Das Felsenschloss
Das Felsenschloss |
---|
Carl Friedrich Lessing, 1828 |
Öl auf Leinwand |
140 × 195 cm |
Alte Nationalgalerie, Berlin |
Das Felsenschloss, auch Ritterburg im See, Schottische Landschaft oder Bergschloss, ist der Titel eines frühen Hauptwerks des Malers Carl Friedrich Lessing. Das romantische Gemälde entstand 1828 und markiert den Beginn der Landschaftsmalerei der Düsseldorfer Schule und der Eifelmalerei.
Beschreibung und Bedeutung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Gemälde zeigt eine mittelalterliche Burg in einer von schroffen Felsformationen und urwüchsigen Laubwäldern geprägten Landschaft. Inmitten eines Bergsees ragt ein steiler, an einer Seite über das Wasser kragender Felszahn empor, auf dessen Terrassen sich verschiedene Gemäuer der Burganlage verteilen. Die Anlage gipfelt in einem zinnenbekrönten Bergfried, auf dessen Plateau eine rote Fahne weht. Ebenfalls eine rote Fahne weht am Heck eines von zwei Rittern besetzten Ruderkahns auf dem Bergsee. Der Kahn nähert sich der Burgpforte, deren Zugbrücke gerade herabgelassen wird. Ein Kastellan oder Burgherr begrüßt Ankommenden von einer Zinne am Burgtor.
Die Landschaft schildert im Vordergrund das felsige Seeufer, führt den Blick im Mittelgrund über eine hell erleuchtete Waldszene und reicht bis zu Hügelketten, die sich im Licht einer leicht dunstigen Atmosphäre am fernen Horizont verlieren. Die Witterung ist von abziehenden Regenwolken gekennzeichnet, die einen leuchtend blauen Himmel freilegen, welcher sich im Bergsee spiegelt.
In dem Gemälde kombinierte der Maler das tradierte Konzept der heroischen Landschaft mit Motiven des in der Zeit der Romantik wiederauflebenden Ritterromans. Eine populäre Vorlage, die Lessing beeinflusste, war der 1821 in Deutsch erschienene historischen Roman Der Abt des schottischen Schriftstellers Walter Scott, in dem das Loch Leven Castle geschildert wird.[1][2][3]
Das Bild entsprach vollends dem romantischen Zeitgeist. Ein neues Geschichtsbewusstsein hatte das Interesse für mittelalterliche Architektur, für Burgen und Ruinen erweckt. Im Zuge der Burgen- und Rheinromantik begann man seinerzeit mit dem Ausbau von Burgruinen am Rhein. Ein Beispiel hierfür ist die Burg Rheinstein, die der Düsseldorfer Divisionskommandeur Friedrich von Preußen bis 1829 zu Wohnzwecken herrichten und ausgestalten ließ.
Entstehung und Rezeption
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Carl Friedrich Lessing, der Maler des Bildes, war 1826 von Berlin, wo er unter Karl Friedrich Schinkel die Bauakademie und danach die Kunstakademie besucht hatte, an die Kunstakademie Düsseldorf gewechselt. Dort war sein Freund und Mentor Wilhelm Schadow gerade Direktor geworden. In Düsseldorf lernte Lessing Johann Wilhelm Schirmer kennen, mit dem ihn ein Interesse für die Landschaftsmalerei verband. Dieses Genre nahm jedoch im Lehrprogramm Schadows entsprechend der damals geltenden Genrehierarchie nur einen hinteren Platz ein.
Durch Schinkel, den Leiter der Berliner Bauakademie, lernte Lessing die landschaftliche Darstellung erhabener Architekturmotive kennen, etwa durch dessen Gotische Kirche auf einem Felsen am Meer (1815). An der Berliner Kunstakademie wandte er sich unter Samuel Rösel und Heinrich Dähling verstärkt der Landschaftsmalerei zu. Dort entwickelte er 1825 bereits die Idee zu einer von Wasser umgebenen Felsenburg. Von Düsseldorf aus unternahm Lessing im Sommer 1827 eine Studienreise in das Ahrtal und an die Burg Are, wo er zu seiner bereits entworfenen Wasserburg – angeregt von Studien von Jakob Götzenberger[4] – Naturstudien über Felsformationen betrieb[5][6] und sie 1828 in eine farbige Ölskizze der Felsenburg einfließen ließ.[7] Studien zur Felsenburg waren im Winter 1827/1828 das erste Werk, das Lessing mit Schirmer in dem gemeinsam gegründeten „Landschaftlichen Komponierverein“ erörterte.[8] In diesem Verein hatten sich beide verpflichtet, einander „etwa alle 14 Tage eine Komposition in Zeichnung vorzulegen“.[9] Die Skizzen und der Austausch mit Schirmer bildeten die Grundlage zu dem Gemälde, zu dem der Berliner Bankier Joachim Heinrich Wilhelm Wagener schließlich den Auftrag erteilte.[10]
Zusammen mit Schirmer, der sein Werk Deutscher Urwald[11] präsentierte, stellte Lessing im Oktober 1828 neben anderen Arbeiten auch das fertiggestellte Auftragsbild unter dem Titel Schottische Landschaft[12] in der Berliner Akademie-Ausstellung vor,[13] nachdem es im gleichen Jahr bereits auf einer Ausstellung des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen zu sehen gewesen war.[14] Auf den Ausstellungen erregte Lessings „Landschaft des Rittertums“[15] Aufsehen.[16][17]
Nachahmer des Lessingschen Felsenschlosses war etwa der Klever Maler Adolph Wegelin, der ab 1828 an der Düsseldorfer Akademie studierte, oder auch Caspar Scheuren.
In seinem 1854 veröffentlichten Buch über die Düsseldorfer Malerschule problematisierte der Arzt und Kunstschriftsteller Wolfgang Müller von Königswinter das Gemälde vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Realismusdebatte. Er sah in dem Bild „wirr gezackte phantastische Felsmassen“, die ein „abenteuerliches Schloß“ tragen. Lessings anfängliches Auftreten in der Landschaftsmalerei sei das eines „jugendlichen romantischen Poeten“ gewesen, das „Schroffe, Bizarre, Seltsamliche“ sei das Charakteristische dieser Frühphase. Verglichen mit der „krankhaften Hypertrophie“ des Dresdner Malers Caspar David Friedrich habe Lessing jedoch stets an der „lebendige[n] Anschauung“ angeknüpft: „So phantastisch sich seine Gemälde ansahen, so wurde er doch der Wirklichkeit nicht untreu. Die Realität seine[s] Geistes hütete ihn vor Abirrungen.“[18]
Provenienz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Aus der Sammlung des Bankiers Wagener gelangte das Gemälde 1861 in den Gründungsbestand der Wagenerschen und National-Galerie und zog mit ihm 1876 in die Alte Nationalgalerie, in deren Katalogen es als Ritterburg geführt wurde. In den Jahren 1935 bis 2010 war das Bild als Dauerleihgabe dem Museum Kunstpalast in Düsseldorf überlassen.
Lessings Zeichnung Burgruine Altenahr von Süden (1827) besitzt das Cincinnati Art Museum, Lessings Ölskizze Felsenschloss (1828) das Kurpfälzische Museum Heidelberg.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Nicole Roth: Das Felsenschloss (Ritterburg, Schottische Landschaft, Bergschloss), 1828. In: Bettina Baumgärtel (Hrsg.): Die Düsseldorfer Malerschule und ihre internationale Ausstrahlung 1819–1918. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2011, ISBN 978-3-86568-702-9, Band 2, S. 201 (Katalog-Nr. 153).
- Felsenschloß. In: Wend von Kalnein: Die Düsseldorfer Malerschule. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1979, ISBN 3-8053-0409-9, S. 387 f. (Katalog-Nr. 153).
- Ingrid Jenderko-Sichelschmidt: Die Historienbilder Carl Friedrich Lessings. Dissertation und Werkverzeichnis, Köln 1973, S. 282 f.
- Hans Wilhelm Hupp: Entwicklungsgeschichte der Kunst Karl Friedrich Lessings. Dissertation (Maschinenschrift), Bonn 1919, S. 28 f.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ritterburg/Felsenschloß, Objektdatenblatt im Portal bildindex.de
- Das Felsenschloß, Objektdatenblatt im Portal akg-images.de
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Irene Markowitz: Die Düsseldorfer Malerschule. Bestandskatalog des Kunstmuseums Düsseldorf, Malerei, Band IV/2, Düsseldorf 1969, S. 200–202
- ↑ Adolf Rosenberg: Geschichte der modernen Kunst. 2. Auflage, Band 2: Deutsche Kunst. 1. Abschnitt: 1795–1848. Verlag von Fr. Wilh. Grunow, Leipzig 1894, S. 370 (Google Books).
- ↑ „Der Landschaft mit lebendigem Interesse zugewandt beschlossen wir unter uns einen Verein zu bilden, wonach wir uns verpflichteten, etwa alle 14 Tage eine Komposition in Zeichnung vorzulegen. Lessings erste Zeichnung war eine Anregung aus Walter Scotts Abt, Schloß Lochleven, ein Felsenschloß inmitten eines rings von hohen Ufern umgebenen Sees.“ – Paul Kauhausen: Die Lebenserinnerungen des Johann Wilhelm Schirmer. In: Niederrheinische Landeskunde, Band 1, Krefeld 1956, S. 60.
- ↑ Vera Leuschner: Der Landschafts- und Historienmaler Carl Friedrich Lessing (1808–1880). In: Wend von Kalnein: Die Düsseldorfer Malerschule. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1979, ISBN 3-8053-0409-9, S. 94
- ↑ Michael Losse: „…kühn geborstne Trümmer“ Anmerkungen zur Burg Are in Altenahr und den zugehörigen Burgmannenburgen. In: Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler. Jahrgang 2011, S. 142 (PDF (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Dezember 2023. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.).
- ↑ Vera Leuschner: Carl Friedrich Lessing als Zeichner. In: Carl Friedrich Lessing 1808–1880. Handzeichnungen aus dem Cincinnati Art Museum. Ausstellungskatalog. Karlsruhe 1980, S. 15–26.
- ↑ Nicole Roth, S. 201
- ↑ Martina Sitt (Hrsg.): Carl Friedrich Lessing. Romantiker und Rebell. Donat Verlag, Bremen 2000, ISBN 978-3-93483-604-4, S. 115.
- ↑ Paul Kauhausen: Die Lebenserinnerungen des Johann Wilhelm Schirmer. In: Niederrheinische Landeskunde, Band 1, Krefeld 1956, S. 60.
- ↑ Vera Leuschner: Der Landschafts- und Historienmaler Carl Friedrich Lessing (1808–80). In: Wend von Kalnein: Die Düsseldorfer Malerschule. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1979, ISBN 3-8053-0409-9, S. 95
- ↑ Deutscher Urwald, Objektdatenblatt im Portal akg-images.de.
- ↑ Rudolf Theilmann, Vera Leuschner: Carl Friedrich Lessing, 1808–1880. Handzeichnungen aus dem Cincinnati Art Museum, Ohio/USA. Ausstellung vom 6. September bis 2. November 1980, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Karlsruhe 1980, S. 23.
- ↑ Atanazy Raczyński: Die neuere deutsche Kunst. Band 1: Düsseldorf und das Rheinland. Mit einem Anhange: Ausflug nach Paris. Selbstverlag, Berlin 1836, S. 162 (Digitalisat).
- ↑ Johann Josef Scotti: Die Düsseldorfer Maler-Schule, oder auch Kunst-Akademie in den Jahren 1834, 1835 und 1836, und auch vorher und nachher. Schreiner, Düsseldorf 1837, S. 133, Nr. 102, „Das Schloß am See“ (Digitalisat).
- ↑ Wend von Kalnein, S. 388
- ↑ Nicole Roth, S. 201.
- ↑ Morgenblatt für gebildete Stände. Beiblatt Kunst-Blatt Nr. 13 vom 12. Februar 1829 (Google Books).
- ↑ Wolfgang Müller von Königswinter: Düsseldorfer Künstler aus den letzten fünfundzwanzig Jahren. Kunstgeschichtliche Briefe. Rudolph Weigel, Leipzig 1854, S. 94 f. (Digitalisat).