätig.[2][3] In diese Zeit fiel beispielsweise sein Stück In die Sterne, das 2018 unter seiner Regie am Deutschen Theater Berlin uraufgeführt wurde und das der Westdeutsche Rundfunk 2020 als Hörspiel (Regie: Petra Feldhoff) sendete.[4][5]

2020 wollte er die Theaterarbeit aufgeben und arbeitete als Koch im Restaurant eines Freundes in Düsseldorf.„Ich […] hatte keine Lust mehr, ich wollte eine feste Bleibe ­haben, sozial leben“, erklärte er seine Entscheidung. Es sei ihm „einfach zu krass“ gewesen, sich „dem freien Markt auszuliefern, immer in einer ­anderen Stadt zu sein“.[6] Als Kay Voges mit ihm Kontakt aufnahm, um ihn fest an das Volkstheater in Wien zu holen, wurde er 2020 „Künstlerischer Produktionsleiter Volkstheater in den Bezirken“ des Theaters.[6] Zu seinen Volkstheater-Produktionen, die durch die Wiener Bezirke tourten, gehörte 2022 Musketiere nach dem Roman von Alexandre Dumas. Mit seinem Werk über Solidarität habe Fuhr das Vorstadttheater „cool gemacht“, befand die Rezensentin des Online-Magazins Bühne und lobte es als „witziges, tiefgründiges kleines Meisterwerk“.[7] Er arbeitete für die Tiroler Volksschauspiele, das Theater Basel und das Luxemburger Kasemattentheater.[8]

Zur Verknüpfung von Journalismus und Theater kam Fuhr durch Kay Voges, der schon in Dortmund mit dem gemeinnützigen Medienunternehmen Correctiv zusammengearbeitet hatte und wissen wollte, ob es eine solche Rechercheplattform auch in Österreich gebe. In der ersten Volkstheater-Produktion in Zusammenarbeit mit Dossier, Heldenplätze mit Gerti Drassl, arbeitete Fuhr ältere Dossier-Recherchen zum Leben von Toni Sailer neu auf. Heldenplätze hatte im Sommer 2021 eine Voraufführung beim Theaterfestival Hin & Weg in Litschau, als Fuhr dort Artist in Residence war, und wurde im Herbst 2021 in den Volkstheater-Spielplan aufgenommen.[1][9][10]

Im September 2023 hatte sein Recherchestück Das Kraftwerk (in Kooperation mit Correctiv, Regie: Aram Tafreshian) am Staatstheater Cottbus Premiere. Es wurde mit einer Einladung zum Festival „Radikal jung“ 2024 am Münchner Volkstheater ausgezeichnet.[11][12]

In Zusammenarbeit mit Dossier entstand Aufstieg und Fall des Herrn René Benko. Das Stück, bei dem Fuhr auch Regie führte, wurde am 16. März 2024 im Wiener Volkstheater uraufgeführt.[13] taz-Autor Uwe Mattheis konstatierte, an dem Abend im ausverkauften Volkstheater sei viel mitgeschrieben worden, „weniger von Notizblockkritiker:innen, […] eher von juristischem Personal“.[14] In Nachtkritik.de nannte es Reinhard Kriechbaum einen anderthalbstündigen „Super-Lehrgang in Trickwirtschaft“.[15] Mit der Solo-Performance gastierte Fuhr im Juli 2024 beim Berliner Ensemble.[16]

Unter dem Titel Alphabet. 26 Theater-Miniaturen für eine sich erwärmende Welt brachte er 2024 im Luxemburger Kasemattentheater in 26 Szenen das Thema Klimawandel als Recherchestück auf die Bühne, angelehnt an einen zwei Jahre zuvor von Elizabeth Kolbert im Magazin The New Yorker veröffentlichten Artikel. Das satirische Stück überzeuge weitgehend, komme gelegentlich aber zu belehrend daher, urteilte das Luxemburger Wort.[17][18]

Fuhr gilt als einer der profiliertesten Vertreter des Recherche- oder Investigativtheaters.[1]

2019 und 2020 hatte er Lehraufträge an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin, 2022 lehrte er an der Otto Falckenberg Schule in München.[19]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c Elena Philipp, Esther Slevogt: Zum Verstehen verführen. In: nachtkritik.de. 6. August 2024, abgerufen am 9. August 2024.
  2. a b c Hans Onkelbach: Der junge Regie-Rebell. In: Rheinische Post. 5. Juli 2017, abgerufen am 9. August 2024.
  3. Calle Fuhr, Autor. In: Henschel Schauspiel Theaterverlag. Abgerufen am 9. August 2024.
  4. In die Sterne. In: Henschel Schauspiel Theaterverlag. Abgerufen am 9. August 2024.
  5. „In die Sterne“ von Calle Fuhr. Hörspiel nach dem Theatermonolog. In: Henschel Schauspiel Theaterverlag. Abgerufen am 9. August 2024.
  6. a b Atha Athanasiadis: Volkstheater in den Bezirken: Calle Fuhr sucht nach dem Gemeinsamen. In: buehne-magazin.com. 26. April 2021, abgerufen am 9. August 2024.
  7. Atha Athanasiadis: Die Musketiere erobern die Vorstadt. In: buehne-magazin.com. 22. Februar 2022, abgerufen am 9. August 2024.
  8. Calle Fuhr. In: Tiroler Volksschauspiele, abgerufen am 16. August 2024.
  9. Sarah Wetzlmayer: Theaterfestival Hin & Weg: Im Norden viel Neues. In: buehne-magazin.com. 21. Juli 2021, abgerufen am 9. August 2024.
  10. Heldenplätze. In: Henschel Schauspiel Theaterverlag. Abgerufen am 9. August 2024.
  11. Iven Yorick Fenker: Das muss ans Tageslicht. In: Nachtkritik.de. 24. September 2023, abgerufen am 20. August 2024.
  12. Das Kraftwerk, ein Theaterabend über Kohle, Wasser und die Ewigkeit. Staatstheater Cottbus, abgerufen am 20. August 2024.
  13. Sonja Harter: Vom Wunderwuzzi zum Großpleitier. In: Tiroler Tageszeitung. Innsbruck 12. März 2024, S. 12.
  14. Uwe Mattheis: Die Blase musste platzen. In: taz, die Tageszeitung. 19. März 2024, abgerufen am 10. August 2024.
  15. Reinhard Kriechbaum: Der Kaufhaus-Hütchenspieler. In: Nachtkritik.de. 17. März 2024, abgerufen am 9. August 2024.
  16. Berbara Behrendt: Hütchenspiel-Tricks im System Benko. In: rbb24 Kultur. 2. Juli 2024, abgerufen am 10. August 2024.
  17. Stefan Kunzmann: Bühnenreif in 26 Szenen: Autor und Regisseur Calle Fuhr bringt den Klimawandel ins Theater. In: Tageblatt. 6. Juni 2024, abgerufen am 19. August 2024.
  18. Nora Schloesser: Beim Klimawandel hilft nur Satire. In: Luxemburger Wort. 7. Juni 2024, abgerufen am 19. August 2024.
  19. Vita. In: callefuhr.com. Abgerufen am 9. August 2024.