Christian Spieler

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Christian Spieler (geb. 3. Juli 1902 in Berlin, gest. 8. August 1973 in Elmshorn)[1] war ein deutscher Jurist. Er war von Juli 1933 bis Dezember 1934 Kommandant des Gemeinschaftslagers „Hanns Kerrl“ für Rechtsreferendare in Jüterbog und ab Juli 1940 Referent im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda.

Hanns Kerrl (Mitte) 1933 beim Besuch des später nach ihm benannten Lagers für Justiz-Referendare in Jüterbog. Links neben ihm C. Spieler.

Spieler absolvierte in den Jahren von 1921 bis 1923 eine Banklehre in Kiel.[2] Danach studierte er Rechtswissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel[3].

Von 1921 bis 1924 war Spieler Mitglied der Marine-Brigade Ehrhardt, eines rechtsradikalen Freikorps. Er gehörte auch dem im Mai 1923 gegründeten und im April 1928 aufgelösten antidemokratischen Bund Wiking an. 1926 bestand er sein erstes juristisches Staatsexamen in Kiel mit der Note „Ausreichend“.[2]

Spieler heiratete im Jahr 1930 und wurde in den folgenden Jahren Vater von vier Kindern.[2]

Im Oktober 1930 trat Spieler in die SA ein.[4] Spieler trug Ende Juni 1933 die Uniform eines Sturmbannführers (Major).[5] Spieler wurde im Sommer 1933 zum Obersturmbannführer der SA ernannt.[6] Im Juli 1933 wurde Spieler zum SA-Standartenführer (Oberst) befördert.[7] Als Gruppenrechtsberater unterstand der Rechtsanwalt Christian Spieler aus Wesselbüren dem obersten SA-Rechtsberater, SA-Gruppenführer Walter Luetgebrune.[8] Spieler war später Rechtsreferent der nach dem 30. Juni 1934 gegründeten SA-Standarte „Feldherrnhalle“.[4]

Zum 1. November 1930 trat Spieler der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 367.426).[9] Er fungierte als Ortsgruppenleiter der NSDAP in Rendsburg bei Kiel.[4]

Spieler war als Rechtsanwalt in Elmshorn tätig.[4] Im Jahr 1932 verteidigte Spieler gemeinsam mit dem damaligen Rechtsanwalt Roland Freisler, dem späteren Präsidenten des Volksgerichtshofes, im Altonaer Sprengstoffprozess die rechtsradikalen Angeklagten.[10] Im selben Jahr nahm Spieler SS-Männer in seinem Wagen mit, um so ihre Festnahme durch die Polizei zu verhindern. Mehrfach schmuggelte er Angeklagte, die er als Strafverteidiger anwaltlich vertrat, aus Gerichtssälen heraus. Ebenfalls im Jahr 1932 schoss Spieler einem Angehörigen des republikanischen Reichsbanners in den Oberschenkel, was ihm ein Verfahren wegen versuchten Totschlags eintrug.[11]

Am 20. März 1933 berief Anton Wallroth, der Regierungspräsident in Schleswig, Christian Spieler zum kommissarischen Bürgermeister von Elmshorn. Als das Magistratsmitglied Heinrich Lempfert (SPD) Spieler Korruption zugunsten seines Schwagers, eines Elmshorner Buchhändlers, vorhielt, schloss Spieler im April 1933 Lempfert kurzerhand von den Magistratssitzungen aus.[12] Bei den Kommunalwahlen in Elmshorn am 12. März 1933 wurde der KPD-Reichstagsabgeordnete Reinhold Jürgensen in die Elmshorner Stadtverordnetenversammlung gewählt. An deren konstituierender Sitzung am 31. März 1933 konnte Jürgensen jedoch schon nicht mehr teilnehmen, da er auf Veranlassung des kommissarischen Bürgermeisters Spieler verhaftet und im KZ Fuhlsbüttel interniert worden war.[13] Spieler war nur von Ende März bis Ende Juni 1933 Bürgermeister in Elmshorn.

Bereits am 30. Juni 1933 wurde Spieler auf Betreiben des preußischen Justizministers Hanns Kerrl zum Oberstaatsanwalt im niederschlesischen Schweidnitz ernannt.[4] Spielers Vorgänger hatte die Stelle durch das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ verloren. Kerrl war offensichtlich durch seinen Staatssekretär Freisler auf Spieler aufmerksam geworden, der im Herbst 1932 zusammen mit Spieler die Angeklagten im Altonaer Sprengstoffprozess verteidigt hatte.[14]

Spieler trat sein Staatsanwaltsamt in Schweidnitz nie an,[15] sondern wurde in den Justizdienst übernommen und im Juli 1933 als Beamter in das Preußische Justizministerium berufen.[12] Kerrl berief Christian Spieler im Juli 1933 zum Lagerkommandanten des „Gemeinschaftslagers“ für Rechtsreferendare in Jüterbog.

Spieler leitete jedoch nur von Juli 1933 bis Dezember 1934 das Jüterboger „Gemeinschaftslager“ für Rechtsreferendare. Im Januar 1935 wurde er durch den zum Architekten ausgebildeten Karl Hildebrandt abgelöst. Dieser blieb bis zur Schließung des Referendarlagers im Herbst 1939 im Amt.[16]

Parteiausschluss- und Disziplinarverfahren, Rehabilitierung

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Nachdem Spieler im „Gemeinschaftslager“ in Jüterbog mehrfach unter Alkoholeinfluss heftig randaliert hatte, leitete die NSDAP am 25. Februar 1935 ein Disziplinarverfahren gegen ihn ein.[17]

Per einstweiliger Verfügung der späteren Partei-Kanzlei vom 5. Februar 1935 wurde Spieler wegen parteischädigenden Verhaltens aus der NSDAP ausgeschlossen. Darüber hinaus leitete auch die Justizverwaltung ein Disziplinarverfahren gegen den Oberstaatsanwalt Spieler ein.

Im Januar 1935 wurde Spieler an die Staatsanwaltschaft beim Kammergericht Berlin versetzt. Ab Februar 1936 war er beim Amtsgericht Berlin tätig.[2] Im Laufe des Jahres 1936 wurde Spieler allmählich rehabilitiert.[2] Das oberste Parteigericht der NSDAP wandelte seinen vorläufigen Parteiausschluss in eine Verwarnung um.[18] Ende 1936 galt Spielers Rehabilitation als abgeschlossen.

Ab Januar 1938 arbeitete Spieler bei der Staatsanwaltschaft am Landgericht Berlin.[2]

Der Berufsweg Spielers lässt sich heute nicht mehr vollständig rekonstruieren. Seine Tätigkeiten beim Kammergericht sowie als Vernehmungsrichter für das Berliner Polizeipräsidium stellten ihn offenbar nicht zufrieden.[19]

Wechsel vom Justiz- ins Propagandaministerium

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Ab Juli 1939 war Spieler im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda tätig. Nur wenige Wochen später, im August 1939 (also kurz vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939), wurde Spieler als Oberleutnant der Reserve zum Regiment „General Göring“ einberufen.[4] Ein knappes Jahr später, im Juli 1940, kehrte er ins Propagandaministerium zurück. Dort wurde er zum Ministerialrat ernannt und schied damit aus dem Reichsjustizdienst aus.[20]

Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft

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Von 1941 bis Mitte Mai 1943 leistete Spieler Kriegsdienst, unter anderem in Afrika, zuletzt als Hauptmann der Luftwaffe. Mitte Mai 1943 wurde er in Afrika gefangen genommen und in ein Gefangenenlager in Texas/USA gebracht. Der Zeitpunkt seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft ist unbekannt.

Spielers letzte bekannte Adresse befand sich in Elmshorn-Pinneberg, wo er 1950 lebte.[2] Über die letzten dreißig Jahre seines Lebens ist so gut wie nichts bekannt. Spieler verstarb am 8. August 1973 im Alter von 71 Jahren in Elmshorn.[21]

  • Verein zur Förderung des Stadtarchivs Elmshorn, „Bürgermeister/innen der Stadt Elmshorn seit 1870“, Eintrag: „1933 Christian Spieler“, online
  • Folker Schmerbach: „Das »Gemeinschaftslager Hanns Kerrl« für Referendare in Jüterbog 1933–1939“, in: Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts, 56, Mohr Siebeck, Tübingen 2008. ISBN 978-3-16-149585-4.
  • Frank Engehausen (Projektleiter), Projekt „Beamte nationalsozialistischer Reichsministerien“ (Propaganda – Luftfahrt – Erziehung – Ostgebiete), Rekrutierung, Karrieren, Nachkriegswege. Historisches Seminar der Universität Heidelberg. ISSN 2569-6440 Stand 1. 1. 2024. online

Einzelnachweise

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  1. Harald Kirschninck: „Die Fahne ist mehr als der Tod: Die Geschichte der Hitler-Jugend in Elmshorn“, BoD, Norderstedt 2023, S. 204/205. ISBN 978-3748108955. online
  2. a b c d e f g Folker Schmerbach: „Das »Gemeinschaftslager Hanns Kerrl« für Referendare in Jüterbog 1933–1939“, Mohr Siebeck, Tübingen 2008, S. 283.
  3. Siehe: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Personal-Verzeichnis für das Wintersemester 1924/25, Stand vom 1. Februar 1925, und Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester 1925 (Beginn der Vorlesungen am 1. Mai 1925), gedruckt bei Schmidt & Klaunig, Kiel, 1925, S. 13. online PDF
  4. a b c d e f Frank Engehausen (Projektleiter): Projekt „Beamte nationalsozialistischer Reichsministerien“ (Propaganda – Luftfahrt – Erziehung – Ostgebiete), Rekrutierung, Karrieren, Nachkriegswege, Historisches Seminar der Universität Heidelberg. ISSN 2569-6440 online
  5. Folker Schmerbach, „Das »Gemeinschaftslager Hanns Kerrl« für Referendare in Jüterbog 1933–1939“, Mohr Siebeck, 2008, S. 66
  6. Folker Schmerbach: „Das »Gemeinschaftslager Hanns Kerrl« für Referendare in Jüterbog 1933–1939“, Mohr Siebeck, Tübingen 2008, S. 68, Fn. 281.
  7. Folker Schmerbach, „Das »Gemeinschaftslager Hanns Kerrl« für Referendare in Jüterbog 1933–1939“, Mohr Siebeck, Tübingen 2008, S. 67 und S. 283.
  8. Rudolf Hedeloff, „Staranwalt der Rechtsextremisten. Walter Luetgebrune in der Weimarer Republik“, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Jahrgang 32 (1984), Heft 3, München 1984, S. 409, Fußnote 219. ISSN 0042-5702 online PDF ISSN 2196-7121
  9. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/42080148
  10. Folker Schmerbach: „Das »Gemeinschaftslager Hanns Kerrl« für Referendare in Jüterbog 1933–1939“, Mohr Siebeck, Tübingen 2008, S. 66 und S. 85.
  11. Folker Schmerbach: „Das »Gemeinschaftslager Hanns Kerrl« für Referendare in Jüterbog 1933–1939“, Mohr Siebeck, Tübingen 2008, S. 65.
  12. a b Verein zur Förderung des Stadtarchivs Elmshorn, „Bürgermeister/innen der Stadt Elmshorn seit 1870“, Eintrag: „1933 Christian Spieler“, Stadtarchiv Elmshorn: online
  13. Förderverein Gegen das Vergessen – Spurensuche im Kreis Pinneberg und Umgebung 1933–1945 e.V., in: Spurensuche Kreis Pinneberg, „Gegen Das Vergessen – Stolpersteine in Elmshorn“ (Teil 1), „F. Reinhold Jürgensen – KPD-Reichstagsabgeordneter – erschlagen von der SS“, online
  14. Folker Schmerbach: „Das »Gemeinschaftslager Hanns Kerrl« für Referendare in Jüterbog 1933–1939“, Mohr Siebeck, Tübingen 2008, S. 85. online
  15. Folker Schmerbach, „Das »Gemeinschaftslager Hanns Kerrl« für Referendare in Jüterbog 1933–1939“, Mohr Siebeck, Tübingen 2008, S. 66.
  16. Folker Schmerbach: „Das »Gemeinschaftslager Hanns Kerrl« für Referendare in Jüterbog 1933–1939“, Mohr Siebeck, Tübingen 2008, S. 76.
  17. Internationaler Gerichtshof Nürnberg, 3758-PS, Exhibit Number GB-516, H3445-0129, S. 129, unter dem Datum 28. Februar 1935 die laufende Nummer 4, : „4. GenStA. b. KG. 25.2. Gegen OStA. Spieler ist Disziplinarverfahren eingeleitet worden.“ online
  18. IMT Nuremberg Archives H-4037 International Court of Justice, Dokument 3758-PS, Exhibit Number GB-516, „Hermann Goering“, unter dem Datum vom 17. April 1936, online : „[...] 6. Oberstes Parteigericht übersendet Urteil gegen OStA. Spieler v. 20.3.[1936] Danach wird unter Abänderung der einstweiligen Verfügung des Stellv. des Führers vom 5.2.[1935] beantragt, dem Angeschuldigten wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 c und b der Satzung eine Verwarnung zu erteilen. In den Strafzumessungsgründen führt das Gericht aus, daß die Verfehlungen zwar schwerwiegender Natur seien, aber nicht auf einer Minderwertigkeit des Charakters beruhten. Der Angeschuldigte sei für das ihm anvertraute Amt zu jung und unerfahren gewesen, um sich in vollem Umfang der Tragweite seines schädigenden Verhaltens bewußt sein zu können. [...]“ und unter dem Datum vom 26. Mai 1936: „1. Reichsmin. Kerrl 15.5. verwendet sich für eine Rehabilitierung des früheren OStA Christian Spieler. Oberstes Parteigericht habe einstweiligen Ausschluß aus der Partei aufgehoben und sich mit Verwarnung begnügt. Das stelle völlige Rehabilitierung des Spieler dar. Kerrl regt Aufhebung der Dienststrafe an, zumal im Hinblick auf Amnestie vom 23.4. (Verdienste in der Kampfzeit, Lage der Familie). Ferner bittet Kerrl, Spieler eine seinen Leistungen entsprechende Beschäftigung im Justizdienst wiederzugeben.“
  19. Folker Schmerbach, „Das »Gemeinschaftslager Hanns Kerrl« für Referendare in Jüterbog 1933–1939“, Mohr Siebeck, Tübingen 2008, S. 263.
  20. Folker Schmerbach: „Das »Gemeinschaftslager Hanns Kerrl« für Referendare in Jüterbog 1933–1939“, Mohr Siebeck, Tübingen 2008, S. 263 und S. 283.
  21. Harald Kirschninck: „Die Fahne ist mehr als der Tod: Die Geschichte der Hitler-Jugend in Elmshorn“, Books on Demand, Norderstedt 2023, S. 205.