Lothar Späth

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Lothar Späth (1983)

Lothar Späth (* 16. November 1937 in Sigmaringen; † 18. März 2016 in Stuttgart[1]) war ein deutscher Politiker (CDU) und Manager. Von 1978 bis 1991 war er Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Wegen seiner Gewitztheit, Wendigkeit und seinem Einfallsreichtum erhielt Späth den Spitznamen „Cleverle“.

Lothar Späth wurde am 16. November 1937 als Sohn eines Teilhabers einer Samenhandlung in Sigmaringen geboren. Zwei Jahre nach Späths Geburt[2] verließ die streng pietistische Familie das katholisch geprägte Sigmaringen und zog nach Ilsfeld, wo er die Volksschule besuchte. Es folgten die Oberschule in Beilstein und das Robert-Mayer-Gymnasium in Heilbronn, das er bereits nach der Mittleren Reife verließ. Zwischen 1953 und 1958 wurde Späth im Verwaltungsdienst der Stadt Giengen an der Brenz und beim Landratsamt Bad Mergentheim ausgebildet. Von 1958 bis 1959 besuchte er die Staatliche Verwaltungsschule Stuttgart.

Öffentliche Ämter und politische Tätigkeiten

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Ab 1960 arbeitete Späth bei der Finanzverwaltung der Stadt Bietigheim. Er übernahm 1963 den Vorsitz des dortigen, 1961 von ihm selbst gegründeten[3] Stadtjugendrings. 1965 wurde er Beigeordneter und Finanzreferent der Stadt, 1967 wurde er dort zum Bürgermeister gewählt. Von 1970 bis 1974 war er Geschäftsführer der Neuen Heimat in Stuttgart und Hamburg und bis 1977 auch im Vorstand bzw. Aufsichtsrat der Baufirma C. Baresel AG in Stuttgart.

1968 wurde er erstmals als Abgeordneter in den Landtag von Baden-Württemberg gewählt, 1972 wurde er dort Vorsitzender der CDU-Fraktion. Nachdem er mehrmals ihm von Ministerpräsident Hans Filbinger angebotene anderweitige Ministerämter zunächst ausgeschlagen hatte, wurde er 1978 zum Innenminister ernannt.

Späth mit Erich Honecker (1987)

Nach dem Rücktritt von Filbinger wegen der „Filbinger-Affäre“ wurde Lothar Späth schließlich am 30. August 1978 zum fünften Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg gewählt. Er konnte sich innerhalb der Landtagsfraktion gegen den Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel, der ebenfalls Ambitionen auf das Amt hatte, durchsetzen. Von 1979 bis 1991 war er Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg, anschließend deren Ehrenvorsitzender, sowie von 1981 bis 1989 stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei.

Ende der 1980er Jahre erschien die CDU als eine zerstrittene Partei. Nach einer Reihe von Wahlniederlagen und Umfragen, die eine geringe Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Politik des Bundeskanzlers Helmut Kohl signalisierte, erwogen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, Kurt Biedenkopf und Rita Süssmuth im Vorfeld des Bremer Parteitags der CDU 1989, Späth als Gegenkandidaten für den Parteivorsitz aufzustellen. Kohls Führungsstil, der einen latenten Machtkampf mit Geißler ausfocht und die Parteigremien vernachlässigte, wurde im Parteivorstand scharf kritisiert. Aber aus Angst vor einer Niederlage rückten Kohls Kritiker schon im Vorfeld des Parteitags schrittweise von Späth und Geißler ab. Späth wurde schließlich nicht als Gegenkandidat aufgestellt. Er, Geißler, Norbert Blüm und Süssmuth legten im Präsidium lediglich einen Reformkatalog vor, um das Präsidium an Entscheidungen zu beteiligen. Kohl löste letztlich keine der Forderungen ein, sondern nutzte seine Kontakte zur Parteibasis, aber auch die Entwicklung in Osteuropa, um von dem Parteistreit abzulenken. Die Kohl-Kritiker wurden auf dem Parteitag abgestraft. Späth fiel bei der Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden durch. Dadurch verschob sich das Parteigefüge der CDU in Richtung „Kanzlerpartei“, denn Späth war der letzte CDU-Ministerpräsident von Rang in der Bundespolitik gewesen.[4]

Turnusgemäß war Späth als Ministerpräsident von Baden-Württemberg vom 1. November 1984 bis zum 31. Oktober 1985 Bundesratspräsident. Von 1987 bis 1990 war Späth Bevollmächtigter der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten im Rahmen des Élysée-Vertrags. In dieser Funktion war er wesentlich an der Idee und Gründung des Fernseh-Kulturkanals Arte beteiligt.[5]

Späth konnte bei den Landtagswahlen 1980, 1984 und 1988 jeweils die absolute Mehrheit der CDU verteidigen. Als Ministerpräsident trieb er die wirtschaftliche Entwicklung des Landes voran. Späth arbeitete dabei mit in Baden-Württemberg ansässigen Konzernen und deren Managern eng zusammen, insbesondere mit dem Wirtschaftsmanager und Konzernchef der Südmilch AG Friedrich Wilhelm Schnitzler, dem Mercedes-Benz-Konzern, der Porsche AG und mit deren Vorständen. Nachdem Späth im Zusammenhang mit der „Traumschiff-Affäre“ Vorteilsnahme bei Ferienreisen vorgeworfen worden war, trat er am 13. Januar 1991 von seinem Amt als Regierungschef zurück und legte am 31. Juli 1991 auch sein Mandat als Landtagsabgeordneter nieder. Sein Nachfolger als Ministerpräsident wurde der damalige baden-württembergische CDU-Fraktionsvorsitzende Erwin Teufel. Sein Landtagsmandat übernahm der Oberbürgermeister von Bietigheim-Bissingen Manfred List.

Für seine Wendigkeit und seinen Einfallsreichtum war Späth oft als „clever“ bezeichnet worden, in der schwäbischen Mundart zum „Cleverle“ verniedlicht. Nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident meinte Der Spiegel, Späth sei binnen Wochen vom „Cleverle“ zum „Neverle“ geschrumpft.[6]

Im Bundestagswahlkampf 2002 war Späth als Schatten-Wirtschaftsminister Mitglied im Schattenkabinett des Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber.

Sonstige Tätigkeiten

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Um mittelständische Unternehmen aus Baden-Württemberg bei der Erschließung ausländischer Märkte zu unterstützen, rief er 1984 die „Exportstiftung Baden-Württemberg“, heute Baden-Württemberg International, ins Leben.[7]

Gemeinsam mit Gregor Gysi moderierte er ab dem 20. Januar 2003 die Talkshow Gysi und Späth im MDR. Im vierwöchigen Turnus wurde aus dem Leipziger Hauptbahnhof gesendet. Nach drei Folgen wurde die Sendung abgesetzt.[8][9]

Privatwirtschaft

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Lothar Späth (2003)

Späth wurde im Juni 1991 Geschäftsführer der Jenoptik GmbH in Jena (Rechtsnachfolger des VEB Carl Zeiss Jena) und führte diese am 16. Juni 1998 als Vorstandsvorsitzender der daraus hervorgegangenen Aktiengesellschaft Jenoptik AG an die Börse. Jenoptik war somit eines der wenigen Beispiele, dass ein ehemaliges Industriekombinat aus der ehemaligen DDR sich nach der Wende erfolgreich im vereinigten Deutschland behaupten konnte. Späths eigene Tätigkeit im Vorstand der Jenoptik AG endete im Juni 2003. Im April 1996 wurde Späth Präsident der Industrie- und Handelskammer Ostthüringen zu Gera. 1997 erhielt er die Ehrenbürgerschaft der Stadt Jena.

Von 1997 bis 2001 moderierte er die wöchentliche Gesprächssendung Späth am Abend auf n-tv. Ab 2005 moderierte er wieder eine gleichnamige Sendung, die monatlich ausgestrahlt wurde. Er hatte eine Honorarprofessur für Medien und Zeitdiagnostik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena inne. Von 2002 bis 2011 war Späth Testimonial des InnovationswettbewerbsTOP 100 – Die innovativsten Unternehmen im deutschen Mittelstand“ und Herausgeber des dazugehörigen, jährlich erscheinenden Buches.[10] Im Mai 2005 wurde er Vorsitzender der Geschäftsführung der Investmentbank Merrill Lynch für Deutschland und Österreich, zudem war er von 2006 bis 2007 Aufsichtsratsvorsitzender der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Von Juli 2007 bis April 2013 war er Aufsichtsratsvorsitzender der J&M Management Consulting AG mit Sitz in Mannheim. Von 1998 bis September 2012 war er ebenfalls Aufsichtsratsvorsitzender der Herrenknecht AG, dem führenden Hersteller von Tunnelvortriebsmaschinen.

Von Späth erschienen mehrere Bücher politischen Charakters.

Lothar Späth war Stifter des Lothar-Späth-Preises.[11] Weiterhin war er seit 2004 Jury-Mitglied des Unternehmerpreises Entrepreneur des Jahres. Von 2008 bis 2012 war er Vorsitzender des Kuratoriums der Denkmalstiftung Baden-Württemberg. Ebenso war er Vorsitzender des Kuratoriums der von ihm initiierten Marion Ermer Stiftung zur Förderung von Kunst und Kultur, insbesondere von Nachwuchskünstlern in den neuen Bundesländern.

Lothar Späth (2011)

Lothar Späth war seit 1962 verheiratet und hatte mit seiner ab Ende 2013 von ihm getrennt lebenden[12] Frau Ursula eine Tochter und einen Adoptivsohn, Peter Späth, der seit 2007 dem Vorstand der Sparkasse Trier angehört, seit 2020 als Vorsitzender.[13]

Am 18. März 2016 starb Späth im Alter von 78 Jahren.[14] Er war an Demenz erkrankt und lebte zuletzt in einem Pflegeheim.[15] Seine letzte Ruhestätte fand Späth auf dem Friedhof von Möhringen im Süden von Stuttgart.[16]

Auszeichnungen und Ehrungen

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  • Franz Effenberger: Lothar Späths Forschungsförderung und Technologiepolitik am Beispiel der Universität Stuttgart. verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2020, ISBN 978-3-95505-200-3.
  • Christian Faludi, Hanno Müller: Späth, Lothar, in: Matias Mieth, Rüdiger Stutz (Hrsg.): Jena. Lexikon zur Stadtgeschichte. Tümmel-Verlag, Berching 2018, S. 585 f.
  • Stefan Wogawa: Lothar Späth. Blick hinter eine (Selbst-)Inszenierung. (= Wirtschaft & Politik. Band 1). OWUS e. V., Bad Salzungen 2010.
  • Marlis Prinzing, Lothar Späth: „Wir schaffen das“ – Antworten auf die Krise – Perspektiven für die Zukunft. Marlis Prinzing trifft Lothar Späth. Kaufmann, Lahr 2009, ISBN 978-3-7806-3089-6.
  • Marlis Prinzing: Lothar Späth – Wandlungen eines Rastlosen. Orell Füssli Verlag, Zürich 2006, ISBN 3-280-05203-3.
  • Rudolf Leibinger, Horst Sund (Hrsg.): Zwischenbilanz. Festschrift für Lothar Späth anlässlich der Fertigstellung des Mischkreuzes der Universität Konstanz. Universitäts-Verlag Konstanz, Konstanz 1988, ISBN 3-87940-337-6.
Commons: Lothar Späth – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Lothar Späth schlief sanft im Heim ein. In: Bild online. 18. März 2016 (online [abgerufen am 12. April 2016]).
  2. Michael Hescheler (fxh): Kretschmann, der Wahrsager. In: Schwäbische Zeitung. 2. April 2011.
  3. Stefan Benning: Bietigheim 789–1989. Beiträge zur Geschichte von Siedlung, Dorf und Stadt. Bietigheim-Bissingen 1989, ISBN 3-9801012-2-5, S. 761.
  4. Frank Bösch: Macht und Machtverlust. Die Geschichte der CDU. DVA, Stuttgart 2002, S. 130–133.
  5. Andreas Schreitmüller: Am seidenen Faden. In: Medienkorrespondenz. 11/2016 vom 27. Mai 2016, S. 17–19.
  6. Marlis Prinzing: Lothar Späth. Wandlungen eines Rastlosen. Orell Füssli Verlag, Zürich 2006, S. 243; Broder Carstensen, fortgef. von Ulrich Busse (Hrsg.): Anglizismen-Wörterbuch. Bd. 1. A–E. De Gruyter, Berlin 1993, S. 253.
  7. Interview mit Jürgen Oswald, Chef von Baden-Württemberg International. In: Südwest Presse. 14. September 2014, archiviert vom Original am 18. Dezember 2019; abgerufen am 10. Februar 2020.
  8. Thomas Lückerath: "Gysi und Späth" – Neue MDR-Talkshow. In: DWDL.de. 12. Januar 2003, abgerufen am 28. Januar 2022.
  9. Gysi und Späth abgesetzt. In: abendblatt.de. 29. März 2003, abgerufen am 28. Januar 2022.
  10. Internetseite des Veranstalters (Memento vom 2. Februar 2016 im Internet Archive) abgerufen am 2. Februar 2016.
  11. Lothar-Späth Förderpreis für Künstler mit geistiger Behinderung
  12. Ex-Ministerpräsident Lothar Späth nach 51 Ehejahren von Frau verlassen. In: Die Welt Online. 31. März 2014, abgerufen am 5. Oktober 2014.
  13. Volksfreund: Der dritte Mann. 16. Januar 2007, abgerufen am 19. November 2024.
  14. Lothar Späth ist tot FAZ.net, 18. März 2016, abgerufen am 18. März 2016.
  15. Lothar Späth an Demenz erkankt. FAZ.net, 6. März 2016.
  16. Das Grab von Lothar Späth. In: knerger.de. Klaus Nerger, abgerufen am 8. Oktober 2018.