Diskussion:Johann Friedrich Städel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Letzter Kommentar: vor 8 Monaten von Flibbertigibbet in Abschnitt Irreführendes Zitat
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Irreführendes Zitat

[Quelltext bearbeiten]

Folgenden am 25.3.24 eingefügten Abschnitt habe ich wieder entfernt. Es ist kein Zitat Städels, sondern literarisches Werk. Weder die etwas boshafte Charakterisierung Städels noch die angeblichen Hintergründe der Stiftung sind aus seriösen biographischen Werken belegt:

„In Frankfurt lebte damals ein auch in der politischen Broschürenliteratur bekannter Advokat, Dr. Jassoy, ein kluger, geistreicher und sehr witziger Mann, der die Advokatur- und Notariatsgeschäfte der größeren frankfurter Häuser besorgte und daher auch in der Schmidt'schen Familie viel verkehrte und wegen seiner geistreichen Unterhaltung gern gesehen wurde. … Zu diesem Manne sagte einmal eine Dame – wenn ich nicht irre, war es Frau Nies (geb. du Fay; d.Verf.) – : „Sie sind der eigentliche Stifter des Städel'schen Instituts.“ Er hatte nämlich das Testament, wodurch die Stiftung gegründet wurde, formuliert, was ihn indessen nicht hinderte, später als Advokat für die Erben gegen eben dieses Testament aufzutreten; nicht ohne Erfolg, da die Vertreter des Instituts es geraten fanden, sich mit den Erben zu vergleichen. Ob Dr. Jassoy wirklich der Urheber der Stiftung war, weiß ich nicht; aber so gut wie gewiss ist es mir, dass in dem Geiste des Besitzers der materiellen Mittel dazu die Idee nicht entsprungen ist.

Herr Städel hat seinem Andenken eine Gott weiß wie lange Dauer durch seine weit und breit bekannte großartige Stiftung gesichert; ohne diese Tat würde schon wenige Wochen nach seinem Tode niemand seiner mehr gedacht haben. … Herr Städel war ein gutmütiger, beschränkter Mann, ohne Bildung, ganz verwachsen mit der höchst lächerlichen, pedantischen Lebensweise des frankfurter Spießbürgertums aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. In seiner Jugend hatte man ihn zur Ausführung irgendeines kaufmännischen Geschäfts nach Schaffhausen geschickt. Es war ihm nicht eingefallen, den Wasserfall daselbst anzusehen, weil er von der Existenz eines solchen nichts wusste. Darüber war er nach seiner Rückkehr verspottet worden, was ihm einen so nachhaltigen Ärger verursachte, dass er später nicht etwa nach Schaffhausen reiste, um den Wasserfall selbst zu sehen, sondern ihn zu seiner Satisfaktion in einem seiner Zimmer malen ließ. Die Selbstgefälligkeit, womit er dieses unter Vorzeigung des großen Wandgemäldes erzählte, charakterisiert ihn. Das Lob, welches er über dieses Bild einerntete, bestimmte ihn nach und nach, noch andere Gemälde zu kaufen und in seinen Zimmern aufzuhängen. Einen Kunstwert hatten diese ersten Ankäufe nicht; sie fixierten aber eine Liebhaberei, die dann von Kunstkennern benutzt wurde, seine Wahl auf wertvollere Gemälde zu leiten. …

Sich bei Lebzeiten von einem Teile seines Mammons zu trennen, wäre ihm unmöglich gewesen; aber eine Disposition darüber zu treffen, die seinen Namen auf die Nachwelt bringe, schmeichelte seiner Eitelkeit. Frau Städel, seine Anverwandte, hätte ihn, wenn sie nicht zu ehrlich dazu gewesen wäre, ebenso leicht dazu bringen können, eine Taubstummenanstalt zu stiften, als Dr. Jassoy ihn zur Gründung des Kunstinstituts bestimmte. Als ich … bei ihm erschien, fand ich ihn ganz so, wie die Frauen ihn geschildert hatten. Seine Verlegenheit äußerte sich in Gebärden und Worten, in dem Hin- und Hertrippeln mit gebogenen Knien und in dem wiederholten Fragen nach den Namen der Frauen so komisch, dass ich Mühe hatte, das Lachen zu unterdrücken. Ich lenkte die Rede auf seine Bilder, und dies riss ihn aus seiner Verlegenheit. Er zeigte mir dieselben mit vielem Behagen und meine Bewunderung, die übrigens nicht zweckmäßig erheuchelt war, machte ihn immer zutraulicher. Endlich führte er mich in sein Wohnzimmer zurück, schloss sein Pult auf, besann sich wohl zwei Minuten, ergriff dann eine Rolle mit Geld, tat einen Schritt vorwärts, kehrte wieder um und suchte eine andere, kleinere Rolle, die er mir dann mit einer gehorsamsten Empfehlung an die Frauen einhändigte. Bei allem dem war das Geschenk keineswegs von unnobler Geringfügigkeit…“

Gerd Eilers: Meine Wanderung durchs Leben, Bd.1 (1856), S.239-243 (orthographisch modernisiert) Digitalisat

--Flibbertigibbet (Diskussion) 17:35, 25. Mär. 2024 (CET)Beantworten

Eilers lebte vier Jahre als Hauslehrer ( wie Carl von Ritter, F.C. Schlosser oder Friedrich Hölderlin) bei einer wohlhabenden, in den Frankfurter Kaufmannskreisen bestens vernetzten Familie (Schmidt) und kannte die Bethmanns, Hollwegs, Schlossers, Städels persönlich - er war dabei, als Napoleon das Haus besuchte, er war mit dem Freiherrn vom Stein zusammen (sein großes Idol) - war also 1813-1817 Augen- und Ohrenzeuge. Als Gymnasialdirektor und Regierungsrat in Berlin hatte er sicn später einen tadellosen Ruf erworben, ehe er nach 1848 zusammen mit seinem Chef Eichhorn aus politischen Gründen "gefeuert" wurde.
Sein lebensvolles Bild der Frankfurter Kaufmannsschicht stellte er zudem der ihm ebenso gut bekannten Bremer Kaufmannschaft gegenüber, die er genauso kennenlernte und wohin ihn der von Frankfurt her bekannte Bremer Politiker und Senator Smidt abwarb. Dieser Vergleich fällt nicht immer zugunstern der Frankfurter aus, aber im Grunde ist seine Darstellung eine Quelle, an der es wenig zu rütteln gibt - und sie ist auch keineswegs boshaft, sondern sprechend. Die oben genannten Damen hatten Eilers zuvor schon vorgemacht, wie sich der alte Hagestolz wohl verhalten würde - und genau das tat er. - Natürlich kann man als FrankfurterIn so etwas aus ikonographischen Gründen löschen, aber Quelle bleibt Quelle.
Goethe hat im zweiten Buch von "Dichtung und Wahrheit" ja auch den alten Dr. med. Senckenberg mit seinem wackelnden Gang als Frankfurter Original skizziert und ihn uns dadurch anschaulicher gemacht, als es etliche Meter Literatur tun:
  • "Der dritte Bruder, ein Arzt und ein Mann von großer Rechtschaffenheit, der aber wenig und nur in vornehmen Häusern praktizierte, behielt bis in sein höchstes Alter immer ein etwas wunderliches Äußere. Er war immer sehr nett gekleidet, und man sah ihn nie anders auf der Straße als in Schuh und Strümpfen und einer wohlgepuderten Lockenperücke, den Hut unterm Arm. Er ging schnell, doch mit einem seltsamen Schwanken vor sich hin, so daß er bald auf dieser, bald auf jener Seite der Straße sich befand und im Gehen ein Zickzack bildete. Spottvögel sagten: er suche durch diesen abweichenden Schritt den abgeschiedenen Seelen aus dem Wege zu gehen, die ihn in grader Linie wohl verfolgen möchten, und ahme diejenigen nach, die sich vor einem Krokodil fürchten."
Aber dieses Zitat fehlt im Senckenberg-Artikel von wiki natürlich auch - ha!  ;-)
Trotzdem danke, dass die Ergänzung hier noch zu lesen ist!
Ihr/Dein
Rasrad --Rasrad (Diskussion) 20:14, 25. Mär. 2024 (CET)Beantworten
Man kann den Text durchaus als Quelle verwenden, er ist ja unterhaltsam zu lesen. Man sollte ihn allerdings nicht als „Zitat“ kennzeichnen. Es ist eine anekdotische Erzählung eines wahrscheinlich hochbegabten, aber unterprivilegierten Hauslehrers. Eilers karikiert Städel stellvertretend für das gesamte Frankfurter Bürgertum, zu dessen herausragenden Vertretern er zweifellos gehörte. Das verrät mehr über Eilers als über Städel. Ein Hauslehrer galt in der Hierarchie der reichsstädtischen Gesellschaft als geduldeter „Fremder“, noch nicht einmal als „Beisasse“, der ein von seiner Anstellung unabhängiges Aufenthaltsrecht besaß. Er konnte in seiner Frankfurter Zeit keinen sonderlichen Respekt von den privilegierten „Bürgern“ erwarten, sondern gehörte zum Dienstpersonal. Kein Wunder, daß er es ihnen heimzahlte, indem er sie als „höchst lächerliche, pedantische Spießbürger“ charakterisierte.
Damit stand er übrigens keineswegs allein, auch Goethes Mutter hat sich ja schon über die „alten Perücken“ lustig gemacht, und Schopenhauer bezeichnete seine Frankfurter Mitbürger einnmal als „kleine, steife, innerlich rohe, Municipal-aufgeblasene, bauernstolze Abderiten-Nation, der ich mich nicht gerne nähere.“ Trotzdem hat er es 30 Jahre bei ihnen ausgehalten, weil es eben auch das liberale, kunstsinnige, wissenschaftsfreundliche und großzügige Bürgertum gab, in dem großartige Stiftungen entstanden, die bis heute wirken.
Also nur Mut, bau den Text gerne ein, aber nicht als biographische Information, sondern beispielsweise als literarische Rezeption. –Flibbertigibbet (Diskussion) 17:04, 26. Mär. 2024 (CET)Beantworten
Normalerweise haben Sie mit Ihrer Einschätzung der Frankfurter Hauslehrerschaft vollkommen Recht, das schreibt Eilers ebenso, unter ihnen hatte er mit einer einzigen Ausnahme (Volkhausen) keine Freunde:
  • "Ich fühlte das Bedürfnis eines gleichaltrigen Freundes, mit dem ich mein Seelenleben teilen könne und suchte unter allen Hauslehrern nach einem solchen. Umsonst! Alle lagen an der Kette der Armut, und keiner widmete sich aus freier Liebe dem Geschäft der Kindererziehung. Mancher wedelte, an diese Kette gebunden, dem „Brotherrn“ ins Angesicht und fletschte die Zähne hinter seinem Rücken. Den Unterricht erteilten sie mit mürrischem Widerwillen, ihre Erziehung beschränkte sich auf gebotene und ihnen widerwärtige Spaziergänge mit den Zöglingen, ihren Genuss suchten sie in Zusammenkünften im „Schwan" oder auf der Schneidemühle. So und von solchen Leuten werden meistens die Kinder reicher Leute erzogen, welche etwas Besseres haben wollen als andere Menschen. Es ekelte mir vor solcher Genossenschaft." Bd.1, S.268 f. (Hervorhebungen von mir) [https://books.google.de/books?id=inNLAAAAcAAJ&newbks=1&newbks_redir=0&dq=gerd%20eilers%20meine%20wanderung%201&hl=de&pg=PA268#v=onepage&q&f=false Digitalisat].
Eilers dagegen war dagegen selbstbewusst, kinder- und jugendlieb, engagierter Pädagoge und Philologe und seit seiner Studentenzeit in der gelehrten Welt Heidelbergs, Göttingens und Frankfurts bestens vernetzt. Kein Wunder, dass er von Bürgermeister Smid aus Bremen, den er gut kannte, in die Hansestadt berufen und von Minister Altenstein als Gründungsdirektor des Gymnasiums in Kreuznach installiert wurde.
Seine "Wanderung durchs Leben" in sechs Bänden ist heute so gut wie unbekannt; sie stellt jedoch eine Fundgrube für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, des "Biedermeier" und für das Verständnis des politischen "Vormärz" dar.
Derzeit sitze ich an einer sprachlich leicht modernisierten Neuausgabe mit Register, das die Bände erschließt und im Original fehlt; Googles OCR-Suche im Digitalisat wird mit den Eigennamen und Fraktur-Schriftzeichen leider nicht immer fertig... suchen Sie da mal nach Max von Gagern, dem Lieblingsschüler von Eilers in Kreuznach!
Ihr
Rasrad --Rasrad (Diskussion) 14:08, 27. Mär. 2024 (CET)Beantworten
Chapeau, so ist das jetzt eine Verbesserung des Artikels und gleichzeitig eine Anregung, den Artikel über Eilers oder das verlinkte Digitalisat zu lesen. So funktioniert Wikipedia als Quelle nutzlosen, aber trotzdem lesenswerten Wissens :-) --Flibbertigibbet (Diskussion) 16:36, 27. Mär. 2024 (CET)Beantworten