Diskussion:Ad extirpanda
Befugnisse für Inquisitoren
[Quelltext bearbeiten]Bei den Änderungen am 15.9.08 ist eine Diskussion darüber entstanden, inwieweit/ob Ad Estirpanda die Inquisitoren für die Ketzergerichtsbarkeit als alleinig zuständig erklärt. Ich möchte dazu meinen Standpunkt mitteilen:
- § 24 (lex 23) sagt aus, dass die gefangen gesetzten Häretiker binnen einer Frist von 15 Tagen an die die zuständigen Bischöfe bzw. Inquisitoren auszuliefern seien, damit diese die Untersuchung der Fälle durchführen. Mit Untersuchung („Examinatione“) ist aber de facto gemeint, dass die Geistlichen über die Häretiker zu Gericht sitzen sollen. Das wird im nächsten Paragraphen noch deutlicher:
- § 25 (lex 24) sagt aus, dass jene Häretiker, die von den Geistlichen „verdammt“ werden, an die weltliche Gewalt zurückgestellt werden und diese dann nach den Regeln mit ihnen verfahren. Da nur jene Häretiker der weltlichen Gewalt übergeben wurden, die von den Geistlichen verurteilt wurden (Damnatos vero de heresi per...) und die weltlichen Herrscher an den Häretikern lediglich die Urteile vollstrecken, geht daraus klar hervor, dass die in Ad Extirpanda getroffene Regelung des Ablaufes die Ketzergerichtsbarkeit in die Hände der Inquisitoren legt.
- Noch ein Detail, von der die letzte Änderung auch betroffen war: Bischöfe, die gegenüber Häretikern vor Gericht saßen, handelten als Inquisitoren (auf Rechtsgrundlage von Ad Abolendam). Wenn es also um die Frage geht, inwieweit Inquisitoren die Gerichtsbarkeit übernahmen, ist es unwesentlich, ob es sich um bischöfliche Inquisitoren ("zuständige Bischöfe") oder päpstliche Inquisitoren handelte.
Ich möchte deshalb, sofern kein Einwand besteht, den Text demnächst so umformulieren:
Die §§ 23 und 24 regeln den Verfahrensgang. Binnen 15 Tagen sollte die weltliche Gewalt verhaftete Häretiker dem geistlichen Gericht übergeben, das von bestellten Inquisitoren bzw. von als Inquisitoren handelnden Bischöfen geleitet wurde. Nach einer Verurteilung durch das Inquisitionsgericht sollte die weltliche Gewalt die Verurteilten spätestens nach fünf Tagen wieder übernehmen um an ihnen das Urteil zu vollstrecken. Durch diese Festlegung des Ablaufes wird in Ad Extirpanda die Zuständigkeit der Inquisitoren für die Ketzergerichtsbarkeit festgeschrieben. --Martin Windischhofer 18:17, 15. Sep. 2008 (CEST)
Nach dem mittelalterlichen Kirchenrecht ist der Ortsbischof in jedem Fall der zuständige Richter in Glaubensfragen und anderen Rechtsmaterien in seiner Diözese und braucht nicht extra bestellt werden. Und inquisitio ist die Bezeichnung einer Prozeßordnung, die es schon im römischen Recht gibt. Erst in der späteren Entwicklung kommt es im allgemeinen Verständnis zu dieser Einschränkung auf die Ketzerinquisition, was sich aber nicht auf die damaligen Quellen zurückübertragen läßt. Der Text unterscheidet jedenfalls deutlich zwischen den Bischöfen, die eine geborene Zuständigkeit haben, und den bestellten Inquisitoren. Man kann das nicht in einen Topf werfen, vor allem da Ad abolendam überhaupt keine besondere Kompetenz für die Behandlung von Häretikern festlegt, sondern den Bischöfen nur besondere Verfahrensregeln an die Hand gibt. Selbst die Androhung der Suspension für die nachlässige Suche nach Ketzern ergibt keinen Gesichtspunkt für eine gesonderte Zuständigkeitsübertragung. Aus Ad abolendam ergibt sich vielmehr eine exklusive Zuständigkeit der Bischöfe aus ihrem Amt heraus – auch die Möglichkeit, dafür Vertreter einzusetzen, ändert daran nichts, sondern ist nur eine Anwendung des Delegationsprinzips. Ad extirpanda unterstreicht allenfalls die Zuständigkeit des geistlichen Gerichts, ohne das auf Inquisitoren einzuschränken: im Gegensatz zum Bischof bedürfen die einer besonderen Bestellung! -- Enzian44 20:15, 15. Sep. 2008 (CEST)
- Ad abolendam verpflichtete die Bischöfe via regelmäßige Visitationen zum Handeln gegen Häretiker. Damit wurde den Bischöfen zwar keine Kompetenz übertragen (die sie ohnehin hatten), sie nahm sie aber in die Pflicht, (im später inquisitorischen Sinn) gegen Ketzer aktiv zu werden. Wenn Ad extirpanda nun die Bischöfe gesondert erwähnt, dann nicht "um deutlich zwischen Bischöfen und Inquisitoren zu unterscheiden", sondern wohl eher, um sie nun neuerlich in die Pflicht zu nehmen.
- Den Kern unserer unterschiedlichen Auffassung sehe ich in der Frage, wen man historisch als "Inquisitor" bezeichnen kann. "In einen Topf" will ich nichts werfen und es bedarf keiner Diskussion, dass ein Dominikanermönch und ein Ortsbischof innerhalb des Klerus andere Funktionen erfüllten. Aber, und das ist der Punkt, beide konnten als Inquisitoren tätig werden, der eine via Bestellung, der andere aufgrund seines Amtes/seiner Pflicht. Weshalb sollte man Petrus Zwicker oder Bernard Gui als Inquisitoren ansehen, nicht aber Otto von Lonsdorf (Bischof von Passau, Inquisition gegen öster. Waldenser ca. 1260) oder Jacques Fournier (Bf. v. Pamiers)? Aus diesem Grund wird nicht zuletzt in bischöfliche und päpstliche Inquisitoren unterschieden (vgl. Schwerhoff, Inquisition, S. 44 und 58). Inquisitoren waren de facto alle, die ein geistliches Inquisitionsgericht leiteten, gleich ob Cölestiner, Dominikaner oder Ortsbischof.
- Zurück zu Ad extirpanda: Hier wird erstmals der Ablauf klar festgelegt: Die Inquisitoren (insofern also im Topf: bischöfliche und päpstliche) halten Gericht und erlassen Urteile, die weltlichen Herrscher sind für deren Vollstreckung zuständig.
- In diesem Sinn hoffe ich, du kannst meinem obigen Textvorschlag zustimmen.
- LG --Martin Windischhofer 23:12, 15. Sep. 2008 (CEST)
Die Diskussion wird ja interessanter als der Artikel, aber Ad extirpanda betrifft genaugenommen weder Bischöfe noch Inquisitoren, deren Existenz und Tätigkeit einfach vorausgesetzt sind. Adressaten sind die kommunalen „Behörden“ in Teilen Norditaliens, für die Verhaltensvorschriften bekannt gemacht werden. Unbestritten ist die Zuständigkeit des geistlichen Gerichts, aber ein Bischof wird nicht deshalb zum Inquisitor, weil er ein Ketzerverfahren durchführt oder durch einen eigenen Beauftragten durchführen läßt. Nach über vierzig Jahren Umgang mit Quellenanalysen könnte ich mir allenfalls vorstellen, daß hier die Inquisitoren als beginnende Konkurrenz zu den Bischöfen erkennbar werden. Von einer alleinigen Zuständigkeit der Inquisitoren kann nicht die Rede sein. -- Enzian44 23:46, 15. Sep. 2008 (CEST)
- Du setzt dich über meine Argumentation hinweg! Aber ich wiederhole mich gerne: Otto von Lonsdorf und Jacques Fournier (kein Inquisitor?) führten als Bischöfe regionale Inquisitionen durch. Abgesehen davon dass sie formal nicht „bestellt“ wurden, sondern aus eigenem Antrieb handelten, taten sie nichts anderes als päpstliche Inquisitoren. Den Inquisitorenbegriff auf den Bestellvorgang zu reduzieren halte nicht nur ich für nicht zielführend: ich weise nochmals darauf hin, dass andere Mediävisten das ebenfalls nicht tun (wie Schwerhoff oder Le Roy Ladurie), sondern an dieser Stelle zwischen päpstlichen und bischöflichen Inquisitoren unterscheiden.
- Die Adressaten von Ad Extirpanda sind nicht entscheidend in Bezug auf den Inhalt, der die Inquisitoren sehr wohl betrifft, zumal (wie ja bekannt) durch dieses Schreiben die Folter legitimiert wurde. --Martin Windischhofer 01:01, 16. Sep. 2008 (CEST)
- Nachtrag: Ich habe durchaus Respekt vor deiner (das "du" soll hier nicht kränken, es ist in Wikipedia einfach üblich) wissenschaftlichen Tätigkeit, doch darum sollte es eigentlich nicht gehen. Mir ist in der Literatur bezüglich der Definition des Inquisitorenbegriffes schlicht und ergreifend noch niemand begegnet, der die gebräuchliche Bezeichnung "bischöflicher Inquisitor" als nicht zulässig erklärt hätte, lasse mich aber unter Hinweis auf entsprechende Zitate gerne eines Besseren belehren.
- Zum Entwurf oben schlage ich vor, die Formulierung "Zuständigkeit der Inquisitoren" durch "Zuständigkeit der im Sinne der Inquisition tätigen Geistlichen" zu ersetzen. --Martin Windischhofer 18:20, 18. Sep. 2008 (CEST)
- Da ansonsten keine Einwände mehr bestehen, habe ich den Text nun in diesem Sinn geändert. --Martin Windischhofer 19:41, 23. Sep. 2008 (CEST)