Diskussion:Liste der Palos des Flamenco
Alegría und Alegrías
[Quelltext bearbeiten]Wo (in einem WP-Artikel oder sonstwo) ist nachlesbar, was es mit dem Unterschied Singular-Plural bei Alegría, Bulería etc. auf sich hat? Die Lemmata der WP sollen (nach irgendeiner Regel) ja im Singular stehen, aber die Flamencotänze sind meist (wohl auch nach einer Regel oder Konvention) mit dem Plural überschrieben. Malagueña ist, wenn ichs richtig verstanden habe, ein Formbestandteil (Palo) von Malagueñas. Doch was bedeutet das für den Numerus der entsprechenden Listeneinträge bzw. Lemmata? --Georg Hügler (Diskussion) 17:53, 13. Jan. 2021 (CET)
Im Zweifelsfall hilft ein Blick in den DRAE:
[Quelltext bearbeiten]Höchste Instanz für solche Fragen ist normalerweise der DRAE., der bis auf wenige Ausnahmen den Singular verwendet. Auch der Diccionario enciclopédico ilustrado del Flamenco von J. Blas Vega und M. Ríos Ruiz folgt dem DRAE und verwendet als Lemma ebenfalls überwiegend den Singular. Somit ist man zunächst auf der sicheren Seite, wenn man dem Usus des DRAE folgt (den man allerdings immer vorab konsultieren sollte).
Da im umgangsprachlichen Flamenco-Jargon zwischen Singular und Plural meist nicht bewußt unterschieden wird, läßt sich die Frage differenzierter beantworten, wenn man zunächst die Fälle aufzählt, die auf jeden Fall immer nur im Singular und nur im Plural stehen sollten - zum von der Lemma-Form abweichenden Gebrauch im Artikeltext siehe weiter unten.
Grundsätzlich also Singular im Lemma und keine Pluralform im Artikeltext, wenn sich Bezeichnung aus einem Refrain oder einer charakteristischer Textzeile entstanden ist:
- Farruca [Sg, f.] - Klassische Textzeile "Una farruca en Galicía ..."
- Garrotín [Sg, m.] - Refrain "Con el Garrotín ..."
- Mirabrás [Sg, m.] - Die namensgebende Textstelle ist inhaltlich unklar, lautet aber in jedem Fall "el mirabrás"
Immer Plural in Lemma und Text:
- Caracoles [Pl] - Coda "Ay caracoles ...". (Das ursprüngliche Artikel-Lemma ("Caracol") des Wiki-Artikels war natürlich absurd und ist ja auch inzwischen korrigiert worden.)
Diskussionswürdig sind die Sevillana/s: Das in der WP gewählte Lemma Sevillana ist zwar DRAE-konform (der sich allerdings geschickt aus der Affäre zieht: "Sevillana: Baile que se ejecuta al compás de las sevillanas."), widerspricht aber dem tänzerischen Verständnis, nach der erst aus der Abfolge von erster, zweiter (usw.) Sevillana der als "Sevillanas" bezeichnete Tanz wird.
Im Artikeltext wird die Angelegenheit etwas verzwickter, da sich im Bereich jeglicher Kunst Überschneidungen von Kategoriesierungsbegriffen wie Gattung, Genre oder Stil nicht immer vermeiden lassen, die aber auch für die Wahl von Plural oder Singular relevant sind. Ich möchte hier vorschlagen, sich am in Andalusien und unter Flamencos üblichen Sprachgebrauch zu orientieren, den auch Linguisten wie Miguel Ropero Nuñez ("El léxico andaluz de las coplas flamencas" 1983) präferieren. Im andalusischen Sprachverständnis ist z.B. Sg. alegría ‚Freude‘, aber Pl. alegrías ‚Flamencotanz aus Cádiz‘.
Abgesehen von den oben angeführten eindeutigen Fällen sollte das Lemma DRAE-konform im Singular stehen, ebenso ist der Singular angebracht, wenn man sich innerhalb eines Artikeltexts auf eine einzelne Gesangsstrophe (Copla X der "Malagueña de la Trini") oder (was ein Minimum an Fachkenntnis voraussetzt) auf einen zwar mehrstrophigen, aber musikalisch in Form und Melodik weitgehend variantenlosen palo bezieht.
So betitelt Demofilo einen Teil seiner copla-Sammlung dem Usus seiner Zeit entsprechend mit der heute unüblichen Pluralform "Cañas y Polos". Beide palos werden heute nur noch in einer "mumifizierten" Version ausgeführt und stehen daher als aktuelle palos im Singular. Unter expliziter Bezugnahme auf ihre historischen Varianten sollte aber der Plural gebraucht werden: Der Polo de Tobalo, der ein palo in einem bestimmten estilo ist (daher Singular,weil konkret), ist Subspezies der Polos des 19. Jahrhunderts, die género oder especie sind (daher Plural,weil nicht konkretisierbar).
Damit sind wir beim Pluralgebrauch: Alles, was in einer konkreten Darbietung aus mehreren Strophen, insbesonders unterschiedlicher Provenienz besteht, und alles, was nachweislich individuelle oder lokaletypische Varietäten herausgebildet hat und somit unter einen Oberbegriff subsumiert werden kann, steht im Plural. --EugenioNoel (Diskussion) 07:08, 14. Jan. 2021 (CET)
- Vielen Dank für die umfangreiche Anwort. Jetzt frage ich mich aber zudem: Gibt es keine einzige deutschsprachige Publikation, die all das Wissen, zum Beispiel ob die Murcianas aktuell oder historisch sind, bereithält? --Georg Hügler (Diskussion) 12:15, 14. Jan. 2021 (CET)
- Das Taschenbuch von Kersten Knipp (Flamenco, Suhrkamp 2006), der zwar kein Musikwissenschaftler ist (was man recht deutlich an seinem eher historischen Ansatz merkt), aber als Romanist wenigstens auch die neueren relevanten Quellentexte kennt (und sie auch sauber zitiert) ist ein einigermaßen genießbarer und auch preiswerter Einstieg. Sein bisweilen arg journalistischer Plauderton ist nicht mein Ding, macht die Lektüre aber trotz der unterm Strich beachtlichen Informationsfülle auch nicht zu anstrengend. Natürlich ist das kein Vergleich zu einem üppigen Sammelwerk wie der inzwischen sechsbändigen Historia del Flamenco (Ed. Tartessos, ab 1995, ISBN für Bd. 1-5: 978-84-7663-020-4) mit fast 3000 großformatigen Seiten, aber die gibt es eben nur in spanisch und ist momentan ohnehin vergriffen. Aber wenn die Corona-Pandemie noch etwas andauert, schaffe ich es vielleicht bis Ende 2021, endlich mal meine Manuskriptberge in lesbarer Form zu veröffentlichen.--EugenioNoel (Diskussion) 14:05, 14. Jan. 2021 (CET)
- Vielen Dank für den Knipp-Tipp. --Georg Hügler (Diskussion) 14:48, 14. Jan. 2021 (CET)
- P.S.: Ist auch Gerhard Steingress’ Cante Flamenco zum Nachschlagen geeignet oder zu speziell? --Georg Hügler (Diskussion) 19:01, 16. Jan. 2021 (CET)
- Vielen Dank für den Knipp-Tipp. --Georg Hügler (Diskussion) 14:48, 14. Jan. 2021 (CET)
- Das Taschenbuch von Kersten Knipp (Flamenco, Suhrkamp 2006), der zwar kein Musikwissenschaftler ist (was man recht deutlich an seinem eher historischen Ansatz merkt), aber als Romanist wenigstens auch die neueren relevanten Quellentexte kennt (und sie auch sauber zitiert) ist ein einigermaßen genießbarer und auch preiswerter Einstieg. Sein bisweilen arg journalistischer Plauderton ist nicht mein Ding, macht die Lektüre aber trotz der unterm Strich beachtlichen Informationsfülle auch nicht zu anstrengend. Natürlich ist das kein Vergleich zu einem üppigen Sammelwerk wie der inzwischen sechsbändigen Historia del Flamenco (Ed. Tartessos, ab 1995, ISBN für Bd. 1-5: 978-84-7663-020-4) mit fast 3000 großformatigen Seiten, aber die gibt es eben nur in spanisch und ist momentan ohnehin vergriffen. Aber wenn die Corona-Pandemie noch etwas andauert, schaffe ich es vielleicht bis Ende 2021, endlich mal meine Manuskriptberge in lesbarer Form zu veröffentlichen.--EugenioNoel (Diskussion) 14:05, 14. Jan. 2021 (CET)
- Steingress ist eigentlich eine Pflichtlektüre, was die Geschichte des Flamenco angeht, da der Autor mit wissenschaftlicher Akribie mit den Mythen und Märchen der sogenannten „traditionellen Flamencología“ aufräumt. Allerdings ist Steingress Soziologe (bis 2013 an der Universität Sevilla), daher läßt er ganz bewußt die Finger von musikalischen Detailfragen. Lesenswert, aber eben kein Nachschlagewerk. Für die einzelnen Palos ist die sehr umfangreiche Webseite von Faustino Núñez (Autor, anerkannter Flamencoexperte, Musikstudium in Wien) ein guter Startpunkt (Flamencopolis). Die Seite ist in spanisch, bietet aber eine Übersetzungsfunktion an (oben rechts auf die Fahnensymbole klicken), die teilweise etwas krause Ergebnisse bietet, aber trotzdem einigermaßen lesbar, und auf jeden Fall informativer und eine seriösere Quelle als Skiera oder Graf-Martinez ist.--EugenioNoel (Diskussion) 13:29, 20. Jan. 2021 (CET)