Dana von Suffrin

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Dana von Suffrin, 2022

Dana von Suffrin (* 1985 in München) ist eine deutsche Schriftstellerin.

Leben und Schaffen

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Dana von Suffrin wuchs in München auf und studierte von 2004 bis 2012 Politikwissenschaft, Jüdische Geschichte und Kultur sowie Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft in München, Neapel und – mit einem Stipendium der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit – in Jerusalem. 2017 promovierte sie an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit dem Thema Pflanzen für Palästina! Naturwissenschaften im Jischuw, 1900-1930 über den deutschen Botaniker Otto Warburg.[1] Suffrin war zwischenzeitlich Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Koordinatorin der DFG-Forschergruppe „Kooperation und Konkurrenz in den Wissenschaften“ am Lehrstuhl für Wissenschaftsgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München.[2]

2019 veröffentlichte sie ihren Debütroman Otto bei Kiepenheuer & Witsch über eine dysfunktionale jüdische Familie. Otto, die Hauptfigur ist ein Jude aus Siebenbürgen, der in München lebt und im letzten Abschnitt seines Lebens angekommen ist. Suffrin benennt osteuropäische, Ende des 19. Jahrhunderts nach New York immigrierte Poeten als wichtige Inspirationsquellen für den Roman. Für die Erzählform ließ sie sich unter anderem von Natalia Ginzburg inspirieren, in deren Familienlexikon es ebenfalls um eine starke Vaterfigur ging.[3] Der Roman erhielt sechs Literaturpreise, darunter den Debütpreis des Buddenbrookhauses und den Debütpreis des Harbour Front Literaturfestivals.[4][5] Zuvor hatte sie auf einem Debütantenseminar von den anderen Teilnehmern die Rückmeldung erhalten, dass ihr Roman „entschieden zu weit gehe, dass über den Holocaust so lustig nicht zu schreiben sei und ihr Buch außerdem keinen Plot und keine Entwicklung habe.“[6] 2022 erschien ihr Hörspiel Blut, das für den deutschen Hörspielpreis der ARD nominiert wurde.[7] 2024 folgte ihr zweiter Roman Nochmal von vorne, in dem sie, wie schon in ihrem Erstling, eine jüdische Familiengeschichte erzählt.[8] Er wurde auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2024 gesetzt.[9]

Dana von Suffrin äußert sich öffentlich immer wieder zu Themen um Judentum und Antisemitismus, sei es vom eigenen biographischen Hintergrund aus[10], sei über die Problematik, dass ihrer Meinung nach die Fixierung auf die NS-Haupttäter von der weitergehenden Erforschung des Nationalsozialismus abhält[11]. Thema ist auch, wie es den in Deutschland lebenden Juden heute geht. Etwa die Zumutung, dass jüdische Autoren und Autorinnen nicht – wie andere Schriftsteller auch – einfach als Künstler befragt werden, sondern ständig in eine bestimmte Rolle gedrängt werden. So schreibt sie „Ich will nicht mehr die Gouvernante sein, die die Deutschen abwechselnd mahnt und dann wieder lobt für ihre vorbildhafte Aufarbeitung, für ihre einmalige Erinnerungskultur, für die vielen schönen Gedenkstätten und Museen.“[12] In Reaktion auf den Terrorangriff der Hamas auf Israel 2023 beschreibt sie auch die Enttäuschung der jüdischen Millenials über den Antisemitismus in der linken Kulturszene[13] und die Ernüchterung darüber, dass die Warnung der Eltern vor Antisemitismus offensichtlich doch ihre Berechtigung hatte[14].

Suffrin nahm in Syrakus, Sofia, Krakau und in verschiedenen deutschen Städten Autoren-Residenzen wahr.[15] Neben dem Schreiben führt sie Workshops durch, etwa für das Literaturhaus München,[16] und leitet für die Villa Stuck die Veranstaltungsreihe Das Politische Foyer.[17]

Felix Stephan schrieb in seiner Rezension von Otto in der Süddeutschen Zeitung, der Roman sei „zugleich sehr lustig und wahnsinnig traurig“.[18] Thema des Buches sei, wie viel von einer älteren Generation, zumal einer, die so vieles Schweres erleben musste, auf die Kinder übergeht. Aber es sei auch die besondere Sprache und Satzmelodie, die den Anschein erweckt, als entstammte sie „direkt der jiddischen Literatur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts“, merkt Felix Stephan an. In der Jurybegründung des Bayerischen Kunstförderpreis in der Sparte Literatur heißt es über Suffrin, sie habe „in der komplizierten, fragmentarischen Familiengeschichte“ nicht nur der Vaterfigur, „einem tyrannischen jüdischen Siebenbürger, ein unsentimentales Denkmal“ gesetzt. Sie verknüpfe mit schwarzem Humor auch so unterschiedliche Themen wie „dysfunktionale Familien, jüdisches Leben in München, Alter und Krankheit.“[19]

Veröffentlichungen

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  • Otto, Regie: Stefanie Ramb, Bayerischer Rundfunk 2021.
  • BLUT, Regie: Christiane Huber und Pauline Seiberlich, Bayerischer Rundfunk 2022.
  • Noch mal von vorne, Regie: Marlene Breuer, Hessischer Rundfunk/Bayerischer Rundfunk, 2024.

Erzählungen und Beiträge

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  • Pflanzen für Palästina: Otto Warburg und die Naturwissenschaften im Jischuw (= Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts). Mohr Siebeck, Tübingen 2019, ISBN 978-3-16-156816-9.
  • Gurren und Picken. Maxim Biller im Kopf von Bruno Schulz. In: Im Kopf von Maxim Biller. Essays zum Werk, hrsg. von Kai Sina. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020, S. 143–147.
  • Los der Dinge (Erzählung). In: Aspekte 1/20, hrsg. von Kristof Magnusson. Hanser, München 2020.
  • A Jewish family and its stories (übersetzt von Jen Calleja). In: Brixton Review of Books 7/2020.
  • Lucian (Erzählung). In: Neue Schule, hrsg. von Leander Steinkopf. Ullstein, Berlin 2021, S. 195–218.
Rudi Hurzlmeier und Dana von Suffrin beim Ernst Hoferichter-Preis 2020
Commons: Dana von Suffrin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Dana von Suffrin: Pflanzen für Palästina: Otto Warburg und die Naturwissenschaften im Jischuw (= Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts). Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2019.
  2. https://www.gn.geschichte.uni-muenchen.de/personen/mitarbeiter_wg/suffrin/cv_dvs/index.html
  3. Mit „Otto“ von Preis zu Preis. Abgerufen am 16. Juli 2022.
  4. Süddeutsche Zeitung: Debütpreis des Buddenbrookhauses für Dana von Suffrin. Abgerufen am 16. Juli 2022.
  5. Süddeutsche Zeitung: Dana von Suffrin erhält Klaus-Michael-Kühne-Preis. Abgerufen am 16. Juli 2022.
  6. Felix Stephan: Debüt - Manchmal bringen einen die Christen um. In: Süddeutsche Zeitung. 23. August 2019, abgerufen am 16. Juli 2022.
  7. SWR2, SWR2: Die Hörspiele um den Deutschen Hörspielpreis der ARD 2022. Abgerufen am 24. November 2022.
  8. Jan Drees: Rezension: Das Ich leidet. 3. Juli 2024, abgerufen am 8. Juli 2024 (deutsch).
  9. Deutscher Buchpreis: Das sind die nominierten Titel. In: Der Spiegel. 20. August 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 20. August 2024]).
  10. https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/kultur/pogrom-in-rumaenien-80-jahre-todeszug-von-jassy-e771100/?reduced=true
  11. Kulturjournal | Bayern 2 | Radio. In: br.de. 3. Februar 2022, abgerufen am 13. März 2024.
  12. https://www.nzz.ch/feuilleton/antisemitismus-tote-juden-sind-noch-immer-attraktiver-ld.1714032
  13. Nicholas Potter: Autorin über Judenhass in der Literatur: „Humor ist die einzige Waffe“. In: taz.de. 18. November 2023, abgerufen am 7. März 2024.
  14. https://www.spiegel.de/kultur/antisemitismus-das-deutschland-vor-dem-unsere-eltern-uns-immer-gewarnt-haben-a-65440974-2e73-43a7-97cf-6bbffdabda1d
  15. November 2023: Stipendium der Stiftung Zurückgeben für das Hörspiel Unter uns.
    Oktober 2023: Residency, Sorry Press, Syrakus.
    September 2023: Literaturstipendium der Landeshauptstadt München.
    Juli 2023: Sommerresidenz Heine-Haus, Hamburg.
    November 2022: Nominierung ARD-Hörspielpreis (“Blut”).
    Oktober 2022: Arbeitsstipendium für Schriftstellerinnen und Schriftsteller des Freistaats Bayern.
    Oktober 2022: Residency, Jan Michalski Foundation, Montricher.
    Mai bis September 2022: Residency „Schreibresi“, Monacensia München, inkl. Kuration eines Veranstaltungsprogramms.
    November 2021: Residency, Screenwriting and playwriting scholarship in der Villa Decius, Krakau.
    Mai 2021: Residency, Literature and Translation House, Sofia.
  16. ERKLÄR MIR LIEBE. Abgerufen am 16. Juli 2022 (deutsch).
  17. Villa Stuck - Detail. Abgerufen am 31. August 2024.
  18. Felix Stephan: Manchmal bringen einen die Christen um. In: Süddeutsche Zeitung vom 24. August 2019, S. 18.
  19. Barbara Hordych: Literaturpreise des Freistaats. In: Süddeutsche Zeitung. 20. September 2020, abgerufen am 20. März 2021.
  20. Dana von Suffrin – Preisträgerin 2018/2019. Abgerufen am 1. November 2020.
  21. Dana von Suffrin gewinnt Kühne-Preis, Meldung auf Börsenblatt.net vom 25. September 2019, abgerufen am 10. Oktober 2019.
  22. Ernst Hoferichter-Preis. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 8. Januar 2017; abgerufen am 22. September 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.muenchen.de
  23. Antje Weber: Aussichten in ungewissen Zeiten. Im Münchner Literaturhaus ist erstmals der Doppelfeld-Preis für literarische Debüts vergeben worden. In: Süddeutsche Zeitung vom 10. September 2020, S. 73
  24. Barbara Hordych: Literaturpreise des Freistaats, in: Süddeutsche Zeitung vom 21. September 2020
  25. Verleihung des Hölderlinpreises der Stadt Bad Homburg (Memento des Originals vom 29. Oktober 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.hoelderlin2020.de, hoelderlin2020.de, abgerufen am 1. November 2020.
  26. Kunstministerium. Abgerufen am 24. November 2022.
  27. https://www.br.de/presse/inhalt/pressemitteilungen/bayern-zwei-wortspiele-preis-fuer-dana-von-suffrin-100.html.
  28. Der Tukan Preis der Landeshauptstadt München geht an Dana von Suffrin – BuchMarkt. Abgerufen am 2. Oktober 2024.