Diskussion:Henri Masers de Latude
Lebenslauf frei erfunden
[Quelltext bearbeiten]Die hier als reale, biographische Daten angegebenen Informationen enstammen seiner von ihm verfassten fiktiven Biographie, die er in unzähligen Texten (Bittbriefe, Rechtfertigungen, Memoiren...) erfunden hat, während er 35 Jahre in der Bastille saß, um sich selbst den Anschein eines adligen Intellektuellen zu geben, der den höfischen Intrigen um Ludwig XVI. und seiner Mätresse Madame Pompadour zum Opfer gefallen sei. In Wirklichkeit stammte er aus einfachen Verhältnissen und war eine zeitlang Hilfschirurg beim Militär. Um seiner Arbeitslosigkeit zu entkommen, plante er, sich bei Höfe einzuschmeicheln, indem er diesen vor einem angeblichen Sprengstoffattentat warnte, das er jedoch selbst erfunden hatte. Da er sich dabei nicht sehr klug erwies, wurde er überführt und saß letztlich 35 Jahre ein, nicht zuletzt, weil er durch seine im Gefängnis neu erschaffende Identität versuchte, die Öffentlichkeit für sich einzunehmen und dafür die gebildeten, reformorientierten Oberschichten seiner Zeit zu instrumentalisieren verstand. Durch sein künstliches, an den Geschmack der aufgeklärten Kreise angepasstes Image als eine durch die königliche Willkür (Despotismus) unterdrückte, tugendhafte und "nützliche" Person, schaffte es der ehemalige Barbier Jean-Henri aus Montagnac, dass er von den Revolutionären nach dem Sturm auf die Bastille 1789 zu einem Sinnbild der notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen wurde. Dabei spielte die mündliche Verbreitung seiner "Lebens- und Leidensgeschichte" eine wichtige Rolle beim Mobilisieren der revolutionären Kräfte.
Literatur z.B.:
Lüsebrink, Hans-Jürgen/Reichardt, Rolf: Oralität und Textfiliation in rezeptionspragmatischer Perspektive, in: Zur Geschichte von Buch und Leser im Frankreich des Ancien Régime. Rheinfelden/Berlin ²1993, S. 111-143. (nicht signierter Beitrag von Firefly80 (Diskussion | Beiträge) 17:56, 11. Jul 2016 (CEST))