Die mehreren Wehmüller und ungarischen Nationalgesichter

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Edward von Steinle: Illustration zu den mehreren Wehmüller

Die mehreren Wehmüller und ungarischen Nationalgesichter ist eine Erzählung von Clemens Brentano, die vom 24. September bis 13. Oktober 1817 in der Zeitung „Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz[1] erschien. Angaben zur Entstehung des Textes und zu den Erscheinungsdaten finden sich im Band 19 der Frankfurter Brentano-Ausgabe [FBA].[2]

Der Porträtmaler Wehmüller ist von Wien aus geschäftlich nach Stuhlweißenburg unterwegs. Im Gepäck hat der Reisende 39 vorgefertigte, in Öl gemalte Nationalgesichter. Der Kunde muss nur das ihm ähnlichste Exemplar auswählen und darf Wünsche äußern. Herr Wehmüller komplettiert das Kunstwerk dann mit wenigen Pinselstrichen. Ergänzungen an der Uniform des Porträtierten sind allerdings nur gegen Aufpreis möglich. Aus der Presse erfährt der Künstler von einem Maler Froschhauer aus Klagenfurt, der ihn plagiiert und zudem noch – als Wehmüller täuschend echt kostümiert – gerade dieselbe Kunstreise nach Stuhlweißenburg unternimmt. Allerdings verlangt Froschhauer keinen Aufpreis für Zusätze an Uniformen, sondern lässt sich modifizierte Gesichter extra bezahlen. Der echte Wehmüller ist in Eile. In Stuhlweißenburg wartet seine liebe Gattin, das Tonerl. Herr Wehmüller fürchtet, sein Plagiator könnte ihm bei ihr zuvorkommen. Gleich hinter der ungarischen Grenze wird Wehmüller zu allem Überfluss durch die Pest aufgehalten. Er sitzt unter einer bunt zusammengewürfelten Gesellschaft in einem Gasthof fest. Man lässt sich von Michaly[3] etwas auf der Violine vorspielen. Michaly wartet in dem ungarischen Gasthof auf seine Schwester. Man erzählt sich schließlich Schauergeschichten. Brentano gibt drei davon zum Besten.

Das Pickenick des Katers Mores

Einem kroatischen Edelmann, der seinen Hof an der türkischen Grenze hat, war zu Weihnachten sein Kater Mores entlaufen. Als der Kroate vor Mitternacht mit geschulterter Doppelbüchse zur Christmette marschierte, traf er Mores auf einer frei stehenden Eiche inmitten einer Katzengesellschaft an. Weil die Haustiere ein jämmerliches Konzert aufführten, verabreichte er ihnen eine Ladung Schrot. Das Geheul verstummte, doch keine einzige Katze lag tot im Schnee. Am Morgen fand der Edelmann seinen Kater zu Hause mit versengtem Pelz vor. Als der Kroate dann seine slavonische Magd Mladka rief und diese fernblieb, ergaben Nachforschungen, „verschiedene Weibspersonen aus der Gegend“ waren nach dem nächtlichen Büchsenschuss schwer verletzt worden oder gar zu Tode gekommen. Monsieur Devillier, vormals Leutnant in Dünkirchen, glaubt dem Kroaten seine Geschichte vom Hexenmeister Mores, der über eine Menge Hexen in Katzengestalt gebot, nicht. Er weiß eine bessere Katzengeschichte. Der Edelmann ist beleidigt.

Devilliers Erzählung von den Hexen auf dem Austerfelsen

Draußen in der See, nicht weit vom Strand entfernt, lag ein Austerfelsen, auf dem eine Katzengesellschaft Austern stahl. Die Katzen ließen sich bei Ebbe ausnahmslos totschießen. Jede hatte sich nämlich eine Pfote in einer sich schließenden Muschel eingeklemmt.

Baciochi's Erzählung vom wilden Jäger

Der venezianische Feuerwerker Baciochi fand nach einer misslungenen pyrotechnischen Veranstaltung auf der Flucht übers Gebirge abgehetzt Nachtquartier in einer elenden Herberge, in der Mitidika, ein braunes Mädchen, auf ihren Schatz, den wilden Jäger, wartete. Als Baciochi die mitternächtliche Gewitterszene beschreibt, in der dieser Schmuggler erschienen war, gibt sich Devillier als der wilde Jäger zu erkennen. Immer noch ist er auf der Suche nach seiner geliebten Mitidika.

Ein Irrtum vom Amt hält die ganze Gesellschaft in dem ungarischen Gasthof fest. Das Dorf, in dem Herr Wehmüller „festsitzt“, war und ist pestfrei. Inzwischen ist einiges passiert. Damen aus der oben genannten Gesellschaft in dem Gasthause hatten aufgeschrien: „Wieder ein Wehmüller!“ Inzwischen sind es drei im Gasthof: erstens der als Wehmüller verkleidete Froschhauer, zweitens die als Herr Wehmüller verkleidete Gattin Tonerl und drittens der echte Wehmüller. Das Tonerl hatte in Stuhlweißenburg die Mitidika kennengelernt und war gemeinsam mit ihr dem geliebten Gatten wegen seines Ausbleibens entgegengereist. Mitidika wollte ihren Bruder, den Violinspieler Michaly, aufsuchen. Zum guten Schluss sieht es so aus, als ob Herr Wehmüller seinem Plagiator aus Klagenfurt verzeihen möchte.

Die Erzählung ist kunstvoll entwickelt[4]. Während die erste Binnenerzählung isoliert steht, geht die zweite in die dritte und die dritte nahtlos und furios[5] in das Rahmenende über.

Das durchweg jähe Auftauchen der falschen Wehmüller ist humoristisch gelungen. Der Höhepunkt des Humors aber wird mit Erscheinen des wilden Jägers in der Waldhütte hoch oben im Gebirge erreicht.

  • Clemens Brentano: Die mehreren Wehmüller und ungarischen Nationalgesichter. Insel-Bücherei 1262. Mit 13 Zeichnungen von Karl G. Hirsch und Erläuterungen von Hans Magnus Enzensberger. 96 Seiten. 9. März 2005, ISBN 978-3-458-19262-6
  • Clemens Brentano: Die mehreren Wehmüller und ungarischen Nationalgesichter. S. 179–246 in Karl Heinz Berger (Hrsg.), Hans-Dietrich Dahnke (Hrsg.), Gerhard Schneider (Hrsg.): Klassische deutsche Erzähler. Bd. 1. Verlag Neues Leben. Berlin 1954 (2. Aufl.). 479 Seiten
  • Wolfgang Pfeiffer-Belli: Clemens Brentano. Ein romantisches Dichterleben. 214 Seiten. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 1947. Direction de l’Education Publique G.M.Z.F.O.
  • Konrad Feilchenfeldt: Brentano Chronik. Daten zu Leben und Werk. Mit Abbildungen. 207 Seiten. Carl Hanser, München 1978. Reihe Hanser Chroniken, ISBN 3-446-12637-6
  • Helene M. Kastinger Riley: Clemens Brentano. Sammlung Metzler, Bd. 213. Stuttgart 1985. 166 Seiten, ISBN 3-476-10213-0
  • Gerhard Schulz: Die deutsche Literatur zwischen Französischer Revolution und Restauration. Teil 2. Das Zeitalter der Napoleonischen Kriege und der Restauration: 1806–1830. 912 Seiten. München 1989, ISBN 3-406-09399-X
  • Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A – Z. S. 83, rechte Spalte, 9. Z.v.o. Stuttgart 2004. 698 Seiten, ISBN 3-520-83704-8

Zitierte Textausgabe

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Einzelnachweise

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Quelle meint die zitierte Textausgabe.

  1. Quelle, S. 667 oben und Abb. 3 auf S. 851
  2. Quelle, S. 658–696
  3. Quelle, S. 854, Abb. 6: Der Geiger Michaly
  4. Schulz, S. 475, 18. Z.v.o.
  5. Schultz, S. 79, 9. Z.v.u.
  6. zitiert bei Kluge in der Quelle, S. 666, 13. Z.v.o.
  7. Feilchenfeldt, S. 176, dritter Eintrag
  8. zitiert bei Kluge in der Quelle, S. 670 Mitte
  9. zitiert bei Kluge in der Quelle, S. 672, 3. Z.v.o. Mitte
  10. Pfeiffer-Belli, S. 164, 1. Z.v.u.
  11. Schultz, S. 80
  12. Ausgabe 1954 Karl Heinz Berger (Hrsg.), S. 181, 11. Z.v.u.
  13. Riley, S. 106, vierter Eintrag