Chipko-Bewegung
Die Chipko-Bewegung (Hindi चिपको आन्दोलन Chipko Andolan) ist eine indische Umweltschutzbewegung. Ausgangspunkt war eine Bewegung von Dorfbewohnern – vor allem Frauen – in der Region Uttarakhand (Uttaranchal) in den 1970er Jahren, die sich gegen die kommerzielle Abholzung und die daraus resultierende Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen wandten. Bekannt wurde die Chipko-Bewegung für ihre Methode, Bäume zu umarmen, um deren Fällung zu verhindern. Der Name der Bewegung stammt vom Hindi-Wort für „festhalten“ oder „dranbleiben“. Im Jahr 1987 wurde die Chipko-Bewegung mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnet.[1]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den 1970er Jahren wurde im indischen Himalayagebiet vielerorts massiv abgeholzt. Insbesondere wurden die lokal angepassten Banj (Himalaya-Eichen)-Wälder abgeholzt und durch rentablere, aber standortfremde und nicht angepasste Baumarten ersetzt. Dies führte zu einer starken Beeinträchtigung des Ökosystems, Erosion und Überschwemmungen nahmen zu und beeinträchtigten die Lebensgrundlagen der Bevölkerung.
Vor diesem Hintergrund kam es im April 1973 im Dorf Mandal im Alakananda-Tal zur ersten spontanen Chipko-Aktion. Dort hatte eine Sportartikelfirma eine Konzession für die Nutzung des Waldes erhalten, welche den Dorfbewohnern zuvor verweigert worden war, als diese Holz zur Herstellung von Werkzeugen gewinnen wollten. Ermutigt von einer lokalen NGO und angeführt von dem Aktivisten Chandi Prasad Bhatt, gingen die Frauen des Ortes in den Wald, bildeten einen Kreis um die Bäume und hinderten die Holzfäller daran, den Wald abzuholzen. In Reni Village, 1974, blockierte eine Frauengruppe unter der Führung von Mrs. Ganra Devi Holzfällergruppen und ermahnten sie mit dem Lied: This forest is our mother's home, we will protect it with all our might.[2]
In den folgenden Jahren weitete sich die Chipko-Bewegung weiter aus. Einflussreiche Führer der Chipko-Bewegung waren Sudesha Devi, Chandi Prasad Bhatt, Bachhni Devi und Sunderlal Bahuguna. Auch Vandana Shiva war in den 1970er Jahren in die Bewegung involviert.
Vielerorts gelang es der Chipko-Bewegung, Abholzungen zu verhindern. Die Proteste der Chipko-Bewegung führten 1980 in Uttar Pradesh zu einem 15-jährigen Verbot durch Premierministerin Indira Gandhi, Bäume in den höheren Lagen des Himalajas zu fällen.[3] Ein ähnliches Verbot wurde später in den Staaten Uttaranchal und Himachal Pradesh erlassen.[1] Indira Gandhi war der Ansicht, dass sich in der Chipko-Bewegung das soziale Gewissen Indiens zeige.[2]
Rezeption
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vandana Shiva sieht in der Struktur der Chipko-Bewegung die These widerlegt, dass Bewegungen von außenstehenden, charismatischen Führungspersönlichkeiten initiiert und aufrechterhalten werden. Für sie ist hier wesentlich, dass gewöhnliche Frauen für eine lokal verankerte Führung Sorge trugen.[4] Der Protest der Chipko-Bewegung unterscheidet sich nach Maria Mies von früherer Industrialismus- und Fortschrittskritik dadurch, dass die Kritik von Menschen formuliert wird, die an der untersten Ebene der globalen Ausbeutungs- und Verteilungspyramide stehen, und nicht nur von der urbanen Mittelklasse der Industriestaaten.[5]
Vorläufer
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Aktionen, die denen der Chipko-Bewegung ähneln, gab es in Indien bereits zuvor, als sich um 1730 im Dorf Khejarli in Rajasthan die Bishnoi gegen die Abholzung von Khejri-Bäumen durch Soldaten des Maharadschas von Jodhpur zur Wehr setzten. Hierbei sollen 363 Dorfbewohner umgekommen sein. Der Protest war jedoch schließlich erfolgreich, und der Maharadscha erließ ein Dekret gegen die Abholzung.[6]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Thomas Weber: Hugging the Trees. Viking, New Delhi 1988, ISBN 0-670-82353-8.
- Ramachandra Guha: The unquiet woods. Ecological change and peasant resistance in the Himalaya. Erweiterte Neuauflage. University of California Press, Berkeley CA u. a. 2000, ISBN 0-520-22235-0.
- Haripriya Rangan: Of Myths and Movements. Rewriting Chipko into Himalayan History. Verso, London u. a. 2000, ISBN 1-85984-783-8.
- Ludmilla Tüting: Menschen, Bäume, Erosionen. Kahlschlag im Himalaya. Wege aus der Zerstörung. Pieper, Löhrbach 1987, ISBN 3-925817-20-4 (Der grüne Zweig 120).
- Maria Mies, Vandana Shiva: Ökofeminismus. Beiträge zur Praxis und Theorie. Rotpunktverlag, Zürich 1995.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b The Right Livelihood AwardThe Chipko Movement ( des vom 22. Mai 2021 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ a b John Derek Hall Downing (Hrsg.): Encyclopedia of Social Movement Media, Southern Illinois University Carbondale. Sage Publications, 2011. ISBN 978-0-7619-2688-7, Seite 91f.
- ↑ Vandana Shiva: Erddemokratie, Rotpunktverlag 2006, ISBN 3-85869-327-8, S. 108 f.
- ↑ Vandana Shiva: Das Freiheitskonzept der Chipko-Frauen, in: Maria Mies, Vandana Shiva: Ökofeminismus, Rotpunktverlag, S. 325 f.
- ↑ Maria Mies: Sie sehnen sich danach, was sie zerstören, in: Maria Mies, Vandana Shiva: Ökofeminismus, Rotpunktverlag, S. 224 f.
- ↑ Geseko von Lüpke: Die Alternative. Wege und Weltbild des alternativen Nobelpreises. Riemann-Verlag 2003, ISBN 978-3570500316 (Abschnitt: Aus Liebe zu den Bäumen. Frauenpower in Indien und Ostafrika)