Diskussion:Ludwik Fleck/Archiv/1

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Letzter Kommentar: vor 7 Jahren von Stefan Nagy in Abschnitt Weblinks
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Zitat

Das mit dem gerichteten Wahrnehmen ist laut Kopien aus einer Vorlesung zu dem Thema ein Zitat von Fleck (Fleck 1994, S. 130). Bitte überprüfen, wenn jemand die Möglichkeit (also das Buch/die Veröffentlichung von Fleck) hat. -- noraneun

Hab das Zitat geprüft und einen kleinen Tippfehler behoben (war dabei leider nicht eingeloggt…), ansonsten passt das so. -- Stefan Nagy 16:25, 11. Feb. 2011 (CET)
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Kategorie

Pole? Wäre nicht Jude richtig? (nicht signierter Beitrag von 79.249.129.81 (Diskussion) 20:26, 10. Okt. 2011 (CEST))

Zu dieser Frage siehe einerseits die Diskussion unten & die unter Diskussion:Juden#Kategorie_Juden – aus den dort genannten Gründen gibt es auch gar keine solche Kategorie, welcher man diesen Aritkel hinzufügen könnte.
Ein kurzer Abriss der Argumentation: Die Nazis hatten bekanntermaßen keinerlei Probleme, Menschen zu kategorisieren & definierten Ludwik Fleck – auf Grundlage ihrer Rassentheorie – als Jude. Auf Grundlage dieser ihrer Kategorisierung deportierten sie ihn dann zuerst ins Ghetto Lemberg und später in die KZ Auschwitz und Buchenwald. Wie in der Diskussion unten ausführlicher argumentiert halte ich es für die beste Lösung, diese Fremdzuschreibung (inkl. deren Folgen) als solche zu erwähnen bzw. thematisieren anstatt sie weiter fortzuschreiben.
Zur Frage ob Fleck – abseits von Fremdzuschreibungen – Jude war, wären m.E. die relevanten Kriterien, ob er erstens Teil einer jüdischen Gemeinschaft und/oder zweitens jüdischen Glaubens war. Da ich für keines dieser beiden Kriterien Anhaltspunkte in der Literatur finde, würde ich vorschlagen, es bei der Thematisierung der Fremdzuschreibung als solcher zu belassen. -- Stefan Nagy (Diskussion) 17:27, 12. Mai 2012 (CEST)
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Ludwik Fleck als Pole

Eine Definition Flecks als Pole wäre m.E. aus zwei Gründen legitim: entweder 1. aufgrund der Staatsbürgerschaft oder 2. aufgrund einer ethnischen Zugehörigkeit.

Zu 1.: Fleck bekam die polnische Staatsbürgerschaft meines Wissens 1945/1946; ich vermute dass er sie im Zuge seiner Migration nach Isreal im Jahr 1957 wieder aufgab – wie auch immer, selbst wenn er sie behielt war er also lediglich 15/16 Jahre seines Lebens polnischer Staatsbürger.

Zu 2.: Laut dem Artikel Ethnie handelt es sich bei einem Volk um "eine Population von Menschen, die Herkunftssagen, Geschichte, Kultur, die Verbindung zu einem spezifischen Territorium und ein Gefühl der Solidarität miteinander teilen", laut dem Artikel Ethnizität um eine "Gruppe von Menschen, welche sich durch den Glauben an gemeinsame Abstammung und Kultur konstituiert und so eine homogene Gruppenidentität bildet. Dabei werden gewisse kulturelle Elemente wie Sprache, Kleidung, Brauchtum und Religion als auch nach außen sichtbare Abgrenzungszeichen verwandt".

Als Flecks Heimatstadt Lwów 1918 von polnischen Truppen besetzt wurde, folgte unmittelbar ein Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung. Auch nach dem zweiten Weltkrieg, als Fleck – wohl aufgrund der zu dieser Zeit stattfindenden Vertreibungungen der als polnisch definierten BewohnerInnen aus Lwów – nicht in seine (nun zur Sowjetunion gehörende) Heimatstadt zurückkehrte, sondern nach Lublin und dann Warszawa ging, sah er sich dort mit Antisemitismus konfrontiert. Solidarische Gefühle Flecks zu einer von ihm als homogen immaginierten polnischen Nation halte ich daher für zumindest unwahrscheinlich. Was eine gemeinsame Geschichte und Kultur sowie die Verbindung zu einem spezifischen Territorium (s.o.) von ethnischen Gruppen betrifft, möchte ich auf die sehr wechselhafte Geschichte seiner Heimatstadt verweisen.

Ich möchte hier nicht Flecks Muttersprache in Frage stellen, sondern vielmehr davor warnen, von dieser automatisch auf eine ethnische Zugehörigkeit zu schließen. Mir ist durchaus bewusst, dass mit Fremdzuschreibungen in Bezug auf ethnische/nationale Identitäten nach wie vor im Allgemeinen sehr leichtfertig umgegangen wird; wenn man die Wahl hat, muss man aber nicht unbedingt die eigenen Kategorien ins Leben anderer einschreiben… Ich behaupte hier übrigens nicht zu wissen, dass Fleck sich nicht zur polnischen Ethnie bzw. Nation zugehrig fühlte – ich meine nur, dass man diese Behauptung belegen müsste.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich würde den Artikel gerne aus der Kategorie "Pole" entfernen & im ersten Satz "…war ein polnischer Mikrobiologe…" auf "…war ein polnischsprachiger Mikrobiologe…" abändern. Hätte damit jemand ein Problem? -- Stefan Nagy (Diskussion) 17:22, 7. Mai 2012 (CEST)

Ich verstehe nicht ganz wo liegt das Problem. Außer ein paar Jahren, verbrachte er ganzes Berufsleben in Polen, ausgebildet und tätig in polnischer Sprache, als polnischer Staatsbürger, und an polnischen wissenschaftlichen Institutionen. Wenn er jüdischer Abstammung war, dann ethnisch, was erstmals mit dem Beruf in dem Fall wenig direkt zu tun hat, und andererseits dafür wie er seine ethnische Identität eigentlich definierte, wäre auch im Zweifelsfall ein Beleg erforderlich, und zwar seine persönliche Aussage, und nicht lediglich vom jemanden rein interpretiert, und mit Sicherheit nicht anhand der NS-Gesetzgebung abgeleitet.
Wenn ein polnisch- oder auch deutschstämmiger Wissenschaftler in USA ausgebildet wird, und ganzes Berufsleben in USA verbringt, dann kann er zwar bestimmte ethnische Abstammung deklarieren (oder auch nicht), aber eine überzeugende Erklärung, dass er kein US-amerikanischer Wissenschaftler ist, kann ich mir gar nicht vorstellen:)
Ad.1: He? Und welche Staatsbürgerschaft sollte er über 20 Jahre in der Zwischenkriegszeit haben?
Ad.2: Ehrlich gesagt, wirres Zeug, nix verstanden, was es mit dem o.g. Thema direkt zu tun haben soll. "Heimatstadt Lwów von polnischen Truppen besetzt & Pogrome" - und der Witz ist aber, er war auch Angehöriger dieser polnischen Truppen...:) Um Missverständnisse zu vermeiden, Sie wissen aber, in welchem Land Lwów in der Zwischenkriegszeit lag? Weil ehrlich gesagt, manche obere Aussagen verunsichern mich in dieser Hinsicht.
Lange Rede, kurzer Sinn: Kategorie:Pole "beinhaltet Personen, die die Staatsbürgerschaft eines polnischen Staates innehaben oder -hatten". Und? Wo kann denn hier ein Problem liegen? -- Alan ffm (Diskussion) 20:16, 7. Mai 2012 (CEST)
Ad 1.: Ja richtig, er wird wohl in der Zwischenkriegszeit auch die polnische Staatsbürgerschaft gehabt haben. Insofern trifft der erste Fall definitiv zu. Danke auch für die Erläuterung der Kategorie "Pole" – ich hatte die Beschreibung nicht gelesen. Sorry.
Ad 2.: Sie meinen, er hätte aufgrund seiner Muttersprache von der polnischen Besetzung eher profitiert als wenn Lwów Teil der Westukrainischen Volksrepublik geblieben wäre? Das ist keine rhetorische Frage – ich kann das nicht beurteilen, ich versuche hier nur Ihr Argument zu verstehen.
Wir können gerne alles so lassen wie es ist. Nur zur Erläuterung meines "wirren Zeugs": Nationale Kategorien wie "Pole" oder "Österreicherin" verweisen immer auf mehr als die Staatsbürgerschaft (also einen Pass bzw. einen Staatsbürgerschaftsnachweis) – eben dieses Mehr macht sie ja überhaupt erst erwähnenswert/interessant. Mir ging es nicht um Papiere mit bunten Stempeln, sondern um dieses weniger greifbare, selten explizit gemachte Mehr. Es kann bedeuten, "Teil einer nationalen Gemeinschaft zu sein" – und eben hier wird es interessant: Es gibt nämlich permanent Fälle, in denen Menschen zwar einen Pass haben, aber von der "nationalen Gemeinschaft" (auf die der Pass verweist) nicht als Teil anerkannt werden und/oder solche, in denen Menschen nicht als Teil der Gemeinschaft wahrgenommen werden wollen, weil sie mit dieser nichts außer der Staatsbürgerschaft teilen.
Meine – vielleicht wirre – Logik ist die: Wenn ich weiß, dass Ludwik Flecks Muttersprache polnisch war, dass er am polnischen Gymnasium im Lwów Abitur gemacht hat, dass er den Großteil seines Lebens in Polen verbracht hat, dass er an polnischen wissenschaftlichen Institutionen gearbeitet hat usw. usf. – welchen zusätzlichen Informationsgehalt hat die Feststellung, dass er Pole war? Eben diesen Informationsgehalt hätte ich ganz einfach lieber in expliziter Form als in das Wort "Pole" verpackt. Fragen Sie drei unterschiedliche Leute und sie werden drei Antworten bekommen, was es heißt, Pole (oder Österreicher/Italiener/…) zu sein.-- Stefan Nagy (Diskussion) 10:34, 8. Mai 2012 (CEST)
Die Sache hat sich erübrigt: ich hab in der Zwischenzeit etliche Stellen (v.a. in Texten von ihm aus den 50er-Jahren) gefunden, an denen sich Fleck selbst positiv auf ein polnisches "Wir" bezieht. Danke jedenfalls für den Kommentar. -- Stefan Nagy (Diskussion) 13:14, 10. Mai 2012 (CEST)
Tja, nachlesen ist immer gut (insbesondere bevor man was ändern will:) im Gegensatz Änderungsvorhaben, die lediglich auf wildesten Spekulationen basieren:)
Ad.2: Ich meine, dass ich (zumindest bis zur Ausreise nach Israel) kaum Anhaltspunkte für andere als polnische kulturelle Bindung finde, mit Sicherheit keine ukrainische, aber auch keine kommunistische oder pro-sowjetische Interessen.
Das Thema seiner jüdischen Identität kann man ggf. auch was ausbauen, vorausgesetzt man verfügt über Quellen die seine Sichtweise in dem Bereich belegen. Wer jemand polnischer Staatsbürger ist, dann ist er per Verfassung ein Pole, und IMO WP ist ganz schlechte Stelle für Diskussionen, ob wer mehr und wer weniger "echt" ist. -- Alan ffm (Diskussion) 15:22, 10. Mai 2012 (CEST)
Es ging mir nicht um die Frage, ob Fleck ein "echter" Pole war oder nicht, sondern um die Relevanz der Kategorie. Vielleicht hatte er einen Führerschein und ganz sicher könnte man anhand einer Archivrecherche auch seine Blutgruppe feststellen. Die Relevanz von Kategorisierungen ergibt sich immer erst durch die Umstände; beispielsweise (wie offensichlich im Falle von Fleck) wenn sich jemand selbst zu einer nationalen Gemeinschaft rechnet – und zwar weil es dann etwas über das Selbstverständnis bzw. die Identität einer Person aussagt.
Ich finde es interessant, dass Sie sich zu seiner jüdischen Identität Belege wünschen; immerhin hatte diese – ihm zumindest zugeschriebene – Identität sicher gravierendere Auswirkungen auf sein Leben als seine nationale Zugehörigkeit. Relevant ist sie also sicher. Die Frage stellt sich für mich hier sehr ähnlich wie jene in Bezug auf seine Nationalität: wenn er selbst einen positiven Bezug zum Judentum hatte, sich als Teil der jüdischen Gemeinschaft sah, dann würde ich den ersten Satz des Artikels ergänzen, so dass das gleich in der Einleitung steht: "Ludwik Fleck … war ein polnisch-jüdischer Mikrobiologe…". Wenn er nicht selbst Teil eines jüdischen Denkkollektivs war, sondern diese Identität lediglich als Fremdzuschreibung erlebte (…und überlebte), dann würde ich im Text beispielsweise schreiben, dass er "von den Nazis als Jude nach Auschwitz deportiert wurde".
Solche Formulierungen machen m.E. einen gravierenden Unterschied. Wenn ich jeden, der von den Nazis als Jude verfolgt wurde deswegen auch einfach als Jude bezeichne, dann überantworte ich ja im Nachhinein die gesamte Definitionsmacht den Nazis. Diese Kategorie umfasst dann außerdem sehr gläubige Menschen ebenso wie Leute, die weder einen Bezug zum Glauben noch der Gemeinschaft haben. Der Begriff würde – bis auf den Verweis auf die Verfolgung durch die Nazis – leer. Eben daher bin ich für einen möglichst vorsichtigen Umgang mit den Kategorien. --Stefan Nagy (Diskussion) 19:23, 10. Mai 2012 (CEST)
Und deshalb sagte ich Belege und noch mal Belege. Diskussionen über persönliche spekulative Theorien sind hier lediglich eine ziemlich erfolgreiche Zeitverschwendung. -- Alan ffm (Diskussion) 21:46, 10. Mai 2012 (CEST)
Einverstanden :) -- Stefan Nagy (Diskussion) 22:32, 10. Mai 2012 (CEST)
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Schriften, Literatur & Einzelnachweise

Ich hab die Literaturangaben überarbeitet; ein wesentlicher Teil bestand in der systematischen Anwendung der Vorlage:Literatur. Ein wesentlicher Vorteil der Vorlage gegenüber "normalen" Literaturangaben ist die automatische Generierung von COinS-Einträgen und damit die Erleichterung der Extraktion von Metadaten durch Literaturverwaltungsprogramme. Soweit, so gut.

Ein Problem ist definitiv der in seinen Ausmaßen absurde Abschnitt Einzelnachweise. Würde man jene Fußnoten gruppieren, die auf ein und dasselbe Werk verweisen, dann würde das schon einiges bringen. Aber zumindest derzeit halte ich das für nicht sinnvoll: Wenn man die Mobile-Version der Wikipedia auf einem Android-Smartphone verwendet und dort eine Fußnote anklickt, dann wird nur der jeweilige Verweis angezeigt (und nicht die Gruppenangaben!); das heißt man erhält lediglich eine Angabe wie Seite 153 wenn man Fußnoten gruppiert hat. Mir fällt also derzeit einfach keine bessere Lösung ein… Vielleicht hat ja jemand anderes eine Idee… -- Stefan Nagy (Diskussion) 23:48, 24. Mai 2012 (CEST)

Der Umfang ist angemessen, wir haben Artikel mit der zehnfachen Menge an Einzelnachweisen. Danke für deine Bearbeitungen. Grüße, --Polarlys (Diskussion) 01:50, 25. Mai 2012 (CEST)
Danke für die Rückmeldung! -- Stefan Nagy (Diskussion) 12:11, 25. Mai 2012 (CEST)
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Zur Biographie

Ich habe in den letzten Tagen den Abschnitt Leben überarbeitet und möchte nur darauf hinweisen, dass hier noch einiges zu tun wäre – vor allem im Sinne einer Kontextualisierung.

Ein Beispiel dafür wäre die Zeit nach dem Ende des Ersten Weltkrieges: soweit ich das nachvollziehen kann war Lemberg in den Jahren bis zumindest 1921 eine hart umkämpfte Stadt (siehe Polnisch-Ukrainischer Krieg und Polnisch-Sowjetischer Krieg), außerdem gab es in dieser Zeit einen Pogrom gegen die als jüdisch definierte Bevölkerung. Da ich keine Quellen habe, die Auskunft darüber geben welche Rolle diese Ereignisse für Fleck spielten, gibt es im jetzigen Text auch keine Erwähnung; schwer vorzustellen, dass sie quasi spurlos an ihm vorbeigingen…

Diese Kritik der mangelhaften Kontextualisierung trifft aber nicht nur den biographischen Abschnitt hier, sondern eigentlich die gesamte biographische Literatur zu Fleck (soweit ich sie kenne); diesbzgl. gespannt bin ich auf die Dissertation von Thomas Schnelle, die ich bald mal bekommen sollte – vielleicht erweitere ich den Abschnitt dann noch. -- Stefan Nagy (Diskussion) 18:43, 17. Mai 2012 (CEST)

Ich habe mittlerweile die Dissertation von Thomas Schnelle erhalten und muss zugeben, dass es wahrscheinlich realtiv dumm von mir gewesen ist zu glauben, dort mehr Informationen zu Flecks Leben zu finden als im Vorwort der von ihm mitherausgegebenen Auflage von Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache und im von ihm mitherausgegebenen Sammelband Erfahrung und Tatsache.
Nachdem Sylwia Werner und Claus Zittel in einer Fußnote ihres Vorworts zum erst letztes Jahr erschienenen Sammelband Denkstile und Tatsachen bemerken, dass die "Forschungen zu Flecks Biographie […] nach wie vor auf den grundlegenden Recherchen von Thomas Schnelle" (S. 9) fußen, nehme ich mal an, dass es derzeit einfach nicht mehr gibt. Ich markiere ich diesen Diskussions-Abschnitt daher mal als erledigt. -- Stefan Nagy (Diskussion) 00:11, 10. Jun. 2012 (CEST)
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Ludwik Fleck als Wissenschafts- bzw. Erkenntnistheoretiker

Meines Erachtens – und ich werde versuchen diese Behauptung im Folgenden auch zu belegen – war Ludwik Fleck weder seinem Selbstverständnis nach Wissenschaftstheoretiker, noch bezieht sich seine Theorie lediglich auf wissenschaftliches Wissen. Fleck entwickelte eine ihrem Anspruch nach allgemeingültige Erkenntnistheorie; die Möglichkeit, sie auf das Denken und Erkennen unterschiedlichster Denkkollektive anzuwenden, war zumindest für Fleck auch eines ihrer zentralen Merkmale. Als Beleg für diese Behauptung wähle ich zwei Zitate, zuerst aus dem Vorwort zu Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache von 1935:

"Zumeinst begeht jedoch die Erkenntnistheorie einen grundsätzlichen Fehler: sie zieht fast ausschließlich uralte Tatsachen des Alltags oder der klassischen Physik als einzig sichere und der Untersuchung würdige in Betracht. […] Sie [die Tatsache, dass der normale Mensch zwei Augen hat; Anm. SN] ist uns selbstverständlich geworden, sie dünkt uns fast gar kein Wissen mehr, wir fühlen nicht mehr unsere Aktivität bei diesem Erkenntnisakte, nur unsere vollständige Passivität gegenüber einer von uns unabhängigen Macht, die wir 'Existenz' oder 'Realität' nennen. Wir verhalten uns darin wie wie einer, der alltäglich rituelle oder gewohnheitsmäßige Handlungen mechanisch ausführt: sie sind ihm keine freien Tätigkeiten mehr, er empfindet Zwang zu solche und keinen anderen Handlungen. […] Deshalb sind alte Tatsachen des Alltags zur erkenntnistheoretischen Untersuchung zunächst wenig geeignet. […] Ich glaube also, eine 'neuere Tatsache', deren Entdeckung nicht weit zurückliegt und die noch nicht allseitig zu erkenntnistheoretischen Zwecken ausgenützt wurde, entspreche am besten den Grundsätzen unvoreingenommener Untersuchung." (Ludwik Fleck: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Hrsg. von Lothar Schäfer und Thomas Schnelle. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-518-07912-3, S. 1-2; Hervorhebungen von mir, SN)

Zusätzlich zu diesen – schon recht klaren – einleitenden Bemerkungen möchte ich noch eine zweite Stelle zitieren, die den Anspruch der Allgemeingültigkeit deutlicher auf den Punkt bringt: "Die Fruchtbarkeit der Denkkollektivtheorie zeigt sich eben in ihrer Möglichkeit primitives, archaisches, kindliches und psychotisches Denken zu vergleichen und einheitlich zu untersuchen. Schließlich auch das Denken eines Volkes, einer Klasse, einer wie immer gearteten Gruppe." (ebd., S. 70; Hervorhebung von mir, SN)

Die häufige Charakterisierung Flecks als Wissenschaftstheoretiker wird wohl darauf zurückzuführen sein, dass er nach Kuhn und bis heute primär in der Wissenschaftsgeschichte, -theorie, -soziologie rezipiert wurde und wird. Aber wie schon angedeutet: die Interpretation seiner Theorie als Wissenschaftstheorie führt am Kerngedanken vorbei – nämlich dass wissenschaftliche Erkenntnis, wie jede andere auch, eine sozialbedingte Tätigkeit ist. Die Behauptung, dass z.B. "primitives" Denken sozial bedingt ist, war bereits vor Fleck von Ethnologen und Soziologen thematisiert worden. In Bezug eben darauf meint Fleck: "Nun begehen alle diese soziologisch und humanistisch gebildeten Denker – so fördernd ihre Gedanken sind – einen charakteristischen Fehler: sie haben allzu großen Respekt, eine Art religiöser Hochachtung vor naturwissenschaftlichen Tatsachen" (ebd., S. 65). Flecks provokanter Punkt ist also der: "sogar" wissenschaftliches Denken ist sozial bedingt. Und deswegen wählt er die Entst. und Entw. einer wissenschaftliche Tatsache quasi zur Illustration seiner Erkenntnistheorie.

Wiedermal lange Rede, sehr kurzer Sinn: ich ersetze die Charakterisierung Flecks als Wissenschaftstheoretiker im ersten Satz des Artikels durch die als Erkenntnistheoretiker. -- Stefan Nagy (Diskussion) 11:58, 11. Mai 2012 (CEST)

Naja, mit der selben Argumentation könnte man eigentlich jeden bekannten Wissenschaftstheoretiker in einen Erkenntnistheoretiker verwandeln. Carnap, Popper, Kuhn, Feyerabend, whatever, ging es ja auch immer um die menschliche Welterkenntnis im Allgemeinen. Fleck nennt sich m.E. nicht oder nur selten "Wissenschaftstheoretiker", ganz einfach weil der Begriff in Deutschland erst in der Nachkriegszeit populär wird. Andererseits ist Erkenntnistheortiker nun auch nicht falsch, insofern ist die Umbenennung auch kein Drama. (Allerdings verdunkelt "Erkenntnistheorie" etwas, dass es Fleck ja auch um die Metaphysik, Ontologie, Ethik usw. der Wissenschaften ging) Grüße, David Ludwig (Diskussion) 10:52, 8. Jun. 2012 (CEST)
Hallo David. Ich würde deiner Behauptung, man könne mit dieser Argumentation jeden Wissenschaftstheoretiker/in in eine/n Erkenntnistheoretiker/in "verwandeln", widersprechen. Ich hab gerade keine gute Quelle zur Hand, deswegen muss ich mich in meiner Argumentation vorerst auf eine Fußnote… ;) von Birgit Griesecke in ihrem Text Vergleichende Erkenntnistheorie. Einführende Überlegungen zum Grundkonzept der Fleckschen Methodologie stützen, in der sie sich ihrerseits auf Herbert Schnädelbach und Hans-Jörg Rheinberger bezieht.
Laut ihrer (dort natürlich sehr knappen) Darstellung begann man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts "in der sogenannten Kant-Bewegung […], dem Auseinanderdriften von historisch-hermeneutischer Philosophie und empirischen Wissenschaften entgegenzuwirken und ein komplementäres Verhältnis von Philosophie und Wissenschaft zu befördern: Die Philosophie sollte das 'kritische, d.h. logische und methodologische Gewissen der Wissenschaften sein' (Schnädelbach, Erkenntnistheorie, S. 13): So wurde die Erkenntnistheorie eine 'Wissenschaftstheorie', eine in Phänomenologie, Existenzphilosophie und Neomarxismus stark kritisierte Wendung ins Formale, die im Wiener Kreises (sic!) eine Blüte erlebte und in den späten 1960er Jahren in Ersetzung der 'Erkenntnistheorie' erneut in den deutschsprachigen philosophischen Kanon einzog, inzwischen allerdings wiederum von 'Erkenntnistheorie' abgelöst wird – nicht zuletzt, in Anlehnung an das angelsächsische epistemology und besonders an die Spezifik der französischen epistémologie, als ein Signal für den Willen, nicht nur wissenschaftliche Erkenntnis als Erkenntnis in Betracht zu ziehen" (Birgit Griesecke, Erich Otto Graf (Hrsg.): Ludwik Flecks vergleichende Erkenntnistheorie. Die Debatte in Przegląd Filozoficzny 1936–1937. Berlin 2008, S. 12.).
Diese kurzen Ausführungen haben meinen Eindruck erhärtet, dass eine terminologische Unterscheidung zwischen Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie durchaus Sinn machen kann, weil in diesem Feld ja viele Philosoph/innen zu nennen wären, die wissenschaftliche Erkenntnis quasi als den Königsweg von Erkenntnis überhaupt betrachten und folgerichtig theoretisch so stark auf diese fokussieren, dass die Charakterisierung ihrer Betrachtungen als Wissenschaftstheorie durchaus treffend ist. In Bezug auf Fleck ist der Terminus so gesehen aber nicht gerechtfertigt, weil er seinen Untersuchungsgegenstand eben nicht derart einschränkt. Der Sinn und Zweck seiner "vergleichenden Erkenntnistheorie" soll ja gerade darin bestehen, unterschiedlichste Denkstile gleichermaßen untersuchen zu können.
Ich belasse es einmal dabei und hoffe, hiermit zumindest auf dein erstes Argument halbwegs vernünftig eingegangen zu sein… Liebe Grüße -- Stefan Nagy (Diskussion) 18:39, 8. Jun. 2012 (CEST)
Hi Stefan, dank Dir für die Erörterungen. Wie gesagt, ich hab nix gegen das Label "Erkenntnistheoretiker". Es ist in einigen Aspekten verkürzend (das "Entstehen wiss. Tatsachen" ist im Gegensatz zum Erkennen derselben ja eher ein Thema der Metaphysik), aber Wissenschaftstheoretiker wäre an anderen Stellen verkürzend. Kommt halt darauf an, wo man den Schwerpunkt setzen möchte. Insofern alles gut ;-)
Unabhängig von der Artikelgestaltung würde ich allerdings davor warnen, einen zu spitz formulierten Gegensatz zwischen dem über den wissenschaftlichen Tellerrand hinausblickenden Erkenntnistheoretiker Fleck und kleinkarierten Wissenschaftstheoretikern z.B. des Wiener Kreises aufzubauen. Das ist zwar ein praktisches Klischee, entspricht aber kaum den historischen Begebenheiten. Tatsächlich haben nahezu alle wichtigen Wissenschaftstheoretiker - und gerade die des Wiener Kreises - allgemeine erkenntnistheoretischen Interessen verfolgt. Nicht umsonst heißt etwa das Hauptwerk des Begründers des Wiener Kreises: Allgemeine Erkenntnislehre.
Es gibt wirklich viel was an Fleck einzigartig ist. Der Blick über die Wissenschaft hinaus ist es aber m.E. nicht. Manchmal bekommt man in der deutschsprachigen Literatur ein Bild vermittelt, nach dem z.B. der Wiener Kreis aus lebensweltfressenden Szientisten ohne Blick auf die außerwissenschaftliche Welt bestanden hätte. Das ist aber ein Artefakt der deutschsprachigen Rezeptionsgeschichte, in der viele Autoren nicht die historischen Texte sondern ein Gespenst aus dem Positivismusstreit vor Augen hatten. Insofern würde ich schon bestreiten, dass der Erkenntnistheorie-vs.-Wissenschaftstheorie-Gegensatz historisch haltbar ist. Wie dem auch sei, viel Erfolg mit Deiner Diplomarbeit. Klingt spannend! Beste Grüße, David Ludwig (Diskussion) 00:59, 9. Jun. 2012 (CEST)
Danke für die Hinweise! Ich hoffe, ich finde bald mal die Zeit mich etwas näher mit dem Wiener Kreis zu befassen… Grüße, -- Stefan Nagy (Diskussion) 16:08, 9. Jun. 2012 (CEST)
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Zu Flecks beruflichen Tätigkeitsfeldern

Fleck wird hier – wie oft in der Literatur – als Mikrobiologe und Mediziner charakterisiert. Es mag langsam pedantisch wirken, aber ich fände es treffender, ihn als Immunologen zu bezeichnen. Da ich kein Mediziner & mir daher nicht ganz sicher bin, ändere ich die berufliche Charakterisierung nicht gleich, sondern schlage hier mal lediglich eine Änderung vor. Vielleicht kann ja ein/e Mediziner/in was dazu sagen.

Als Mediziner war Fleck (soweit ich das als Nicht-Mediziner und auf Grundlage der biographischen Literatur abschätzen kann) bis auf zwei Jahre im Ersten Weltkrieg, wo er als Arzt eingesetzt wurde, in unterschiedlichen Labors zuerst im Bereich der medizinischen Mikrobiologie und dann ab den 30ern im Bereich der Immunologie tätig, wobei Lothar Schäfer und und Thomas Schnelle in ihrer Einleitung zu Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache (Seite XI, letzter Absatz) schreiben: "Sein vornehmlichstes Interesse galt aber auch schon zu dieser Zeit [den 20er-Jahren, Anm. SN] allgemein-serologischen Fragestellungen" (Anm.: die Serologie ist – zumindest laut dem Wikipedia-Artikel – ein Teilgebiet der Immunologie).

Nachdem es hier ja darum geht, welches Tätigkeitsspektrum ihn charakterisiert & wie man in wenige Worte viel (möglichst zutreffenden) Informationsgehalt packt, würde ich vorschlagen die jetzige berufliche Charakterisierung zu ersetzen durch: "…war ein polnischer Immunologe und Erkenntnistheoretiker". Ich denke damit wären seine wesentlichen Tätigkeitsfelder am besten umrissen. -- Stefan Nagy (Diskussion) 15:04, 11. Mai 2012 (CEST)

Nachdem es über den Zeitraum von fast zwei Monaten keine Rückmeldung zu diesem Vorschlag gab und zugleich Autoren wie Hans-Jörg Rheinberger Fleck beruflich als Immunologen charakterisieren (siehe z.B. Hans-Jörg Rheinberger, Historische Epistemologie zur Einführung, Hamburg 2008, S. 10), werde ich diese Änderung jetzt im Artikel vornehmen. -- Stefan Nagy (Diskussion) 01:05, 4. Jul. 2012 (CEST)
Archivierung dieses Abschnittes wurde gewünscht von: Stefan Nagy (Diskussion) 01:05, 4. Jul. 2012 (CEST)

Ich habe gerade die Weblinks nach den gültigen Richtlinien aufgeräumt und im Sinne der goldenen Regel "Bitte sparsam und nur vom Feinsten" aufgeräumt, hier eine kurze Erläuterung meiner Löschungen:

Und noch eine Anmerkung: Der Verweis auf http://www.ludwikfleck.de/ sollte eigentlich aus den bei den letzten beiden Links genannten Gründen auch gelöscht werden. Nachdem da aber doch zumindest mehr Informationen vorhanden sind hab ich ihn vorerst mal belassen. -- Stefan Nagy (Diskussion) 00:08, 11. Mai 2012 (CEST)

Nachdem mir jetzt der qualitativ wirklich hochwertige Link zum Quellenbestand zu Ludwik Fleck im Archiv für Zeitgeschichte der EHT Zürich eingefallen ist habe ich den Link zum Weblog nun doch gleich entfernt. Laut Wikipedia:Weblinks sollten fünf externe Links zu einem Thema in der Regel genügen & ich sehe keinen guten Grund, warum der Weblog auf der Liste bleiben sollte – außer ich verstehe die Wikipedia (auch) als Linksammlung, was sie aber zumindest derzeit nicht sein will (siehe Wikipedia:Was_Wikipedia_nicht_ist#7.3). -- Stefan Nagy (Diskussion) 17:12, 11. Mai 2012 (CEST)
Archivierung dieses Abschnittes wurde gewünscht von: Stefan Nagy (Diskussion) 14:08, 26. Jan. 2017 (CET)