Diskussion:Immerath (Erkelenz)/Archiv

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Letzter Kommentar: vor 17 Jahren von Bodoklecksel in Abschnitt Nur "dunkle Wolken"?
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Haus Nazareth im Dritten Reich

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Ich habe den Absatz von User Bozzi nach Immerath verschoben, da er dort zeitlich zuzuordnen ist und dort die Abtransporte stattgefunden haben sollen. Angesichts der Brisanz wäre eine Quellenangabe wünschenswert. bodoklecksel 00:08, 22. Nov. 2006 (CET)Beantworten


Mit seinem besonderen Hinweis darauf, dass es sich bei Haus Nazareth um eine katholische Einrichtung handelt, erweckt der Benutzer Bozzi den Eindruck, als seien gerade katholische Institutionen verantwortlich gewesen für die nationalsozialistischen Verbrechen. Dasselbe macht er mit der Bewohnerschaft ganzer Orte, indem er undifferenziert in den Ortsartikeln (siehe auch Gangelt) entsprechende Literaturangaben macht. Der Benutzer Bozzi möge doch einmal die Wikipedia-Artikel Nationalsozialistische Rassenhygiene, Aktion T4 und Clemens August Graf von Galen lesen, bevor er pauschal katholische Einrichtungen und ganze Ortschaften nationalsozialistischer Verbrechen bezichtigt. Und dann empfehle ich ihm noch die Lektüre von § 130 StGB, Volksverhetzung, wo es heißt: Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. LeSch 06:59, 23. Nov. 2006 (CET)Beantworten
Ich habe die anderen Einträge des Benutzers noch nicht gesehen und kann sie noch nicht beurteilen. Sofern die Bozzis Darstellung sachlich richtig ist, sollten Vorwürfe nicht derart überzogen formuliert werden. Wenn die Formulierungen aber unterschwellig tendenziell sind, so wären sie entsprechend sachlicher umzuformulieren. Der Sachverhalt ist für die Ortsgeschichte Immeraths offenbar durchaus bedeutsam. Sinnvoll und hilfreich wäre auf jeden Fall ein Literaturhinweis.bodoklecksel 07:37, 23. Nov. 2006 (CET)Beantworten


Ich habe nicht bestritten, dass der Verbleib der Kranken aus Haus Nazareth in Immerath ebenso wie aus Maria Hilf in Gangelt und anderswo für die jeweilige Ortsgeschichte von Bedeutung sei und auch angeprangert werden muss, sondern ich wehre mich dagegen, dass die Verantwortung dafür undifferenziert und unterschwellig katholischen Einrichtungen oder gleich den Bewohnern ganzer Ortschaften zugeschoben wird und diese mit den Verbrechen anderer diffamiert werden. Mit Sicherheit bin ich kein frommer Kirchengänger, aber verantwortliche Entscheidungsträger waren nicht die katholischen Schwestern, die Anstalten oder der ganze Ort, die bewusst über die Endstation der "Verlegungen" im Unklaren gelassen wurden, sondern eine Schar von Ärzten und deren Helfer in Berlin. Man lese den wirklich erschütternden Wikipedia-Artikel Aktion T4. Vielleicht sollte man auch in den betreffenden Ortsartikeln - soweit der Text dazu Anlass bietet - zu diesem Artikel einen Wiki-Link legen. LeSch 11:55, 23. Nov. 2006 (CET)Beantworten
Dann lass uns an Formulierungen arbeiten, die stärker deutlich machen, dass die betreffenden Ereignisse auf staatliche NS-Rassenpolitik zurückgeht. Gruß bodoklecksel 14:10, 23. Nov. 2006 (CET)Beantworten

Auch nach nunmehr über sechzig Jahren verflossener Zeit gehört der Krankenmord an hilfsbedürftigen Menschen noch immer zu den Befunden aus der Geschichte des NS-Regimes, denen sich das menschliche Erinnerungsvermögen nur schwer nähert resp. nähern kann. Es bleibt eine tiefe Ratlosigkeit angesichts des Entsetzlichen, gerade weil so offenkundig ist, dass sich der Stand der Ärzte an der Umsetzung zutiefst inhumaner Herrschaftsziele beteiligt hat. Auch die Psychiatrie der Aachener Region wurde in die Panik der Epoche hineingerissen. Ich habe in den letzten 10 Jahren mehrere Dokumentationen zu den NS-Verbrechen der Zwangssterilisationen und "Euthanasie" verfasst.

Es ist bedrückend, wie in dieser Region eine vorwiegend "braune Medizin" vorbehaltos Erfassungs- und Handlangerdienste für den nationalsozialistischen Rassenwahn leistete. Ohnmächtige Scham und Wut überkamen mich, wie ich die Entnazifizierungsakten gewisser Ärzte aus Erkelenz, Heinsberg, Geilenkirchen, Gangelt und Aachen, um nur einige Orte zu nennen, gelesen hatte, die ohne Bruch verschiedene politische Systeme überlebt, Zwangssterilisation und NS-"Euthanasie" eine Frage des detailliert belegbaren Nachweises von Schuld und Sühne geworden ist. Auch die große Mehrzahl der Ärzte der Aachener Raums leistete bedenkenlos Helfersdienste beim Ausstanzen von Menschen aus der menschlichen Gemeinschaft, vergaß das ärztliche Gebotene und legte gegenüber der braunen Politik stramme Haltung an: eine gewissenlose Politik ließ auch das ärztliche Gewissen verkümmern ! Es waren jene Ärzte, die zwischen 1933 und 1945 pflichtloyal eine "völkische Ausmerz"-Politik in den örtlichen Verwaltungen und Institutionen betrieben und den "Volkskörper" mit verbrecherischen Mitteln von seinen "untauglichen Gliedern" zu befreien suchten. Es schmerzte mich, wenn man wie ich staatsanwaltliche Ermittungsakten beim Landgericht Düsseldorf eingesehen hat, wie leicht und fast ohne Zögern die mörderischen Transportbusse der Berliner T4-Zentrale die Behinderten und Kranken aus den psychiatrischen Einrichtungen abtransportierten.

Kurz nach dem Krieg waren die Verantwortlichen in meisten Einrichtungen und Krankenhäusern an­scheinend ent­schlossen, eine ernsthafte Erörterung der Ärzteverbrechen und der vielfäl­tigen unrühmlichen Verstrickungen zu unter­binden. Eine klägliche Rolle spiel­ten in diesem Zusammenhang Vertre­ter der örtlichen Kirchen und Ärzteschaft, die gro­ßes Engagement und ein hohes Solidaritätsverhalten auch mit stark belasteten NS-Tä­tern zeigten. Wer deren schriftlich vor­liegende Zeugenaussagen liest, kann sich des Ein­drucks nicht erwehren, dass der Mantel christli­cher Barmherzig­keit und das Prinzip “Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“ über ver­bre­cherische Geschehnisse bzw. Personen aus­ge­breitet werden sollte. Nur drei Skizzen typischer Lebensläufe "braunen" Ärzte-Karrieren möchten kurz illustrieren, dass die Entnazifizierungsmaschinerie am besten half, die persönliche NS-Vergangenheit zu "bewältigen":

1. Der Leitende Arzt des Staatl. Gesundheitsamtes des Kreises Geilenkirchen-Heinsberg fungierte jahrelang als fanatischer Sachverständiger am "Erbgesundheitsgericht" des Landgerichtes Aachen kraft seiner profunden Praktiken und Kenntnisse in Fragen der NS-Rassenhygiene. Seine verbrecherische Nazi-Karriere blieb deshalb unentdeckt weil ihm während seiner Entnazifizierung 1946 vor allem die Oberin der Anstalt Gangelt bescheinigt hatte, dass er nach jeder Richtung tatkräftig die Interessen der dortigen Nonnen vertreten hätte. Während erst seit 1990 "Euthanasie-"Geschädigte und NS-Zwangssterilisierte seit 1980 einen Entschädigungsantrag nach den "Richtlinien der Bundesregierung über Härteleistungen an Opfer von NS-Entrechtungsmaßnahmen im Rahmen des Allgemeinen Kriegsfolgegesetzes" bei der Oberfinanzdirektion Köln stellen können, ging dieser Arzt noch im selben Jahr seiner Entnazifizierung in den wohlverdienten Ruhestand. Ein beschämendes Kapitel deutscher lokal- und regionalgeschichtlicher Vergangenheitsbewältigung !

2. Nach 1945 wurde keinem einzigen der drei "Ausmerz"-Ärzte des evangelischen Luisenhospitals in Aachen, das als eines von sieben Häusern zur Zwangssterilisation "ermächtigt" war, seine Nazi-Vergangenheit zum Verhängnis. Einem dieser Ärzte gelang es sogar, sich vom Täter zum NS-Widerständler zu verklären - leider erfolglos.

3. 1946 attestierte der Prior des Dominikanerkonvents Düsseldorf dem Chefarzt des städtischen Krankenhauses Aachen allerhöchste christliche Nächstenliebe, die niemals vom Nazi-Bazillus heimgesucht wurde, obwohl dieser zur Zwangssterilisation "ermächtigte" Arzt 1936 einmal fast eine ganze Aachener Familie mit dem Skalpell aus "rassenhygienischen Gründen" wie es in entsprechenden Aachener Gerichtsakten heisst, verstümmelt wurde. Den Posten eines Chefarztes behielt er bis einschließlich 1947.

Katholische wie evangelische Behinderteneinrichtungen waren genauso dem Zugriff der mörderischen-verbrecherischen NS-Euthanasie ausgesetzt wie staatliche und sind damit eindeutig historische Orte der menschenverachtenden NS-Rassenpolitik. Dass angeblich ganze Ortschaften darin schuldhaft verstrickt gewesen sein sollen, davon kann gar keine Rede sein. Das geben auch die derzeitig Quellen und Archivbestände nicht her. Dennoch waren die Anstalten fraglos Orte des "Euthanasie"-Geschehens. Es spielte also für die Berliner "Euthanasie"-Zentrale gar keine Rolle, in welcher Trägerschaft sich die betreffende psychiatrische Einrichtung befand, sondern ausschließlich das "Kriterium", in welchen Anstalten sich wie viele Patienten befanden, um diese auf den Dienstweg der klinischen Exekution in die gerichtsbekannten Tötungsanstalten zuzuführen. Das ist auch in der rheinischen Psychiatriegeschichte längstens durch entsprechende Untersuchungen wie die von Matthias Leipert et. al.: Verlegt nach unbekannt. Sterilisation und Euthanasie in Galkhausen. Köln 1987; ferner Ralf Seidel/Wolfgang Franz Werner: Psychiatrie im Abgrund. Spurensuche und Standortbestimmung nach den NS-Psychiatrie-Verbrechen. Köln 1991 und Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.): Folgen der Ausgrenzung. Studien zur Geschichte der NS-Psychiatrie in der Rheinprovinz. Köln 1995, grundlegend belegt und seriös dargestellt.

Zwischen 1941 und 1944 wurden nach einer Statistik der T4-Abteilung „Reichsarbeitsgemein­schaft der Heil- und Pflegeanstalten“ Berlin aus den Heil- und Pflegeanstalten im Reg.-Bez. Aachen (Düren, Aachen, d.h. Alexianeranstalt und Städt. Heil- und Pflegeanstalt Mariabrunn, Gangelt, Marienborn b. Zülpich, Immerath, Kreispflegeheim Eschweiler, Christinenstift Ge­reonsweiler, Kloster Marienheim Jülich, St. Annahaus Mündt Jülich und St. Josefshaus in Jü­lich) über 3.000 Patienten verlegt. Aus den Recherchen von staatsanwaltlichen Ermittlungsak­ten beim Schwur­gericht Düsseldorf, von Unterlagen des Archivs des Deutschen Caritas­verban­des in Freiburg im Breis­gau, des Bundesarchivs Koblenz, der Haupt­staatsar­chive Düsseldorf und Wiesbaden, aus meinen Recherchen in Archiven in Österreich, Polen und Tschechien komme ich zu dem Schluß, dass rd. 2500 Pati­enten aus dem damaligen Reg.-Bez. Aachen abtransportiert und aus kriegswichtigen Gründen „verlegt“ wurden.

Alle anderen sind entweder nachweislich in gerichtsbekannten „Euthanasie“-Tö­tungszentren vergast oder erschossen, in pseudo-wissenschaftlichen Menschen­versuchen mit intravenösen oder oralen Giftmischungen zu Tode gequält wor­den oder gelten als verschollen. Dies ist eine Mindestzahl ! Es ist nicht bekannt, ob bzw. wie viele Menschen unmittelbar an den Folgen der brutalen Zwangsste­rilisation in den zur Zwangssterilisation beauftragten Krankenhäusern gestorben waren, wie viele kranke und be­hinderte Menschen aus dem Aachen Raum an der sy­stematischen Aushungerung bzw. vernachlässigten Pflegehygiene in den fol­genden Monaten kurz nach Kriegsende elendig zugrunde gingen, wie viele Kranke, die zu Hause gewohnt hatten, durch Verwandte, Nachbarn und Nazis vor Ort denunziert, an die hiesigen Polizei- und Ge­sundheitsbehörden ausgelie­fert und auf dem Dienstweg in der nationalsozialistischen Vernich­tungsma­schinerie ermordet wurden.

Ich für meinen Teil schlage nicht den Ton der Polemik an: Es ist wohl der Ton der Ewiggestrigen, die sogar Gerichtsakten mit internen Krankenakten von Sterilisations- und "Euthansie"-Opfern nicht anerkennen. Was im übrigen § 130 StGB angeht, so möge der Benutzer LeSch angeben, welche aktuellen Staats- und welche Landesarchive, welche staatsanwaltschaftlichen Gerichtsverfahren mit welchen Beständen unter welchen Signaturnummern er zum Thema "Zwangssterilisation und NS-Euthanasie in der Region" selbst ausgewertet hat ? - Er möge sie nennen. Und: Wo sind seine Veröffentlichungen ? Nur mit historisch-wissenschaftlichen Darstellungen und Dokumentationen kann man einen festen Tatsachensockel schaffen. Dann reden wir weiter, auch über diesen Tag hinaus.

Mein Fazit: Es gibt heute genügend Gedenkstellen, Gedenktafeln bzw. Gedenkstätten, die letztlich Orte der schrecklichen Auswirkungen der menschenverachtenden NS-Rassenpolitik namentlich benennen. Aber es sind und bleiben Orte, die einen Namen haben, in denen zutiefstes Unrecht geschehen ist. So auch in Immerath.

Bozzi



Vor einigen Wochen habe ich in den Ortsartikeln der gesamten Aachener Region nachfolgende und ähnliche Literaturangaben vorgefunden:
Harry SEIPOLT: Zwangssterilisation und NS-"Euthanasie" in der Region Aachen.
Harry Seipolt: Ich war "minderwertig". Aus dem Lebensbericht einer NS-Zwangssterilisierten (NS-Rassenwahn im "Erbgesundheitsgericht" und Gesundheitsamt der Stadt Geilenkirchen).
Harry SEIPOLT, "... stammt aus asozialer und erbkranker Sippe". Zwangssterilisation und NS-Euthanasie im Kreis Heinsberg 1933 - 1945.
Harry SEIPOLT, Reichsausschußkinder im Kreis Heinsberg 1939 - 1945.
Da diese Angaben keinerlei Bezug zu den vorausgehenden Ortsbeschreibungen besaßen und auch in solchen Ortsartikeln zu finden waren, wo es nie irgendwelche Einrichtungen gegeben hat, die in irgendeinen Zusammenhang mit der NS-Euthanasie zu bringen gewesen wären, hatte ich den Eindruck, dass sie willkürlich und mit großem Hass auf die gesamte Aachener Region eingestreut waren. Ich habe mich nicht getäuscht, wie die vorstehenden Ausführungen von Benutzer Bozzi erkennen lassen.
Wenn auch ohnmächtige Scham und Wut, wie er selbst schreibt, beim Studium der Akten über ihn gekommen sind, ist es meines Erachtens aber nicht der richtige Weg, pauschal katholischen Einrichtungen, den Anstalten als solchen, Ortschaften oder gar einer ganzen Region Nazi-Verbrechen anlasten zu wollen. Die hat es nicht nur in der Aachener Region gegeben, sondern in ganz Europa. Und die Täter waren nicht nur in der Ärzteschaft zu finden, sondern gleich welcher Konfessionszugehörigkeit in allen Berufsgruppen, nicht zuletzt auch in der Richterschaft, bei der zum Beispiel der Antrag auf Sterilisation zu stellen war. Wissenschaftliche Arbeit, die er für sich in Anspruch nimmt, ist in der Lage, Wut zu unterdrücken und sauber zu differenzieren.
Zu den "Ewiggestrigen" zähle ich mich eigentlich nicht, weil ich gestern noch nicht geboren war. Andererseits habe ich aber auch noch nichts zu dem Thema Zwangssterilisation und NS-Euthanasie recherchiert oder veröffentlicht. Dagegen kann ich, unter anderen meinen Vater betreffend, umfangreiches Aktenmaterial aus den Folterkellern der Gestapo, dem Volksgerichtshof und dem Zuchthaus Lüttringhausen vorlegen, worüber ich auch schon veröffentlicht habe und noch weiter veröffentlichen werde - ohne Wut auf Konfessionen, Berufsstände und Orte.


LeSch 17:12, 24. Nov. 2006 (CET)Beantworten

Erneut verwechselt der Benutzer LeSch offensichtlich sein ausschließlich subjektives Urteil über nunmehr bekannte NS-Verbrechen mit lokal- und regionalgeschichtlichen Kenntnissen und dem objektiven Vorhandensein archivalischer Zugänge. Hingegen ist die unumgängliche Grundlage zu aussagefähigen Urteilen ausschließlich auf Beweismaterial gestützt, sie sich also empirisch entwickelt. Wenn man zu ernsthaften Aussagen über die menschenentwürdigende- und -vernichtende NS-Gesundheitspolitik kommen will, muss man mit dem Selbstverständlichen - mit der Arbeit an Quellen - beginnen.

1. Stummes Entsetzen und Kopfschütteln sind nichts ungewöhnliches und gehör(t)en während des Quellenstudiums und der Sichtung von Originalakten häufig zum Alltag dessen, der historische Urteilsbildung betreiben will. Wer kann schon die geforderte Ruhe bewahren wie LSche, wenn nach Aktenlage z. B. der "Euthansie"-Arzt Dr. Hermann Wesse die kleine 6-jährige Gertrud in der "Kinderfachabteilung" Waldniel/Mönchengladbach mit Giftspritzen zu Tode quälte. Weitere Beispiele erspare ich mir.

2. Anträge auf Zwangssterilisation stellten ausschließlich die Amtsärzte der staatlich-kommunalen Gesundheitsämter. Die Nazifizierung der Medizin - 45 % aller Ärzte wurden Mitglied der NSDAP - hatte zur Folge, dass besonders skrupellose und fanatische NS-Ärzte an die Spitze der örtlichen Gesundheitsämter wie von Aachen-Land, Aachen-Stadt, Geilenkirchen und Erkelenz gelangten. Der Benutzer LeSch irrt gänzlich, wenn er behauptet, dass in der NS-Zeit die Richter per se für die Antragsstellung zuständig waren. Allein sie entschieden auf der Grundlage der "erbbiologischen" Anträge der Amtsärzte, welcher "Sterilisand" gerichtlich abgeurteilt wurde (Vgl. hierzu Artikel 'Nationalsozialistische Rassenhygiene', hier: 'Rassenhygiene durch Sterilisation' bei WIKIPEDIA. Dort auch weiterführende Literatur).

3. Dass die Anstalten in Gangelt und Haus Nazareth in Immerath Orte der Auswirkungen der Zwangssterilisation und NS-"Euthanasie" gewesen sind, steht außer Zweifel. Ebenso belegt und mehrfach dokumentiert ist, dass es aus den Anstalten Marienborn/Zülpich und der Trinkerinnen-Heilanstalt Wassenberg zu Abtransporten von Patienten auf dem Wege in die physische Vernichtung gekommen ist (vgl. die entsprechenden Aktenbestände der Ordensarchive, der Archive des LVR Rheinland, der Hauptstaatsarchive Düsseldorf und Wiesbaden, aber auch des Bundesarchivs Koblenz, dort vor allem R 96 I).

4. Selbstverständlich wäre es eine eigene Forschungsarbeit wert, inwieweit sich z.B. Richter und Polizeiverwaltungen an der "Ausmerzung lebnsunwerten Lebens" hier in den angegebenen Orten der hiesigen Region beteiligt haben. Ebenso stimmt es, dass in großen Teilen der annektierten Gebiete Europas wie Polen und UdSSR unter der NS-Herrschaft zu ähnlichen Verbrechen gekommen ist. Aber sie relativieren in keinster Weise die Verbrechen an uns lokal und regional bekannten Orten. Im Gegenteil: Ihre Anerkennung aber wäre ein sinnvoller Schritt, die "Minderwertigen" und "Ausgemerzten" in die Geschichte der hiesigen Gesundheits- und Krankenanstalten zu integrieren. Es würde diesen Menschen - den noch Lebenden, aber auch den Ermordeten -, das zurückgeben, was man ihnen schon vor ihrer Verstümmelung oder gar vor ihrem 'Tod' genommen hat: die uneingeschränkte Würde ihres Menschseins !

Bozzi

Man sollte die hitzige Diskussion auf auf dem Boden der einfachen Fakten lassen und da geht es um eine Sachinformation im Umfang von zwei, drei Sätzen. Offenbar ist der Sachverhalt doch überhaupt nicht strittig. Bozzis Emotionen sind verständlich und sein Anliegen, den lokalen Opfern Anerkennung zu zollen, wichtig! Lesch bestreitet die Sachverhalte auch gar nicht, glaubt aber im Kern seiner Argumente, dass hier pauschal den Orten Schuld zugewiesen wird. Die Frage der Verantwortung örtlicher Mediziner etc. stellt sich natürlich ebenso. So wie die Dinge formuliert wurden, halte ich die Thematik im Rahmen dieser Enzyklopädie für angemessen formuliert. Ich denke die voranstehende Diskussion zeigt, dass beide in der Sache stark engagiert sind, sich aber auch in den gegenseitigen Vorwürfen mitunter im Ton vergreifen. (Hier schreiben weder "Ewiggestrige" noch "stachelt" jemand "zum Hass auf"). Abgesehen davon finde ich die Diskussion aber durchaus gewinnbringend. Geschichte und Erinnerung fordert eben dazu heraus Standpunkt zu beziehen. Ich meinerseits habe mich dank Bozzis Einfügung und ausgelöster Diskussion erstmals mit der Bedeutng der Thematik für unsere Region beschäftigt. Wikipedia bietet vielleicht nicht den richtigen Platz für umfassendere "Historikerkontroversen". Vielleicht entsteht ja mal eine Regionalgeschichtswerkstatt z.B. unter http://www.wikia.com/wiki/Category:German Hier könnte differenzierter und ausführlicher auch über abgelegenere Themen geschrieben und deren Bedeutung diskutiert werden. Die Essenz würde dann in der Wikipedia landen.bodoklecksel 16:36, 25. Nov. 2006 (CET)Beantworten
Hallo LeSch und Bozzi
Da ist mir doch tatsächlich Bodoklecksel zuvorgekommen. :-). Ich kann mich ihm nur anschließen !!!! Seit einigen Tagen verfolge ich Eure Diskussion. Natürlich ist es ein wichtiges Thema, aber warum habt Ihr manchmal so einen persönlichen, verletzenden Ton drauf ? Zum Teil beruht er doch auf Mißverständnissen.Bozzi, ich vermute, daß Du noch nicht lange bei wikipedia mitmachst. An dem Erkelenz-Artikel arbeitet eine kleine, engagierte Gruppe um ihn zu optimieren. Dein Beitrag fiel aus der Rolle, da er in dem falschen Ortsartikel stand, und dann auch noch bei der Literaturangabe, später dann bei der Religion. Vermutlich wurde LeSch dadurch etwas gereizt, ich war es jedenfalls. Habe mich aber zurückgehalten und den Text nicht nach Immerath verschoben, dies wurde ja dann von bodoklecksel erledigt. Vieleicht sollte man dort den Text mit einem Untertitel z. B. NS-Zeit versehen. Auch könnte man die Täter nennen. "Wurde verlegt" ist doch eine etwas kurze Aussage. Nun einige Fragen, bist Du der Autor der erwähnten Literatur ? Sind Reaktionen der Anstalt überliefert ? Sind die Opfer mit Namen bekannt? Um was für eine Anstalt handelte es sich in Immerath? Waren die Opfer Erwachsene oder Kinder? Da es solch ein schwieriges Thema ist, könntest Du vieleicht auch einen eigenen Artikel über Euthanasie im Kreis Heinsberg anlegen. Denn die Beschreibung dieser Geschehnisse sprengt ja den Rahmen der einzelnen Ortsartikel. Wo sie aber kurz erwähnt werden sollten. Also, mein Rat an Euch beiden "Heißköppe", diskutiert, aber laßt die Unterstellungen. Bozzi, schau Dir mal den Artikel Jack Schiefer, geschrieben von LeSch, an. Es grüßt Euch beide --Erky 17:48, 25. Nov. 2006 (CET)Beantworten

Ja, ich bin der Autor dieser publizierten Dokumentationen und Aufsätze.

Häufig sind Listen überliefert, in denen Anzahl, verantwortliche Ärzte und NS-Organisationen genannt sind. Im Falle der Anstalt 'Haus Nazareth' Immerath ist dies so. Namen von Opfern sind mir momentan noch nicht zugänglich. Aber es reicht, wenn entsprechende Unterlagen von der Berliner "Euthanasie"-Zentrale vorhanden sind: sie waren ja immer die postalischen Todesboten für die Anstalten reichsweit: der bürokratische Anfang zum unmittelbar bevorstehenden Ende einer mörderisch-kriminellen 'Dienstfahrt'.

Mir ist Jack Schiefers Schicksal in der NS-Zeit bekannt. Das ist mehr als traurig und erfüllt mich mit ehrlichem Entsetzen. Er gehörte zu den wenigen Intellektuellen dieser Region, die dem NS-Regime offen die Stirn geboten hatten. Dass sich hingegen dessen Sohn höchstpersönlich über mich beschwert, interessiert mich nicht. Würde er bei WIKIPEDIA den Posten des leitenden Redakteurs bekleiden, wären dort meine Publikationen längst in perpetuum gelöscht.

Mit solchen und anderen vermeintlichen Vorhaltungen wie § StGB 130, "pathologisch", "Vandalismus" etc. pp. lebe ich seit dem Beginn meiner Forschungsarbeit, die übrigens auch von der Jüdischen Kultusgemeinde Aachen mit großem Engagement unterstützt wurde.

Mich interessiert vielmehr, wie den Opfern der NS-Zwangssterilisation und "Euthanasie" in welcher Form historische Erinnerung zuteil wird.

Über die Anregung, einen eigenen WIKIPEDIA-Artikel über die NS-"Euthanasie" im Kreis Heinsberg zu schreiben, denke ich gerne nach.

Dass Sie - Erky und bodoklecksel - mir hier trotz aller Widerstände Raum gegeben haben, dafür danke ich Ihnen von ganzem Herzen.

Harry Seipolt


Anfangs der 1960er Jahre habe ich mich als Schüler für einige Zeit in Paris aufgehalten, um die Landessprache zu erlernen, und musste feststellen, dass Deutsche in Frankreich nicht erwünscht waren. An vielen Hotels, Herbergen, Restaurants, Cafés, Bistros und so weiter waren große Schilder angeschlagen, dass Deutsche nicht bedient würden. Selbst der Kauf einer Fahrkarte für die U-Bahn oder den Bus war für einen Deutschen manchmal Glückssache. Als Deutscher wurde ich gemieden, verachtet und als angeblicher Nazi beschimpft und bespuckt. Ich war 17 Jahre alt, hatte noch nie eine braune Uniform gesehen und zu Hause in Deutschland hatte es Millionen Naziopfer gegeben. Da hatte ich auch einen Vater, der allein eineinhalb Jahre lang in den Gestapokellern eingekerkert war, den die Gestapo fast zu Tode geprügelt hat, dessen persönliche und politische Freunde sie erschlagen, zu Tode getrampelt, erhängt, geköpft und vergast hat. Zynische und sadistische Richter am Volksgerichtshof. Blutverschmierte Eimer mit den Häuptern von Geköpften in den Gefangenenzellen im Zuchthaus Lüttringhausen.
Nur weil ich aus Deutschland kam, war ich also für die Franzosen ohne nähere Prüfung zugleich auch Nazi. Das hatte dem siebzehnjährigen Schüler damals sehr weh getan. Und heute finde ich bei Wikipedia in dem Ortsartikel zu Erkelenz, wo ich geboren bin, zusammenhanglos, unausgegoren und pauschal einen Hinweis angebracht, aus dem man schließen kann, dass alle Leute, die da wohnen, Nazis waren oder deren Abkömmlinge sind. Das tut genauso weh wie damals in Paris.
Harry Seipold scheint doch die Namen der Nazi-Größen aus Erkelenz und anderswo zu kennen. Warum nennt er sie nicht, wenn er Mut hat, sondern versteckt sie zu Lasten der Allgemeinheit hinter einem Ortsschild? Es seien Orte, die einen Namen haben, schreibt er seine Absicht unterstreichend. Die Täter hatten auch einen Namen. Nenne sie, Harry Seipold, ich möchte wissen, wie die Verbrecher geheißen haben und weniger wo sie wohnten, denn ich möchte nicht noch einmal mit ihnen über denselben Kamm geschoren werden, nur weil ich aus derselben Gegend komme. Nenne sie, statt ganze Ortschaften und Landstriche vorbehaltlos braun anzustreichen und ich werde der erste sein, der Dir öffentlich Beifall zollt.


Leander Schiefer LeSch 13:03, 26. Nov. 2006 (CET)Beantworten


Hallo bodokleksel und Erky,

hat jemand von Euch nähere Erkenntnisse über Haus Nazareth in Immerath wie Baujahr des Gebäudes, Orden und ursprüngliche Bestimmung etc. ? Ich finde in meinen Unterlagen nichts, obwohl ich weiß, dass ich einmal etwas gelesen habe. Das (alte) Gebäude mit der dazugehörigen Kirche ist meines Wissens so um 1906 errichtet worden. Es würde auch ein gutes Fotomotiv für bodokleksel hergeben (morgens, wenn es von der Straße her im Tageslicht liegt). Bei alledem denke ich daran, dass man zunächst allgemein etwas zu dem Bauwerk und dem Orden sagen könnte und dann so ungefähr nachfolgenden Text:

Auch die Bewohner von Haus Nazareth blieben von der nationalsozialistischen Ideologie zur Vernichtung "lebensunwerten Lebens" nicht verschont. In den Jahren 1941 bis 1944 fielen 125 von ihnen der geheimgehaltenen und später als Aktion T4 bekanntgewordenen Mordwelle unter Federführung einer Schar von Ärzten um Adolf Hitler und dessen Reichsinnenminister zum Opfer. Der Öffentlichkeit wurde vorgetäuscht, dass die Patienten "verlegt" würden, weil man kriegsbedingt Krankenhäuser benötige, tatsächlich führte der Weg in die Gaskammern der Nazis.

Unter Literaturangaben dann die von Harry Seipold.

In dem Ortsartikel zu Hetzerath ist doch ein ähnlicher Beitrag bezüglich der jüdischen Mitbürger problemlos über die Bühne gegangen, ohne dass sich jemand aufgeregt hat - aufzuregen brauchte (Ich war ja nicht der einzige!). Das müsste mit Immerath auch möglich sein.


Freundliche Grüße LeSch 16:10, 26. Nov. 2006 (CET)Beantworten

Jetzt wollte ich gerade auch noch einen schlauen Kommentar loswerden, da kam mir schon Lesch zuvor.. Ich denke die Diskussion geht jetzt nach Erkys weisen Vorschlag konstruktiv in Richtung Weiterführung des Themas. Bei nächster Gelegenheit komme ich Leschs Fotowunsch gerne nach. Für mich ist, wie schon gesagt das Thema neu. Erst über die Wikipedia habe ich dank Bozzi von den örtlichen Euthanasieopfern erfahren, genauso übrigens, wie mir Schicksal und Bedeutng von Jack Schiefer erst durch Lesch`s Artikel bekannt wurde. Somit beiden "Streithähnen" Vielen Dank für die Diskussion, die bei aller Hitze doch frischen Wind und Motivation für eine Wikipedia Ortsgeschichte bringt.
Deine (Lesch`s) geschilderten üblen Frankreicherfahrungen machen nun deinen wiederholten Ärger verständlich. In den 70er Jahren habe ich so etwas in Frankreich noch vereinzelt gespürt, zugleich habe ich es als regelrecht befreiend erlebt, bei einem Schüleraustausch in Israel zu dieser Zeit einen verblüffend unverkrampften Umgang mit Deutschen zu erleben. Der zeitliche Abstand erlaubt nun eine abgeklärtere Auseinandersetzugn mit der NS-Vergangenheit.
Also, auch in der Wikipedia gibt es auf diesem Feld noch viel gemeinsam zu tun und ich freue mich wenn es hier qualitativ immer weiter geht. bodoklecksel 16:34, 26. Nov. 2006 (CET)Beantworten

Mit seiner vorbehaltlichen Beifallsbekundung für mich hinkt Leander Schiefer leider jahrelang hinterher. Seit über zehn Jahren (!) ist meine Publikation Zwangssterilisation und NS-"Euthanasie" in der Region Aachen (Aachen 1995) veröffentlicht, mit Namen der Täter und auch z. T. der Opfer.

Zum dritten Mal: Leander Schiefer diskutiert mit mir über NS-Verbrechen und NS-Täter, die schon längst der Öffentlichkeit namentlich bekannt sind. Vielleicht besorgt er sich endlich mal die angegebene Dokumentation und sichtet mit eigenen Augen das von mir angegebene Archivmaterial !

Übrigens: Ich halte den Artikel über die Anstalt in Immerath nach wie vor für völlig ausreichend.

Harry Seipolt

P.S. Die Immerather Einrichtung führte bis in die NS-Zeit den offiziellen Titel "Anstalt für weibliche Epileptikerinnen Haus Nazareth". Die Gründerinnen waren die Nonnen vom Heiligen Kreuz. Das Mutterhaus in Düsseldorf-Unterrath ist 1881 und die Immerather Filiale etwa zur gleichen Zeit erbaut worden. Wahrscheinlich finden Sie alle mehr Informationen, wenn Sie sich folgenden Band z. B. über die Fernleihe der Stadtbibliothek Erkelenz besorgen: Berger (Hg.): Kranken- Heil- und Pflegenanstalten im Rheinland. Düsseldorf 1930.


Die ersten 2 Sätze von LeSch sind o.K.. Aber sind die Patientinnen vergast worden ? Dies weiß doch sicherlich Bozzi. Übrigens Bozzi, ich glaube nicht daß die Kenntnis über diese "lokalen" Mordopfer im Erkelenzer Land weit verbreitet ist. Demnächst soll in Erkelenz eine "Route gegen das Vergessen" entstehen und an die NS-Opfer und also auch an die Euthanasie-Opfer erinnern. Folgende Angaben kann ich zu dem bestehenden oder einen eigenen Artikel beisteuern. Bei Mackes, Karl, L., Erkelenzer Börde ... seht auf S. 452 ein kleiner Absatz über Haus Nazareth. Hier findet man auch weitere Literaturstellen. Übrigens nichts über die Euthanasie-Opfer !! Ob Mackes das unterschlagen hat ?? Die Schwestern erwarben 1901 ein Grundstück mit Gebäude. 1902 fanden die ersten Kranken Aufnahme. 1903 wurde das Gebäude neu errichtet. Wie oben schon gesagt es war eine Anstalt für Epileptikerinnen. Zitat: "Ende 1939 diente die Ansatlt als Feldlazarett, nachdem die Insassinnen in ander Häuser verlegt warden waren. Ab 1941 brachte der Landschaftsverband vorübergehend gefährdete Jugendliche in der Anstalt unter." Zitatende. Nach dem Krieg wurde hier das Kreiskrankenhaus eingerichtet, da das Krankenhaus in Erkelenz zerstört war. 1947 wurde es als Hospital Haus Nazareth eingeweiht. Leider habe ich folgende Literatur nicht im Hause. Franz-Karl BOHNEN, Abschied vom Immerather Kloster in: Heimatkalender Kreis Heinsberg Jg. 2002. Es grüßt Euch drei Erky, der froh ist, daß nun gemeinsam konstruktiv an dem Artikel gearbeitet wird.

Ich kann keine archivalischen Ferndiagnosen geben, von welchem Forschungsinteresse K. Mackes und F.K. Bohnen in ihren Darstellungen jeweils ausgegangen sind. Mittlerweile bin ich relativ gut konditioniert, wenn ich auf Heil- und Pflegeanstalten stoße, die schon während des NS-Regimes existiert haben und über den geschichtlichen Kontext von Zwangssterilisation einerseits und vom Krankenmord einerseits kein Wort bis dato geschrieben wurde.

Besonders deutlich wurde mir dies, als ich z.B. herausfand, dass die verbrecherisch-kriminellen Zwangssterilisationen im damaligen Krankenhaus Heinsberg als offizielles Zwangssterilisationszentrum der Erkelenz-Heinsberger Region engagiert vom Chefarzt Dr. Karl Linzen durchgeführt wurden. Linzen war nach Aktenlage und Zeugenaussagen eindeutig ein willfähriger NS-Vollzugsbeamter und ermächtigter 'Ausmerz'-Arzt. Zugleich fungierte dieser Chefarzt als ordentliches Mitglied der NSDAP-Ortsgruppe Heinsberg seit dem 1. August 1935 (Mitglieds-Nr. 3697436), war fernerhin Mitglied der SA, arbeitete laut seiner NSDAP-Mitgliedkarte nebenberuflich im 'Amt für Volksgesundheit' bei der Geilenkirchener NSDAP-Kreisleitung und war Mitglied im NSDB. In allen offiziellen Prospekten, Heimatkalenderaufsätzen, selbst in publizierten Monografien zur Stadtgeschichte Heinsbergs fand sich kein einziger Hinweis auf die aktive "Ausmerz"-Rolle des Krankenhauses Heinsberg und seiner dortigen ärztlichen Handlanger in Fragen der NS-Rassenhygiene.

1959 führte der Deutsche Caritasverband (DCV) eine Umfrage betreffend NS-"Verlegungen" bei allen katholisch-caritativen Anstalten durch. Entsprechende Dukumente befinden sich im Archiv des DCV in Freiburg/Breisgau. Die Leitung der St. Josefs-Heil- und Pflegeanstalt in Düsseldorf-Unterrath berichtet am 14. August 1959 dem DCV von völlig unverhohlenen Anspielungen in z.B. hessischen Aufnahmestalten, dass die dortigen Ärzte die Anweisung erhalten hätten, die Kranken "möglichst wenig behandeln, möglichst viele sterben zu lassen." Die meisten Patienten wurden in die polnische Anstalt Meseritz-Obrawalde gebracht.

In Meseritz-Obrawalde wurden die Neuankömmlinge schon am Bahnhof - eine Schmalspur führte direkt auf das Anstaltsgebäude - selektiert und nach Arbeitsfähigkeit ausgesondert. Es gab eine eigene 'Kinderfachabteilung', und es sind Fotos und Aufnahmebücher erhalten, die die Ankunft ganzer Waggonladungen Kinder zeigen, die nach Meseritz in den Tod verschickt worden waren. Fanatische NS-Ärzte und Pfleger in Meseritz-Obrawalde töteten bis Anfang 1945 rd. 18.000 Menschen.

Zum wirtschaftlichen Leiter avancierte Ende 1942 der Verwaltungsdirektor Walter Grabowski, den Pfleger und überlebende Patienten den Namen 'Tiermensch' gaben. Schwester Amanda Ratajczak, der Pfleger Hermann Gulke, Oberpfleger Karl Weidemann, Dr. Mootz, Dr. Hildegard Wernicke, die Pflegerin Helene Wieczoreck, um nur einige der dortigen Euthanasie-Mörder zu nennen, brachten mehrere tausend Menschen um. Innerhalb von 3 Jahren tötete z.B. Schwester Ratajczak 2.500 Patienten durch Einspritzungen von Morphium-Skopolamin in den Oberschenkel. Ahnungslos ließen sich unzählige Patienten von den Pflegern liebevoll in den Arm nehmen, die dann ihre Opfer mit der Aufforderung streichelten: "Sie müssen trinken, wenn Sie gesund werden wollen." Völlig anders ist dagegen die Schilderung einer polnischen Zeugin: "... wenn die Kranken die Medizin nicht nehmen wollten, wurden sie zur Einnahme durch Schläge ins Gesicht und gewaltsames Öffnen des Mundes gezwungen." Nicht wenige der selektierten Patienten wussten um das kommende Schicksal. In ihrer ausweglosen Angst auf dem Weg zum Todeszimmer hatten sie Kot und Urin gelassen.

Mit der Einstellung der Vergasungsaktion im August 1941 waren die Tötungen an Kranken und Behinderten nicht beendet. Der sogenannte Vergasungsstopp hatte auch seinen Grund in einem beispiellosen, zahlenmäßig kaum vorstellbaren Plan zur millionenfachen Ermordung von Menschen: Unter dem Aktenzeichen 14f13 praktizierte die SS bereits seit dem Frühjahr 1941 systematische Selektionen von KZ-Insassen. 14f13 war die innere wie organisatorische Klammer zwischen T4 und planmäßiger NS-Judenausrottung. Als Hitler im August 1941 die Euthanasie-Aktion offiziell stoppte, hatte die SS bereits mit systematischen Selektionen begonnen. Die Tötung der Geisteskranken, die Liquidierung ganzer Häftlingsgruppen und die 'Endlösung der sogenannten Judenfrage' standen in einem inneren wie organisatorischen Zusammenhang. Bei der KZ-Selektion, aber auch bei der Ermordung der Juden kamen Büropersonal und Mannschaften zum Einsatz, die bereits bei der NS-Euthanasie mitgewirkt hatten.

Dies war auch die Zeit der Deportationen innerhalb von 1941 bis 1944 aus Haus Nazareth über das Mutterhaus in Düsseldorf-Unterrath in die Tötungsanstalten. Von einer Vergasung kann in der Mordphase demnach nicht mehr die Rede sein. Die Patienten wurden 'abgespritzt' (SS-Jargon), ausgehundert, erschlagen und zu pseudo-medizinischen Zwecken ermordet.

Der Text über die Anstalt in Immerath sollte also meinem Dafürhalten so in seiner Diktion und Kompaktheit bestehen bleiben. Dankenswerterweise erleichtern dem Leser entsprechende Links zu 'T4' und NS-Krankenmorde zum tieferen Verständnis der Thematik.

Harry Seipolt


Aus solchen Angaben, wie sie zuoberst zu lesen sind "gewisse Ärzte, jene Ärzte, die drei Ausmerz-Ärzte" kann man nicht auf konkrete Namen schließen, die dann doch anderswo zu finden sein sollen. Sie schienen zunächst einmal der eigenen Redaktion zum Opfer gefallen zu sein.
Ich werde mir also die angegebene Dokumentation besorgen und sie aufmerksam lesen. Allerdings werde ich wohl nicht zu der empfohlenen Sichtung des angegebenen Archivmaterials kommen, weil ich schon genug Archivmaterial in anderer Sache auf meinem Tisch liegen habe.
Nach Erkys Hinweis habe ich den Artikel im Heimatkalender 2002 gefunden. Da steht alles Wissenswertes über Haus Nazareth drin. Nur eines nicht: NS-Euthanasie. Ganz im Gegenteil und ich zitiere einmal einige Sätze von Seite 139:
Am 13. September (1939) besetzte das Militär das Kloster. Anfang Oktober erfolgte die Einquartierung von 100 Soldaten. Doch am 21. Dezember 1939 wurde das Kloster vom gesamten Militär geräumt. Erst im Februar 1940 kehrten die ausquartierten Kranken nach Immerath zurück. - Zitatende.
Das ist alles, was zu den Kranken zu der ungefähr maßgeblichen Zeit gesagt wird. Da ich davon ausgehe, dass Bozzis Nachforschungen nicht aus der Luft gegriffen sind, sieht es doch ganz so aus, dass, wie schon aus den Diskussionsbeiträgen ersichtlich wird, das ganze Thema weitgehend unbekannt ist.
Bozzi sollte also wirklich den von Erky angeregten Artikel schreiben und ich denke, dass man ihn, da er offensichtlich noch neu bei Wikipedia ist, zumindest mit dem Legen von Links unterstützen wird, damit die Seite auch bekannt wird. Erky ist da besonders fix drin.
Die Sache kommt gerade noch zur rechten Zeit, denn sie wäre sonst ausgerechnet bei der geplanten "Route gegen das Vergessen" vergessen worden.
Aufgrund der jetzt vorliegenden Literatur habe ich einmal einen Text erstellt und in den Ortsartikel Immerath eingebaut. Da müsst Ihr mal sehen, was da noch zu ändern oder hinzuzufügen ist.
Freundliche Grüße LeSch 15:58, 28. Nov. 2006 (CET)Beantworten

Ich hätte eigentlich zum Text in seiner Diktion nichts anzumerken. Allerdings ist die Nennung der Aktion T4 m. E. eigentlich hinreichend genug, da diese ja erst mit dem Hitlerschen Euthanasie-Erlaß¹ vom 1.9.1939 quasi institutionalisiert wurde. Die Formulierung "unter Federführung einer Schar von Ärzten um Adolf Hitler“ ist von daher also vom Sachsinn wie der Zielsetzung im Begriff "Aktion T4" nicht nur enthalten, sondern wird durch die 'Unterlinkung' (kann ich das so nennen ?) zu größeren Themenkreisen entfaltet. Selbst in staatlichen Gedenkstätten wie Hadamar, Grafeneck, Hartheim, Pirna usw. erscheint allenfalls der Hinweis auf Hitler im Kontext eben mit dem genannten Euthanasie-Erlaß.

¹"Reichsleiter Bouhler und Dr. med Brandt sind unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann. gez. Adolf Hitler". (Quelle: Bundesachriv Koblenz R 22/4209)

Harry Seipolt


Verlinkung sagt man. LeSch 05:13, 29. Nov. 2006 (CET)Beantworten


Seht Euch einmal diese Seite an: http://www.deutschordenswerke.de/behinderten/bh_josef.htm und dann: "mehr zur Geschichte" LeSch 17:39, 30. Nov. 2006 (CET)Beantworten


Das deckt sich mit dem Bericht der damaligen Anstaltsärztin von Düsseldorf-Unterrath, Dr. Deiters, nur bedingt. Im oben von mir erwähnten Anstaltsbericht des Hauses an den DCV sollten nach Vorgabe des Provinzialverbandes der Rheinprovinz genau 300 Pat. 'verlegt' werden. Insgesamt betrug zu der Zeit (Mai 1943) die Belegzahl genau 350 Pat. Am 21.5.1943 wurden 10 Kinder in die Anstalt Kühr-Niederfell a. d. Mosel gebracht. Sie haben den Krieg überlebt.

Am 25.5.1943 wurden 30 Kranke nach Waldbreitbach in die katholische Anstalt Antoniushaus, 11 in die evang. Anstalt Hausen transportiert.

Die 11. Pat. wurden kurz darauf in die gerichtsbekannten hessischen Anstalten Eichberg und Weilmünster 'verlegt'. Die meisten kamen nie mehr von dort zurück. Am 29.5.1943 wurden 50 Pat., darunter 11 Kinder, nach Meseritz-Obrawalde/Polen 'verlegt'. Sie sind alle dort ermordet worden.

Am 4.6.1943 wurden 100 Pat., unter ihnen 25 Kinder, in die Gauanstalt Mauer-Öhling/Österreich verlegt. Es grenzt an ein Wunder, dass alle (!) Pat. wieder nach dem Krieg nach D-Unterrath rückverlegt wurden.

Am 12.7.1943 wurde nach Darstellung der Klinkleiterin der 'letzte' Transport veranlasst: 24 Kinder-Patientinnen verbrachte man nach Scheuern/Nassau: 17 Kinder 'starben' innerhalb kürzester Zeit.

Über einen weiteren Transport weiss wohl die damalige ermittelnde Düsseldorfer Staatsanwaltschaft: Zwischen dem 1.4. 1943 und dem 1.4.1944 wurden insgesamt 192 Pat. von der Düsseldorfer St. Josefsanstalt mit unbekanntem Ziel entlassen. Über das weitere Schicksal konnte die betreffene Staatsanwaltschaft nichts in Erfahrung bringen. Ihre Spuren verlieren sich für immer. Sie sind wohl von den "Euthanasie"-Mördern zum "Wohle der Volksgemeinschaft" klinisch exekutiert worden.

Harry Seipolt


Die Angaben unter dem Jahr 1943 der St. Josef-Anstalt
"Das Oberpräsidium ordnet an, 270 Kranke in andere Anstalten zu verlegen. Frauen, deren Arbeitskraft unentbehrlich ist, sollten bleiben. Um wenigstens einige vor der „Vernichtung“ zu retten, organisiert die Leitung beherzt eiligste Rückführungen zu aufnahmewilligen und schutzfähigen Eltern oder Angehörigen ( Zeitzeugen erinnern sich noch heute)."
lassen vor allen Dingen erkennen, dass man um das Schicksal der zu verlegenden Patienten wusste (oder zumindest erahnte) und die ganzen Aktionen gar nicht einmal so geheim waren, wie meist angegeben wird. Immerhin war der NS-Euthanasie ja die öffentlich bekannte Zwangssterilisation vorausgegangen.
LeSch 06:07, 1. Dez. 2006 (CET)Beantworten


Nicht vorhandenen Artikel zu vorhandenem Link geschrieben. Töchter vom heiligen Kreuz. Vieleicht können bodoklecksel und Erky da mal drübersehen. Freundliche Grüße LeSch 12:25, 1. Dez. 2006 (CET)Beantworten

Wie kann es sein, dass der Link von der Immerather Seite aus funkioniert, aber nicht von hier? LeSch 12:36, 1. Dez. 2006 (CET)Beantworten

Töchter vom Heiligen Kreuz. Du hast das H klein geschrieben. Fällt mir aber auch erst jetzt auf. Ich hatte mich schon gewundert, da ich keinen Artikel gefunden habe. Werde ihn jetzt mal lesen.Erky 14:21, 1. Dez. 2006 (CET)Beantworten

Das funktioniert ja alles hervorragend. Besten Dank. LeSch 05:32, 2. Dez. 2006 (CET)Beantworten


Ich habe die Diskussion über Haus Nazareth im Dritten Reich zum entsprechenden Ortsartikel Immerath verlegt. MfG Erky 22:17, 2. Dez. 2006 (CET)Beantworten

Das hatte ich eigentlich schon für heute morgen vor, aber ich frage mich, ob man da nicht einiges wegen Erledigung löschen kann. LeSch 05:11, 3. Dez. 2006 (CET)Beantworten

Weder 'einiges' noch 'alles' sollte meinem Dafürhalten gelöscht werden: Die bis dato geführten Beiträge können wohl ohne Zweifel für sich in Anspruch nehmen, die entscheidenden Beiträge aller Kontrahenten zu versammeln und so der Öffentlichkeit ein vollständiges und die wesentlichen Aspekte berücksichtigendes Bild dieser lokal-geschichtlichen Diskussion um die Anerkennung des wohl dunkelsten Kapitels von "Haus Nazareth" zu bieten. Hinzu kommt, dass bis dato unbekannte Quellen und äußerst seltene Gerichtsprotokolle eine gewisse editorische Kompaktheit aufweisen und vor allem aber hier zum ersten Mal für diese Debatte zur Verfügung gestellt wurden.

Einen schönen 1. Adventssonntag wünscht

Harry Seipolt


Wieso Kontrahenten? Ich habe mich nur von einem Bibelwort leiten lassen, welches da lautet: "Finde ich fünfzig Gerechte zu Sodom in der Stadt, so will ich um ihretwillen dem ganzen Ort vergeben" (Mose 1, 18). Der biblische Handel geht herunter bis auf zehn Gerechte, aber es scheint kein einziger Gerechter zu Sodom gewohnt zu haben. Freundliche Grüße LeSch 06:21, 4. Dez. 2006 (CET)Beantworten


Ich schlage auch vor, die Diskussion im Immerather Ortsartikel stehen zu lassen. Es grüßtErky 18:12, 3. Dez. 2006 (CET)Beantworten
Auch den Rest der Diskussion von Erkelenz nach hier verschoben. LeSch 04:43, 23. Dez. 2006 (CET)Beantworten

Nur "dunkle Wolken"?

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Der Heimatverein der Erkelenzer Landes publiziert im aktuellen Band 20 den Aufsatz von F.-K. Bohnen: "Nach 100 Jahren kam der Abschied" Alles Mögliche wird hier akribisch notiert und nach 1933 ziehen "dunkle Wolken" auf. Doch die Stichworte Euthanasie, Aktion T4 etc. sucht man hier vergebens. Ich denke, hier ist nun der Heimatverein dringend gefordert, entsprechend zu ergänzen und klarzustellen. bodoklecksel 12:37, 26. Dez. 2006 (CET)Beantworten