Diskussion:Deutsche Einheit
Begriff
[Quelltext bearbeiten]Habe hier schon mal angeklopft. Die WL auf Deutsche Wiedervereinigung halte ich immer noch für daneben. Die "Deutsche Einheit" war schon das Ziel der Befreiungskriege und bestimmte wesentlich die Geschichte des 19. Jahrhunderts.--Mehlauge (Diskussion) 23:46, 20. Jan. 2014 (CET)
Ja und nein. Dagegen steht zum Beispiel der Bearbeitungskommentar von Benatrevqre: „Als Deutsche Einheit versteht man in der Fachliteratur vornehmlich die Wiedervereingung von 1990; dass auch die Reichsgründung 1871 so bezeichnet würde, ist unbelegt; vielmehr sprach man in diesem Zusammenhang dann von deutscher Einigung.“ Ich möchte erklären, welche verschiedenen Sichtweisen diesen beiden Stellungnahmen entsprechen und welche Schwierigkeit für einen Artikel daraus resultiert.
Dahinter verbirgt sich das Problem der aus mehreren Wörtern zusammengesetzten Begriffe. Sind diese Wortgruppen feste Fügungen oder nicht? Hier gibt es oft fließende Übergänge zwischen Gelegenheitsbildungen und „echten“ festen Begriffen. Zum Vergleich: rote Karte. Es gibt alle möglichen roten Karten. Sie werden als rote Karten bezeichnet, weil es Karten sind und weil sie rot sind. Die Kombinationsmöglichkeit (Karte + Eigenschaft rot) ist jederzeit sprachlich vorhanden und wird entsprechend genutzt. Es handelt sich bei solchen beliebigen roten Karten allerdings nicht um einen zusammenhängenden Begriff. Ein Eintrag in einem Wörterbuch für eine solche Wortgruppe ergäbe keinen Sinn. Das ändert sich, wenn die Wortgruppe rote Karte eine spezielle Bedeutung bekommt, die nicht schon aus den Bedeutungen von Karte + rot ableitbar ist. Das trifft für die rote Karte im Sport zu (von der dann verallgemeinert auch in anderen Bereichen gesprochen werden kann).
So auch hier. Wenn im 19. Jahrhundert von der deutschen Einheit die Rede war (siehe Bild), beweist das noch nicht, daß es sich um einen festen Begriff handelt, also um einen Begriff. Die Kriterien sprechen teils dafür, teils dagegen. Beispielsweise war das Konzept der deutschen Einheit damals nicht wohldefiniert: Was sollte alles zu einem solchen einheitlichen Deutschland gehören, welche Staatsform sollte das Gebilde bekommen usw. Andererseits macht in diesem Fall gerade die Unbestimmtheit den Begriff schon für das 19. Jahrhundert erläuterungsbedürftig. Außerdem steht er in historischem Zusammenhang mit jeder deutschen Einheit des späten 20. Jahrhunderts, die sehr deutliche Merkmale eines festen Begriffs zeigt. Das rechtfertigt die Miterwähnung des 19. Jahrhunderts in einem Artikel, den es eigentlich nur gibt, weil deutsche Einheit im Kontext der Wiedervereinigung (20. Jahrhundert) eine spezifische Bedeutung bekommen hat.
Je fester ein Begriff wird und vor allem je stärker er sich mit einer eigenständigen Bedeutung von der selbstverständlichen Bedeutung einer Gelegenheitsfügung abhebt, desto stärker ist die Tendenz, im Fall von Adjektiv + Substantiv groß zu beginnen: die Deutsche Einheit. Diese Tendenz ist mit Bezug auf das 20. Jahrhundert stark, aber auch nicht überwältigend eindeutig. Beispielsweise sieht man bei „das Ziel der deutschen Einheit“ überwiegend Kleinschreibung. Bei Helmut Kohl sieht man dagegen überwiegend Großschreibung: „der Kanzler der Deutschen Einheit“. Warum? Möglicherweise, weil in diesem Fall der Begriff eine noch schärfer faßbare Bedeutung hat, die mit der Wiedervereinigung auch konkrete Gestalt angenommen hat. Oder auch, um die Person im Sinne eines Titels zu würdigen. Jedenfalls ist beim Bezug auf das 19. Jahrhundert ganz sicher Kleinschreibung die Regel (vgl. Bild), während beim Bezug auf das 20. Jahrhundert auch die Großschreibung sehr stark auftritt. Daß es auch hier noch viel Kleinschreibung gibt, führe ich darauf zurück, daß die heutige deutsche Einheit sich keineswegs in der Bedeutung Wiedervereinigung 1990 erschöpft. Man kann zum Beispiel fragen, inwiefern die deutsche Einheit noch gestärkt werden kann (Großschreibung oder Kleinschreibung, je nach Auffassung). Mit der Kleinschreibung deutsche Einheit knüpft man wieder an die allgemeine Bedeutung an, die es schon im 19. Jahrhundert gab: Deutschland soll eine Einheit sein oder werden. Dies entspricht dem obigen Hinweis von Mehlauge.
Aus allen diesen Gründen habe ich mich bei meinem Versuch einer neuen BKL-Formulierung entschieden a) deutsche Einheit klein zu schreiben, b) auch das 19. Jahrhundert mit aufzunehmen. Mit Großschreibung Deutsche Einheit hätte es sich um einen festen Begriff gehandelt, das 19. Jahrhundert hätte man weglassen müssen. Nicht ganz sauber ist es, beim sehr allgemeinen Konzept deutsche Einheit (Kleinschreibung) dennoch von einem „Begriff“ zu reden. Unter dem Strich halte ich die Miterwähnung des 19. Jahrhunderts für angemessen, weil es eine historische und inhaltliche Kontinuität gibt. Zur Kleinschreibung vgl. auch Duden online.
Diese vielfältigen Aspekte kann man nicht auf einer BKL-Seite abbilden. Man muß sich für eine vereinfachte Darstellung entscheiden und für eine von mehreren möglichen Lösungen. Einen anderen Weg ging die vorige Lösung (Weiterleitung zu Deutsche Wiedervereinigung): enge, scharfe Definition des Begriffs. Dieser Auffassung entspricht auch der Artikel über die deutsche Einigung: Er definiert sehr eng. Damit wird das Spezifische herausgearbeitet; zugleich ist der Artikel deutsche Einigung hervorragend übersichtlich, und Redundanz mit anderen Artikeln wird weitgehend vermieden. Der englische Parallelartikel ist dagegen sehr breit angelegt und beginnt schon bei Napoleon. In diese Richtung geht auch mein Versuch bei Deutsche Einheit: den weiteren Zusammenhang und die allgemeinere Bedeutung einbeziehen, auch wenn das der Auffassung als (fester) Begriff eigentlich nicht entspricht. Aber macht nichts: Ich erläutere ja nur die deutsche Einheit und nicht die Deutsche Einheit ... Lektor w (Diskussion) 10:17, 2. Jul. 2014 (CEST)
- Zustimmung und danke für die gute Begründung. Benatrevqre …?! 16:53, 2. Jul. 2014 (CEST)
- Ich hatte die ganze Zeit die Frage im Hinterkopf, ob man nicht noch diese Hinweise einfügen sollte: a) heute überwiegend Bezug auf die Wiedervereinigung 1990; b) in diesem Zusammenhang häufig auch Großschreibung Deutsche. Ich habe das nur deshalb nicht gemacht, weil es sich um eine BKL-Seite handelt, auf der solche zusätzlichen Erläuterungen eigentlich nicht vorgesehen sind. Ich habe aber das Gefühl, es fehlt etwas. Die Leser werden vermutlich auch eher einverstanden sein, wenn diese Einordnung dabeisteht. Die Miterwähnung des 19. Jahrhunderts wird dadurch relativiert und somit verträglicher.
- Ich füge den Hinweis deshalb ein, möglichst knapp. Wenn jemand dagegen ist, kann man ihn ja wieder entfernen. Lektor w (Diskussion) 08:22, 9. Jul. 2014 (CEST)