Die Gartenlaube

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Titelblatt des ersten Heftes (1853)

Die Gartenlaube – Illustriertes Familienblatt war ein Vorläufer moderner Illustrierten. Die Zeitschrift war das erste große erfolgreiche deutsche Massenblatt.[1]

Die Gartenlaube erschien ab 1853 in Leipzig im Verlag Ernst Keil mit einer Startauflage von 5000 Exemplaren. Der erste Herausgeber war bis 1862 Ferdinand Stolle, da Keil – ein sozialkritischer Veteran der 1848er Revolution – wegen eines Pressevergehens seine bürgerlichen Ehrenrechte verloren hatte. Ab 1862 gab Keil die Zeitschrift selbst heraus. Nach Keils Tod 1878 verkauften seine Erben den Verlag mit allen Rechten 1883 an die Stuttgarter Verleger Kröner. Von 1853 bis 1944 war die Zeitschrift im gesamten deutschen Sprachgebiet verbreitet. Die Gartenlaube erschien wöchentlich, seit 1867 wurden auch (Monats-)Hefte angeboten. Ab 1884 erschien die Gartenlaube in 52 bzw. 53 Wochen-Nummern, in 14 „Heften“ und 28 „Halbheften“.

Das Blatt entwickelte sich rasch zur beliebtesten Familienzeitschrift des deutschen Sprachraums. Schon 1855 wurden wöchentlich 35.000 Exemplare gedruckt.[2] Anfang 1861 war Die Gartenlaube als erste deutsche Zeitschrift überhaupt in einer Auflagenhöhe von 100.000 Exemplaren erschienen[3]; schon 1867 wurden jede Woche 210.000 Exemplare gedruckt, von denen etwa 180.000 an Abonnenten verteilt wurden[4]. 1875 wurde eine Auflagenhöhe von 382.000 Exemplaren erreicht.[5] Nach dem Tod ihres Kolumnisten und maßgeblichen Gestalters Carl Ernst Bock, der mit systemkritischen Angriffen auch zu einem kurzzeitigen preußischen Verbot der Gartenlaube beigetragen hatte, sank dann die Auflagenzahl ab Mitte der 1870er Jahre wieder. Da die Zeitschrift als gemeinsame Familienlektüre diente und auch in zahlreichen Leihbibliotheken und Cafés auslag, beläuft sich die Schätzung der eigentlichen Leserschaft zu ihren Hochzeiten auf zwei bis fünf Millionen.

Die Beilage Deutsche Blätter – Literarisch-politisches Sonntags-Blatt erschien von 1862 bis 1876.[6] Sie enthielt tagespolitische und feuilletonistische Nachrichten sowie Kommentare zum Zeitgeschehen und konnte auch separat bezogen werden.

Die Gartenlaube ist eine ebenso umfassende wie für viele historische Untersuchungsfelder unverzichtbare Quelle zur deutschen Kulturgeschichte, auch bezüglich der in der Illustrierten veröffentlichten Fortsetzungsromane.

Warenausgang der Gartenlaube (1895)
Buchhändlerkarren vor dem Thor der Gartenlaube (1895)

Die Gartenlaube machte in ihren ersten 50 Jahren drei Phasen durch:

  1. Die frühen Jahrgänge bis zur Deutschen Reichsgründung 1871 schlossen an die Tradition der moralischen Wochenschriften an: Unterhaltung und Belehrung waren die beiden Fixpunkte, zwischen denen ein breites Interessenspektrum vermittelt wurde. In den Jahren der Reaktion profilierte sie sich mit dieser Ausrichtung; seit Beginn der 1860er Jahre trat sie, begründet in der radikal-liberalen Position des Verlegers Ernst Keil, offen und engagiert für die Gründung eines nationalen Einheitsstaates ein. Die Festigung des bürgerlichen Wertkodex erfolgte durch seine Kontrastierung mit dem Verfall aristokratischer Normen. Bekannt war Die Gartenlaube in dieser Zeit für ihre neutrale bis positive Darstellung von Juden, bei der gelegentlich jüdisches Familienleben als nachahmenswertes Beispiel erwähnt wurde.[7]
  2. In den Jahren nach der Reichsgründung zeigte sich Die Gartenlaube zunehmend als Verfechterin der preußischen Politik. Ihre engagierte und äußerst polemische Beteiligung am Kulturkampf (der durch das von Papst Pius IX. verkündete Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit von 1870 ausgelöst wurde) diente der Verteidigung des liberalen Weltbildes im Allgemeinen und unterstützte die Argumente der Nationalliberalen Partei im Besonderen.
  3. Die Jahrgänge ab etwa 1880 glichen nur noch in Format und Titel denen der beiden früheren Phasen, denn Umfang und Inhalt hatten sich inzwischen grundlegend geändert. Nach Keils Tod 1878 entwickelte sich Die Gartenlaube unter der Leitung des neuen Verlagsbesitzers und Redakteurs Adolf Kröner zunehmend zu einem konservativen Unterhaltungsblatt. Politische oder religiöse Themen waren nach dieser Neupositionierung tabu. Von einer „populären Enzyklopädie“ wandelte sich die Zeitschrift zur Jahrhundertwende in ein unterhaltendes Blatt. Parallel zu diesem inhaltlichen Wandel hatte sich formal im gleichen Zeitraum die Entwicklung von einer Zeitschrift mit einzelnen Illustrationen zur Illustrierten mit zusätzlichem Textteil vollzogen.

Im Jahre 1904 wurde der Titel dem Zeitungsverlag des rechtsnationalen August Scherl eingegliedert und kam schließlich 1916 zum Medienimperium von Alfred Hugenberg, einem der Wegbereiter Adolf Hitlers. Nach der Übernahme durch Scherl wurde das gesamte Redaktionsarchiv vernichtet.[8] Der größte Teil seines Pressekonzerns wurde später von NS-Verlagen übernommen, wo das Blatt (ab 1938 mit verändertem Titel Die neue Gartenlaube) bis 1944 weitergeführt wurde. Nach dem Krieg übernahm der Kelter-Verlag die Rechte an der Zeitschrift und brachte unter dem Titel Gartenlaube zwischen 1974 und 1978 weitere 178 Ausgaben heraus. Den letzten Versuch, die Zeitschrift nochmals zu etablieren, startete 1982 der zum Kelter-Verlag gehörende DLV. Die Neue Gartenlaube wurde 1984 wieder eingestellt.

Der Gartenlaube ähnliche volksaufklärerische Blätter waren Der Volksarzt, Naturarzt, Deutsche Gartenlaube, Daheim und Über Land und Meer. Das mit der Gartenlaube konkurrierende Pfennig-Magazin stellte 1855 sein Erscheinen ein.[9]

Herausgeber und verantwortliche Redakteure

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  • Ernst Keil war von Januar 1853 bis zu seinem Tode Verleger der Zeitschrift und fungierte ab Februar 1862 offiziell als Herausgeber und seit Januar 1865 auch als verantwortlicher Redakteur.
  • Von 1853 bis Ende 1864 waren sein Freund Ferdinand Stolle, seit Mitte 1856 zusammen mit August Diezmann, verantwortliche Redakteure.
  • Von April 1878 bis März 1883 übernahm der Redakteur Dr. Ernst Ziel nach dem Tode Keils die Leitung des Blattes.
  • Von März 1883 bis Juni 1886 war Dr. Friedrich Hofmann mit der Leitung der Redaktion betraut.
  • Von Juli 1886 bis Dezember 1903 war der Erwerber von Ernst Keil's Verlag, Adolf Kröner als Herausgeber auch verantwortlicher Redakteur.
  • Von Januar 1904 bis Januar 1909 verantwortlicher Redakteur in Berlin: Dr. Hermann Tischler; in Wien: Dr. Anton Bettelheim (bis Februar 1906), dann „B. Wirth“ (= Bettina Wirth?)
  • Von Januar 1909 bis Herbst 1912 verantwortlicher Redakteur in Berlin: Karl Rosner
  • Von Herbst 1912 bis August 1914 verantwortlicher Redakteur in Berlin: Dr. Johannes Schürmann.
  • Ab August 1914 war Paul von Szczepanski verantwortlicher Redakteur in Berlin, B. Wirth weiterhin in Wien.

Romane, längere Novellen und ihre Autoren

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In den ersten Jahren wurden in der Gartenlaube nur kürzere Prosawerke abgedruckt, die innerhalb weniger Hefte abgeschlossen werden konnten. Dies änderte sich 1861 mit der Veröffentlichung von Otto Ruppius’ Auswandererroman Ein Deutscher. Fortsetzungsromane und in Fortsetzungen präsentierte längere Novellen wurden danach bald regelmäßige Inhalte der Zeitschrift. Hier eine Titelliste bis 1899 (aufgeführt sind, wenn nicht anders vermerkt, nur Werke, die in mindestens 10 Folgen erschienen sind):

Illustration (1880)

Weitere bekannte Autoren

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Friedrich Rückert liest Die Gartenlaube (1866)
Führerinnen der Frauenbewegung (1894)

Für die Romanautoren der Gartenlaube siehe den vorausgegangenen Abschnitt.

  • Ferdinand Stolle, Ernst Keil: An unsere Freunde und Leser. In: Gartenlaube. Heft 1, 1853, S. 1 (Volltext [Wikisource] – Vorwort aus dem ersten Heft der Zeitschrift).
  • Eine Papierstatistik der „Gartenlaube“. In: Gartenlaube. Heft 1, 1886, S. 20 (Volltext [Wikisource]).

Allgemein

  • Ludwig Deibel: „Die Gartenlaube“. Eine Kritik. München 1879; XVI+372 S. (Umfangreiche Polemik aus klerikal-bayerischer Sicht) (Digitalisat bei google books)
  • Johannes Proelß: Zur Geschichte der Gartenlaube 1853–1903. Leipzig 1904
  • Hanna Meuter: Das Familienblatt, in: Frauengenerationen in Bildern. Hrsg. Emmy Wolff. Herbig, Berlin 1928, S. 89–96[13]
  • Hermann Zang: Die „Gartenlaube“ als politisches Organ. Belletristik, Bilderwerk und literarische Kritik im Dienste der liberalen Politik 1860–1880. Roßteuscher, Coburg 1935.
  • Sächsische Keilschrift. In: Der Spiegel. Nr. 16, 1963, S. 67 (online).
  • Heinz Klüter (Hrsg.): Facsimile-Querschnitt durch die Gartenlaube. Scherz, Bern 1963.
  • Heide Radeck: Zur Geschichte von Roman und Erzählung in der „Gartenlaube“ 1853 bis 1914. Heroismus und Idylle als Instrument nationaler Ideologie. Universität Erlangen, Erlangen 1967, DNB 482199547 (Dissertation).
  • Dieter Barth: Das Familienblatt – ein Phänomen der Unterhaltungspresse des 19. Jahrhunderts. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens. Band XV (1975), Sp. 121–314 (insbes. Sp. 165–214)
  • Hazel Rosenstrauch: Zum Beispiel „Die Gartenlaube“. In: Annamarie Rucktäschel, Hans-Dieter Zimmermann (Hrsg.): Trivialliteratur. Fink, München 1976, ISBN 3-7705-1392-4, S. 169–189, (= Uni-Taschenbücher, Band 637, Bibliothek des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e. V.).
  • Alfred Estermann: Inhaltsanalytische Bibliographien deutscher Kulturzeitschriften des 19. Jahrhunderts. Band 3. Die Gartenlaube (1853–1880 [–1944]). Saur, München 1995.
  • Kirsten Belgum: Popularizing the nation. Audience, representation, and the production of identity in „Die Gartenlaube“ 1853–1900. University of Nebraska Press, Lincoln NE 1998, ISBN 0-8032-1283-6.
  • Marcus Koch: Nationale Identität im Prozess nationalstaatlicher Orientierung, dargestellt am Beispiel Deutschlands durch die Analyse der Familienzeitschrift „Die Gartenlaube“ von 1853–1890. Lang, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-631-51423-9 (= Europäische Hochschulschriften, Reihe 22, Band 389).
  • Matthias Leupold: Künstlerische Bildfolge zum Ideologiegehalt des vielgelesenen Blattes „Leupolds Gartenlaube – Liebhaberaufnahmen in Erinnerung an ein deutsches Familienblatt 1994“. In: Die Vergangenheit hat erst begonnen. Schaden, Köln 2003, ISBN 3-932187-28-8.
  • Fayçal Hamouda (Hrsg.): Der Verleger Ernst Keil und seine Gartenlaube. Edition Marlitt, Leipzig 2005, ISBN 3-938824-03-4.
  • Claudia Stockinger: An den Ursprüngen populärer Serialität. Das Familienblatt „Die Gartenlaube“. Wallstein, Göttingen 2018, ISBN 978-3-8353-3223-2
  • Johannes Franzen: Hier spricht der Dichter mit. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 26. August 2020, S. N 3.

Spezialthemen

  • Margit Baumgärtner: Die Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde im Spiegel der illustrierten Familienzeitschrift „Die Gartenlaube“ 1853–1944. (PDF; 12 MB) Dissertation Universität München, Institut für Geschichte der Medizin 2004.
  • Jens Bemme, Christian Erlinger: Die Datenlaube: Neues Wissen und Daten aus alten Texten – Mit Wikisource, Wikidata und mit Commons. #vBIB20-Vortrag am 28. Mai 2020.
  • Christian Erlinger, Jens Bemme: Die Datenlaube der Gartenlaube. Mit Wikidata ‚Die Gartenlaube‘ in Wikisource strukturiert erschließen – ein Werkstattbericht. In: diedatenlaube.github.io. 18. November 2019 (github.io).
  • Heidemarie Gruppe: „Volk“ zwischen Politik und Idylle in der „Gartenlaube“ 1853–1914. Lang, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-261-01939-5 (= Europäische Hochschulschriften Reihe 19, Band 11)
  • Undine Janeck: Zwischen Gartenlaube und Karl May. Deutsche Amerikarezeption in den Jahren 1871–1913. Shaker, Aachen 2003, ISBN 3-8322-1494-1.
  • Ruth Lindner: Der Gladiator in der ‘Gartenlaube‘. In: Nürnberger Blätter zur Archäologie, Heft 16, Jahrgang 1999/2000, S. 175–194
  • Florian Mildenberger: Medizinische Belehrung für das Bürgertum. Medikale Kulturen in der Zeitschrift „Die Gartenlaube“ (1853–1944). Franz Steiner, Stuttgart 2012 (= Medizin, Gesellschaft und Geschichte. Beiheft 45), ISBN 978-3-515-10232-2; und dazu: Gundolf Keil: Rezension zu: Florian Mildenberger: Medizinische Belehrung für das Bürgertum. Medikale Kulturen in der Zeitschrift „Die Gartenlaube“ (1853–1944). Franz Steiner, Stuttgart 2012 (= Medizin, Gesellschaft und Geschichte. Beiheft 45), ISBN 978-3-515-10232-2. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 34, 2015 (2016), S. 306–313.
  • Anne-Susanne Rischke: Die Lyrik in der „Gartenlaube“ 1853–1903. Untersuchungen zu Thematik, Form und Funktion. Lang, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-8204-6258-9 (= Europäische Hochschulschriften, Reihe 1, Band 516)
Wikisource: Die Gartenlaube – Quellen und Volltexte
Wikisource: Liste der Autoren – Quellen und Volltexte
Wikisource: Liste der Illustratoren – Quellen und Volltexte
Commons: Die Gartenlaube – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Untertitel ab 1890 in modernisierter Schreibweise Illustriertes Familienblatt Titelblatt 1/1890.
  2. Mitteilung der Calculation auf {{s:Die Gartenlaube (1855) 482.jpg|Seite 482}}
  3. Die Gartenlaube (1861) Seite 1
  4. Die Gartenlaube (1866) Seite 824
  5. W. Faulstich: Medienwandel im Industrie- und Massenzeitalter. 2004, S. 66 u. a. Graf: Familien- und Unterhaltungszeitschriften im Kaiserreich. In: Jäger: Geschichte d. dt. Buchhandels, Band 1, 2 2003, S. 427, bezieht sich die Auflagenzahl auf das Jahr 1875.
  6. Deutsche Blätter auf Wikisource.
  7. Hugh McLoad: Secularisation in Western Europe, 1848–1914. European Studies Series, New York 2000, ISBN 0-312-23511-9, S. 102.
  8. Urszula Bonter: Der Populärroman in der Nachfolge von E. Marlitt. Königshausen & Neumann, Würzburg 2005 S. 83.
  9. Gundolf Keil: Rezension zu: Florian Mildenberger: Medizinische Belehrung für das Bürgertum. Medikale Kulturen in der Zeitschrift „Die Gartenlaube“ (1853–1944). Franz Steiner, Stuttgart 2012 (= Medizin, Gesellschaft und Geschichte. Beiheft 45), ISBN 978-3-515-10232-2. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 34, 2015 (2016), S. 306–313, hier: S. 306 und 308 f.
  10. Scan einer Seite in Die Gartenlaube von 1882, S. 269
  11. Vom Marschall Vorwärts unter den Lehrern. Vom Director Wichard Lange in Hamburg. In: Gartenlaube. Heft 43, 1865, S. 682–684 (Volltext [Wikisource]).
  12. Zum hundertjährigen Geburtstage Friedrich Fröbel’s – Eine Skizze von Wichard Lange. In: Gartenlaube. Heft 1, 1882, S. 4–9 (Volltext [Wikisource]).
  13. Meuter gibt ein Programm des E. Keil, nach seiner reaktionären Wende, zum Inhalt der künftigen „Gartenlaube“ wieder, S. 90. Die Zeitschrift bildet den Schwerpunkt von Meuters Ausführungen.