Cotunnit

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Cotunnit
Cotunnit aus der Ferruginosa-Mine, Cabo de Palos Range, Cartagena, Murcia, Spanien (Sichtfeld 0,9 mm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Cot[1]

Andere Namen

Blei(II)-chlorid

Chemische Formel PbCl2[2]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Halogenide
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

III/C.05
III/D.08-010

3.DC.85
09.02.07.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol orthorhombisch-dipyramidal; 2/m2/m2/m[3]
Raumgruppe Pnam (Nr. 62, Stellung 6)Vorlage:Raumgruppe/62.6[2]
Gitterparameter a = 7,62 Å; b = 9,04 Å; c = 4,53 Å[2]
Formeleinheiten Z = 4[2]
Zwillingsbildung entlang {120}
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 2,5[4]
Dichte (g/cm3) gemessen: 5,80 (synthetisch); berechnet: 5,91[4]
Spaltbarkeit vollkommen nach {010}[4]
Bruch; Tenazität schwach muschelig; leicht schneidbar[4]
Farbe farblos bis weiß, hellgrün, hellgelb
Strichfarbe weiß
Transparenz durchsichtig bis undurchsichtig
Glanz Diamantglanz, seidig bis perlenartig
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 2,199[5]
nβ = 2,217[5]
nγ = 2,260[5]
Doppelbrechung δ = 0,061[5]
Optischer Charakter zweiachsig positiv
Achsenwinkel 2V = 67° (gemessen); 68° (berechnet)[5]

Cotunnit (IMA-Symbol Cot[1]) ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der Halogenide mit der chemischen Zusammensetzung PbCl2 und ist damit chemisch gesehen Blei(II)-chlorid.

Cotunnit kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem und entwickelt prismatische, entlang der a-Achse [100] nadelige oder tafelige Kristalle[6] bis etwa 2 mm[4] Größe mit einem diamantähnlichen Glanz auf den Oberflächen. Bekannt sind auch zepterförmige oder skelettartige Kristalle sowie radialstrahlige, büschelige, körnige bis derbe Mineral-Aggregate und krustige Überzüge, die dann eher seiden- oder perlmuttähnlich schimmern. In reiner Form ist Cotunnit farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterfehlern oder polykristalliner Ausbildung kann er aber auch durchscheinend weiß sein und durch Fremdbeimengungen eine hellgrüne bis hellgelbe Farbe annehmen.

Etymologie und Geschichte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Cotunnit wurde erstmals 1825 von Teodoro Monticelli (1759–1845) und Nicola Covelli[7] in der Typlokalität, dem Vesuv bei Neapel in Italien entdeckt. Sie benannten das Mineral nach dem italienischen Anatomie-Professor Domenico Cotugno (auch Cotunnius, 1736–1822).[8]

Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Cotunnit zur Mineralklasse der „Halogenide“ und dort zur Abteilung der „Oxihalogenide“, wo er zusammen mit Bismoclit, Daubréeit, Fiedlerit, Laurionit, Matlockit, Paralaurionit, Pseudocotunnit und Zavaritskit die „Fiedlerit-Laurionit-Matlockit-Gruppe“ mit der System-Nr. III/C.05 bildete.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. III/D.08-10. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Oxihalogenide“, wo Cotunnit zusammen mit Brontesit, Challacolloit, Fiedlerit, Hephaistosit, Laurionit, Paralaurionit, Pseudocotunnit und Steropesit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet.[9]

Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[10] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Cotunnit in die erweiterte Abteilung der „Oxihalogenide, Hydroxyhalogenide und verwandte Doppel-Halogenide“ ein. Diese ist allerdings unterteilt nach den in der Verbindung vorherrschenden Metallen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit Pb (As, Sb, Bi) ohne Cu“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 3.DC.85 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Cotunnit in die Klasse und dort in die gleichnamige Abteilung der „Halogenide“ ein. Hier ist er als Namensgeber der „Cotunnitgruppe“ mit der System-Nr. 09.02.07 und den weiteren Mitgliedern Hydrophilit und Coccinit innerhalb der Unterabteilung „Wasserfreie und wasserhaltige Halogenide mit der Formel AX2“ zu finden.

Kristallstruktur

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Kristallstruktur von Cotunnit

Cotunnit kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem in der Raumgruppe Pnam (Raumgruppen-Nr. 62, Stellung 6)Vorlage:Raumgruppe/62.6 mit den Gitterparametern a = 7,62 Å, b = 9,04 Å und c = 4,53 Å sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[2]

In der Kristallstruktur ist jedes Bleiatom von insgesamt neun Chlorid-Anionen in Form eines dreifach überkappten trigonalen Prismas koordiniert. Diese Prismen bilden Stränge entlang der c-Achse. Im Koordinationspolyeder um die Chlorid-Anionen sind sowohl quadratische Pyramiden, als auch Tetraeder aus Blei-Kationen.[11]

Cotunnit ist namensgebend für die Cotunnit-Struktur, in der neben Blei(II)-chlorid weitere Salze wie Bariumchlorid, Calciumhydrid oder Blei(II)-bromid kristallisieren.

Bildung und Fundorte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Cotunnit kann sich auf mehrere Arten bilden. In Vulkanen ist es ein Sublimationsprodukt. Daneben bildet es sich durch Verwitterung von Galenit, bleihaltigen archäologischen Fundstücken oder Schlacken unter salzhaltigen Bedingungen. Es ist je nach Fundort vergesellschaftet mit Galenit, Cerussit, Anglesit und Matlockit (Caracoles in Chile) bzw. Tenorit, Ponomarevit, Sophiit, Burnsit, Ilinskit, Georgbokiit, Chloromenit, Halit, Sylvin und Gold (Vulkan Tolbachnik, Russland).

Neben der Typlokalität sind eine Reihe weitere Fundorte bekannt. Zu diesen zählen die Hohe Tauern in Österreich, Caracoles und Challacollo in Chile, Sainte-Marie-aux-Mines in Frankreich, Röhrnbach, Richelsdorf, Essen, Recklinghausen und Helbra in Deutschland, Laurion in Griechenland, die Toskana in Italien, der Tolbatschik in Russland, Wanlockhead, Leadhills und weitere Fundorte in Großbritannien sowie die US-Bundesstaaten Arizona, Massachusetts und Utah.[12]

  • T. Monticelli, N. Covelli: Cotunnia (Piombo muriato). In: Prodromo della Mineralogia Vesuviana. Band 1, 1825, S. 47–52 (rruff.info [PDF; 199 kB; abgerufen am 18. Juni 2018]).
  • Y. Z. Nozik, L. E. Fykin, L. A. Muradyan: Crystal structure of contunnite PbCl2 determined more precisely by application of the neutron diffraction method. In: Soviet Physics – Crystallography. Band 21, 1976, S. 38–40.
  • Martine Lumbreras, J. Schram, Joop Schoonman, E. J. L. Schouler: Electrical conductivity of mixed lead halides PbCl2xBr2(1−x). In: Solid State Ionics. Band 28–30, Nr. 2, 1988, S. 1305–1309, doi:10.1016/0167-2738(88)90376-1.
Commons: Cotunnite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 28. November 2022]).
  2. a b c d Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 179.
  3. David Barthelmy: Cotunnite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 27. Oktober 2022 (englisch).
  4. a b c d e Cotunnite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (handbookofmineralogy.org [PDF; 70 kB; abgerufen am 27. Oktober 2022]).
  5. a b c d e Cotunnite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 27. Oktober 2022 (englisch).
  6. Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 327.
  7. Biographie von Teodoro Monticelli. In: www.minerbook.it. Abgerufen am 27. Oktober 2022.
  8. Marco E. Ciriotti, Lorenza Fascio, Marco Pasero: Italian Type Minerals. 1. Auflage. Edizioni Plus - Università di Pisa, Pisa 2009, ISBN 978-88-8492-592-3, S. 92.
  9. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  10. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom Original am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
  11. H. Braekken: Die Kristallstruktur von Bleichlorid, PbCl2. In: Zeitschrift für Kristallographie. Band 83, 1932, S. 222–226, doi:10.1524/zkri.1932.83.1.222.
  12. Fundortliste für Cotunnit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 28. November 2022.