Deutscher Brunnen (Istanbul)
Der Deutsche Brunnen (türkisch Alman Çeşmesi; deutsch auch „Kaiser-Wilhelm-Brunnen“, türkisch ursprünglich II. Wilhelm Çeşmesi, „Wilhelm-II.-Brunnen“) ist ein pavillonähnlicher Brunnenbau am nördlichen Ende des Hippodroms in der türkischen Stadt Istanbul, gegenüber dem Mausoleum des Sultans Ahmeds I.
Der Brunnen war ein Geschenk für Sultan Abdülhamid II. und wurde im Jahre 1900 im Andenken an den Besuch des deutschen Kaisers Wilhelm II. in Istanbul im Jahre 1898 errichtet. Die in Berlin von mehreren Firmen und Künstlern hergestellten Brunnenelemente wurden nach Istanbul (damals Constantinopel) verschickt und dort am vorgesehenen Standort zusammengesetzt. Das Bauwerk ist ein nationales Kunstdenkmal.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Während seiner Regierungszeit stattete Wilhelm II., deutscher Kaiser und König von Preußen, mehreren Ländern Europas und des nahen Ostens einen Besuch ab. Seine Reise begann am 18. Oktober 1898 in Istanbul, der Hauptstadt des Osmanischen Reichs unter ´dem Sultan Abdülhamid II. Zur Erinnerung an den Besuch gab die deutsche Reichsregierung den Bau des Brunnens in Auftrag. Am Entwurf und Bau des Brunnens, der ursprünglich Wilhelm Çeşmesi („Wilhelms-Brunnen“)[1] genannt werden sollte, waren die deutschen Architekten Max Spitta, Schoele und Carlitzik sowie der Italiener Joseph Anthony beteiligt. Die Kosten betrugen etwa 200.000 Mark.[2][3]
Nach einer osmanischen Inschrift am Brunnen begann die Konstruktion des Brunnens im islamischen Jahr 1319 (1898–1899). Die Einweihung des Brunnens war für den 1. September 1900, dem 25. Jahrestag der Thronbesteigung Abdülhamids II. geplant. Verzögerungen beim Bau hatten zur Folge, dass die feierliche Einweihung des inzwischen von den Istanbulern in Alman Çeşmesi („Deutscher Brunnen“) umbenannten Brunnens auf den 27. Januar 1901, den Geburtstag Wilhelms II., verschoben wurde.[3] Umfangreichere Renovierungsarbeiten fanden 1921 (unter Kemal Atatürk) und 1980 (unter Kenan Evren) statt.[4]
Bei Reinigungsarbeiten wurden am 5. Februar 2011 Inschriften und Verzierungen am Brunnen beschädigt. Deshalb wurden der Brunnen 2013 komplett restauriert und die Beschädigungen behoben.[5][6] Ganz in der Nähe des Brunnens tötete am 12. Januar 2016 ein Selbstmordattentäter des Islamischen Staats 13 Touristen (12 Deutsche und einen Peruaner), mit einer Bombe.
Architektur, Beschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der neobyzantinische achteckige pavillonartige Brunnenbau besteht aus einer Kuppel, die von acht Säulen aus grünem[7] Porphyr getragen wird, die auf einem marmornen, mit Schnitzereien versehenen Podest aufsitzen. Die Gesamthöhe des Brunnenbauwerks beträgt acht Meter, der Durchmesser der Brunnenschale elf Meter.[3]
An der südwestlichen Seite des Podests führen acht Stufen hinauf; die restlichen sieben Seiten sind jeweils mit einem Wasserspender aus Messing versehen. Die Kuppel ist mit Kupfer belegt. Das Innere der Kuppel ist mit goldenen Mosaiken versehen. Das Wasser des Brunnens kam ursprünglich aus einer historischen Wasserleitung, die für die gesamte Innenstadt zur Wasserversorgung diente. Da der Druck nicht gleichmäßig ist, wurde zunächst ein im Bauwerk untergebrachter Sammelbehälter mit Wasser gefüllt, dessen Abmessungen als Basis für die Größe des Brunnens dienten; er fasst etwa 40 Kubikmeter Wasser Die Wasserentnahme geschieht durch Messing-Wasserhähne, die in einem Glasmosik-Streifen eingearbeitet sind. Im Inneren des Wasserbauwerks laden bequeme Bänke zum Verweilen.[3]
Bei späteren Umbauarbeiten ließ die Stadtverwaltung den Anschluss an die Zentralwasserversorgung kappen und lässt das Sammelbecken seitdem regelmäßig mittels Tankwagen befüllen (Stand 1985).[4]
Die am Brunnen angebrachte Bronzetafel trägt folgende Widmungsinschrift:
Eine osmanische Inschrift in acht Versen berichtet von der Errichtung des Brunnens zum Andenken an den Besuch des deutschen Kaisers. Alle Bronzeteile entstanden in der Bildgießerei Martin & Piltzing.[2]
Mosaiken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Innenseite ist mit einem goldenen Mosaik geschmückt. Acht über den Säulenenden eingearbeitete Medaillons zeigen abwechselnd jeweils viermal die Tughra Abdülhamids II. sowie das Monogramm Wilhelms II.
Das goldene Mosaik im neo-byzantinischen Stil ist eines der bekanntesten Werke des Kirchenmalers, Mosaikgestalters und Kaiser-Künstlers August Oetkens aus Oldenburg/Oldb. und wurde von der Firma Puhl & Wagner Berlin ausgeführt.[2]
Doppel-Symbolik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Geschenk eines Brunnens mit kostenlosem sauberem Wasser für das Volk galt nach nahöstlicher Mentalität als besonders verdienstvolle Wohltat und sollte den Ruhm des hochherzigen Wohltäters, des Kaisers des Deutschen Reiches, mehren und sichern.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Oetken, August. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 25: Moehring–Olivié. E. A. Seemann, Leipzig 1931, S. 575–576 (biblos.pk.edu.pl).
- Helmut Geisert, Elisabeth Moortgat (Red.): Wände aus farbigem Glas. Das Archiv der Vereinigten Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei Puhl & Wagner, Gottfried Heinersdorff. Berlinische Galerie, Berlin 1989, ISBN 3-927873-01-2, S. 125 ff. (Katalog zur Ausstellung vom 8. Dezember 1989 bis 21. Januar 1990 im Martin-Gropius-Bau Berlin; Gegenwart Museum. Nr. 9)
- Lorenz Korn: The “German Fountain” in Istanbul: Object of Transfer in the Age of Historicism and Diplomacy. In: Der Islam, Band 95, Heft 2, 2018, S. 549–595, doi:10.1515/islam-2018-0034.
- Gerold Schmidt: Der Kirchenmaler und Mosaikkünstler des Historismus Prof. August Oetken (1868–1951). In: Stefan Rhein, Gerhard Schwinge (Hrsg.): Das Melanchthonhaus in Bretten. Ein Beispiel des Reformationsgedenkens der Jahrhundertwende. Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 1997, ISBN 3-929366-63-0, S. 167–212, Abbildungen S. 140–142.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Ali Vicdani Doyum: Alfred Kantorowicz unter besonderer Berücksichtigung seines Wirkens in İstanbul (Ein Beitrag zur Geschichte der modernen Zahnheilkunde). Medizinische Dissertation, Würzburg 1985, S. 17 f. und 60.
- ↑ a b c Von dem Kaiserbrunnen in Konstantinopel. In: Berliner Tageblatt. 26. Juli 1900, abgerufen am 15. September 2023.
- ↑ a b c d Spt.: Der Kaiserbrunnen für Constantinopel. In: Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 50, 1900, S. 301 (zlb.de).
- ↑ a b Ali Vicdani Doyum: Alfred Kantorowicz unter besonderer Berücksichtigung seines Wirkens in İstanbul. 1985, S. 18.
- ↑ Deutscher Brunnen wird restauriert. In: holidaycheck.de. Abgerufen im Jahr 2022.
- ↑ Sultanahmet Meydanı'nın simgelerinden Alman Çeşmesi tazyikli suyla yıkanınca üzerinde ağır hasar meydana geldi. In: internethaber.com. Abgerufen im Jahr 2022 (türkisch, deutsch: Der Deutsche Brunnen, eines der Symbole des Sultanahmet-Platzes, wurde schwer beschädigt, als er mit Wasserkanonen gereinigt wurde).
- ↑ Ali Vicdani Doyum: Alfred Kantorowicz unter besonderer Berücksichtigung seines Wirkens in İstanbul. 1985, S. 17 f. („aus grünem Somaki-Marmor“).
Koordinaten: 41° 0′ 25,5″ N, 28° 58′ 36″ O
- Deutsch-türkische Beziehungen
- Brunnen in der Türkei
- Wasserversorgungsbauwerk in Istanbul
- Neobyzantinisches Bauwerk
- Erbaut in den 1900er Jahren
- Oktogon
- Bauwerk des Historismus in Istanbul
- Bauwerk von Max Spitta
- Historische Bereiche von Istanbul
- Wilhelm II. (Deutsches Reich) als Namensgeber
- Gedenkbrunnen
- Fatih (Istanbul)
- Zentralbau in der Türkei