Dialektwörterbuch
Ein Dialektwörterbuch (auch: Differenzwörterbuch) beschreibt den nicht normgerechten, dialektalen Wortschatz eines Raumes unterhalb des nationalen Gesamtraums einer Sprache (betreffend Regionalsprache, Regiolekt oder Ortsdialekt). Je nach Größe des gewählten Raumes unterscheidet man Regionalwörterbücher, groß- und kleinlandschaftliche Wörterbücher und Lokal- oder Ortswörterbücher.
Eine eigene Problematik ergibt sich für Sprachen, die über mehrere Nationen verbreitet sind, wie etwa das Englische, das eindeutig eine plurizentrische Sprache mit deutlichen Unterschieden in Phonologie und Orthographie über Landesgrenzen hinweg ist oder das Französische, das unter anderem auch in Kanada gesprochen wird. Entgegen früherem Usus zählt man heute auch das Französische zu den plurizentrischen Sprachen und spricht vom kanadischen Französisch als einer nationalen (und nicht regionalen) Varietät des Französischen. Innerhalb des kanadischen Französisch kann es seinerseits zu diatopischer Variation mit eigenen Dialektwörterbüchern kommen.
Deutsch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die deutsche Sprache wird oft als asymmetrischer Fall einer plurizentrischen Sprache betrachtet, da das Standarddeutsche aus Deutschland häufig als dominierend empfunden wird. Dies liegt einerseits an der großen Sprecherzahl, aber auch daran, dass die Varietäten im deutschen Sprachraum vielfach nicht als solche wahrgenommen werden. Zusätzlich werden die verschiedenen Standardvarietäten, auch jene der Vollzentren Österreich und Schweiz, fälschlicherweise als regionale oder dialektale Abweichungen aufgefasst.[1]
Wegen der starken sprachlichen Aufsplitterung Deutschlands und der deutschsprachigen Gebiete ist der Wörterbuchtyp Dialektwörterbuch seit dem 19. Jahrhundert einer der Typen mit den zahlreichsten Exemplaren.
Bairische Dialekte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1689 erschien Johann Ludwig Praschs Glossarium Bavaricum, das erste Dialektwörterbuch einer deutschen Mundart überhaupt. Mit der Grammatik Die Mundarten Bayerns (1821) sowie dem Bayerischen Wörterbuch (Erstauflage 1827–1837) von Johann Andreas Schmeller begann die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Dialekten in Europa. Ab 1899 gab es von Seiten des Verlegers Rudolf Oldenbourg Pläne, Schmellers Bayerisches Wörterbuch neu herauszugeben. Das Bayerische Wörterbuch der Kommission für Mundartforschung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften wurde 1911 mit der Zielsetzung gegründet, in Zusammenarbeit mit der Akademie der Wissenschaften in Wien ein gemeinsames gesamtbairisches Dialektwörterbuch zu erstellen. Die Münchner Arbeitsstelle wurde 1912 ins Leben gerufen. Die Münchner Akademie hat 1959 mit Ingo Reiffenstein den ersten hauptamtlichen Chefredakteur des Bayerischen Wörterbuchs eingestellt. 1988 wurde Anthony Rowley Chefredakteur. Das Bayerische Wörterbuch erscheint seit 1995 in Form von ein bis zwei Heften pro Jahr.[2]
Das 1961 endgültig abgespaltene Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich (WBÖ) wird seit Dezember 2016 an der Forschungsabteilung „Variation und Wandel des Deutschen in Österreich“ am Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage (ACDH-CH) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften weiter bearbeitet.
Weitere Dialekte im Königreich Bayern
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Kommission für Mundartforschung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften entschied sich, für die nicht-baierischen Dialekte im Königreich eigene Wörterbücher zu erstellen:[3]
- ein Ostfränkisches Wörterbuch (inzwischen Fränkisches Wörterbuch genannt; noch heute in Arbeit) und
- ein Pfälzisches Wörterbuch (Arbeit 1997 abgeschlossen).
Mit den Sammlungen für das Ostfränkische Wörterbuch wurde im Jahr 1913 angefangen.
Schwäbisches Wörterbuch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Initiator war Adelbert von Keller (1812–1883), der ein Schwäbisches Wörterbuch nach dem Vorbild von Johann Andreas Schmellers Bayrischem Wörterbuch machen wollte. Die erste Lieferung des Schwäbischen Wörterbuchs erschien 1901. Fischer war bis zu seinem Tode 1920 alleiniger Redaktor, hatte aber einige wenige Helfer, von denen insbesondere Wilhelm Pfleiderer (1878–1953) zu nennen ist. Pfleiderer übernahm 1920 die Redaktion des Wörterbuchs, das er zu Ende führen konnte. Die letzte, 84. Lieferung kam 1936 heraus.[4] Eine einbändige Kurzausgabe des Schwäbischen Wörterbuchs ist das 1986 erstmals erschienene Schwäbische Handwörterbuch.[5]
Schweizerdeutsche Sprache
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der erste Band des Schweizerischen Idiotikons. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache (auch Schweizerdeutsches Wörterbuch oder gewöhnlich kurz Idiotikon genannt) wurde 1881 publiziert; derzeit wird am siebzehnten Band gearbeitet, der den mit Z anfangenden Wörtern gewidmet ist. Das ganze Wörterbuch ist bis zur jeweils aktuellen Lieferung seit September 2010 über die Website www.idiotikon.ch online abrufbar.[6]
Niederdeutsche Sprache
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die niederdeutsche Sprache (auch Plattdeutsch, Eigenbezeichnungen Plattdütsch, Plattdüütsch, Plattdütsk, Plattdüütsk, Plattduitsk u. a.) ist ein Kontinuum westgermanischer Dialekte, die v. a. in Norddeutschland und im Osten der Niederlande gesprochen werden. Eine gemeinsame niederdeutsche Schriftsprache existiert nicht, bestand aber bis in das 16. Jahrhundert (Mittelniederdeutsche Schriftsprache). Das moderne Niederdeutsche (Neuniederdeutsch) ist in zahlreiche Dialekte gegliedert, für die es teilweise Dialektwörterbücher gibt, so u. a.:
- Hamburgisches Wörterbuch
- Mecklenburgisches Wörterbuch
- Niedersächsisches Wörterbuch
- Pommersches Wörterbuch
- Schleswig-Holsteinisches Wörterbuch
- Westfälisches Wörterbuch
Französisch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für das Französisch in Frankreich gibt es ein Wörterbuch der versammelten Regionalismen aller Regionen von Pierre Rézeau.[7] Der Verlag Éditions Bonneton verlegt in seiner Reihe Les mots de chez nous (Die Wörter unserer Gegend) 21 erfolgreiche Regionalwörterbücher, die von anerkannten Dialektologen für ein breites Publikum verfasst sind.
Die Reihe Les mots de chez nous
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Philippe Blanchet: Dictionnaire du français régional de Provence. 1991.
- Le parler de Marseille et de Provence. Dictionnaire du français régional. 2004.
- Philippe Blanchet, Henriette Walter: Dictionnaire du français régional de Haute-Bretagne de Vannes à Saint-Malo, de Nantes à Saint-Brieuc. 1999.
- Marcel Bonin, David Gaillardon: Le parler du Bourbonnais. 2010.
- Christian Camps: Le parler du Languedoc et des Cévennes. 2006, 2015.
- Fernand Carton, Denise Poulet: Le parler du Nord-Pas-de-Calais. 2003, 2006.
- Pierrette Dubuisson, Marcel Bonin: Dictionnaire du français régional du Berry-Bourbonnais. 1993.
- Le parler du Berry et du Bourbonnais. 2002.
- Monique Duchet-Suchaux, Gaston Duchet-Suchaux: Dictionnaire du français régional de Franche-Comté. 1993, 1999.
- Claudine Fréchet, Jean-Baptiste Martin: Dictionnaire du français régional de l’Ain (Bresse, Bugey, Dombes). 1998.
- Anita Gagny: Dictionnaire du français régional de Savoie. Savoie, Haute-Savoie. 1993, 1995.
- David Gaillardon: Le parler du Berry. 2009.
- Jean Lanher, Alain Litaize: Le parler de Lorraine. 2006.
- René Lepelley: Dictionnaire du français régional de Basse-Normandie. 1993.
- Le parler de Normandie. 2008.
- Jean-Baptiste Martin: Le parler du Forez et du Roannais. 2000, 2015.
- Éric Nowak: Le parler de Poitou-Charentes, Vendée ... et pays de Retz, Choletais, Pays Gabaye. 2011.
- Pierre Rézeau: Dictionnaire du français régional de Poitou-Charentes et de Vendée. 1990, 1995.
- Gilbert-Lucien Salmon: Le parler d’Alsace. 2001.
- Gilbert-Lucien Salmon: Le parler du Lyonnais. 2010.
- Jean-Pascal Simon: Dictionnaire du français régional de Touraine. 1995.
- Michel Tamine: Le parler des Ardennes. 2006.
- Gérard Taverdet, Danièle Navette-Taverdet: Dictionnaire du français régional de Bourgogne. 1991.
- Le parler de Bourgogne. 2008.
- Anne-Marie Vurpas, Claude Michel: Le parler du Beaujolais. 2015.
Weitere Differenzwörterbücher (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Patrice Brasseur, Jean-Paul Chauveau: Dictionnaire des régionalismes de Saint-Pierre et Miquelon. Niemeyer, Tübingen 1990.
- Patrice Brasseur: Dictionnaire des régionalismes du français de Terre-Neuve. De Gruyter, 2001.
- Pierre Rézeau: Dictionnaire des régionalismes de France. De Boeck/Duculot, 2001, ISBN 2-8011-1282-8.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur zu deutschen Dialektwörterbüchern
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ingeborg Geyer, Isolde Hausner: Österreichische Dialekt- und Namenlexika. In: InfoNet-AUSTRIA. Österreichs Informationslandschaft im Querschnitt. Hrsg. v. d. Österreichischen Nationalbibliothek. Wien 1998.
- Rudolf Grosse (Hrsg.): Bedeutungserfassung und Bedeutungsbeschreibung in historischen und dialektologischen Wörterbüchern. Hirzel, Stuttgart & Leipzig, 1998.
- Walter Haas: Das Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache. Versuch über eine nationale Institution (PDF; 45,7 MB). Hrsg. von der Redaktion des Schweizerdeutschen Wörterbuchs, Frauenfeld 1981.
- Georg Lohmeier: Den Bayern aufs Maul geschaut. Aus den Wörter- und Tagebüchern Johann A. Schmellers, 1785–1852. Ehrenwirth, München 1985.
- Franz Xaver Scheuerer: Zum philologischen Werk J. A. Schmellers und seiner wissenschaftlichen Rezeption. Eine Studie zur Wissenschaftsgeschichte der Germanistik (= Studia linguistica Germanica. 37). de Gruyter u. a., Berlin 1995.
Literatur zum Französischen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Claudine Bavoux, Michel Beniamino (Hrsg.): Le français des dictionnaires. L’autre versant de la lexicographie française. De Boeck, Brüssel 2008.
- Jacques Chaurand: Introduction à la dialectologie française. Bordas, Paris 1972.
- Martin Glessgen, André Thibault (Hrsg.): La lexicographie différentielle du français et le Dictionnaire des régionalismes de France. Actes du Colloque en l’Honneur de Pierre Rézeau pour son Soixante-Cinquième Anniversaire, Strasbourg, Université Marc Bloch, 20 – 22 juin 2003. Presses Universitaires de Strasbourg, Straßburg 2005.
- Bernhard Pöll: Französisch außerhalb Frankreichs. Geschichte, Status und Profil regionaler und nationaler Varietäten. De Gruyter, Berlin 2017.
- Gilbert Salmon (Hrsg.): Les régiolectes du français. Champion, Paris 2006.
- Lothar Wolf: Aspekte der Dialektologie. Niemeyer, Tübingen 1975, 2017.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Anna-Julia Lingg: Kriterien zur Unterscheidung von Austriazismen, Helvetismen und Teutonismen. In: Christa Dürscheid, Martin Businger (Hrsg.): Schweizer Standarddeutsch: Beiträge zur Varietätenlinguistik. Gunter Narr Verlag, 2006, ISBN 3-8233-6225-9, S. 23 ff.
- ↑ o. V.: Erforschung und Dokumentation der Mundarten Altbayerns. Abgerufen am 9. Oktober 2022.
- ↑ Bayerisches Wörterbuch, Band I, S. VII–IX; Handwörterbuch von Bayerisch-Franken, Bamberg 2007, S. 9.
- ↑ Schwäbisches Wörterbuch. Auf Grund der von Adalbert v. Keller begonnenen Sammlung und mit Unterstützung des Württembergischen Staates bearbeitet von Hermann Fischer. Zu Ende geführt von Wilhelm Pfleiderer. Bände I–VI.2 Tübingen 1901–1936.
- ↑ Schwäbisches Handwörterbuch. Auf der Grundlage des „Schwäbischen Wörterbuchs“ von Hermann Fischer † und Wilhelm Pfleiderer † bearbeitet von Hermann Fischer und Hermann Taigel. Tübingen 1986. 3. Aufl. 1999. ISBN 3-16-147063-X.
- ↑ LiteraturSchweiz | Das Idiotikon (online), auf literaturschweiz.ch, abgerufen am 20. Dezember 2022
- ↑ Dictionnaire des régionalismes de France 2001.