Der starke Ferdinand

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Film
Titel Der starke Ferdinand
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1976
Länge 97 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Alexander Kluge
Drehbuch Alexander Kluge
Produktion
Kamera Thomas Mauch
Schnitt
Besetzung

und Dan van Husen, Rudolf Wessely, Franz Kollasch, Klaus Altmann, Wolfgang Scherer, Rudolf Bockelmann, Uwe Müntmann, Marga Wiedner, Hark Bohm, Barbara Assmann, Christoph Gerarths, Klaus Dersch, Karl-Heinz Thomas, Hans Faber

Der starke Ferdinand ist eine 1975 entstandene, deutsche Filmsatire von Alexander Kluge mit Heinz Schubert in der Titelrolle eines übereifrigen Werkschutzangestellten, wild gewordenen Kontrollfreaks und Spießers.

Im Mittelpunkt des Films steht Ferdinand Rieche, ein energetischer, kleiner Mann mit großen Zielen und unerschütterlicher Verve bei der Durchsetzung selbiger. Rieche ist als Beamter bei der Kriminalpolizei angestellt, glaubt sich dort aber nicht richtig anerkannt und fühlt sich in diesem Beruf überhaupt nicht gefordert, zumal man ihm in seinem Eifer zuletzt „amtsüberschreitende Methoden“ vorgeworfen hat und man ihn gern loswerden möchte. Rieche sucht daraufhin ein neues Betätigungsfeld, in dem er sich mit seinem Ordnungsdrang und seinen fast fanatischen Vorstellungen von Sicherheit, Recht und Ordnung, die er mit unbarmherzig-deutschem Eifer durchzusetzen anstrebt, ausleben und seinem Wesen entsprechend verwirklichen kann. Da erhält er eines Tages die Möglichkeit, als neuer Werkschutzbeauftragter für die Sicherheit einer großen Fabrik zu sorgen. In seinem neuen Wirkungsfeld geht Rieche völlig auf und übertreibt es prompt in seinem Drang zur Perfektion, sodass seine eigens ausgearbeiteten „Sicherheits- und Schutzmaßnahmen“ für die Sicherheit des Betriebs weit risikobehafteter sind, als es je eine äußere Bedrohung für die Firma sein könnte. Rieche observiert und denunziert, wird bald de facto zu einem Ein-Mann-Stasi-System auf dem kleinstmöglichen Areal. Er studiert politisch linke Literatur, weil er auch dort seine Gegner vermutet, und wartet voller Hoffen auf die Stunde seiner Bewährung und der seines allumfassenden Überwachungssystems.

Die kommt eines Tages in Gestalt der harmlosen, kleinen Kantinenangestellten Gertie Kahlmann, die aus dem Betrieb Lebensmittel entwendet, um das Geld für ein eigenes Taxi zusammenzusparen. Jetzt endlich kann Rieche ein Exempel statuieren, und der „starke Ferdinand“ bringt eine Maßlosigkeit sondergleichen an den Tag, die er mit heiligem Ernst und Eifer auslebt. Er stellt die junge, hübsche Frau auf frischer Tat und setzt sie fortan unter Druck, ihm sexuell zu Diensten zu sein. Ordnung muss sein, findet Ferdinand, und so hält der wild gewordene Knecht seiner eigenen Ideale die Diebin erst einmal dazu an, ihre ebenso banale wie minimale „Beute“ wieder an Ort und Stelle zurückzubringen. Aus dieser eigentlich unappetitlichen und zwanghaften Grundkonstellation entwickelt sich wider Erwarten eine zwar bisweilen unbeholfen daherkommende, aber durchaus auch zärtliche Beziehung zweier im Grunde ihres Herzens vereinsamten Menschen, die auf diese Weise aber doch peu à peu zusammenfinden. Doch haben diese zarte Bande angesichts des Kontrollwahns Rieches letzten Endes keine Zukunft. Schließlich überspannt Ferdinand Rieche den Bogen: Nach einer Explosion im Werk prescht er unnachgiebig vor und macht die ganze Firma zum Exerzierplatz seiner fanatischen Vorstellungen: er lässt mit Hilfe des Saalschutzes einer rechtsradikalen Partei paramilitärische Manöver veranstalten, legt einen Brand, raubt und bricht ein – natürlich alles nur als Generalprobe, um für den Fall X, den jüngsten Tag gewappnet zu sein. Er blockiert in der Fabrik sogar einmal die Produktion und setzt am Ende auch noch den eigenen Firmenchef fest, weil dieser die Fusion des Unternehmens betreibt.

Produktionsnotizen

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Der starke Ferdinand wurde am 27. April 1976 in Bonn uraufgeführt.

Bernd Eichinger übernahm die Produktionsleitung, die Ausstattung besorgte Winfried Hennig, Martin Schäfer assistierte Chefkameramann Thomas Mauch.

„Alexander Kluges neuer Film, ‚Der starke Ferdinand‘, ist ein Ball paradox und erinnert in seiner entschlossenen Entschlußlosigkeit verzweifelt an einen Mann, den es triebhaft ins Bordell zieht und der dann doch zähneknirschend und aus besserer Einsicht in einen Volkshochschulabend geht: Spaß muß sein, aber es darf keinen machen. Ein Kopf-Film über ein Bauchthema also, Bilder, die vor Gescheitheit nicht laufen können Kluge … hat mit dem ‚Starken Ferdinand‘ das Kunststück fertiggebracht, daß man am höchsten schätzt, was man nicht sieht. Daß man dem Film also dauernd zu seinen Skrupeln gratulieren möchte, zu dem, worauf er verzichtet -- aber über das ‚anstatt‘ nicht so recht froh werden mag. Vom Thema her nämlich ist der ‚Starke Ferdinand‘ wie dazu geschaffen, in die Reihe deutscher Spießersatiren, Marke Sternheim oder ‚Untertan‘ zu fallen. (…) Denn der Film ‚handelt‘ … von einem aus Frustration wild werdenden deutschen Kleinbürger … der zuerst als Kriminalbeamter und dann als Werkschutzleiter Sicherheit und Ordnung so fanatisch produzieren will, daß er bedrohlichen Leerlauf und explosive Chaotik erzeugt. Ein brisantes Thema also, wie Rechtsstaatsschützer in ihrer Schützermentalität den Rechtsstaat so bis auf die Zähne bewaffnen und sichern wollen, bis er an seinem Sicherungsbedürfnis zugrunde geht. (…) Der Film behängt eine Figur mit immer neuen Lehrstücksituationen. Nicht die Wirklichkeit verrät sich im Film, sondern sie wird für eine Idee zurechtgebastelt. Kluge und Heinz Schubert, der vom Ekel Alfred her für die Rolle ebenso prädestiniert wie gefährdet war, vermeiden jede volkstheaterhafte Anbiederei.“

Der Spiegel, Nr. 18 vom 26. April 1976

„Vielleicht ist das die innovativste und auch faszinierendste Qualität von Kluges Methode, nach der ein Film erst im Kopf des Zuschauers entsteht: daß sie Reales fiktiv werden läßt und Erfundenes zum Konzentrat von Realität macht, zur erhellenden, präzisen Reflexion über unsere Wirklichkeit. Genau das aber funktioniert nicht in dem neuen Film. Eine in sich höchst prekäre Realität, der Werkschutz, zu dem es kein öffentliches ‚Problembewußtsein‘ gibt, wollte Kluge bewußt nicht noch einmal brechen, verfremden, ironisieren, sie erschien ihm makaber und widersprüchlich genug. (…) So verharrt Der starke Ferdinand unentschieden in der Geste eines lapidar-demonstrativen Lehrstücks. Statt, wie sonst, durch Lücken, Überraschungen, quer verlaufende Bewegungen unsere Phantasie und Reflexion in Gang zu setzen, buchstabiert uns Kluge Szene für Szene vor, wie sie zu verstehen sei, und unterstreicht im Kommentar das Gezeigte bis zur Überflüssigkeit (…) Nur selten und dann nur im Kommentar oder im Dialog funkelt die Brillanz des Themas durch; manches ist regelrecht schlecht, nämlich nachlässig, starr und steif inszeniert. Heinz Schubert … spielt den Riedle als eine durchaus widersprüchliche Figur, sympathisch in seiner aufsässigen Konsequenz, verwirrend durch die krummen Dinger, die er sich selber herausnimmt (zum Beispiel meldet er eine Diebin in der Fabrik nicht, sondern macht sie mit der schmierigen Robustheit eines Ganoven zu seiner Zwangs-Geliebten), erschreckend schließlich, wo uns eine bornierte, verbiesterte Rigorosität an die Mentalität von KZ-Wächtern erinnert. Spannend wird der Film jedoch seltsamerweise da, wo Kluge weg von der Figur zu den technischen Details vom Werkschutz kommt, den Alarmanlagen und dem Katastrophenschutz, zu praktischem Training und Verhörtaktik: tatsächlich ein exotisches Terrain und ein so komplexes Problem, daß man Kluges Faszination begreift.“

Die Zeit, vom 30. April 1976

„Filmsatire, in der Alexander Kluge erstmals seine Methode der essayistischen Collage mit konventionellen Formen des Erzählkinos verbindet. Scharfsinnig und witzig, voller Kapriolen und Slapstick-Amusement, streckenweise ein wenig langatmig.“

Einzelnachweise

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  1. Der starke Ferdinand im Lexikon des internationalen Films