Devekut
Devekut (hebräisch דבקות)[1] beschreibt, in der jüdischen Religion, die Erfahrung einer unmittelbaren Beziehung zu JHWH. Das Konzept von Devekut ist in der jüdischen Kultur wichtig, insbesondere im Chassidismus[2] und in der Geschichte des jüdischen Denkens, der Mystik (Kabbala) und der Ethik.
Etymologisches
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Wurzel des Wortes „Devekut“ kommt von dem Verb und seiner semantischen Bedeutung, zu hebräisch דָּבַק dabaq, deutsch ‚haften‘ ‚fest anhaften‘ ‚sich festhalten‘ ‚Adhärenz‘.[3] Die Verwendung des Wortes „Devekut“ ist direkt mit diesem Konzept der intensiven und dauerhaften Bindung verknüpft. Etwa in Gen 2,24 EU, wo es heißt: „(…) Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen (…)“ (anhangen gleich hebräisch יִדְבַּק), was eine intime, dauerhafte Bindung beschreibt. Die Vorstellung der interpersonalen Bindung wird auf das Verhältnis des Gläubigen zu Gott übertragen, wobei die Idee der Verbindung zu Gott über das einfache Verständnis von Nähe hinausgeht und eine tiefe spirituelle Anhaftung betont.
Verbindung zum Tanach
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Begriff leitet sich von der Aussage ab, „(…) den Herrn, deinen Gott, zu lieben, auf all seinen Wegen zu wandeln und ihm treu zu bleiben.“ (Deut 11,22 EU).[4] Es ist ein jüdisches Konzept, das sich auf die ‚Nähe zu Gott‘ bezieht, es kann sich auf einen ‚tiefen, tranceähnlichen meditativen Zustand‘ beziehen, der sich während des jüdischen Gebets, des Studiums der Tora oder der Befolgung der Halacha einstellt.[5][6]
Verbindung zu späteren kabbalistischen Werken (Sohar)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Erzählungen des Sohars sprechen von Devekut als einem Zustand, in dem man so sehr mit der Gegenwart Gottes verbunden ist, dass es über den bloßen Glauben hinausgeht, er verwandelt sich in eine innige Beziehung. [7] Im Sohar erhält der Akt der spirituellen Kontemplation eine erotische Dimension. Im Studium der Mystiker und ihrer Beziehung zwischen dem Mystiker und Gott stellt sich diese, wie die zwischen zwei Liebenden dar. Gott erscheint dabei als der Geliebte oder als Braut (die Schechina), und das Ziel von Gebet, Studium und Meditation wird als mystische Vereinigung mit Gott beschrieben, in der der Mystiker im göttlichen Wesen aufgelöst wird, eben dem Zustand der Devekut. Der Sohar nutzt häufig die Metapher der sexuellen Vereinigung und Geburt, um den schöpferischen Prozess zu veranschaulichen, der sowohl im göttlichen als auch im menschlichen Bereich stattfindet.[8]
Chassidismus und Zadik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit dem Begriff des „Zaddiks“ (zu hebräisch צַדִּיק ṣaddīq, deutsch ‚Rechtschaffener, Gerechter‘), was in seiner Verwendung im Chassidismus Meister, Lehrer und Rabbi bedeuten kann, wird gemäß der jüdischen Tradition und volkstümlichen Überlieferung ein Mensch charakterisiert, der mit Gott eine besondere Verbindung hat und in dessen Auftrag handelt. Der Zaddik kann die Rolle eines Vermittlers zwischen Gott und der religiösen Gemeinde wahrnehmen. Diese Verbindung wird durch eine Andacht oder Devekut vollzogen. Die chassidische Bewegung, maßgeblich begründet von Rabbi Yisrael Ba'al Shem Tov, die im Osteuropa im 18. Jahrhunderts begann, löste ein mystisches Wiederaufleben und die erste Popularisierung der jüdischen Mystik in den breiten jüdischen Gesellschaftschichten aus. Der Chassidismus adaptiert das historische kabbalistische Denken auf seine eigene charakteristische Weise und kann als eine spätere Phase der jüdischen mystischen Tradition angesehen werden.[9] Das Konzept des Devekuts nahm im Chassidismus den Charakter einer emotionalen Erfahrung an, die in der Ekstase des Gebets erlangt wurde.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Eliel Roshveder: Practice Devekut Meditation and go up to the heavenly palaces. (= Band 2, Meditation and Kabbalah), Independently published, 2021, ISBN 979-8-503-48295-9
- Karl Erich Grözinger: Gershom Scholems Darstellung des Hasidismus und seine Auseinandersetzung mit Martin Buber. Frankfurter judaistische Beiträge, 12 (1984), S. 105 - 127, ISSN 0342-0078, auf publishup.uni-potsdam.de [9] S. 108 f.
- Susanne Talabardon: Neuer Mensch im neuen Kontext: Die Funktion von Konversionserzählungen bei der Identitätsbildung religiöser Strömungen In: Lale Behzadi, Patrick Franke, Geoffrey Haig, Christoph Herzog, Birgitt Hoffmann, Lorenz Korn, Susanne Talabardon (Hrsg.): Bamberger Orientstudien. Bamberg 2014, S. 193–243, auf fis.uni-bamberg.de [10] S. 233, Fußnote 77
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ gelegentlich auch Debekuth, Debekut, Deveikuth oder Deveikus geschrieben
- ↑ Karl Erich Grözinger: Chasidismus, osteuropäischer. (= Band 17, Theologische Realenzyklopädie (TRE), de Gruyter, Berlin / New York 1988 , S. 377–386, DOI: https://doi.org/10.1515/9783110861860-003, auf ub01.uni-tuebingen.de[1] S. 383
- ↑ Psalm 23; Jesaja 27. Elberfelder Übersetzung (Edition CSV Hückeswagen), csy-bibel.de [2]; [3]
- ↑ devequt Judaism, The Editors of Encyclopaedia Britannica, auf britannica.com [4]
- ↑ Living With a God of Light and Dark: A Jewish Perspective. Ground Floor, 2023, auf devekut.com [5]
- ↑ Gilya G. Schmidt: „Cleaving to God“ through the Ages: An Historical Analysis of the Jewish Concept of „Devekut“. Mystics Quarterly, Vol. 21, No. 4 (December 1995), S. 103–120.
- ↑ Devekut: Connecting with the Divine in Kabbalistic Thought. August 19th, 2024, auf meaningfullife.com [6]
- ↑ Hila Ratzabi: The Zohar. This influential work of Jewish mysticism continues to inspire spiritual seekers. My Jewish Learning, auf myjewishlearning.com [7]
- ↑ Yitzchak Ginsburgh: Overview of Chassidut (Chassidus). GalEinai, February 12, 2014 , auf inner.org [8]