In der Mengenlehre beschreibt das Cichoń-Diagram (oder englisch Cichoń’s diagram) beweisbare Größenverhältnisse von zehn Kardinalzahlen, die sich auf Teilmengen von reellen Zahlen beziehen. Alle dargestellten Kardinalzahlen liegen zwischen , der kleinsten überabzählbaren Kardinalzahl, und , der Kardinalität des Kontinuums . Vier dieser Kardinalzahlen beschreiben Eigenschaften der Lebesgue-Nullmengen. Vier weitere beschreiben die entsprechenden Eigenschaften der mageren Teilmengen.
Der britische Mathematiker David Fremlin benannte das Diagramm nach dem polnischen Mathematiker Jacek Cichoń.[1]
Sei eine Menge und ein Ideal (das heißt: für gilt und ), das alle endlichen Teilmengen von enthält.
- von ist die kleinste Kardinalität einer Teilmenge von , deren Vereinigung nicht mehr in liegt. Da das Ideal nach Definition unter endlichen Vereinigungen abgeschlossen ist, ist . Ist ein σ-Ideal (das heißt: für ), so ist .
- von ist die kleinste Kardinalität einer Teilmenge von , deren Vereinigung ergibt. Wegen folgt .
- von ist die kleinste Kardinalität einer Teilmenge von , die nicht in liegt.
- von ist die Konfinalität der Halbordnung , also die kleinste Kardinalität einer Teilmenge von , die kofinal in ist.
Aus den Definitionen folgt unmittelbar, dass und für jedes Ideal gilt.
Daneben werden die Unbeschränktheitszahl und Dominierungszahl wie folgt definiert:
- und
- ,
wobei für es gibt unendlich viele steht und für für alle bis auf endlich viele Ausnahmen.
Schreibe für das σ-Ideal der mageren reellen Mengen in der euklidischen Topologie und für das σ-Ideal der Lebesgue-Nullmengen. Dann gelten folgende Ungleichungen:
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Außerdem gelten
- und
- .[2]
Es hat sich herausgestellt, dass die dargestellten Ungleichungen alle in ZFC beweisbaren Ungleichungen zwischen diesen Kardinalitäten umfassen: Jede Zuweisung der zehn Kardinalitäten im Diagramm an und , die keine der dargestellten Ungleichungen verletzt, wird von einem Modell von ZFC realisiert (unter der Voraussetzung, dass ZFC konsistent ist).
Die Situation ist nicht abschließend für geklärt. Es ist konsistent mit ZFC, dass alle dargestellten Kardinalzahlen verschieden sind, bis auf und , die notwendig mit einer anderen übereinstimmen müssen.[3][4][5] Bisher (Stand: 2019) ist es eine offene Frage, ob alle Zuweisungen der zehn Kardinalitäten im Diagramm an beliebige Kardinalzahlen, die keine der dargestellten Ungleichungen verletzen, mit ZFC konsistent sind.
Einige Ungleichungen wie etwa und folgen unmittelbar aus den Definitionen. Die Ungleichungen und sind klassische Resultate und folgen aus dem Umstand, dass das Kontinuum in eine magere Menge und eine Nullmenge zerlegt werden kann.
Aus der Kontinuumshypothese folgt unmittelbar, dass alle Kardinalzahlen im Diagramm gleich sind. Aus Martins Axiom, einer Abschwächung der Kontinuumshypothese, folgt, dass alle dargestellten Kardinalzahlen oder sind.
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David H. Fremlin: Cichon’s diagram. In: Sémin. Initiation Anal. 23ème Année-1983/84 (= Publ. Math. Pierre and Marie Curie University). Band 66, 1984, Exp. No. 5, 13 p. (englisch).
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Tomek Bartoszyński: Invariants of Measure and Category. In: Matthew Foreman (Hrsg.): Handbook of Set Theory. Springer-Verlag, 2009, ISBN 978-1-4020-4843-2, S. 491–555, doi:10.1007/978-1-4020-5764-9_8, arxiv:math/9910015 (englisch).
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Martin Goldstern, Jakob Kellner: A Deep Math Dive into Why Some Infinities Are Bigger Than Others. Scientific American (englisch, scientificamerican.com [abgerufen am 15. November 2021]).
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Martin Goldstern, Jakob Kellner, Saharon Shelah: Cichoń’s maximum. In: Annals of Mathematics. Band 190, Nr. 1, 2009, S. 113–143, doi:10.4007/annals.2019.190.1.2, arxiv:1708.03691 (englisch).
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Martin Goldstern, Jakob Kellner, Diego A. Mejía, Saharon Shelah: Cichoń’s maximum without large cardinals. 2009, arxiv:1906.06608 (englisch).