Diego Giacometti
Diego Giacometti (* 15. November 1902 in Borgonovo GR, Gemeinde Stampa, Schweiz; † 15. Juli 1985 in Paris) war ein Schweizer Bildhauer und Designer. Er war der jüngere Bruder des Bildhauers Alberto Giacometti.
Leben und Werk
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kindheit und Ausbildung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Diego Giacometti wurde in Borgonovo in der Schweiz geboren, einem Bergdorf im Bergell nahe der italienischen Grenze. Er war unter vier Kindern der zweitälteste Sohn des Malers Giovanni Giacometti und dessen Frau Annetta, geborene Stampa (1871–1964). Alle drei Giacometti-Brüder wurden im Kunstbereich tätig: Alberto und Diego im Bereich der Malerei, Skulptur und des Designs, Bruno als Architekt.
Im Spätherbst 1903 zogen die Giacomettis nach Stampa in das Gasthaus Piz Duan, benannt nach dem nahe gelegenen Berg Piz Duan, das im Familienbesitz und Geburtshaus Giovanni Giacomettis war, und bezogen 1906 eine Wohnung, die in den folgenden sechzig Jahren den Familienmittelpunkt bildete. Giovanni Giacometti baute die nebenstehende Scheune zum Atelier aus, das er und seine Kinder für ihre künstlerische Arbeit nutzten. Am 30. August 1917 trat er in das Gymnasium der Evangelischen Lehranstalt Schiers[2] ein, wo er eine unglückliche Schulzeit verbrachte. Im folgenden Jahr wechselte er in die Realschule.[2]
Nach dem Beginn einer kaufmännischen Ausbildung in St. Gallen ab 1924 schloss Diego Giacometti sich, dem Rat seiner Mutter folgend, im Februar 1925 seinem älteren Bruder Alberto an und zog nach Paris. Bisher hatte er in den Tag hineingelebt und wenig Verantwortung für seine Lebensgestaltung gezeigt. Alberto Giacometti war seit 1922 Student des Bildhauers Antoine Bourdelle an der Académie de la Grande Chaumière und sollte sich um seinen Bruder kümmern. Dieser lehnte jedoch die Arbeit in Bourdelles Werkstatt ab, arbeitete lieber in einem Fabrikbüro in Saint-Denis und hielt sich in berüchtigten Bars und Bordellen auf.[3]
Zusammenarbeit mit Alberto Giacometti
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Alberto Giacometti
Diego assis, 1964
Bronze
58,5 × 19,7 × 32,5 cm
Alberto Giacometti-Stiftung, Zürich
Link zum Bild
(Bitte Urheberrechte beachten)
Diego Giacometti fand erst im Jahr 1929 zu seiner Lebensaufgabe, als sein Bruder durch die Vermittlung von Man Ray – der Fotograf in der surrealistischen Gruppe – den Pariser Innenarchitekten und Möbeldesigner Jean-Michel Frank kennenlernte. Von Frank erhielt Alberto Giacometti Aufträge für Einrichtungsgegenstände in Gips oder Bronze wie Wandleuchter, Lampen, Vasen oder Kaminfassungen, die für die Wohnungen der Pariser Oberschicht bestimmt waren. Diego Giacometti entwickelte sich zum unentbehrlichen Helfer seines Bruders Alberto, da er handwerklich geschickt war und die notwendigen Vorarbeiten wie beispielsweise Gipsabgüsse und Gerüste für die Skulpturen seines Bruders fertigte. Ebenfalls half er bei der eigentlichen Bildhauerarbeit und sass ihm täglich Modell.[4] Sie teilten dasselbe Atelier in der rue Hippolyte-Maindron 46 in Paris und arbeiteten gemeinsam an Aufträgen für die Familien Maeght und Noailles. Während des Zweiten Weltkriegs belegte Diego Giacometti Kurse an der Skandinavischen Kunstakademie und schuf seine ersten Tierskulpturen. Tiere hatten ihn bereits seit seiner Kindheit begeistert.[5] Ab 1939 schuf er eigene bildhauerische Werke und legte ab 1950 seinen Schwerpunkt auf Möbel und Objekte.[6]
Arbeit als eigenständiger Künstler
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Tod seines Bruders Alberto im Jahr 1966 konzentrierte sich Diego Giacometti ganz auf das eigene Werk. Es wird angenommen, dass er 4000 bis 5000 Objekte und Skulpturen geschaffen hat, die er noch zu Lebzeiten an Freunde und Bekannte verkauft hat. Für die Fondation Maeght gestaltete er die Inneneinrichtung des „Café Diego“ in Saint-Paul-de-Vence. Der letzte grosse Auftrag machte ihn in weiten Kreisen der Öffentlichkeit bekannt: Diego Giacometti gestaltete die Innenausstattung des im September 1985 eröffneten Musée Picasso in Paris. Von ihm stammen das Mobiliar, die Treppengeländer, Türbeschläge und Deckenlampen. Die Eröffnung des Museums konnte Diego Giacometti nicht mehr miterleben.[7]
Zum 50. Todestag Alberto Giacomettis soll im Januar 2016 das Centro Giacometti in seinem Heimatort Stampa eröffnet werden, das sich neben Alberto Giacometti auch Diego und den anderen Mitgliedern der Künstlerfamilie widmen wird.[8]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Claude Delay: Giacometti, Alberto et Diego, l’histoire cachée, Fayard, Paris 2007
- dt. Alberto und Diego Giacometti. Die verborgene Geschichte, Römerhof Verlag, Zürich 2012, ISBN 978-3-905894-18-9
- Elisabeth Ellenberger: Diego Giacometti. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 11. Januar 2018.
- James Lord: Alberto Giacometti. Scheidegger und Spiess, Zürich 2004, ISBN 3-85881-157-2
- Daniel Marchesseau: Diego Giacometti, Hermann, Paris, 1986, Neuausgabe 2007
- Jacqueline von Sprecher (Hrsg.): Diego Giacometti tritt aus dem Schatten. NZZ Libro, Zürich 2007, ISBN 978-3-03823-363-3
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Françoise Francisci: Giacometti, Diego. In: Sikart
- Diego Giacomettis acht Werke (Fotos) In: recherche.sik-isea.ch. Abgerufen am 27. Oktober 2024.
- Publikationen von und über Diego Giacometti im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek
- Michael Brenson: The Furniture of Diego Giacometti. In: The New York Times
- Webseite des Centro Giacometti in Stampa
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Paul Müller: Giovanni und Alberto Giacometti. In: Stephan Kunz, Paul Müller (Hrsg.): Alberto Giacometti – Porträt des Künstlers als junger Mann (Ausstellungskatalog). Verlag Scheidegger & Spiess, Chur/Zürich 2023, ISBN 978-3-03942-176-3, S. 134–147, hier S. 139.
- ↑ a b Paul Müller: Alberto Giacometti: Die frühen Jahre. In: Stephan Kunz, Paul Müller (Hrsg.): Alberto Giacometti – Porträt des Künstlers als junger Mann (Ausstellungskatalog). Verlag Scheidegger & Spiess, Chur/Zürich 2023, ISBN 978-3-03942-176-3, S. 8–81, hier 41, 43.
- ↑ James Lord: Alberto Giacometti. Der Mensch und sein Lebenswerk. Knaur, München 1991, ISBN 3-426-02385-7, S. 78–85
- ↑ James Lord: Alberto Giacometti. Der Mensch und sein Lebenswerk. Knaur, München 1991, S. 111–123
- ↑ James Lord: Alberto Giacometti. Der Mensch und sein Lebenswerk. Knaur, München 1991, S. 197
- ↑ Über Diego Giacometti
- ↑ Über Diego Giacometti
- ↑ Siehe betreffenden Weblink
Personendaten | |
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NAME | Giacometti, Diego |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Künstler und Plastiker |
GEBURTSDATUM | 15. November 1902 |
GEBURTSORT | Borgonovo, Gemeinde Stampa |
STERBEDATUM | 15. Juli 1985 |
STERBEORT | Paris |