Der Schwanritter
Der Schwanritter ist eine mittelhochdeutsche Verserzählung, die Konrad von Würzburg in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts verfasste.
Inhalt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Witwe des Herzogs Gottfried von Brabant erhebt vor dem Kaiser Klage gegen Gottfrieds Bruder, den Herzog von Sachsen, weil der das Herzogtum Brabant mit Gewalt eingenommen hat. Ein unbekannter Ritter kommt in einem Boot, das von einem Schwan gezogen wird, tritt im Gerichtskampf gegen den Herzog an, besiegt ihn und heiratet die Tochter Gottfrieds, unter der Bedingung, dass niemand nach seinem Namen und seiner Herkunft fragt. Nach Jahren bricht die Herzogin das Verbot, und der Ritter verschwindet in dem Boot, das ihn einst brachte.[1]
Überlieferung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Werk ist lediglich in einer Sammelhandschrift zusammen mit anderen Werken unterschiedlicher Gattungen überliefert.[2] Diese wird auf 1370/80 datiert. Die Sprache ist durchgängig Rheinfränkisch.
Stoffgeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die populäre Sage vom Schwanenritter wird bereits im 12. Jahrhundert fassbar und ist in ganz Europa verbreitet. Die heute bekannteste Umsetzung stellt wohl Richard Wagners Oper Lohengrin dar.
Der Schwanenrittermythos in Kleve
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Ursprünge der Schwanenrittertradition am Niederrhein, insbesondere in der Grafschaft Kleve, liegen im Dunkeln. Zwar führt bereits im 13. Jahrhundert Konrad von Würzburg die niederrheinischen Fürsten von Kleve und Geldern, sowie die Rienecker als Nachfahren des Brabanter Schwanenrittergeschlechtes auf, doch erst Gert van der Schuren, der sich eindeutig auf andere Quellen beruft, baut diese Verbindung nach 1417 zu einer Ursprungssage des neuen, märkischen Herzogshauses aus.
Vielfach wurde nun bisher versucht, beide Traditionen zu verknüpfen. Doch die sogenannte Niederrheinthese, nach der sich Konrad von Würzburg um 1258 am klevischen Hof aufhielt und dort im Auftrag des Grafen die Schwanenrittersage verfasste, ist reine Spekulation. Sehr gut belegt ist dagegen, dass Konrad über Jahrzehnte in Basel lebte und arbeitete.
Der Historiker Heinz Thomas zeigt eine enge Verbindung zwischen dem anerkannt kaisertreuen Dichter und Herrscherhaus auf, die er auf Indizien stützt. Die Schwanenrittersage datiert er, anders als die meisten Literaturwissenschaftler, in die 1280er Jahre. Man muss seiner Argumentation nicht im Einzelnen folgen, um doch feststellen zu können, dass sich beide in einem Kulturraum bewegten.
Tatsächlich ergibt sich in den 1280er Jahren zumindest mittelbar eine Verbindung zum klevischen Hof: Dietrich VIII. von Kleve erwies sich mehrfach als treuer Bundesgenosse des Kaisers und so verwundert es nicht, dass dieser im Jahr 1290 die Ehe zwischen dem Grafen und seiner Nichte Margareta von Neu-Kyburg stiftete. Die Hochzeit fand im Beisein Rudolfs in Erfurt statt.
Margareta überlebte ihren Gatten († 1305) um mehrere Jahrzehnte. 1318 trat sie in das Prämonstratenserinnenstift Bedburg ein, wo sie in den 1330er Jahren verstarb (zw. 1333/38). Gerade zu dieser Zeit wurde zu Bedburg, damals Hauskloster und Grablege des klevischen Geschlechts, ein neues Doppelgrabmal in Auftrag gegeben, für den bereits 1142 verstorbenen Grafen Arnold I. von Kleve und dessen Gemahlin, Ida von Brabant. Das Besondere daran: Erstmals stützt ein Klever Graf seine Füße auf einen Schwan. Dies ist in der Tat das erste erhaltene und für lange Zeit auch das einzige Zeugnis für eine klevische Schwanenrittertradition.
Dass die Gräfin in ihrer Jugend die Werke Konrads von Würzburg kennenlernte ist mehr als wahrscheinlich. Spätestens mit ihrer Eheschließung gewann die Schwanenrittersage eine besondere Bedeutung für sie. Es wäre nicht unwahrscheinlich, wenn sie das Grabmal gestiftet hätte, das mit Ida von Brabant direkt auf die genealogische Verbindung zu diesem Herzogtum verwies. Das Werk Konrads von Würzburg hätte somit in der Tat die Schwanenrittertradition zu Kleve mitbegründet, ohne dass der Dichter selbst jemals seinen Fuß auf niederrheinischen Boden setzte.
Textausgaben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Edward Schröder (Hg.): Kleinere Dichtungen Konrads von Würzburg, II: Der Schwanritter / Das Turnier von Nantes. Zürich 1998, S. 1–41.
- Hans Joachim Gernentz (Hg.): Der Schwanritter. Deutsche Verserzählungen des 13. und 14. Jahrhunderts, hg. und aus dem Mittelhochdeutschen übertragen von H. J. G., 2. Auflage, Berlin 1979, S. 109–201.
- Jan Habermehl (Hg.): Der Schwanritter Konrads von Würzburg. Aus der Frankfurter Handschrift neu ediert und mit einem Kommentar versehen. Frankfurt am Main 2015 online.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hartmut Beckers: Literatur am klevischen Hof von 1174 bis 1542: Zeugnisse, Spuren, Mutmaßungen. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 112 (1993). S. 426–434.
- Rüdiger Brandt: Konrad von Würzburg. Kleinere epische Werke. Schmidt, Berlin 2000, ISBN 3-503-04946-0. (Klassiker-Lektüren 2)
- Joachim Bumke: Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter. München 1996.
- Horst Brunner: Genealogische Phantasien. Zu Konrads von Würzburg ´Schwanenritter´ und ´Engelhard´. In: ZfdA. 110 (1981), S. 274–299.
- Horst Brunner: Das Turnier von Nantes. Konrad von Würzburg, Richard von Cornwall und die deutschen Fürsten. In: De poeticis medii aevi quaestiones. Festschr. K. Hamburger. Göppingen 1981, S. 105–127.
- Horst Brunner: Konrad in Würzburg und am Niederrhein. In: Christian Schmid-Cadalbert (Hrsg.): Das ritterliche Basel. Zum 700. Todestag Konrads von Würzburg. Öffentliche Basler Denkmalpflege, Basel 1987, ISBN 3-85556-002-1, S. 20–22.
- Beate Kellner: Schwanenkinder, Schwanritter, Lohengrin. Wege mythischer Erzählungen. In: Friedrich, Udo (Hg.): Präsenz des Mythos. Konfigurationen einer Denkform im Mittelalter und Früher Neuzeit. Berlin 2004, S. 131–154.
- Albert Leitzmann: Zu den kleineren Dichtungen Konrads von Würzburg. In: PBB. 62, 1938, S. 361–383.
- Jens Lieven: Adel, Herrschaft und Memoria. Studien zur Erinnerungskultur der Grafen von Kleve und Geldern im hohen Mittelalter (Schriften der Heresbach Stiftung 15). Bielefeld 2008. ISBN 978-3-89534-695-8
- Elisabeth Martschini: Schrift und Schriftlichkeit in höfischen Erzähltexten des 13. Jahrhunderts. Kiel, Solivagus-Verlag 2014, Kapitel Konrad von Würzburg: Der Schwanritter S. 187–189, S. 291–556, ISBN 978-3-943025-14-9.
- Alfred Ritscher: Literatur und Politik im Umkreis der ersten Habsburger. Dichtung, Historiographie und Briefe am Oberrhein. Lang, Frankfurt/M. 1992, ISBN 3-631-44002-2.
- Wiltrud Schnütgen: Literatur am klevischen Hof. Vom hohen Mittelalter bis zur frühen Neuzeit. Boss, Kleve 1990, ISBN 3-89413-187-X.
- Johannes Spicker: Konrad von Würzburg – ein niederrheinischer Mythos. In: Van der Masen tot op den Rijn: Ein Handbuch zur Geschichte der mittelalterlichen volkssprachlichen Literatur im Raum von Rhein und Maas. Schmidt, Berlin 2006, ISBN 3-503-07958-0, S. 118ff.
- Peter Strohschneider: Ur-Sprünge. Körper, Gewalt und Schrift im Schwanritter Konrads von Würzburg. In: Horst Wenzel (Hrsg.): Gespräche – Boten – Briefe. Körpergedächtnis und Schriftgedächtnis im Mittelalter. Schmidt, Berlin 1997, ISBN 3-503-03759-4, S. 127–153.
- Heinz Thomas: Konrad von Würzburg und die Habsburger. In: Deutsches Archiv für die Erforschung des Mittelalters. 52 (1996). H. 2, S. 509–545.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Joachim Bumke (1996), S. 281, zit. nach: http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~cd2/hdhs/objekte/5981. Der Schwanritter (Konrad von Würzburg).
- ↑ Marburger Repertorium - Deutschsprachige Handschriften des 13. und 14. Jahrhunderts: Konrad von Würzburg. auf: handschriftencensus.de