Chorgestühl der Stuttgarter Leonhardskirche

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Teil des Chorgestühls, 1855. – Die niedere Wange hängt heute als Bildwerk an der Wand (Segment F), die hohe Abschlusswange bei Sitz A14 befindet sich noch an ihrem ursprünglichen Platz.

Das Chorgestühl der Stuttgarter Leonhardskirche wurde für die Hospitalkirche in Stuttgart geschaffen, zu der bis zur Säkularisation 1536 ein Dominikanerkloster gehörte.

Das Chorgestühl besteht aus sechs Sitzreihen aus Eichenholz mit 57 von ursprünglich 87 Sitzen. Die Sitze sind mit reichem Schnitzwerk an den Wangen, den Knäufen der Armlehnen und den Miserikordien ausgestattet und tragen an den Rücklehnen und Dorsalen Inschriften mit den Namen verbrüderter Klöster. Eine der beiden ursprünglich hinteren Sitzreihen wird von einem Baldachin überkrönt.

Das Gestühl wurde 1490 und 1493 von Hans Ernst von Böblingen bzw. Conrad Zolner und Hans Haß hergestellt und im Chor der Hospitalkirche aufgestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die erhalten gebliebenen Segmente des Gestühls in die Leonhardskirche überführt.

Die Zahlen in den folgenden drei Abbildungen bezeichnen die in der Legende erläuterten Teile des Chorgestühls.

    Legende
1 Dorsale (Hochlehne)
2 Schulterring
3 obere Armlehne (im Stehen benutzt)
4 Rücklehne
5 hochklappbares Sitzbrett
6 Knauf
7 untere Armlehne (im Sitzen benutzt)
8 niedere Abschlusswange
9–10 nicht besetzt
11 Baldachin
12 Zinnenbekrönung
13 Rankenfries
14 Arkadenfries
15 Zwischenwangenfigur
16 hohe Zwischenwange
17 Ortsnameninschrift
18 Aufsatzfigur einer Abschlusswange
Lageplan der Chorgestühlsegmente A–G.[1]

Hinweis: Die Sitze des Chorgestühls werden durch Buchstaben-Zahl-Kombinationen bezeichnet. Der Buchstabe kennzeichnet das Segment, die Zahl die Nummer des Sitzes, fortlaufend von links nach rechts gezählt. – Sitz A3 bezeichnet z. B. den dritten Sitz von links in Segment A.

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Das Chorgestühl der Leonhardskirche besteht aus sieben Segmenten, die sich aus Teilen der ursprünglichen Sitzreihen in der Hospitalkirche zusammensetzen.[2] Sie werden in dem nebenstehenden Grundriss als rote Balken und durch die Buchstaben A–G gekennzeichnet. Die Segmente verfügen insgesamt über 57 Sitze.

Eine Sitzreihe setzt sich aus mehreren miteinander verbundenen Klappsitzen zusammen. Vordere Sitzreihen (Segmente B, C, E, G) bestehen nur aus einem Untergeschoss, hintere Sitzreihen (Segmente A, D) bestehen aus Unter- und Obergeschoss.

Unter- und Obergeschoss

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Das Untergeschoss ist mit dem eigentlichen Sitz identisch. Die hochklappbaren Sitzbretter tragen an der Unterseite Miserikordien, auf die sich die Mönche im Stehen mit dem Gesäß abstützen konnten. Die meisten Miserikordien sind verlorengegangen, die übriggebliebenen haben die Form einer gedrechselten Kegelhälfte (figürliche Miserikordien sind keine vorhanden). An den Rückwänden des Segments C haben sich vier hochklappbare Lesepulte erhalten.

Die Seitenwände eines Sitzes enden in der unteren Armlehne, die von einem figürlichen Knauf gekrönt wird. Die Rücklehne geht in den Schulterring mit den beiden oberen Armlehnen über und bildet den Abschluss des Untergeschosses.

Das Obergeschoss beginnt über dem Schultering. Die Rücklehne wird als Hochlehne (Dorsal) nach oben fortgesetzt. Das Obergeschoss wird in Segment A durch einen Baldachin bekrönt.

Eine Sitzreihe wird an den Seiten durch Abschlusswangen (Seitenwände) begrenzt, und zwar durch hohe Wangen mit Unter- und Obergeschoss bei den hinteren Sitzreihen und bei den vorderen Sitzreihen durch niedere Wangen, die nur aus einem Untergeschoss bestehen. Zur Trennung von Sitzgruppen werden in Segment A zwei hohe Zwischenwangen verwendet (A4, A9). Die einzelnen Sitze werden bei Segment A durch mittelhohe Trennwangen voneinander getrennt, die in das Obergeschoss hineinragen.

Die Wangen sind großenteils mit geschnitzten Reliefs, durchbrochenem Maßwerk und Aufsatzfiguren verziert, die hohen Zwischenwangen mit furchterregenden Fabeltieren.

Verteilung der Sitzreihen

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Die hinteren Sitzreihen A und D (14 bzw. 8 Sitze) stehen an der Südwand. Das fast vollständig erhaltene Segment A ist mit hohen Wangen, Dorsalen und einem Baldachin ausgestattet, Segment D hat niedere Wangen und keinen Baldachin. Die niederwangigen vorderen Reihen B, C und E (10, 7 bzw. 5 Sitze) entsprechen in der Sitzzahl nicht den hinteren Sitzreihen, wodurch eine Asymmetrie zwischen den vorderen und hinteren Sitzreihen entsteht.

An der Westwand rechts vom heutigen Haupteingang der Kirche hängt eine Abschlusswange (Segment F) wie ein Bildwerk an der Wand. Diese Wange ist die einzige niedere Wange, die im Laufe der Zeit unversehrt blieb. Die übrigen wurden an einer Seite beschnitten, um den Zugang zum Gestühl zu verbreitern. Eine niederwangige, ursprünglich vordere Sitzreihe G (13 Sitze) befindet sich an der Nordwand des Chores.

Die 13 Abschluss- und Zwischenwangen verteilen sich auf 2 hohe und 9 niedere Abschlusswangen und 2 Zwischenwangen. Die Wangen (außer vier niedere Wangen) sind mit geschnitzten Reliefs und mit durchbrochenem Maß- und Rankenwerk verziert, teilweise auch mit Figuren (Aufsatzfiguren auf den niederen Wangen, Fabeltiere an den Zwischenwangen).

Sitz Art der Wange Obergeschoss Untergeschoss
A1 Hohe Wange, links Durchbrochenes Maßwerk (Spitzbogenfeld) Maßwerk (Relief)
A4 Hohe Zwischenwange Schuppentier (Figur), durchbrochenes Maßwerk (Spitzbogenfeld)
A9 Hohe Zwischenwange Drachen (Figur), durchbrochenes Maßwerk (Spitzbogenfeld)
A14  Hohe Wange, rechts Durchbrochenes Rankenwerk (Rundbogenfeld) Heiliger Ulrich (Relief)
B1 Niedere Wange, links Antoninus von Florenz (Aufsatzfigur) Papst Benedikt XI. (Relief)
B10 Niedere Wange, rechts Albertus Magnus (Aufsatzfigur) Papst Innozenz V. (Relief)
C1 Niedere Wange, links schmucklos
C7 Niedere Wange, rechts Christus als Weltrichter (Aufsatzfigur) Fischblasenmaßwerk (Relief)
D1 Niedere Wange, links Hieronymus (Aufsatzfigur) Ranken- und Knorpelwerk (Relief)
D8 Niedere Wange, rechts schmucklos
E1 Niedere Wange, links schmucklos
E5 Niedere Wange, rechts schmucklos
F Niedere Wange, rechts Petrus Martyr (Aufsatzfigur) Maria mit dem Kind (Relief)
Sitz Bild Beschreibung
A1 
Linke, hohe Abschlusswange.

Durchbrochenes Maßwerk (Spitzbogenfeld)
Das Spitzbogenfeld wird von drei übereinander angeordneten durchbrochenen Maßwerkformen ausgefüllt. Über einem Spitzbogen an der Basis stapeln sich zwei spitze, mit gestapelten Dreiblättern gefüllte Ovale, die zueinander gegenläufig angeordnet und an einem Ende aufgebrochen sind. Das mittlere Maßwerk überlappt teilweise das obere bzw. untere Maßwerk.

Maßwerk (Relief)
Das Relief schließt das Untergeschoss von Segment A an der linken Seite ab. Das rechteckige Feld wird von Maßwerk ausgefüllt. Die Hauptstruktur bildet eine Fischblase, die an der Spitze in einen Kreis übergeht. Innerhalb der Fischblase stapeln sich flächenfüllend mit Dreiblättern besetzte Spitzbögen, in dem Kreis links und rechts spiegelbildlich eine S-Form aus angedeuteten Dreiblättern.

Maßwerkrelief.
A4 
Hohe Zwischenwange.

Schuppentier (Figur)

Durchbrochenes Maßwerk (Spitzbogenfeld)

A9 
Hohe Zwischenwange.

Drachen (Figur)

Durchbrochenes Maßwerk (Spitzbogenfeld)

A14 
Rechte, hohe Abschlusswange.[3]

Durchbrochenes Rankenwerk (Rundbogenfeld)
Das Rundbogenfeld wird von durchbrochenem Rankenwerk ausgefüllt.

Heiliger Ulrich (Relief)
Das Relief schließt das Untergeschoss von Segment A an der rechten Seite ab. Der Heilige Ulrich im Bischofsornat hält mit der linken Hand den Bischofsstab und in der rechten einen Fisch.

Nach einer Legende soll Ulrich „einem Sendboten an einem Freitag ein Stück Braten von seiner Tafel als Wegzehrung für den Rückweg mitgegeben haben. Als der Bote seinem Herrn, dem Herzog von Bayern, den Frevel zum Freitagsgebot durch Vorzeigen des Fleischstückes beweisen wollte, war dieses in einen Fisch verwandelt.“[4] Ulrich hält zur Erinnerung an diese Episode einen Fisch in der Hand, der wie das Bischofsornat zu Ulrichs Heiligenattributen gehört.

Das Relief erinnert an Graf Ulrich den Vielgeliebten, den Stifter der Hospitalkirche und des Dominikanerklosters. Die Hospitalkirche ging aus der kleinen, 1470 errichteten Kapelle „Unserer lieben Frauen“ hervor und erhielt ihren Namen „Unserer lieben Frau und dem heiligen Ulrich“ nach dieser Kapelle und Graf Ulrichs Namenspatron. Nach der Umwandlung des Klosters in ein Hospital 1536 wurde die Kirche in Hospitalkirche umbenannt.[5]

Rankenwerk.
B1
Linke niedere Abschlusswange, links beschnitten.[6]

Antoninus von Florenz (Aufsatzfigur)
Halbfigur des heiligen Erzbischofs Antoninus von Florenz (Angehöriger des Dominikanerordens), mit einem Münzbeutel,[7] vor ihm liegt auf einem Lesepult ein Buch. Die aufgeschlagenen Seiten zeigen den Erklärungstext: „Patribus haut priscis pietatis Anthoninus impar qui scripsit quinque libros supra sacra doctrina“ (Den alten Vätern nicht ungleich in Frömmigkeit ist Antoninus, welcher fünf Bücher über die heilige Schrift geschrieben hat). Spruchband: „Pater er...“.[8] An der vorderen Schmalseite der Wange ist ein Wappen mit Kelch und schwebendem Buchstaben W darüber befestigt.

Papst Benedikt XI. (Relief)
Der unter einem Gewölbe sitzende Papst Benedikt XI., ein Dominikaner, liest in einem Buch. Die aufgeschlagenen Seiten zeigen den Erklärungstext: „Nicolaus de Triviso ... qui et Benedictus ... vir beatus“ (Nikolaus von Treviso ... der auch Benediktus ... seliggesprochen).

Aufsatzfigur.
Wappen.
B10
Rechte niedere Abschlusswange, rechts beschnitten.[9]

Albertus Magnus (Aufsatzfigur)
Halbfigur des Albertus Magnus, Kirchenlehrer aus dem Dominikanerorden, der in einem Buch liest, das vor ihm auf einem Lesepult liegt.

Papst Innozenz V. (Relief)
Der unter einem Gewölbe sitzende Papst Innozenz V., ein Dominikaner, liest in einem Buch, das vor ihm auf einem Lesepult liegt. Die aufgeschlagenen Seiten zeigen den Erklärungstext: „Petrus de Tarentasia qui ... scripsit super sententias et epistolas“ (Petrus von Tarentaise, der die Sentenzen [von Petrus Lombardus] und die [Paulus]briefe kommentierte).[10]

Aufsatzfigur.
C7
Rechte niedere Abschlusswange, rechts beschnitten.[11]

Christus als Weltrichter (Aufsatzfigur)
Sitzender Christus in der Mandorla als Weltrichter mit dem Spruchband „Venit hora iudicii eius Apoc.“ (In einer Stunde ist ihr Gericht gekommen, Offenbarung [18, 10]).

Relief: Fischblasenmaßwerk
Rechteckiges Feld mit flächenfüllendem Maßwerk aus vier doppelten Fischblasen (Vierschneuß).

Aufsatzfigur.
D1
Linke niedere Abschlusswange, links beschnitten.[12]

Hieronymus (Aufsatzfigur)
Büste des heiligen Hieronymus mit Kardinalshut, ihm zur Seite ein Löwe, sein treu ergebener Gefährte. Die Hand des Hieronymus liegt auf der Bibel. Seine Übersetzung der Bibel ins Lateinische, die Vulgata, war lange Zeit die maßgebliche Bibelübersetzung der katholischen Kirche.

Ranken- und Knorpelwerk (Relief)
Das Relief besteht aus Rankenwerk mit knorpelwerk-artigen Verdickungen.

Aufsatzfigur.
F

Ehemals rechte niedere Abschlusswange, heute als Bildwerk an der Wand hängend.[13]

Petrus Martyr (Aufsatzfigur)
Halbfigur des Dominikanermönchs St. Petrus Martyr mit Schwert und einem Spruchband mit der Inschrift: „Prae fide cedit heresia“ (vor dem Glauben weicht die Ketzerei).[14]

Maria mit dem Kind (Relief)
Maria thront unter einem Baldachin, umgeben von Johannes dem Apostel (Attribut: Kelch mit Schlange) und der heiligen Barbara (Attribut: Kelch mit schwebender Hostie) mit dem Spruchband „Sancta Maria ora pro nobis“ (Heilige Maria, bitte für uns).[15] Zwei Engel halten einen Vorhang hinter Maria, zu deren Füßen der Stifter kniet, den die Inschrift als „Herr Albert Ludwig, Vikar der Heilig-Kreuz-Kirche [= Stiftskirche]“ ausweist (Dns. Albertus Ludwici Vicarius S. Eccles. Crucis). Sein Wappen zeigt eine Brezel mit einem Kelch in der Mitte.

Als Knauffiguren werden die folgenden Motive verwendet:

  • Tiere: Eule (A1), Hahn (B7), Katze mit Beutefisch (D3)
  • Tiere in Halbfigur (Protomen): A14, E5
  • Groteske Tierfiguren: betender Affe (D4), denkender Affe (E3)
  • Mischwesen (Chimären): A11, B6 rechts
  • Lindwürmer: z. B. B4
  • Mönche: z. B. Mönch mit Weinbütte (A10), Leierspieler (D6)
  • Fratzen: B1 links
  • Gesichter: B6 links
  • Ranken- und Knorpelwerk: z. B. C5, G2
Lineatur mit gotischen Minuskeln.

Gotische Minuskel

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Die Inschriften des Chorgestühls sind in Gotischer Minuskel gehalten, einer mittelalterlichen gebrochenen Schriftart, bei der die Schäfte der Buchstaben an der Grundlinie und der Mittellinie gebrochen werden.

Die Schriftart besteht prinzipiell aus Kleinbuchstaben, die den Mittellängenbereich ausfüllen, Unter- und Oberlängen haben die halbe Höhe der Mittellänge (siehe auch Liniensystem (Typografie)).

Inschriftenarten

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Auf dem Chorgestühl finden sich drei Arten von Inschriften: Signaturen, Erklärungstexte und Sprüche sowie Ortsnamen verbrüderter Klöster:

  • Signatur oberhalb von Sitz G7-G8:
„1490 hat hanß ernst von beblingen diß werck gmacht“
(1490 hat Hans Ernst von Böblingen dies Werk gemacht).
  • Signatur oberhalb der Dorsale von Sitz A12-A14. Sie besteht in einem Spruchband, das die Dominikanerbrüder Conrad Zolner und Hans Haß als Urheber ausweist:
„1493 habend dieß werck gmacht bruder Conrad Zolner vnd Hanß Haß“
(1493 habend dies Werk gemacht Bruder Conrad Zolner und Hans Haß).
  • Auf den Reliefs der Abschlusswangen finden sich Erklärungstexte und fromme Sprüche, siehe Wangen.
  • Die lateinischen Ortsnamen an den Dorsalen und Rücklehnen der Sitze bezeichnen Dominikanerklöster, die mit den Dominikanern der Hospitalkirche in Gebetsverbrüderung standen, siehe untenstehende Liste.

Ortsnameninschriften

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Hinweise

  • Spalte R leer: Inschrift auf dem Dorsale.
  • Spalte R = „R“: Inschrift auf der Rücklehne.
  • Die Abkürzung „ē“ wird als „en“ ausgeschrieben.
Inschrift „Wissemburgēsis“ (ē = en) an der Rücklehne von Sitz B6.
Inschrift „Mergethemēsis“ (ē = en) an der Rücklehne von Sitz C6.
Inschrift „Hagenowēsis“ (ē = en) an der Rücklehne von Sitz C7.
Sitz R Lateinisch Deutsch
A1   Confluentinus Koblenz
A2 Constanciensis Konstanz
A3 Spirensis Speyer
A4 Louaniensis Löwen
A5 Rotwilensis Rottweil am Neckar
A6 Antwerpiensis Antwerpen
A7 Franckfordiensis Frankfurt am Main
A8 Cremensis Krems an der Donau
A9 Wympinensis Bad Wimpfen
A10 Noueciuitatis Wiener Neustadt
A11 Columbariensis Colmar
A12 Curiensis Chur
A13 Eychstetensis Eichstätt
A14 Ulmensis Ulm
B6 Wissenburgensis Weißenburg
B7 Lutzelburgensis Lützelburg oder Luxemburg
B8 Sletzstatensis Schlettstadt
B9 Retzensis Retz
C3 Babenbergensis Bamberg
C4 Aquensis Aachen
C5 Gamundiensis Schwäbisch Gmünd
C6 Mergethemensis Mergentheim
C7 Hagenowensis Hagenau
D1 Wormaciensis Worms
D2 Thuricensis Zürich
D3 Bethouiensis Pettau
D4 Eszclingensis Esslingen am Neckar
D5 Basiliensis Basel
D6 Friburgensis Freiburg im Breisgau
D7 Phortzhemensis Pforzheim
D8 Tulnensis Tulln an der Donau
D1 Vallissenarum Stift Neukloster
D2 R Gretzensis Graz
D3 R Stutgardiensis Stuttgart

Bis zum Zweiten Weltkrieg

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Das Chorgestühl wurde von drei Schnitzern hergestellt und im Chor der Hospitalkirche aufgestellt:[16]

  • Hans Ernst von Böblingen schuf 1490 die ursprünglich im nördlichen Chor angeordneten Sitzreihen. Das Segment G trägt die Inschrift mit der Signatur des Schnitzers, der außerdem als Baumeister in Stuttgart wirkte und um 1531/1532 starb.[17]
  • Die beiden Dominikanerbrüder Conrad Zolner und Hans Haß schufen 1493 die ursprünglich im südlichen Chor aufgestellten Sitzreihen. Das Segment A trägt die Inschrift mit der Signatur der beiden Schnitzer, von deren Leben und Wirken sonst nichts bekannt ist.
Grundriss der Hospitalkirche (rechts = Osten), 1905. – Rote Markierung: Position des Chorgestühls. An der Nord- und Südwand des Chors standen je zwei Sitzreihen, die beiden anderen Reihen waren quer im Langhaus aufgestellt.

Ursprünglich waren je zwei Sitzreihen an der nördlichen bzw. südlichen Chorwand angeordnet. Zwei weitere Sitzreihen waren übereck mit diesen verbunden,[18] so dass sich eine U-Form ergab, die sich nach Osten zum Altar hin öffnete.[19]

Im Lauf der Jahrhunderte wurde die Anordnung der Sitzreihen geändert. Carl Alexander Heideloff schrieb 1855: „Eine Zierde der Kirche können ferner die geschnitzten Kirchenstühle genannt werden ... Es stehen jedoch nur noch ihre hintersten Theile an ihrer ehemaligen Stelle, die übrigen ..., so viel ihrer noch vorhanden, zu besonderen Stühlen verwendet, im Langhaus der Kirche.“[20] Diese Anordnung scheint sich nach dem Grundriss der Hospitalkirche von 1905[19] mindestens bis dahin erhalten zu haben.

Ab dem Zweiten Weltkrieg

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Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Chorgestühl, das 1943 noch 63 Sitze umfasste,[19] in der Thomaskirche in Stuttgart-Kaltental geborgen.[21] Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die weitgehend zerstörte Leonhardskirche bis 1950 wieder aufgebaut, während das Schicksal der bis auf Turm, Chor und Südfassade zerstörten Hospitalkirche ungewiss blieb. Die erhalten gebliebenen Segmente des Chorgestühls mit 57 von ursprünglich 87 Sitzen wurden daher in der Leonhardskirche aufgestellt, wo sie auch nach dem Teilwiederaufbau der Hospitalkirche im Jahr 1960 weiterhin verblieben.[22]

In der kunstgeschichtlichen Literatur fand das Chorgestühl keine oder wenig Beachtung. Die einzige ausführlichere Beurteilung lieferte 1855 der Kunsthistoriker Carl Alexander Heideloff:

„Eine Zierde der Kirche ... Conrad Zolner und Hans Haß waren also die Verfertiger dieser Stühle, deren figürliche Darstellungen von handwerklich tüchtiger Arbeit, mit etwaiger Ausnahme des heil. Ulrich, einer edlen, hübsch drappirten Gestalt, keine grosse künstlerische Bedeutung haben, die dagegen in den Verzierungen einen gewissen Geschmak für derartige Gegenstände verrathen und eine kräftige Behandlung zeigen. – Das Gestühlwerk der rechten Seite des Chors entbehrt des figürlichen Schmucks, ist aber in den decorativen Theilen um so trefflicher gearbeitet.“[23]

Rudolf Busch widmete in seiner 1928 erschienenen Monographie Deutsches Chorgestühl in sechs Jahrhunderten dem Stuttgarter Chorgestühl nur eine aus wenigen Zeilen bestehende Kurzbeschreibung.[24] Walter Loose gab in seiner 1931 erschienenen Monographie Die Chorgestühle des Mittelalters eine ausführlichere Beschreibung des Gestühls und urteilte:

„Schnitzerei der niederen Wangen vorzüglich, Relief der hohen Wangen derb handwerklich.“[25]

In Martin Urbans monographischem Artikel Chorgestühl von 1953 im Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte wird das Chorgestühl der Leonhardskirche nicht erwähnt. Das Gleiche gilt für die Dissertation Die Süddeutschen Chorgestühle von der Renaissance bis zum Klassizismus von Sybe Wartena.

  • Maria Binz: Das Chorgestühl von 1490/1493 in der Ev. Leonhardskirche in Stuttgart. Kunsthistorische und technologische Untersuchungen, Überlegungen zur ursprünglichen Aufstellung und Erstellung eines Konservierungskonzepts. Diplomarbeit Potsdam 2013, Poster: [1].
  • Rudolf Busch: Deutsches Chorgestühl in sechs Jahrhunderten. 500 Chorgestühle. Hildesheim 1928, S. 54.
  • Karl Halbauer, Maria Binz: Das Stuttgarter Dominikaner-Chorgestühl. Sas Gestühl der ehemaligen Stuttgarter Dominikanerkirche (Hospitalkirche), heute in der Leonhardskirche. Stuttgart 2014.
  • Julius Hartmann: Chronik der Stuttgarter Hospitalkirche. Stuttgart 1888, S. 11–13.
  • Carl Alexander Heideloff (Hrsg.): Die Kunst des Mittelalters in Schwaben. Denkmäler der Baukunst, Bildnerei und Malerei. Stuttgart 1855–1864, S. 29–30.
  • Ev. Pfarramt der Hospitalkirche Stuttgart (Hrsg.): Festschrift zur Einweihung der wiedererbauten Hospitalkirche Stuttgart am 21. Februar 1960. Stuttgart [1960], S. 8, 10.
  • Evangelische Leonhardsgemeinde Stuttgart (Hrsg.): 500 Jahre Leonhardskirche 1464–1964. Stuttgart 1964, S. 26, 29, 32.
  • Walter Loose: Die Chorgestühle des Mittelalters. Heidelberg 1931, S. 49, 128.
  • Johannes Merz: Die Abbildungen. In: Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule und Haus Band 36, 1894, S. 8–9, 10–11.
  • Harald Möhring: Ev. St. Leonhardskirche Stuttgart. München 1984, S. 11, Abb. 5, 7, 15.
  • Helmut A. Müller (Hrsg.): 500 Jahre Hospitalkirche Stuttgart. Vom Dominikanerkloster zur Kirche in der City. Stuttgart 1993, S. 18.
  • Bernhard Neidiger: Württembergisches Klosterbuch. Klöster, Stifte und Ordensgemeinschaften von den Anfängen bis in die Gegenwart. Ostfildern 2003, Abbildung auf S. 467.
  • Eduard Paulus: [Neckarkreis] (= Die Kunst- und Altertums-Denkmale im Königreich Württemberg. Inventar. Band 1). Stuttgart 1889, S. 20.
  • Christoph Riggenbach: Die Chorgestühle des Mittelalters vom XIII. bis XVI. Jahrhundert. In: Mitteilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale Band 8, 1863, S. 213–225, 244–263, hier S. 253–254.
  • Paul Sauer: 500 Jahre Hospitalkirche. Stuttgart 1993, S. 22, 24.
  • Gustav Wais: Die St.-Leonhardskirche und die Hospitalkirche zu Stuttgart. Eine Darstellung der beiden gotischen Kirchen mit baugeschichtlichen und kunstgeschichtlichen Erläuterungen. Stuttgart 1956, S. 43, Abb. 15–22.
Commons: Chorgestühl der Stuttgarter Leonhardskirche – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Da kein anderer Grundriss der Leonhardskirche verfügbar ist, wurde ein Grundriss von 1884 herangezogen, der in einigen Details nicht den aktuellen Zustand widerspiegelt.
  2. Beschreibung des Chorgestühls bei Heideloff 1855, Riggenbach 1863, Hartmann 1888, Loose 1931, Möhring 1984, Wais 1956.
  3. Hartmann 1888, S. 11; Wais 1956, S. 24, Abb. 16–17.
  4. Ulrich von Augsburg#Ikonografie.
  5. Sauer 1993, S. 11, 14, 42.
  6. Hartmann 1888, S. 13; Wais 1956, S. 24, Abb. 16–17.
  7. Der verschlossene Beutel spielt auf eine Maxime des Antoninus an, wonach das oberste Ziel der Armenpflege in der Bekämpfung des Bettelns bestehen sollte. Vgl. Norbert Huse, Wolfgang Wolters: Venedig, die Kunst der Renaissance. Architektur, Skulptur, Malerei 1460 – 1590. München 1996, S. 274.
  8. Textverlust durch Verstümmelung. – Laut Hartmann 1888, S. 13 gab es „hinten ein Büchlein mit der Aufschrift »Cronica Anthonini«“ (Chronik des Antoninus), das nicht mehr vorhanden ist.
  9. Wais 1956, S. 24, Abb. 18.
  10. Innozenz V. verfasste einen Kommentar zu den Sentenzen von Petrus Lombardus (In 4 libros sententiarum commentaria) und zu den Paulusbriefen (Postilla super omnes epistolas Pauli). Den Sentenzenkommentar schrieb Innozenz V. zusammen mit Thomas von Aquin und Albertus Magnus (siehe Aufsatzfigur bei Sitz B10).
  11. Hartmann 1888, S. 13; Wais 1956, S. 24, Abb. 19.
  12. Wais 1956, S. 24, Abb. 20.
  13. Hartmann 1888, S. 11–12; Wais 1956, S. 24, Abb. 21.
  14. Leonhardsgemeinde 1964, S. 26; Wais 1956, S. 24.
  15. Aus dem Ave Maria.
  16. Heideloff 1855, S. 30.
  17. Böblinger, Hans Ernst. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 12, Saur, München u. a. 1995, ISBN 3-598-22752-3, S. 101 ff.
  18. Die diagonal gestellte niedere Wange bei Sitz D8 stellt offenbar einen Anschlusspunkt für eine Übereckverbindung dar.
  19. a b c Binz 2013.
  20. Heideloff 1855, S. 29.
  21. Wais 1956, S. 23.
  22. Hospitalkirche 1960; Möhring 1984, S. 4.
  23. Heideloff 1855, S. 29, 30.
  24. Busch 1928.
  25. Loose 1931, S. 128.

Koordinaten: 48° 46′ 24,1″ N, 9° 10′ 49,9″ O