Can Candan
Can Candan (* 14. Januar 1969 in Istanbul[1]) ist ein Dokumentarfilmer und Wissenschaftler an der Boğaziçi-Universität in Istanbul.[2]
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Candan erlangte im Jahr 1987 am Robert College sein Hochschuldiplom.[3]
Er absolvierte sein Bachelor- und Masterstudium in Filmgestaltung und Medienkunst in den USA am Hampshire College (1992) und an der Temple University (1999). Bis 2000 lehrte er Film- und Medienkunst an verschiedenen Universitäten und Institutionen in den USA.[4] Er unterrichtet Theorie und Geschichte des Dokumentarfilms und betreut Projekte und Dissertationen in den Bereichen Filmwissenschaft und Filmgestaltung und veröffentlicht zum dokumentarischen Kino in der Türkei, unter anderem an der Bilgi-Universität und an der Sabanci-Universität.[5] Seit 2007 lehrte er an der Boğaziçi-Universität in Istanbul.[6][7] Candan ist Gründungsmitglied von docIstanbul, einem Zentrum für Dokumentarfilmstudien.[8]
Candan reiste als Student im Jahr 1991 aus den USA nach Berlin und hielt die Sicht von Migranten auf den Mauerfall dokumentarisch fest. Hierfür sprach er mit Jugendlichen, Geflüchteten oder Arbeitern.[9] Teile der Interviews wurden im Film ''Duvarlar – Mauern – Walls'' veröffentlicht.[10] Im Jahr 2000 brachte er das Rohmaterial des Films, das 50 Stunden Filmmaterial enthält, in das DOMiD (Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in DeutschlandArchiv) in Köln zur Archivierung.[11] Mit dem Film Exodus dokumentierte er die Vertreibung von türkischen Bulgaren aus Bulgarien im Sommer 1989.[12][13] Im Dokumentarfilm Benim Çocuğum geht es um Eltern von schwulen, lesbischen, bisexuellen und transsexuellen (LGBT) Kindern aus Istanbul und deren Versuch, ihre Kinder zu unterstützen.[14] Der Film 3 Saat handelt von dem Examen, das jährlich von 1,5 Millionen türkischen Schülern und Schülerinnen innerhalb von 3 Stunden absolviert werden muss, damit diese den Zugang zur Universität bekommen.[15]
2016 veröffentlichte Candan zusammen mit Dr. Suncem Koçer ein Buch über kurdischen Dokumentationsfilm in der Türkei.[16] Seit 2015 arbeitet er an einem Filmprojekt Nuclear a la Turca, bei dem es um die Nutzung von Atomenergie in der Türkei geht.[17][18][19]
Candan begleitete und unterstützte mit seiner Kamera aktiv die Bosporus-Universität-Proteste.[20][21] Er war auch Mentor für den LGBTIQ* Club BÜLGBTİ+ an der Universität, der von dem ehemaligen durch Präsident Erdogan eingesetzten Rektor Melih Bulu verboten wurde.[22][23] Am 16. Juli wurde Candan von dem neu eingesetzten Übergangsrektor Mehmet Naci İnci gekündigt.[24] In einem „Letter of Support“ protestierten über 300 internationale Akademiker gegen die Entlassung Candans.[25] Candan selbst reichte Klage gegen die Entscheidung ein.[26] Eine Kampagne auf der Online-Plattform Change.org sammelte mit Stand Oktober 2021 fast 10 000 Unterschriften.[27]
Am 11. Oktober 2021 wurde Candan vom Sicherheitsdienst der Universität nicht auf den Campus gelassen. Er war an diesem Tag dort, um seine Kurse zu unterrichten.[28] Unter anderem drückte der Musiker Fazil Say seine Unterstützung für Candan öffentlich aus.[29] Eine Veranstaltung mit dem Titel „Dokumentarisches Abenteuer mit Can Candan“, bei der Candan über Dokumentarfilme auf dem Campus der Boğaziçi-Universität sprechen sollte, wurde für den 25. Oktober vom Rektorat der Universität verboten.[30] Im März 2022 ordnete das 7. Verwaltungsgericht von Istanbul die Aufhebung der Entlassung von Can Candan an.[31] Candan darf demnach den Campus wieder betreten und wurde daraufhin von den Protestierenden Ende März begrüßt.[32][33] Im Oktober 2022 wurde bekannt, dass Candans Kurse erneut nicht mehr an der Universität genehmigt wurden.[34] Candan ging erneut vor Gericht gegen die Universitätsleitung vor und gewann abermals, ist aber nach wie vor nicht an der Universität beschäftigt.[35][36]
Auszeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Benim Çocuğum gewann den Publikumspreis für die beste Dokumentation beim Pink Apple Gay and Lesbian Film Festival 2015 in der Schweiz sowie den Theme Award beim Flying Broom Women’s Film Festival 2014 in der Türkei. Er wurde als bester Film beim Thessaloniki LGBTQ Film Festival im Jahr 2013 in Griechenland ausgezeichnet und gewann den Publikumspreis für die Beste Dokumentation beim Boston Turkish Festival Documentary Film Competition im Jahr 2013 sowie den Public Awareness Project of the Year 2013 beim Man of the Year Award des GQ Magazine.[37] Am 11. September 2021 wählte die Mitgliederversammlung des 1989 gegründeten Hochschulfakultätsverbands ÜNİVDER ihren neuen Vorstand und nahm Candan in ihren Ehrenrat auf.[38]
Filmografie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1989: Boycott Coke[39]
- 1989: Wen-a Portrait
- 1991: Exodus
- 1992: The Drama Studio: An Acting Process
- 2000: Duvarlar – Mauern – Walls (2000)[40]
- 2001: Çatalhöyük
- 2008: 3 Stunden[41]
- 2013: Benim Çocuğum – „Mein Kind“[42][43]
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Can Candan. Abgerufen am 12. August 2021.
- ↑ Berliner Festspiele: Can Candan – Biografie. Abgerufen am 12. August 2021.
- ↑ Can Candan. Abgerufen am 12. August 2021.
- ↑ Berliner Festspiele: Can Candan – Biografie. Abgerufen am 12. August 2021.
- ↑ onlinefilm.org - Can Candan | Film / Funk | Bildung | Istanbul. Abgerufen am 12. August 2021.
- ↑ Lokaler Konflikt wird global. In: Die Tageszeitung: taz. 22. Juli 2021, ISSN 0931-9085, S. 15 (taz.de [abgerufen am 12. August 2021]).
- ↑ Boğaziçi’nin simge hocası Can Candan | "Rektör İnci’nin kararını tanımıyoruz" - DW Türkçe. Abgerufen am 24. Oktober 2021 (deutsch).
- ↑ Gorki - Herbstsalon | Can Candan. Abgerufen am 12. August 2021.
- ↑ Ömer Alkin: "Nobody seemed to care" | bpb. Abgerufen am 12. August 2021.
- ↑ Can Candan: Duvarlar – Mauern – Walls | bpb. Abgerufen am 14. August 2021.
- ↑ Zeithistorisches Material von Can Candan aufgenommen. Abgerufen am 14. August 2021.
- ↑ Can Candan: EXODUS - GÖÇ (1991). (academia.edu [abgerufen am 12. August 2021]).
- ↑ "Gerçeklere filmle tepki veren" bir akademisyen: Can Candan. Abgerufen am 11. August 2021.
- ↑ Benim Çocuğum – Mein Kind – My Child. Filmrundreise mit Can Candan | Rosa-Luxemburg-Initiative. Ehemals im ; abgerufen am 12. August 2021. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) (nicht mehr online verfügbar)
- ↑ The D-Word: 3 Saat (3 Hours) - documentary film. Abgerufen am 12. August 2021 (englisch).
- ↑ International support for-academic Can Candan. BIA News Desk, abgerufen am 12. August 2021.
- ↑ “Nuclear alla Turca” - Widerstand gegen den Bau des ersten AKW in der Türkei. 9. März 2016, abgerufen am 12. August 2021.
- ↑ „Radioaktiver Tee schmeckt besser!“ In: Die Tageszeitung: taz. 7. November 2017, ISSN 0931-9085, S. 9 (taz.de [abgerufen am 12. August 2021]).
- ↑ Atomkraft - Die Türkei und der Traum von der Atomkraft. Abgerufen am 12. August 2021.
- ↑ Ingo Arend: „Was wir fordern, ist legitim“. In: Die Tageszeitung: taz. 13. März 2021, ISSN 0931-9085, S. 16 (taz.de [abgerufen am 12. August 2021]).
- ↑ Lokaler Konflikt wird global. In: Die Tageszeitung: taz. 22. Juli 2021, ISSN 0931-9085, S. 15 (taz.de [abgerufen am 12. August 2021]).
- ↑ Boğaziçi’nin “vekaleten kayyumu” İnci, akademisyen nöbetlerini kayda alan ve BÜLGBTİ+’nın danışmanlığını yapan Can Candan’ın işine son verdi. Abgerufen am 12. August 2021.
- ↑ Students and faculty at top Turkish university battle Erdogan’s attempt at control. In: Washington Post. ISSN 0190-8286 (washingtonpost.com [abgerufen am 12. August 2021]).
- ↑ Lokaler Konflikt wird global. In: Die Tageszeitung: taz. 22. Juli 2021, ISSN 0931-9085, S. 15 (taz.de [abgerufen am 12. August 2021]).
- ↑ Duvar English: 300 int'l academics, filmmakers sign letter supporting dismissed Boğaziçi faculty member Can Candan. 24. Juli 2021, abgerufen am 12. August 2021 (türkisch).
- ↑ Candan'dan Boğaziçi Üniversitesi Rektörlüğü'ne dava. Abgerufen am 15. August 2021.
- ↑ Diplom in Widerstand. Abgerufen am 6. Oktober 2021.
- ↑ Gazete Duvar: Kampüs bahçesinde ders vermek isteyen Can Candan okula alınmadı: Rektörlük talimat vermiş. 10. November 2021, abgerufen am 11. Oktober 2021 (türkisch).
- ↑ Fazıl Say'dan 'Can Candan' açıklaması. Abgerufen am 11. Oktober 2021 (türkisch).
- ↑ Appointed rectorate cancels Can Candan’s talk on documentary filmmaking at campus. Abgerufen am 25. Oktober 2021.
- ↑ Court halts the execution of academic Can Candan’s dismissal from Boğaziçi University. Abgerufen am 27. März 2022.
- ↑ Boğaziçi Üniversitesi’ndeki görevine mahkeme kararıyla geri dönen akademisyen Can Candan davul zurnayla karşılandı. Abgerufen am 27. März 2022 (türkisch).
- ↑ Gazete Duvar: Can Candan’a Boğaziçi Üniversitesi’nde davul zurnalı karşılama. 25. März 2022, abgerufen am 27. März 2022 (türkisch).
- ↑ Lecturer Can Candan files lawsuit after being dismissed again by Boğaziçi rector. Abgerufen am 12. August 2022.
- ↑ Evresel: Boğaziçi kayyumu, Can Candan’ın görevine üçüncü kez son verdi. 18. Juli 2023, abgerufen am 4. August 2023.
- ↑ Duvar English: Turkey’s Boğaziçi University Rectorate dismisses academic Can Candan for third time despite court’s ruling. 18. Juli 2023, abgerufen am 4. August 2023 (türkisch).
- ↑ Berliner Festspiele: Can Candan – Biografie. Abgerufen am 12. August 2021.
- ↑ Diplom in Widerstand. Abgerufen am 5. Oktober 2021.
- ↑ Can Candan. Abgerufen am 12. August 2021.
- ↑ Bundeszentrale für politische Bildung: Interview mit Can Candan zum Dokumentarfilm "Duvarlar – Mauern – Walls" | bpb. Abgerufen am 12. August 2021.
- ↑ The D-Word: 3 Saat (3 Hours) - documentary film. Abgerufen am 12. August 2021 (englisch).
- ↑ Can Candan. Abgerufen am 12. August 2021.
- ↑ My Child | A Feature Documentary by Can Candan. Abgerufen am 12. August 2021.
Personendaten | |
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NAME | Candan, Can |
KURZBESCHREIBUNG | Dokumentarfilmer und Wissenschaftler an der Boğaziçi-Universität in Istanbul |
GEBURTSDATUM | 14. Januar 1969 |
GEBURTSORT | Istanbul |