Diskussion:Heinrich de Haan
Stellungnahme von Dr. med. Hendrik de Haan (Enkel aus Erpensen/Niedersachsen):
[Quelltext bearbeiten]Über meinen Großvater
Dr. Heinrich de Haan, ehemaliger Bürgermeister von Rendsburg, geboren am 05.04.1896, gestorben am 04.03.1957
Am 23.03.2019 habe ich erfahren, dass Günter Neugebauer (SPD) ein Buch im Selbstverlag herausgegeben hat („Opfer und Täter in der NS-Zeit“), in dem es auch um meinen Großvater, Heinrich de Haan, geht. .
Neugebauer stellt meinen Großvater als antisemitischen, rechtsradikalen, geldgierigen und feigen Nazibürgermeister dar, dessen Büste vom Rathausmarkt entfernt werden müsste. Die Filiale des Berufsbildungszentrums im Röhlingsweg in Rendsburg hatte im Oktober 1979 auf Beschluss der Ratsversammlung den Namen „Heinrich de Haan Schule“ erhalten. Die damalige Begründung war seine besonderen Verdienste für die Stadt Rendsburg. Ca. 2018 hat man die Schule umbenannt. Hintergrund der Umbenennung waren wohl Meinungen über sein Verhalten in der Nazizeit. Bis zum 23.03.2019 habe ich von all diesen Dingen nichts mitbekommen.
Die Massivität der Vorwürfe hat mich betroffen gemacht. Unsere Familie ist von niemandem und insbesondere nicht von Herrn Neugebauer nach Archivmaterial über meinen Großvater befragt worden. Die ersten sich mir stellenden Fragen waren, ob ich in Bezug auf die Vergangenheit meines Großvaters etwas nicht mitbekommen habe, ob Dinge verschwiegen oder schöngeredet worden sind. Sind die Darstellungen von Herrn Neugebauer historisch, wissenschaftlich korrekt, oder sind seine Motive nicht wissenschaftlich, historisch sondern ideologisch? Ich habe mir für meinen Großvater, meine Familie und mich die Frage gestellt, ob es im Falle von wissenschaftlichen Fehlern in der Arbeit von Herrn Neugebauer taktisch richtig wäre, Stellung zu beziehen. Welches Risiko gehe ich ein, wenn ich mich öffentlich positioniere? Werden meine Geschwister und ich dann als die braunen Enkel des Nazibürgermeisters gebrandmarkt?
Glücklicherweise hat mein Großvater viel Archivmaterial überlassen. Er war begeisterter Fotograf und Ahnenforscher. Meine Großmutter und er haben Autobiographien hinterlassen. Zahlreiche Fotoalben und Glasnegative aus dem 1. Weltkrieg befinden sich in meinem Eigentum. In den Alben habe ich schon als Kind immer wieder geblättert und nach Fotos meiner Ahnen gesucht. Auch mein Vater hat eine Biographie geschrieben, in der er sehr viel über seinen Vater berichtet. Meinen Großvater habe ich bewusst nicht kennengelernt. Ich bin im November 1956 geboren und er ist am 04.03.1957 in Rendsburg gestorben. Wir haben in meinem Elternhaus eine sehr angenehme und offene Diskussionskultur gelebt. Wir haben uns laut und enthusiastisch nächtelang miteinander oft um politische Dinge gestritten oder versucht sie auszudiskutieren. Es ging aber nie unter die Gürtellinie, es war immer Freude an der Diskussion und dem Streit, niemand ist je einem anderen deshalb böse gewesen. Ich habe erlebt, wie auch die Meinungen meiner Eltern sich im Laufe eines Lebens geändert haben. Es ist viel aus der Vergangenheit erzählt worden. Für mich hat sich dadurch und durch das Archivmaterial auch ein Bild von meinem Großvater geformt, welches in einem Widerspruch zu den Darstellungen von Herrn Neugebauer steht. Natürlich habe ich meine Eltern und meine Großmutter danach befragt, wie sie die Nazizeit erlebt haben, wie sie zu dem Regime standen, was sie von der Judenverfolgung mitbekommen haben, was sie bei Kriegsende empfunden haben.
Ich habe für mich zunächst einmal beschlossen, mich noch einmal intensiv mit den mir vorliegenden Unterlagen zu beschäftigen. Dann habe ich das Buch von Herrn Neugebauer gekauft. Von den dort angegebenen Quellen habe ich gekauft: „Rendsburger Köpfe“ von Edward Hoop und „Menora und Hakenkreuz“ von Gerhard Paul und Miriam Gillis-Karlebach. Im Anschluss daran habe ich mit dem Rendsburger Stadtarchiv Kontakt aufgenommen. Sie, Frau Dr. Hemmie, haben mir dankenswerter- weise reichlich Archivmaterial zur Verfügung gestellt.
Neugebauer hat wahrscheinlich Jahre an seinem Buch gearbeitet. Ich bin vollkommen unvorbereitet mit den Vorwürfen gegenüber meinem Großvater konfrontiert. Ich bin weder Historiker noch habe ich beruflich bedingt die Zeit, mich über Jahre mit dem Thema zu beschäftigen. Wenn ich als Enkel zu der aktuellen Situation Stellung beziehen will, so hat dies nur dann einen Sinn, wenn ich es halbwegs kurzfristig tue. Insofern möge der Leser es mir verzeihen, wenn mir der eine oder andere Fehler unterlaufen sein sollte. Ebenfalls möge es mir der Leser verzeihen, wenn auch ich mich gelegentlich auf das Gebiet der Spekulation und der Emotion begebe; angesichts der Massivität der Vorwürfe kann ich einfach nicht anders.
Auch wenn mein Großvater seit 1957 tot ist, so kann ich Ihnen dennoch durch seine Autobiografie zu Worte kommen lassen.
Heinrich de Haan wurde als Sohn eines Handelsschiffoffiziers des Norddeutschen Lloyd in Bremerhaven geboren. Sein Vater verstarb, als er acht Monate alt war an Typhus nach einer Auslandsreise. Heinrich war Einzelkind und die Mutter blieb alleinerziehend. Sehr ausführlich beschreibt mein Großvater die schwierige wirtschaftliche Lage damals. Seine Tante Meta mütterlicherseits war Lebenspartnerin von Herrn Leo Oppenheim, einem sehr wohlhabenden jüdischen Bankier. Nur durch dessen regelmäßige Unterstützung konnte mein Großvater (im weiteren Text werde ich nur von Heinrich reden) die höhere Schule besuchen, vor dem Weltkrieg mit dem Medizinstudium beginnen und nach dem I. Weltkrieg erneut studieren. Heinrich spricht in seiner Biografie immer wieder mit Hochachtung von diesem Mann, der sein Vormund war. Aus seinem Erbe stammt ein Frankfurter Schrank, der heute in meiner Wohnung in Erpensen/Wittingen/Niedersachsen steht...
Abitur März 1914.
Ab April 1914 Medizinstudium in Marburg. Mitglied in der Burschenschaft Alemannia. Der Ursprung der Burschenschaften republikanisch mit den Farben schwarz/rot/ gold. In der heutigen Zeit muss man das wohl erwähnen, weil Burschenschaft heute mit rechtsradikal gleichgesetzt wird. Neugebauer, „Gegen da Vergessen“ Seite 123 und 124..
„Am 16. April fuhren 4 Conabiturienten von Bremerhaven nach Marburg ab – de Haan, Behrends, Goldschmidt und Merkel - die Welt stand uns offen. Keiner kann das nachfühlen, wer es nicht selbst erlebt hat. Wer dachte damals an einen bevorstehenden Krieg? Wir zogen in die Freiheit und waren uns unserer Stellung, nunmehr Student sein sollen, voll bewusst. Mit uns fuhren Claussen und…………., kurz vor Marburg legten beide sich das violett-silber-rote Band an die Brust, setzten ihre Mütze auf. Der Zug fuhr in Marburg ein. Der Bahnsteig stand voller Gruppen buntbemützter Studenten, die die Muli (Studienanfänger) in Empfang nehmen wollten. Natürlich prallten sie zurück, als uns in Begleitung zweier Allemannen sahen. Die haben uns bei ihrer Burschenschaft bereits avisiert. Jeder Bund hatte immer einige Studentenbuden an der Hand von Bundesbrüdern die zum neuen Semester nicht wieder kamen. Man bot uns also sofort Buden an.“
„Man muss das Korporationsleben aus der Zeit vor 1914 verstehen. Für uns gab es keine Probleme, keine Sorgen, kaum Politik …………“
„Ich war 18 Jahre und vier Monate alt als der Weltkrieg ausbrach.“
“Drei Monate einer herrlichen aktiven Studentenzeit waren vorbei, drei Monate, die stets zu den schönsten des Lebens gehört haben.“
„Für uns junge Menschen gab es nur ein Ziel, irgendwo, irgendwie und irgendwann als Kriegsfreiwillige angenommen zu werden.“
Mit dem Infanterieregiment 87 hat Heinrich den gesamten ersten Weltkrieg erlebt. Der erste Fronteinsatz im April 1915. Teilnahme an den Schlachten vor Verdun und an der Somme. Dann Ostfront bei Vilnius und dann wieder Westfront. Am 27.02.1916 wird der beste Freund von Heinrich, Hans Lawrenz, der Bruder meiner Großmutter, vor Verdun schwer verwundet und stirbt am 28.02.1916.
…..„Diese Nachricht überbrachte mir Anfang März, als ich bei unserer Bagage war, Hauptmann Müssel - ich schäme mich nicht, zu sagen, dass ich bitterliche Tränen vergossen habe.“
Ebenfalls im Februar 1916 kommt Heinrich nach Überschüttung durch einen Granattreffer ins Lazarett. „Aber das Nichtstun gefiel mir keineswegs, ich wollte wieder raus zum Regiment.“ Bei solchen Zeilen denke ich aus der heutigen Zeit heraus, warum ist er nicht für jeden Tag dankbar gewesen, an dem er nicht an der Front war? Ohne seine Lazarettzeit hätte es meinen Vater und uns alle vielleicht gar nicht gegeben. Ich assoziiere mit Erich Maria Remarque und dem Buch und dem Film „Im Westen nichts Neues“. Auch Paul Bäumer will zurück an die Front. Eine weitere Assoziation: Der ehemalige Postbote und Ausbilder bei Paul Bäumer heißt Himmelstoß und einer der ausbildenden Feldwebel meines Großvaters hieß Himmelköter.
„Bis zum 8.8.1918 hatte ich nie an die Möglichkeit eines verlorenen Krieges gedacht. Aber die nächsten Tage waren furchtbar deprimierend! Nur zurückflutende Truppen, grinsende Kolonnen von Gefangenen, auf dem Bahnhof…..Hunderte von Soldaten aus einem Urlauberzug, die ohne Urlaubschein unterwegs waren. Furchtbar!“
„Fast war es ein Wunder, dass ich als Infanterieoffizier den Krieg so gut und ohne eigentliche Verwundung überstanden hatte. Das Soldatenglück hatte mich begleitet. Aber ich war auch durch alles das, was ich durchgemacht hatte, früher ernst und reif geworden, zumal ich als junger Mensch Verantwortung zu tragen hatte, wie sonst nur bedeutend ältere Menschen. Die schönsten Jahre allerdings, die ich sonst als flotter Student erlebt hätte, waren vorbei. Ohne Krieg hätte ich Sommer 1919 mein medizinisches Staatsexamen gemacht, jetzt fing ich wieder von vorne an.“
Nach Einreichen des Abschiedsgesuches wird Heinrich zum 31.03.1920 verabschiedet. Nachträgliche Beförderung zum Oberleutnant. Das späte Abschiedsgesuch, weil weiterhin eine finanzielle Abhängigkeit von seiner Tante Meta und Herrn Oppenheim bestand. Immatrikulation an der Frankfurter Universität mit der Einwilligung von Onkel Leo Oppenheim für die Wirtschafts und Sozialwissenschaften im Oktober 1919. Promotion mit Datum vom 6.4.1923. Hochzeit mit Irma, meiner Großmutter, am 12.6.1923. Am 04.09.1925 Geburt meines Vaters.
Am 15.12.1929 Antritt von Heinrich in Rendsburg als Bürgermeister. Am 30.6.1934 Ausscheiden aus dem Amt nach vorheriger Beurlaubung.
Am 26.06.1934 Einführung in das Amt des Verwaltungschefs auf Norderney.
Von 1936 bis 1939 Kurdirektor in Bad Oeynhausen.
Anfang September Einberufungsbefehl. Der Militärdienst beschränkte sich auf die Zeit vom 21.9. bis zum 31.10.1939. Ab 1.11.1939 Kurdirektor in Bad Wildungen nachdem er UK (unabkömmlich) gestellt worden war.
„Der Entschluss, unser schönes Dienstwohnhaus aufzunehmen, wogegen in Wildungen zunächst nur ein Hotel als Unterkunft für uns infrage kam, war schwer, wenn ich mich auch gehaltlich verbessern würde. Aber wir sagten zu, im Juni/Juli 1939 wurde vertraglich festgelegt, dass sich am 1.11.1939 das Bad übernehmen solle, Ende Juli wurde ich in Wildungen vom Aufsichtsrat der Gesellschaft zum Vorstand gewählt - während die ersten Reservisten eingezogen wurden und die Straßen überall voll von Militär waren, fuhren wir von Wildungen nach Oeynhausen in meinem Wagen zurück. Ich glaubte, eine Lebensaufgabe stände vor mir – es sollte aber ganz anders kommen. Wenige Tage später hörten wir auf der Kurhausterrasse in Oeynhausen durch das Radio, dass ein neuer Krieg ausgebrochen war. Ich war damals innerlich wie geschlagen. Millionen waren 1914 -18 verblutet – es würde wieder so werden. Man hatte mich 1934 durch die nationalsozialistische Partei als Bürgermeister abgesetzt und brotlos gemacht. Es hatte für mich viele innere Kämpfe und viel Überwindung gekostet, dieses Unrecht zu vergessen. Anfangs tat ich es, um das Leben meiner Familie sicherzustellen. Dann glaubte ich, Adolf Hitler sei vielleicht doch der richtige Mann für das Volk, als ich seine Erfolge im Innern sah. Auch schien es so, als ob er außenpolitisch im Rate der Völker gehört würde. So war ich Mai 1937 Mitglied der Partei geworden. Ich war staatlicher Kurdirektor damals – man hat mich zwar nicht gewaltmäßig oder unter Drohung gezwungen, der Partei beizutreten, aber was wäre aus mir geworden, der ich Herbst 1939 mit dem Stahlhelm in die SA überführt worden war, wenn ich die Aufforderung zum Eintritt in die Partei abgelehnt hätte? So war ich Mitglied geworden, immer noch den Groll im Herzen, wie man mich 1934 behandelt hatte – aber mit der Zeit hatte ich mich damit abfinden müssen. Geschickte Propaganda hatte uns in der Tschechei-Krise und in der Österreich-Krise Adolf Hitler immer als den Mann dargestellt, der den Frieden halten wollte und es niemals wieder zum Kriege kommen lassen würde. Das Judenpogrom 1938 hatte mich bereits angewidert, wenn ich auch nichts davon gesehen habe, so ekelte es mich an, der SA anzugehören, die doch maßgeblich daran beteiligt gewesen war. Gerade 1938/39 hatte ich nicht einen, sondern mehrere Versuche gemacht, aus der SA entlassen zu werden, was ich immer wieder mit dienstlicher Überlastung begründete, was aber immer abgelehnt wurde, obwohl ich niemals mehr Dienst mitmachte und deswegen in SA-Kreisen nicht geachtet war. In den kritischen Tagen 1939 habe ich bis zur letzten Minute geglaubt, dass Adolf Hitler den Krieg vermeiden würde – dass es anders kam, war mir unbegreiflich und nahm mir jedes Vertrauen. Aber ich hatte zu schweigen, wenn ich nicht mich und meine Familie gefährden wollte. So stolperte ich als einer von Millionen in den schrecklichsten Krieg aller Kriege. Ein Alpdruck lag auf uns vom ersten Tag des Krieges, der uns nie einen Sieg unserer braven Soldaten in den ersten Erfolgsjahren Begeisterung miterleben ließ. Die Zweifel an allem, was geschah, wuchs von Jahr zu Jahr und gleichzeitig die Verzweiflung. Das Schlimmste war, man durfte es nach außen nicht zeigen. Meiner Irma wollte ich das Herz nicht schwer machen, sonst hätte ich die Zukunft nur schwarz in schwarz schildern müssen. Wollte ich meine Stelle behalten und nicht brotlos werden, musste sich als staatlicher Kurdirektor Heil Hitler rufen, obwohl ich ahnte, wie dieser Mann unsere Jugend, unser Volk und unser ganzes Reich zum Verbluten bringen würde. Ich ahnte das, eine innere Stimme ließ mich nicht zur Ruhe kommen, wenn ich mir oft auch wieder zur eigenen Beruhigung sagte, dass es ein derartiges teuflisches Wesen nicht geben könne dass er dann doch Schluss machen würde, wenn er sieht, dass alles verloren ist. Aber ich eile der Zeit voraus. Wolfgang war in den Wochen vor Ausbruch des Krieges in Wahnbeck bei Förster Abke gewesen. Auf der Rückfahrt von Wildungen nahmen wir ihn mit nach Oeynhausen. Er war fast 14 Jahre alt – ob auch er noch Soldat werden musste?“
Die Autobiografie von Heinrich reißt hier ab. Über die Folgejahre steht sehr viel in der Autobiografie meines Vaters.
Aus dieser:
„Als die USA in den Krieg gegen Deutschland eintraten, folgten ihnen auch Mittel- und südamerikanische Staaten. Das hatte zur Folge, dass ein Austausch der Diplomaten und ihrer Familien stattfinden musste. Zuständig dafür war das Reichsaußenministerium. Die bei uns akkreditierten Diplomaten sollten im Wildunger Fürstenhof gesammelt und von dort in ihrer Heimatländer repatriiert werden. Eines Tages erschien ohne Vorankündigung bei meinem Vater in der Kreisverwaltung, die heute nicht mehr existiert, der damalige Staatssekretär im Reichsaußenministerium von Weizsäcker (sagte für den Fall eines Krieges voraus, „Finis Germaniae“), Vater unseres (Juli 1994) Bundespräsidenten, um Einzelheiten dieser Aktion zu besprechen. Die beiden Männer waren allein und fanden spontan Vertrauen zueinander. Ein Vertrauen, das, wäre es gebrochen worden, hätte tödlich gewesen sein können. Von Weizsäcker erzählte meinem Vater in diesen Stunden, wie es zum Kriegsausbruch gekommen war. Er berichtete von Gleiwitz und den Soldaten in polnischen Uniformen. Und er gab eine Lagebeurteilung über den aus seiner Sicht schon damals verlorenen Krieg.
Mein Vater hat sich von diesem Tage an erkennbar verändert. Er war nur noch selten fröhlich. Er saß oft lange für sich und dachte nach. Er sonderte sich immer mehr ab. Wenn ihn nicht Dienst Geselligkeit forderten, saß er an seinem Schreibtisch und beschäftigte sich mit seiner Ahnenforschung und seiner Briefmarkensammlung, die übrigens eine besondere Geschichte hat.“
Nach dem Krieg Rückkehr nach Schleswig-Holstein.
„Vom Entnazifizierungsausschuss des Kreises Steinburg wurde ihm (Heinrich) unter dem 24.1.1947 bestätigt, dass er sich gegen angebliche nazistische Aktivität gerechtfertigt hat. Durch Bescheid vom 27.10.1947 wurde er in die Kategorie IV als so genannter Mitläufer eingestuft. Am 29.11.1947 wurde das bis dann beschlagnahmte Vermögen freigegeben. Der Entnazifizierungshauptausschuss für den Landkreis Rendsburg stufte ihn dann per 23.081948 in die Kategorie V als unbelastet ein. Es kamen damit, also nach drei Jahren, alle beruflichen Einschränkung in Fortfall.
Am 3. Mai 1950 trat Heinrich erneut das Amt des Bürgermeisters in Rendsburg an, welches er bis zu seinem Tode 1957 ausgeübt hat. Für mich am wertvollsten sind seine Bemühungen um die Aussöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern. Aufbau von Städtefreundschaften mit Vierzon und Lancaster. Die beiden Bürgermeister von Vierzon und Rendsburg haben dadurch festgestellt, dass sie im I. Weltkrieg als Soldaten im selben Frontabschnitt gelegen hatten. Mein Großvater hat daraufhin Herrn Caron die Taschenuhr geschenkt, die er im Ersten Weltkrieg getragen hat.
Auch ich begebe mich jetzt einmal auf das Gebiet der Spekulation: Nach meinem Gefühl hat mein Großvater es als ein großes Glück empfunden, nach zwei Weltkriegen in einer Demokratie noch einmal etwas Gutes bewegen zu können.
Diejenigen, die Hitler an die Macht geholfen haben, und diejenigen die an den Verbrechen der Nazizeit beteiligt waren, haben eine unglaubliche Schuld auf sich geladen, an der Ihre Enkel noch zu tragen haben. Es soll keinerlei Relativierung sein, wenn ich dennoch behaupte, dass man die Menschen der damaligen Zeit in Ihrem zeitlichen Kontext betrachten muss, dass 1933 und in den ersten Jahren der Naziherrschaft sich viele auch ehemalige Gegner aus dem ersten Weltkrieg und jüdische Mitbürger Illusionen hingegeben haben. Man kann den II. Weltkrieg nicht ohne den I. Weltkrieg verstehen. Betrachte ich heute zum Beispiel Trump und Erdogan, so kann ich ein bisschen besser verstehen, wie die Deutschen in die Katastrophe des Nationalsozialismus haben hineinrutschen können. Ein demokratisch gewählter Massenmörder. Eine Nation, die sich Massenmördern ausliefert. Was haben die Amerikaner in den letzten Jahrhunderten auszustehen gehabt? Und dennoch wählen sie einen Hassprediger zu ihrem Präsidenten..
Die Diskussion ist so alt wie die Bundesrepublik. Wie sind die Menschen der Nazizeit historisch einzuordnen und wem dürfen wir positiv gedenken? Ihre Vergangenheit in der NSDAP haben viele lange verschwiegen, sei es aus Scham oder aus Berechnung.
Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Ein Nazi, eine Held, ein Junker, ein Verräter oder einfach nur ein Mensch mit Anstand und mehr Mut als die anderen?
Helmut Schmidt. Ein Wehrmachtsoffizier. 1958 nimmt er an einer Reserveübung teil. Viele Sozialdemokraten sind damals empört, bezichtigen den Bundestagsabgeordneten, ein Militarist zu sein. Schmidt fliegt aus dem Fraktionsvorstand.
Bundespräsident Walter Scheel. Außenminister Hans-Dietrich Genscher. Mitglieder der NSDAP.
Günther Grass. Soldat der Waffen-SS. Die Blechtrommel, sollte der Film nicht mehr gezeigt werden?
Die Überlebenden des II. Weltkrieges haben unser Land wieder aufgebaut. Eine Leistung, derer man gedenken darf?
Wie steht es um die ehemaligen SED-Mitglieder der ehemaligen DDR? Darf man später an sie erinnern, wenn sie etwas für unsere Gemeinschaft geleistet haben? Ist jeder Stasimitarbeiter für den Rest seines Lebens ein Verbrecher?
Die Geschichte und das Leben sind nicht so simpel, wie Demagogen es uns weis- machen wollen. Es gibt nicht nur schwarz und weiß, es gibt alle Grautöne.
Der II. Weltkrieg, die Nazizeit, die fürchterlichen Gräueltaten sind noch so nahe, dass es uns schwer fällt, differenziert über die Menschen dieser Zeit zu urteilen. Die meisten sind inzwischen verstorben, und es ist einfacher, bei Angriffen auf Personen dieser Zeit den Mund zu halten, als bei Widerspruch auch noch ebenfalls als Nazi beschimpft zu werden.
In Bezug auf den I. Weltkrieg ist mehr Zeit vergangen. Dennoch ist es bezeichnend, dass ein australischer Historiker, Christopher Clark, als Nachkomme einer ehemaligen Gegnernation ein Buch über die Ursachen des I. Weltkrieges geschrieben hat, welches sehr differenziert betrachtet, und es auch in Deutschland zu großer Aufmerksamkeit gebracht hat. Wer es noch nicht gelesen haben sollte: „Die Schlafwandler.“
Ebenfalls in den letzten Jahren gelesen habe ich von Robert Gerwarth: „Die Besiegten.“ Ich glaube, dass wir in Bezug auf den I. Weltkrieg in Deutschland eine sehr westliche Betrachtungsweise haben. Wie viele Kriege und Bürgerkriege nach 1918 mit welcher unglaublichen Brutalität noch in Osteuropa stattgefunden haben, habe ich nicht gewusst. Wenn man eine Region destabilisiert, dann ist das Risiko von langwierigen nachfolgenden Machtkämpfen groß. Afghanistan, Irak, Libyen, hätte man aus der Geschichte doch etwas lernen können?
Seit ich mich durch Neugebauer erneut mit dem Leben meines Großvaters auseinandersetze, kommen mir viele Assoziationen.
„Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein.“ Jesus Christus.
„Die Gnade der späten Geburt.“ (Bundeskanzler Helmut Kohl).
„Gerade bin ich zurückgekommen von einem Besuch in Deutschland. Ich habe nun Deutschlands berühmten Führer gesehen, auch die großen Veränderungen die er verursacht hat. Was immer einer denkt von seinen Methoden – und diese sind bestimmt nicht jene eines parlamentarischen Landes –, kann doch kein Zweifel darüber bestehen, dass er eine wunderbare Veränderung im Geiste der Menschen, in ihrem Benehmen untereinander, in ihrer sozialen und ökonomischen Selbstdarstellung bewirkt hat. Es ist nicht das Deutschland des ersten Jahrzehnts nach dem Weltkrieg, das zerbrochen, niedergeschlagen, niedergedrückt, mit einem Gefühl von Unvermögen und Furchtsamkeit dahinlebte. Es ist jetzt voll von Hoffnung und Vertrauen und einem erneuten Gefühl von Bestimmung, sein eigenes Leben selbst zu lenken, ohne Einwirkung irgendwelcher Kräfte außerhalb seiner Grenzen. Das erste Mal in Deutschland nach dem Weltkrieg ist generell ein Sinn für Sicherheit unter den Menschen eingezogen. Es ist ein glückliches Deutschland. Ich habe es überall gesehen und kennengelernt.“ Lloyd George nach seinem Besuch in Berchtesgaden bei Adolf Hitler im Daily Express vom 17.9.1936.
„Man erkennt den Charakter eines Volkes auch daran, wie es nach einem verlorenen Kriege mit seinen Soldaten umgeht.“ Charles de Gaulle.
Ich wiederhole noch einmal, die Vorwürfe von Neugebauer: Rechtsradikalismus, Antisemitismus, Geldgier und Feigheit wegen seiner UK/Unabkömmlichkeit im II. Weltkrieg.
Geldgier unterstellt Neugebauer meinem Großvater aufgrund des Umstandes, dass er sich um seine finanziellen Angelegenheiten gekümmert hat. Auf Seite 116 seines Buches schreibt Neugebauer: „Wie bereits während seiner Zeit als Bürgermeister von Rendsburg von 1920 -1934 kümmerte sich de Haan trotz des Krieges auch in Bad Wildungen überaus intensiv um seine persönlichen Finanzen und die möglichen Vorteile, die aus dem Amt ziehen konnte.“ Das ist Polemik und nicht Wissenschaft. Neugebauer achtet wohl nicht auf seine Gehalts- und Rentenansprüche. Ein Grund für die mögliche Sparsamkeit meines Großvaters mag der Umstand gewesen sein, dass er über Jahrzehnte in ziemlicher Armut und absoluter finanzieller Abhängigkeit gelebt hat.
Auf Seite 117 schreibt Neugebauer: „Am Soldatendienst und der damit einhergehenden drohenden Gefahr für Leib und Leben schien de Haan jedoch wenig Gefallen gefunden zu haben, beantragte er doch nach der Übung erfolgreich, u k (unabkömmlich) gestellt zu werden.“ Hier handelt es sich um Polemik. Mein Großvater hat vom April 1919 an den gesamten I. Weltkrieg hindurch als freiwilliger Infanterieoffizier teilgenommen. Wäre er nochmals Frontsoldat geworden, hätte Neugebauer ihm wohl Kriegsverbrechen vorgeworfen? Er konnte es Neugebauer nicht recht machen. Der ergeht sich unwissenschaftlich nur in Vermutungen, Polemiken, Unterstellungen und Vorurteilen. Als Feigheit betrachte ich es, sich ohne wissenschaftliche Recherche an einem Toten auszulassen. Entschuldigung, das ist Polemik.
In Bezug auf den behaupteten Rechtsradikalismus bezieht sich Herr Neugebauer vor allem auf die Mitgliedschaften in der DVP und in der DNVP. In den mir bisher vorliegenden Unterlagen habe ich diesbezüglich noch nichts gefunden. Die DVP war die Partei Gustav Stresemann, der gemeinsam mit Aristide Briand den Friedensnobelpreis erhalten hat. Gustav Stresemann war übrigens auch ein Monarchist. Friedrich Ebert wollte nach dem Ende des Ersten Weltkrieges die Monarchie nicht abschaffen. Also auch der erste Reichskanzler der SPD und Gustav Stresemann Feinde der Weimarer Verfassung nach der Meinung von Herrn Neugebauer? Nachdem von 1914 bis 1918 ein großer Teil der Deutschen hinter dem Kaiserreich gestanden hatte, kann man bei einer wissenschaftlichen Betrachtung doch nicht ernsthaft davon ausgehen, dass mit der Kapitulation Deutschlands 1918 auf einmal alle Bürger Antimonarchisten waren. Relativ häufig habe ich in meiner Kindheit von dem einen oder anderen Erwachsenen noch zu hören bekommen, dass in der Nazizeit doch nicht alles schlecht gewesen sei. Heute erzählen mir genau dasselbe die Bürger aus der ehemaligen DDR, und sie haben damit ja noch nicht einmal Unrecht. Auch CDU-Mitglieder berichten, dass man mit den ehemaligen SED-lern und den Mitgliedern der Linken zum Teil gut zu Recht komme.
Den Antisemitismus meint Neugebauer dadurch belegen zu können, dass mein Großvater in der DNVP und der NSDAP gewesen ist. Heinrich ist sicherlich auch aus opportunistischen Gründen in der NSDAP gewesen. Er hatte nach der Machtergreifung sicherlich auch noch Hoffnungen in Bezug auf den Nationalsozialismus, die sich später als grausamer Irrtum herausstellten. Täter, Mitläufer, Illusionist in einer beschissenen Zeit, ein Irrender? In all den Unterlagen von Heinrich und auch von meinem Vater finde ich keinen Hinweis auf Antisemitismus. Die ganze Autobiografie meines Großvaters ist sehr unpolitisch und privat. Es geht viel um Freunde, Familie, Wohnorte, Reisen, Beruf und Essen. Dem jüdischen Bankier Oppenheim, seinem Vormund, hat Heinrich sehr viel zu verdanken gehabt. Überhaupt finde ich in seiner Autobiografie kein einziges böses Wort gegen andere Menschen aufgrund ihrer Religion oder ihrer Nationalität.
Neugebauer auf Seite 98: „Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten erklärte de Haan anbiedernd, in den Jahren 1918 1920 Freikorps und Reichswehroffizier gewesen zu sein.“ Das Wort Anbiederung ist Polemik und nicht Wissenschaft. Die Entlassung aus der Reichswehr erfolgte nach meinen Unterlagen tatsächlich 1920. Von Freikorpsaktivitäten weiß ich nichts. Die angegebene Quelle liegt mir noch nicht vor. Was will Neugebauer zum Ausdruck bringen? Vermutung: Mitgliedschaft in der Reichswehr und/oder in einem Freikorps bedeutet automatisch Rechtsradikalismus. Aus dem Internet/Wikipedia: „Diese Freikorps bekämpften im Auftrag des Rates der Volksbeauftragten und der Reichsregierung (SPD) die linksradikalen Aufstände und sicherten die Grenzen im Osten des Deutschen Reiches. Sie kämpft 1919 auch im Baltikum mit zeitweiliger Unterstützung Großbritanniens gegen vordringende sowjetrussische Truppen sowie gegen die zuerst mit den deutschen Verbündeten Esten und Letten. Von April bis Mai 1919 waren die Freikorps auch maßgeblich an der besonders blutigen Niederschlagung der Münchner Räterepublik beteiligt. Nach Günther Mai gab es in der Frühphase der Weimarer Republik etwa 365 Freikorps von sehr unterschiedlichem Charakter. Die Mitglieder waren Offiziere, Studenten oder andere Freiwillige, die teilweise Landsknechten ähnelten. Da die Vielzahl der verschiedenen militärischen Verbände, die zwar alle den militärischen Kommandobehörden des Reiches unterstanden, in ihrer inneren Gliederung und insbesondere auch in ihrer politischen Grundeinstellung vollkommen verschieden waren, war die militärische Führung bestrebt, eine Vereinheitlichung zu erreichen. Die Geschichte der Freikorps endete somit im März 1920. Die nicht in die Reichswehr übernommenen Verbände bildeten meist sogenannte Wehrverbände oder fanden Unterkommen bei paramilitärischen Verbänden, etwa beim Stahlhelm oder der SA. Die Nachfolgegruppen der Freikorps waren in den Einwohnerwehren aktiv, kämpften etwa im Selbstschutz Oberschlesiens während der oberschlesischen Aufstände und waren in der Weimarer Republik für eine Reihe von politischen Morden verantwortlich. Zu den bekanntesten Opfern zählen die von den Offizieren der Garde-Kavallerie-Schützen Division Mitte Januar 1919 ermordeten Mitbegründer der kommunistischen Partei Deutschlands Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.“
Neugebauer auf Seite 98: „Vor der Wahl war Jacobs in großformatigen Anzeigen des konservativen Bürgertums in der Landeszeitung in übelster Weise angepöbelt worden. Insbesondere wurde ihm vorgehalten, ein Vertreter des Marxismus zu sein sowie nicht Mitglied der Kirche zu sein.“ Ebenfalls Polemik. Wer war für diese Anzeigen verantwortlich? Die Unterstellung von Neugebauer, dass mein Großvater der Verantwortliche war. Die politischen Richtungen in der damaligen Zeit waren extremer und der Wahlkampf war vollkommen anders als heute.
Die Quelle für die Beschreibung der DNVP von der Neugebauer ist Wikipedia. Wikipedia sollte in einer wissenschaftlichen Arbeit als Quelle nicht benutzt werden.
Neugebauer auf Seite 99: „de Haan war Mitglied des DNVP-nahen Stahlhelms. Er dürfte gewusst (und höchstwahrscheinlich) auch gebilligt haben, dass die Soldatenvereinigung jüdische Reichswehrsoldaten mit einem sogenannten Arier-Paragrafen von der Mitgliedschaft ausdrücklich ausschloss.“ Die angebliche Stellung von Heinrich zu diesem Umstand ist reine Spekulation und nicht belegt.
Neugebauer auf Seite 102: „Es ist anzunehmen, dass der überzeugte Antisemit de Haan die judenfeindlichen Aktionen billigte.“ Quelle? Es gibt keinen einzigen Beweis für eine Judenfeindlichkeit meines Großvaters.
Neugebauer auf Seite 104: „de Haan und die Rendsburger Nationalsozialisten beteiligten sich an der Diffamierung Bredows und entzogen ihm am 26. Oktober 1933 seine Ehrenbürgerschaft.“ Die angegebene Quelle: Edward Hoop, „Rendsburger Köpfe aus sieben Jahrhunderten“. Dort hört sich das schon etwas anders an: „Der damalige Rendsburger Bürgermeister Dr. de Haan konnte wohl nicht umhin, sich an der Diffamierung des verdienten Mannes zu beteiligen. Am 26. Oktober 1933 wurde ihm das Ehrenbürgerrecht entzogen. Bredow schickte daraufhin den Ehrenbürgerbrief ohne Kommentar zurück.“
Neugebauer auf Seite 104: „Diese erste offizielle Ausgrenzung der Landeskirche von Menschen – wie es im rassistischen NS Jargon hieß – jüdischen Blutes, dürfte dem Antisemiten de Haan gefallen haben.“ Eine unbewiesene Polemik.
Neugebauer beschäftigt sich über mehrere Seiten mit den Umständen des Ausscheidens meines Großvaters aus dem Bürgermeisteramt 1933. Er behauptet, dass es sich um eine Legende handelt, dass mein Großvater durch die Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängt worden ist. Natürlich ist dies geschehen. Man wollte von Seiten der NSDAP offensichtlich einen gewissen formalen Schein waren. Der einzige der hier Legenden strickt, ist Neugebauer.
Neugebauer auf Seite 113: „In Norderney wurde Dr. de Haan am 18. Juni 1934 für zwölf Jahre zum Bürgermeister und Kurdirektor berufen. Er war damit der unmittelbare Nachfolger des Juristen und SS Mannes Bruno Mueller, seit 1931 NSDAP Mitglied, der sich damit gerühmt hatte, dass Judenbad Norderney zu einem deutschen Bad umgebaut zu haben. Mueller war im Zweiten Weltkrieg als Mitglied der Einsatzgruppe I an der Ermordung tausender Jüdinnen und Juden im besetzten Polen und der besetzten Sowjetunion beteiligt.“ Was hat das mit Heinrich zu tun?
Neugebauer auf Seite 113: „De Haan versprach, das neue Amt so auszuführen, wie man es im neuen Dritten Reich verlangen könne. Der örtliche NSDAP-Kreisleiter bat de Haan, steht engster Führung mit der Parteileitung zusammen zu arbeiten und beendete die Amtseinführung mit einem Sieg Heil auf den Führer und Volkskanzler Adolf Hitler.“ Das war damals der normale Sprachgebrauch. Heute benutzen wir auch und völlig unreflektiert – die Formel: „Mit freundlichen Grüßen“ am Ende jeden Briefes.
Neugebauer auf Seite 114/115: „de Haan erschien zu diesem Anlass in der Uniform eines Oberleutnant, geschmückt mit dem Eisernen Kreuz erster Klasse, so der örtliche Lokalanzeiger. Der von de Haan sicherlich begrüßte deutsche Überfall auf Polen lag zu dem Zeitpunkt gerade erst zwei Monate zurück.“ In dem Tragen der Uniform eines Oberleutnant und nicht der Parteiuniform sehe ich eher eine oppositionelle Demonstration und keinen Beweis für seine Begeisterung über den Nationalsozialismus. Nach den mir vorliegenden Unterlagen war Heinrich die Haan keineswegs begeistert über den deutschen Überfall auf Polen, sondern seine letzten Illusionen über den Nationalsozialismus starben spätestens an diesem Tag. Woher weiß Neugebauer, dass Heinrich den deutschen Überfall auf Polen begrüßte? In allen mir vorliegenden Alben habe ich bisher kein Foto meines Großvaters in eine NS-Uniform gefunden. Mein Vater schreibt in seiner Autobiografie, dass die blaue SA Marineuniform seines Vaters fast nur im Schrank gehangen habe.
Neugebauer auf Seite 124 „Herbert Puhlman kommentierte den Abschied von Doktor de Haan in der Landeszeitung mit Worten, die sehr an den Geist der Kommentare erinnern, die er schon zu seiner Zeit als Redakteur während der NS-Zeit formuliert hatte: „Das war die Stunde des großen Abschieds für einen Mann, der bis zur letzten Stunde seines Lebens in der vordersten Front gestanden hatte, in einem Dienst für die Idee und für sein Volk, dem seine ganze Liebe gegolten hat.“ Hierzu fehlen mir die Worte. Einfach nur lachhaft, was Neugebauer da von sich gibt. Damals üblicher Sprachstil.
Der Kirchenaustritt hatte einen anderen Hintergrund als der von Neugebauer behauptete.
Das Buch von Neugebauer ist historisch und wissenschaftlich ohne jede Bedeutung. Ich spekuliere jetzt auch einmal: Vermutlich hat der Autor einen Verlag für die Veröffentlichung gesucht aber nicht gefunden, weil kein ernstzunehmender Verlag sich mit solch einem Werk in der Fachwelt lächerlich machen will. Es ist sehr anzunehmen, dass es Herr Neugebauer bezüglich der anderen in dem Buch genannten Menschen wissenschaftlich ebenfalls nicht korrekt vorgeht. Warum es in dem Titel „Opfer und Täter in Rendsburger NS-Zeit“ heißt verstehe ich nicht. Ich hätte gerne mehr und Neues über die jüdische Gemeinde von Rendsburg erfahren. Neugebauer geht es immer wieder darum, gegen Menschen zu schreiben, und insofern sind die Opfer für ihn eigentlich uninteressant. Gestern habe ich gelesen, dass Neugebauer öffentliche Gelder für sein Buch beantragt hat, um dies dann an Rendsburger Schulen zu verteilen. Bei einem guten historischen Unterricht könnten die Schüler an diesem Buch lernen, wie der Autor vollkommen unwissenschaftlich arbeitet. Das wäre noch nicht einmal eine bestandene Semesterarbeit. Auf der Rückseite des Buches von Neugebauer steht ein Text hinter der Überschrift „Erklärung zum Buch“. Vom Wortlaut des Textes her vermutet man zunächst einen unabhängigen Kommentator. Es fehlt aber eine Namensnennung. Auch hier begebe ich mich mal wieder in den Bereich der Spekulation. Es spricht einiges dafür, dass Neugebauer den Text selbst verfasst hat, und sich, den Leser irreführend, mit dem Kommentar eines vermeintlich unabhängigen Autors schmückt.
Gewundert hat es mich, wie unkritisch die von Polemik und Ideologie bestimmten Äußerungen von Neugebauer teilweise geglaubt und übernommen wurden. Ich danke allen, die sich an der sehr differenzierten Diskussion im Internet beteiligt haben. .
Unsere Art von Demokratie fördert durch die Konkurrenz der Parteien die Polarisierung und damit die Spaltung der Gesellschaft, die doch gerade in der letzten Zeit weltweit immer wieder so bedauert wird. Neugebauer polarisiert und polemisiert extrem. Ein politisches Modell, um diese Spaltung und Polarisierung zu verringern ist das Losverfahren, ein uraltes demokratisches Prinzip, bei dem durch Losverfahren repräsentativ Bürger ausgelost werden, um Gesetzesvorschläge zu machen. Eine Möglichkeit für mehr direkte Demokratie, eine vierte Säule im Staat. Total spannend, David Van Reybrouck, „Gegen Wahlen“. Mehr Effektivität und Legitimität. Wir brauchen weniger Trumps, weniger Erdogans und auch weniger Neugebauers. .
Sucht man im Internet nach Quellen über Neugebauer, so zeichnet sich das Bild eines Menschen, der sich extrem negativ über unterschiedlichste Menschen äußert. Aus einem Interview in der TAZ: „Stoltenberg war ein ganz schlimmer Machtmensch, er kommt in der geschichtlichen Betrachtung viel zu gut weg.“
„Im Jahr 1979 gewinnt Neugebauer den Wahlkreis Rendsburg. Er ist 31 Jahre alt. Er kommt in ein Landtag, in dem die Abgeordneten von CDU und SPD tief verfeindet sind. Damals haben mich die Abgeordneten der CDU noch nicht einmal gegrüßt, sagt er, das Verhältnis war von Hass geprägt.“ Da frage ich mich, wessen Hass?
In seinem Buch über Heide Simonis, die Ministerpräsidenten aus seiner eigenen Partei, schreibt Neugebauer: „Aus der ehemals toleranten und liberalen Heide Simonis sei eine machtbewusste und machtversessene Politikerin geworden, die sich immer mehr in der Staatskanzlei eingebürgert habe.“ Neugebauer bestreitet, der Abgeordnete zu sein, der in geheimer Wahl für den Sturz von Heide Simonis verantwortlich war, obwohl seine Person diesbezüglich immer wieder diskutiert wird. Auch ich spekuliere jetzt mal wieder ein bisschen. Vielleicht spinnt hier ein ganz anderer als mein Großvater an eine Legende.
Wie ein Großwildjäger nach erfolgreicher Jagd steht Neugebauer auf den Fotos neben der Büste meines Großvaters. Nehme ich alle Autobiografien meiner Großmutter, meines Großvaters und meines Vaters zusammen, so finde ich in ihnen nichts was mit dem Hass von Neugebauer vergleichbar ist. Überhöhung der eigenen Persönlichkeit, Verachtung Andersdenkender, Intoleranz und der Verzicht auf Fakten und Wissenschaftlichkeit, um empfundene Gegner zu diffamieren.
Zu der Büste von Heinrich den Haan vor dem alten Rathaus und der ehemaligen Heinrich die Schule: Ich arbeite inzwischen als niedergelassener Frauenarzt in Erpensen/Wittingen in Niedersachsen zwischen Uelzen und Gifhorn. Immer mal wieder hat es auch Patientinnen aus dem Landkreis Rendsburg-Eckernförde in unserer Region verschlagen. Natürlich hat es einen irgendwie gefreut, wenn man nach einer Verwandtschaft mit Heinrich die Haan befragt worden ist, der Bürgermeister in Rendsburg gewesen ist und nach dem eine Schule benannt ist.
Für den Rest meines Lebens muss ich jetzt wohl ganz weit ausholen, um diesen Menschen auch nur so halbwegs deutlich zu machen, wer mein Großvater wirklich gewesen ist, vielleicht gebe ich Ihnen bei historischen Interesse einfach diese Stellungnahme. In der Vergangenheit hätte ich gesagt, dass mir die Büste und die Namensgebung der Schule nicht so wichtig ist, ich mich aber dennoch ein bisschen gefreut habe.
Für die Zukunft kommt es mir nur darauf an, dass das Buch von Neugebauer über meinen Großvater mit all seinen Unterstellungen, Vermutungen und Verleumdungen nicht das letzte Wort über Heinrich ist. Wenn die politisch im Moment Verantwortlichen der Meinung sind, dass seine Mitgliedschaft in der NSDAP, sein Mitläufertum und seine Arrangement mit den Nazis ausreichend sind, um eines Menschen nicht mehr zu gedenken, der in seinem Leben auch vieles Gute bewegt hat, so wird die Büste entfernt werden. Welchen Sinn haben Denkmäler und Namensgebung? Es geht um das Gedenken an Personen, es geht aber auch um unsere eigene Geschichte. Das Uwe Jens Lornsen Denkmal am Paradeplatz. Auch wenn die meisten Mitbürger über den Mann vermutlich nicht viel wissen werden, da ging es doch irgendwie um die Zugehörigkeit von Schleswig-Holstein zu Preußen oder Dänemark. Hindenburgstraße oder Moltkeschule, vielleicht animieren diese Namen doch den einen oder anderen, sich mit unserer Geschichte zu beschäftigen. Natürlich geht es nicht darum, Verbrechern zu gedenken, aber wo beginnt das Bücherverbrennen oder was bedeutet die Vernichtung der Buddhastatuen von Bamiyan? Das hat etwas damit zu tun, dass die Vernichter entweder selbst die Existenz dessen, was sie vernichten, nicht ertragen, oder aber den Einfluss auf andere Menschen verhindern wollen.
Ist Neugebauer stolz darauf, dass die Büste meines Großvaters verschmiert worden ist? Wer Hass säht, wird Hass ernten. .
Die Extremisten aus der Politik oder Religion haben auf dieser Welt genug Schaden angerichtet. In letzten 100 Jahren vor allem der Kommunismus, der Faschismus und aktuell der Islamismus. Wir sollten fair miteinander reden, streiten und diskutieren.
Die Urteile der aktuell lebenden Generationen gegenüber ihren Ahnen. Wenn ich an unser Klima denke, dann fürchte ich, dass nachfolgende Generationen uns verdammen werden, für das was wir heute tun. Greta Thunberg hat uns vielleicht noch viel zu wenig Angst gemacht. Wir betreiben einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb mit schottischen Hochlandrindern, und ich habe Angst vor dem Sommer.
Gestern erhielt ich die Mitteilung, dass Herr Professor Doktor Uwe Danker zum Gutachter bestellt worden ist. Uwe Danker ist ein ehemaliger Klassenkamerad von mir, mit dem mich einiges an Erinnerung verbindet. Bleibt es dabei, dass er ein Gutachten erstellen wird, so gehe ich von seiner Wissenschaftlichkeit aus. Zu unserer Schulzeit war Uwe Danker bei den Jungsozialisten. Ob er heute noch in derselben Partei wie Herr Neugebauer ist, weiß ich nicht. Allen wissenschaftlich interessierten stehen meine privaten Unterlagen über meinen Großvater selbstverständlich zur Verfügung.
Die Büste ist geschaffen worden von dem aus Estland stammenden Künstler Manfred Sihle-Wissel, der auch Loki und Helmut Schmidt verewigt hat. Mein Vater hat sich über die Anerkennung der Leistungen seines Vaters gefreut. Die Behauptung von Neugebauer, dass mein Vater von der politischen Vergangenheit seines Vaters nichts gewusst hat, ist wie so vieles in den Veröffentlichungen von Neugebauer Vermutung, Unterstellung, Spekulation. In unserer Familie ist offen über die Vergangenheit gesprochen worden, und alles, was ich schildere, was in den Biografien steht und in den öffentlichen Archiven war meinem Vater und der Familie bekannt. Letztendlich enthalten die Veröffentlichungen von Herrn Neugebauer nichts Neues. Neues wäre hinzugekommen, wenn man sich des Archivmaterials aus unserer Familie angenommen hätte. Mit der Behauptung von der angeblichen Unkenntnis meines Vaters wollte Neugebauer wohl demonstrieren, wie fair es von ihm ist, dass er nicht auch noch die Nachkommen von Heinrich die Haan attackiert. Hier spekuliere ich ebenfalls.
Habe ich bisher an Rendsburg gedacht, so war das meine Heimat, meine Familie, meine Geburtsstadt, Vogelschießen, die Moltkeschule, mein Gymnasium, die Eiderkaserne, mein Abitur, das Elternhaus. Und jetzt? Ich weiß noch nicht, wie das mit meinen Gefühlen weitergehen wird.
Dr. med. Hendrik de Haan
Dies habe ich aus dem Hauptartikel entfernt. m. E. sollte dies auf der Disk hinterlegt werden -- SFfmL (Diskussion) 19:53, 4. Aug. 2019 (CEST)
Zur Stellungnahme des Enkel von Dr. Heinrich de Haan
[Quelltext bearbeiten]Der Enkel von Dr. Heinrich de Haan irrt in vielem, leider geht er nicht auf die Fakten ein, wie sie in meinem Buch "Gegen das Vergessen. Opfer und Täter in Rendsburgs NS-Zeit" geschildert worden sind. Das Buch ist nicht im Selbstverlag erschienen, sondern auf dessen Wunsch in einem renommierten regionalen Verlag. Alle Aussagen sind quellenbelegt und mit Fußnoten versehen. Recherchiert habe ich für den Aufsatz u. a. im Stadtarchiv Rendsburg, Bundesarchiv Berlin, Landesarchiv NRW, Landesarchiv Hessen, Stadtarchiv Norderney, Stadtarchiv Bad Oeynhausen und Stadtarchiv Bad Wildungen. Der Enkel ist natürlich nicht verantwortlich für das Handeln seines Großvaters. Zur Einschätzung der unter Historikern unstrittigen antisemitischen Einstellung von NSDAP und DNVP bedurfte es auch nicht nur wikipedia, sondern auch einer umfangreichen Literatur. Unverständlich ist mir angesichts der Stellungnahme der im vorletzten Absatz erfolgte Hinweis, die "Veröffentlichungen von Herrn Neugebauer enthalten nicht Neues". Genau das Gegenteil ist der Fall. Die in der Stellungnahme enthaltene Polemik und Herabsetzung meiner Qualifikation weise ich zurück. Sie fällt auf den Verfasser zurück. Günter Neugebauer als Autor Senator der Stadt Rendsburg 1974 bis 1982, Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtags von 1979 bis 2009, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Schleswi-Holstein von "Gegen Vergessen-Für Demokratie".(nicht signierter Beitrag von Guenter Neugebauer (Diskussion | Beiträge) 19:24, 7. Aug. 2019 (CEST))
Kontroverse um de Haans Vergangenheit und seine Büste
[Quelltext bearbeiten]Bisher heißt es im Artikel: „Die 2009 aufgestellte Büste von de Haan ist in Rendsburg umstritten“ (Beleg). Der Konflikt geht weiter („Streit um Heinrich de Haan spitzt sich zu“) und ist inzwischen wohl einen ganzen Absatz wert. Als Belege sind allein öffentlich zugängliche Quellen (derzeit wohl nur Zeitungartikel) akzeptabel. Hier auf den WP-Seiten wird der Konflikt weder diskutiert noch entschieden, hier wird er nur dargestellt, siehe Was Wikipedia nicht ist. --Jürgen Oetting (Diskussion) 17:31, 9. Okt. 2019 (CEST)
- Eine gute Idee. Ich kann dem nur zustimmen. Louis Wu (Diskussion) 18:16, 9. Okt. 2019 (CEST)
Unzulässiger Beleg
[Quelltext bearbeiten]Moin Concord, der von Dir eingefügter Beleg, Geschichtsblog SH, ist nicht zulässig, weil eine private Wordpress-Website. Bitte entfernen und durch reputable Belege ersetzen. Zu denen ist es nicht weit, sie sind auf „Geschichtsblog SH“ verlinkt. --Jürgen Oetting (Diskussion) 17:01, 2. Jul. 2020 (CEST)
- Danke für den Hinweis. Entfernt. --Concord (Diskussion) 18:51, 2. Jul. 2020 (CEST)
- Ich danke auch. Habe den Artikel inzwischen um die Büstenentfernung ergänzt und belegt. Dazu könnte man auch ein wenig mehr schreiben, mir reicht es aber so, zumindest ist es jetzt up to date.--Jürgen Oetting (Diskussion) 19:51, 2. Jul. 2020 (CEST)