Die Möllner Briefe
Film | |
Titel | Die Möllner Briefe |
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Originaltitel | The Moelln Letters |
Produktionsland | Deutschland |
Originalsprache | Deutsch, Türkisch |
Erscheinungsjahr | 2024 |
Länge | 90 Minuten |
Stab | |
Regie | Martina Priessner |
Drehbuch | Martina Priessner |
Produktion | Friedemann Hottenbacher, Gregor Streiber |
Musik | Bilge Bingül |
Kamera | Ayşe Alacakaptan, Julia Geiss, Ute Freund |
Schnitt | Maja Tennstedt |
Besetzung | |
Havva Arslan, Ibrahim Arslan, Namik Arslan, Yeliz Burhan |
Die Möllner Briefe ist ein Dokumentarfilm der Regisseurin Martina Priessner, der 2024 veröffentlicht wurde. Der Film thematisiert den rassistischen Brandanschlag von Mölln im Jahr 1992, bei dem drei Menschen ums Leben kamen, und verfolgt die Geschichte von İbrahim Arslan, einem Überlebenden des Anschlags. Arslan erfuhr erst 2016 von den „Möllner Briefen“, in denen Hunderte von Menschen ihre Anteilnahme und Solidarität mit den Opfern des Anschlags ausdrückten. Der Film folgt Arslans Spurensuche nach den Verfassern dieser Briefe und untersucht die Bedeutung der Erinnerung an den Anschlag sowie die Lücken in der deutschen Erinnerungskultur. Anlässlich der 75. Berlinale feiert der Film in der Sektion Dokumentarische Form seine Weltpremiere.
Handlung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Durch einen Zufall stößt İbrahim Arslan auf Briefe von Menschen, die damals ihre Solidarität mit den Überlebenden des Anschlags ausdrückten. Der rassistisch motivierte Brandanschlag, der am 23. November 1992 in Mölln verübt wurde, forderte das Leben von drei Familienmitgliedern: Seine Großmutter Bahide (51), seine Schwester Yeliz Arslan (10) und seine Cousine Ayşe Yilmaz (14). Er selbst überlebte als Siebenjähriger schwer verletzt. In den Jahren nach der Tat wurden Hunderttausende von Solidaritätsbriefen an die Stadt Mölln geschickt, doch diese blieben fast drei Jahrzehnten lang unbeachtet im Stadtarchiv Mölln verschlossen. Arslan begibt sich auf eine Spurensuche, um die Verfasserinnen und Verfasser dieser Briefe zu finden und die Gründe für das lange Verschwinden der Briefe zu ergründen.
Im Zentrum stehen die Begegnungen von İbrahim Arslan mit den Verfassern der Solidaritätsbriefe. Durch Interviews und Rückblenden vermittelt der Film ein vielschichtiges Bild der traumatischen Erfahrungen, die seine Familie nach dem Anschlag durchlebte, und der Folgen, mit denen sie bis heute kämpfen. Die Briefe fungieren dabei als Brücke, die sowohl in die Vergangenheit führen als auch das Heute in den Blick nehmen. Es wird klar, wie tief das Verbrechen noch immer im kollektiven Gedächtnis verankert ist und wie die Perspektive der Opfer und Überlebenden oft ausgeklammert wird. Arslan fordert eine neue Form des Erinnerns, die nicht nur die Verbrechen anerkennt, sondern auch den Opfern und ihren Geschichten den Platz gibt, den sie verdienen.[1][2]
Hauptmitwirkende
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]İbrahim Arslan und seine Söhne Emir (8) und Mert (11). Arslan ist Überlebender des rassistischen Brandanschlags von 1992 in Mölln und setzt sich gegen Rassismus aus der Perspektive der Betroffenen und ihrer Angehörigen ein. Mit seiner Methode des „Reclaim & Remember“ ermutigt er viele, nicht als passive Opfer, sondern als „Hauptzeugen ihrer eigenen Geschichte“ aufzutreten und die Erinnerung an ihre oft traumatischen Erlebnisse einzufordern.
Faruk Arslan ist der Vater von İbrahim Arslan und war 1992 während des rassistischen Brandanschlags in Mölln bei seinem Bruder in Hamburg zu Besuch. Er wurde von den deutschen Behörden jahrelang kriminalisiert, indem er verdächtigt wurde, im Zusammenhang mit dem Anschlag zu stehen. Wie alle Überlebenden der Familien leidet er an den Folgen des Anschlags und benötigt psychologische Unterstützung. Faruk Arslan setzt sich seit 30 Jahren dafür ein, ein würdiges Erinnern für die Opfer des rassistischen Brandanschlags zu schaffen.
Hava Arslan warf während des Brandes ihren acht Monate alten Sohn aus dem Fenster und sprang ihm anschließend hinterher, wobei sie sich beide Beine brach. Auch sie leidet sie an schweren posttraumatischen Belastungsstörungen. Durch das erlittene Trauma konnte sie erst Jahre später die deutsche Sprache wieder sprechen.
Sonja Leneke war 12 Jahre alt, als sie 1992 nach dem rassistischen Brandanschlag einen solidarischen Brief an die Familie Arslan schickte und einen kleinen Edelstein als Glücksbringer beilegte. Sie ist die erste Briefeschreiberin, die İbrahim Arslan kontaktiert.
Die Medienkünstlerin Talya Feldman, aus Denver ist eine Überlebende des Anschlags von Halle. Sie wirkt als Doktorandin an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg und hat eine Klanginstallation mit dem Namen „The Violence We Have Witnessed Carries a Weight on Our Hearts“ initiiert. Sie wurde 2021 mit dem DAGESH-Kunstpreis ausgezeichnet. Teil dieser Installation ist auch İbrahim Arslan. Feldman setzt sich zur Bekämpfung rechtsextremen Terrors ein und engagiert sich im Netzwerk NSU-Watch.
Weitere Briefe gingen 1992 von verschiedenen Zivilgesellschaftlichen Organisationen ein, darunter ein Schreiben der Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis e.V.
Entstehung des Films
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Regisseurin Martina Priessner lernte İbrahim Arslan im Herbst 2020 bei einer Veranstaltung in Offenbach kennen. Er erzählte ihr von den Briefen, zu denen er nach Jahren Zugang erhalten hatte. Beide blieben in Kontakt, und Martina Priessner beschloss, einen Film zu machen: „Die vielen ungehörten, nicht gesehenen und noch nicht erzählten Geschichten aus der Perspektive der Betroffenen und Opfer bilden das emotionale Zentrum des Films. Damit sie gehört werden, ist auch die Kraft und Magie des Kinos gefragt, an die ich unverbrüchlich glaube.“[3]
Möllner Briefe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die „Möllner Briefe“ sind ein besonderes Zeitzeugnis der deutschen Geschichte und wurden in die Sammlung des Dokumentationszentrums und Museums über die Migration in Deutschland (DOMiD) aufgenommen. Sie dokumentieren die Entsetzung der Zivilgesellschaft über die rassistischen Brandanschläge Anfang der 1990er Jahre und das Mitgefühl mit den Betroffenen. Durch die Archivierung und Digitalisierung bei DOMiD werden die Briefe künftig der Forschung zugänglich gemacht, unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte.
Bisher ist nicht bekannt, warum die Briefe den Familien laut deren Angaben nicht bekannt waren, obwohl diese im Stadtarchiv bewahrt und dort auch im Rahmen von Bildungsangeboten genutzt wurden. İbrahim Arslan: „Wenn wir damals von der Anteilnahme und Solidarität in der Gesellschaft gewusst hätten, hätte uns das damals geholfen und ein wenig Trost gespendet.“
Für die Materialsammlung, die dem DOMiD von den Familien übergeben wurde, stammt der Begriff, den die Familien nutzen: die „Möllner Briefe“. Insgesamt handelt es sich um 467 Briefe, Postkarten, Trauerkarten und Zeichnungen. DOMiD hat das Konvolut Anfang 2021 in seine Sammlung aufgenommen und vollständig digitalisiert.[4]
In einem Artikel der Zeit wird beschrieben, wie nach dem Brandanschlag von Mölln die Briefe, die als Zeichen der Solidarität an die Familie Arslan geschickt wurden, vom Ordnungsamt gesammelt, geöffnet und gelesen wurden – auch solche, die direkt an die Familie adressiert waren. Die Stadtverwaltung antwortete darauf mit vorformulierten Schreiben und legte die Briefe dann ins Stadtarchiv, anstatt sie der Familie zu übergeben. Laut den Akten erhielt die Familie die Briefe nur teilweise, oft in Form von Kopien, und nicht immer im Original. İbrahim Arslan erfährt erst 2016 von den „Möllner Briefen“, als eine Studentin das Stadtarchiv besucht, um ihre Masterarbeit über die Anschläge in Mölln zu schreiben. Beim Durchsehen der Akten stößt sie auf die Briefe und nimmt anschließend Kontakt zu Arslan auf.[5]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Die Möllner Briefe. In: berlinale.de. Abgerufen am 18. Dezember 2024.
- ↑ Die Möllner Briefe. In: inselfilm.de. Abgerufen am 18. November 2024.
- ↑ Kurzfassung: Die Möllner Briefe. In: http://film-speed.org/. 2022, abgerufen am 18. Dezember 2024.
- ↑ DOMiD bewahrt Möllner Briefe auf. In: domid.org. Abgerufen am 18. Dezember 2024.
- ↑ Johanna Wagner: Die Briefe, die nie ankamen. In: zeit.de. 23. November 2022, abgerufen am 18. Dezember 2024.