Cenzi Flendrovsky
Crescentia „Cenzi“ Flendrovsky (auch Cenci und Flendrofsky oder Flendrowsky) (* 18. April 1872 in Wien[1]; † 2. Dezember 1900) war eine österreichische Radsportlerin. Sie gehörte zu den ersten Radrennfahrerinnen, die in Österreich-Ungarn Rennen bestritten.
Kindheit und sportliche Laufbahn
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Cenzi Flendrovsky wuchs als „Zuwandererkind“ im Wiener Gemeindebezirk Favoriten auf.[2] Ihre Mutter hieß Theresia Summer, ihr Vater war der Tagelöhner Josef Flendrovsky; die Eltern waren nicht verheiratet.[1] Später führte der Vater in Wien einen Gemischtwarenladen.[3] Im Sommer 1896 bot Josef Flendrovsky das „Consumgeschäft mit Käse- und Salamiehandlung auf belebter Hauptstraße, concurrenzlos“ in Favoriten, Götzgasse 5, zum Verkauf an.[4]
Cenzi Flendrovsky war Mitglied des Landstraßer Fahrradvereins „Velocitas“.[5] Die erste Erwähnung ihres Namens in Wiener Zeitungen findet sich am 8. Jänner 1897 im Neuen Wiener Tagblatt als Crescentia Flendrofsky.[6] Ihre ersten Rennen bestritt sie im Wintervelodrom der Rotunde im Prater: Am Sonntag, den 10. Jänner 1897 belegte sie im gemischten Zweierfahren zusammen mit W. Classen im ersten Vorlauf den zweiten Platz; im Entscheidungslauf liefen beide zwar auf dem zweiten Platz ein, wurden jedoch „über Einspruch des dritten Paares wegen Kreuzens disqualificirt“.[7] Viele Wiener Radfahrer erinnerten sich „der zierlichen Radfahrerin Frl. Flendrovsky“,[8] die am 18. September 1898 zusammen mit „Frl. Karpischek“ aus Prag Österreich-Ungarn beim ersten „internationalen Damenrennen“ auf der Radrennbahn Kurfürstendamm in Berlin vertreten hatte.[9][10] In kurzer Zeit errang sie als Radsportlerin mindestens 15 Preise, zumeist im Tandem und in gemischten Wettbewerben.[2]
Cenzi Flendrovsky war am 28. November 1899 auf einer Fotografie im deutsch-österreichischen Damenradsportblatt Draisena zu sehen. Sie trug eine weite Pumphose und schlichte Oberbekleidung, und sie posierte auf einem Herrenfahrrad. Diese Fotografie und die sportlichen Erfolge sind nach Ansicht der Historikerinnen Petra Sturm und Katrin Pilz von historischer Bedeutung, weil sie dem im 19. Jahrhundert verbreiteten Mythos und Klischee vom „Rennradsport als historisch bedingter Männerdomäne“ entgegenstünden. Zu dieser Zeit war es Mode, Frauen auf Damenfahrrädern oder blumengeschmückten Tandems abzubilden. Sie sollten weiblich, attraktiv und unbeschwert wirken, nicht etwa (unfreiwillig) männlich und sportlich-stark. Es galt, den Eindruck zu vermitteln, dass Fahrradfahren so einfach sei, „dass selbst eine Frau es könnte“. Je sportlicher und stärker Frauen wirkten, desto seltener wurden sie abgebildet. Cenzi Flendrovskys Fotografie und ihre Sporterfolge bilden somit einen seltenen Kontrast zu den zeitgenössischen Erwartungen und Haltungen.[2]
Flendrovsky starb im Dezember 1900 im Alter von 28 Jahren an den Folgen einer Sepsis, Folge einer Verletzung des Ellenbogens, die sie sich anderthalb Jahre zuvor während eines Radrennens durch einen Sturz auf der Wiener Bellariastraße zugezogen hatte.[11] Die Entzündung („Beinfraß“) war in den Monaten nach dem Unfall immer weiter fortgeschritten. Um ihr Leben zu retten, rieten die Ärzte zu einer Amputation des verletzten Arms, was sie ablehnte. Sie soll bei vollem Bewusstsein und „mit fast heiterem Gemüth“ gestorben sein.[8] Angeblich soll sie noch eine Stunde vor ihrem Tod nach der Allgemeinen Sport-Zeitung sowie der Draisena verlangt haben, um diese zu lesen.[12] Der Trauerzug am 5. Dezember 1900[8] erfolgte unter der Teilnahme ihres Vereins von ihrem Wohnhaus in der Ettenreichgasse aus. Sie wurde postum als eine in der Sportwelt „bekannte Persönlichkeit, die als Rennfahrerin bedeutende Erfolge aufzuweisen hatte und eine Renntechnik besaß, wie man sie bei keiner anderen Rennfahrerin findet“ gewürdigt.[2]
Ehrungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bevor 2021 der Beschluss zum Abriss des Ferry-Dusika-Hallenstadions in Wien gefasst wurde, gab es Überlegungen, die Halle wegen Dusikas NS-Vergangenheit umzubenennen. Einer der Namen, die genannt wurden, war der von Cenzi Flendrovsky.[13] Am 4. Juni 2024 wurde in Wien die Cenzi-Flendrovsky-Gasse in Favoriten nach ihr benannt.[14]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Petra Sturm/Katrin Pilz: Fehlende (Vor-)bilder? Österreichische Rennradpionierinnen der 1890er-Jahr und Zwischenkriegszeit. In: Matthias Marschik et.a. (Hrsg.): Images des Sports in Österreich. Innensichten und Außenwahrnehmungen. Vienna University Press, 2018, ISBN 978-3-8471-0907-5, S. 67–84.
- Petra Sturm: Cenzi Flendrovsky: Eine Bicycle Novel. Edition Atelier, 2023, ISBN 978-3-99065-094-3.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Petra Sturm: Rennrad-Pionierin Cenzi Flendrovsky. In: magazin.wienmuseum.at. 22. April 2023, abgerufen am 20. Mai 2023.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Stadt Wien Alservorstadtkrankenhaus Taufbuch, 1872–1872, S. 303.
- ↑ a b c d Sturm, Rennradpionierinnen, S. 74.
- ↑ Sturm, Cenzi Flendrovsky, S. 7.
- ↑ Consumgeschäft (Anzeige). In: Neues Wiener Journal, 4. Juli 1896, S. 11 (online bei ANNO).
- ↑ Die Bruderclubs „Rudolphshügel“, „Wr. Schwalben 1895“ und „Velocitas“. In: Neues Wiener Tagblatt. Demokratisches Organ / Neues Wiener Abendblatt. Abend-Ausgabe des („)Neuen Wiener Tagblatt(“) / Neues Wiener Tagblatt. Abend-Ausgabe des Neuen Wiener Tagblattes / Wiener Mittagsausgabe mit Sportblatt / 6-Uhr-Abendblatt / Neues Wiener Tagblatt. Neue Freie Presse – Neues Wiener Journal / Neues Wiener Tagblatt, 2. Oktober 1898, S. 61 (online bei ANNO).
- ↑ Radfahren. Aus dem Winter-Velodrom. In: Neues Wiener Tagblatt. Demokratisches Organ / Neues Wiener Abendblatt. Abend-Ausgabe des („)Neuen Wiener Tagblatt(“) / Neues Wiener Tagblatt. Abend-Ausgabe des Neuen Wiener Tagblattes / Wiener Mittagsausgabe mit Sportblatt / 6-Uhr-Abendblatt / Neues Wiener Tagblatt. Neue Freie Presse – Neues Wiener Journal / Neues Wiener Tagblatt, 8. Jänner 1897, S. 27 (online bei ANNO).
- ↑ Resultate. Wien (Winter-Velodrom) 1897. Sonntag den 10. Jänner. In: Allgemeine Sport-Zeitung, Jahrgang 1897, S. 68 (online bei ANNO).
- ↑ a b c Radfahren. Censi Flendrovsky gestorben. In: Neues Wiener Tagblatt. Demokratisches Organ / Neues Wiener Abendblatt. Abend-Ausgabe des („)Neuen Wiener Tagblatt(“) / Neues Wiener Tagblatt. Abend-Ausgabe des Neuen Wiener Tagblattes / Wiener Mittagsausgabe mit Sportblatt / 6-Uhr-Abendblatt / Neues Wiener Tagblatt. Neue Freie Presse – Neues Wiener Journal / Neues Wiener Tagblatt, 5. Dezember 1900, S. 35 (online bei ANNO).
- ↑ Sport. Prager Damenfahrerin in Berlin. In: Prager Tagblatt, 14. September 1898, S. 4 (online bei ANNO).
- ↑ Sport. In: Leipziger Tageblatt und Anzeiger, 20. September 1898, S. 3. (Digitalisat)
- ↑ Frl. Cenci Flendrowsky. In: Deutsches Volksblatt / Deutsches Volksblatt. Radikales Mittelstandsorgan / Telegraf. Radikales Mittelstandsorgan / Deutsches Volksblatt. Tageszeitung für christliche deutsche Politik, 5. Dezember 1900, S. 15 (online bei ANNO).
- ↑ Frl. Cenci Flendrowsky. In: Deutsches Volksblatt / Deutsches Volksblatt. Radikales Mittelstandsorgan / Telegraf. Radikales Mittelstandsorgan / Deutsches Volksblatt. Tageszeitung für christliche deutsche Politik, 5. Dezember 1900, S. 15 (online bei ANNO).
- ↑ Fritz Neumann: So war Ferry Dusika, so ist Österreich. derStandard.at, 25. März 2014, abgerufen am 18. Mai 2023.
- ↑ Cenzi-Flendrovsky-Gasse im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
Personendaten | |
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NAME | Flendrovsky, Cenzi |
ALTERNATIVNAMEN | Flendrowsky, Cenci; Flendrofsky, Cenzi |
KURZBESCHREIBUNG | österreichische Radrennfahrerin |
GEBURTSDATUM | 18. April 1872 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 2. Dezember 1900 |