Diskussion:Vertrag von Aigun
Die Gebiete zwischen Stanowoi-Gebirge (Äußerer Hinggan) und Heilong Jiang (Amur) bis zur Küste des Ochotskischen Meeres waren auch vor 1689 Teil des chinesischen Staatsverbandes, den die Manju mit in die Qing-Dynastie eingebracht hatten, die z.T. aber bereits von der Ming-Dynastie kontrolliert worden waren (Amur-Mündung, Teile Sachalins). Nur aus der Sicht einiger russischer Kolonisatoren konnte es sich um "umstrittenes" Gebiet handeln. Also sind diese Gebiete "erhalten geblieben" und nicht "zugeschlagen" worden. Herzlicher Gruß, --Ingochina 12:07, 26. Jul. 2007 (CEST)
Hallo Ingochina. Ich habe natürlich was gegen Kolonisatoren, und zwar nicht nur wenn sie aus Russland kommen. Was Du da geschrieben hast, entspricht aber der Sichtweise der CHINESISCHEN Kolonisatoren. Dieses Gebiet, das von Ming ins chinesische Imperium "eingebracht" wurde, war genauso "ursprünglich chinesischer Boden" wie Sachalin, die Mongolei, Burjatien und ähnliches. Man muss doch eins eingestehen, dass der Vertrag von 1689 ein zwischen zwei expandierenden Ländern war, wobei das eine Land (Russland) zweifellos mehr Nutzen davon hatte als das andere (China). Damit haben sich zwei auf Kolonisierung ausgerichtete Staaten einfach die Einflusssphären geteilt. Das war's. Die Gebiete des äußeren Hinggan und des oberen Teils des Amur-Flusses, also Südsibirien, waren genauso chinesisch wie Fergana-Tal oder Pamir- Gebierge. Beste Grüße Slonik 22 18:32, 26. Jul. 2007 (CEST).
Lieber Slonik 22! Der Begriff "Kolonisatoren" war tatsächlich von mir falsch verwendet worden. Ich bitte um Entschuldigung! Wenn ich mich richtig an die gängigen Definitionen erinnere, sind "Kolonisatoren" Leute, die in ein Territorium eindringen, das als "staatenlos" im völkerrechtlichen Sinne gilt und es dann zum Bestandteil oder zur Kolonie des Staates machen, den sie vertreten. Aus diesem Grunde war z.B. Hongkong völkerrechtlich keine "Kronkolonie" (so wurde es von den Briten bezeichnet), sondern "okkupiertes Territorium". So hat es mir jedenfalls mal ein Völkerrechtler beigebracht (der war kein Chinese!). In der Tat sind deswegen die Chinesen der Ming-Dynastie tatsächlich die eigentlichen Kolonisatoren dieses Gebiets gewesen. Da hast Du völlig recht! Ob man aber die Manju, die ihre Ethnogenese schließlich gegen Ende des 16. Jhs. als Verband verschiedener Jurchen-Stämme begannen, in dieser Region als "Kolonisatoren" bezeichnen kann, das wage ich doch zu bezweifeln. Ein großer Teil ihrer Vorfahren gehörte nämlich zu den Ureinwohnern dieses Gebietes, und sie hatten als Nachfahren der Jurchen, die mit ihrer Jin(金)-Dynastie dieses Gebiet auch schon beherrscht hatten, gewissermaßen ein Erbrecht darauf. Jedenfalls war das Gebiet zwischen Äußerem Hinggan und Heilong Jiang bis zur Küste für die Manju so selbstverstänlich ihr Territorium, daß sie wahrscheinlich niemals einen Gedanken daran verschwendet haben, bis die Russen dort auftauchten. Damit wären wir beim Thema: Die Russen waren, zumindest in diesem Gebiet, in der Tat keine Kolonisatoren (es ist wirklich dumm, daß ich mich da so falsch ausgedrückt habe), sie waren Okkupanten, denn sie okkupierten ein Territorium, das bereits unbestrittenes Territorium eines anderen Völkerrechtssubjekts war (sonst hätte man sich nämlich Verträge wie 1689 oder 1858/60 sparen können, egal ob "gleich" oder "ungleich"). Ich persönlich habe nur dann etwas gegen Kolonisatoren, wenn sie die Bevölkerung knechten, ausplündern, vergewaltigen, ausrotten usw. Alles das haben die chinesischen Kolonisatoren nicht getan und die Manju-Herrscher der Qing-Dynastie schonmal gleich gar nicht. Die russischen Okkupanten haben in dieser Region hingegen eine derartige Spur von Feuer und Blut hinterlassen, daß die Nachfahren der Betroffenen (Ewenken, Oroqen, Daur, Hezhen, Qiakala-Udehe), bei denen ich viele Feldforschungen gemacht habe, noch heute die grauenhaften Geschichten erzählen, die sie von ihren Groß- und Urgroßeltern überliefert bekamen. In vielen Familien wird heute noch anhand der Familienchroniken, die z.T. mit Ortsangaben versehen sind, die Erinnerung an die verlorene Heimat linksseitig des Heilong Jiang und rechtsseitig des Ussuri wach- und hochgehalten. Leider wird China gerade in der westlichen Öffentlichkeit immer noch als "Land der Chinesen" betrachtet. Es ist aber seit zweieinhalb Jahrtausenden ein sich komplex und dynamisch entwickelndes poli-ethnisches Staatswesen. Insofern läuft Deine Pointe ein bißchen ins Leeere: Für mich ist selbstverständlich die Mongolei (Buriatien nicht, aber das ist eine andere Geschichte), Sachalin, das Pamir-Gebirge, das Fergana-Tal und vieles andere mehr historisches chinesisches Territorium (Pamir z.T. auch heute noch). Was aber unseren konkreten Streitpunkt angeht, sollten wir vielleicht nicht so sehr ins Grundsätzliche gehen und uns einfach die Tatsachen anschauen. 1689 hatte es zwar ein paar unerfreuliche und blutige russische Vorstöße in das oben genannte Gebiet gegeben, die sicherlich auch dadurch erleichtert wurden, daß China die Heimat der Manju wie ein großes Naturreservat behandelte (so war z.B. der Zuzug von Han-Chinesen verboten), nur wenige Truppen weit verstreut stationiert hatte und zwischen den einzelnen Yamen und Militärposten nur selten mal eine Patrouille hin- und herschickte, aber selbst Chabarow und Konsorten war klar, daß sie hier in den Machtbereich eines anderen Landes eindrangen. Qing-China expandierte in der Tat, da gebe ich Dir Recht, aber ganz sicher nicht in dieser Region: Hier versuchte es vielmehr - 1689 ja auch noch erfolgreich - seinen Besitzstand zu wahren. Nur diese simple Tatsache meinte ich mit meiner kleinen Veränderung von "zugeschlagen" zu "erhalten geblieben". Herzlicher Gruß, --Ingochina 19:31, 26. Jul. 2007 (CEST)
Hey Ingochina.
Ich wollte Dich eigentlich nicht zu einer kleinen Doktorarbeit anspornen. Mir ist es eigentlich gleichgültig, wie man die Geschehenisse des 17. Jahrhunderts beurteilt. Ob die Russen Kolonisatoren, Okkupanten oder Entdecker waren, ist an sich belanglos, da jedes Land in seiner Geschichte diese Phasen durchmachte. Die USA oder Großbritannien sind da nicht anders als China oder Russland.
Ich bin mit Deiner kleinen Veränderung einverstanden.
Das einzige, was ich bisschen bezweifle (sieh es mir bitte nach), dass sind die wehmütigen Erinnerungen von südsibirischen Stämmen an ihre "verlorene Heimat" China. Es mad sein,dass sie Dir so was erzählt haben, nur wie ernst man es damit meint, ist was anderes. Ich bin auch ein Wissenschaftler und kann Dir sagen, dass viele Leute bewusst oder unbewusst ihre Meinung den geänderten Verhältnissen anpassen. Ich kann Dir versichern, hättest Du mit den eben diesen Ewenken oder anderen zur Sowjetzeit gesprochen, hätten sie Dir was anderes erzählt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Beste Grüße von Slonik 22 20:38, 27. Jul. 2007 (CEST).
- Lieber Slonik 22, ja ich glaube, wir sind gar nicht soweit auseinander in unseren Auffassungen. Alle Geschichtsschreibung ist letztlich immer subjektiv und daß ich manchmal ein bißchen als "Verteidiger" chinesischer Geschichtsbetrachtung auftrete, liegt einfach nur daran, daß diese in der westlichen Wahrnehmung meistens völlig ignoriert wird, während genauso subjektive Darstellungen aus russischer, amerikanischer oder britischer Sicht als common sense allgemein anerkannt zu sein scheinen. Natürlich war Qing-China expansiv und hat bestimmte Gebiete, die Ming-China nie unter Kontrolle hatte bzw. die seiner Kontrolle entglitten waren, (zurück)erobert. Das gilt z.B. für die Dsungarei oder auch für Tibet. Das hätte selbstverständlich auch gegolten, wenn die Chinesen mit der Verhandlungsposition durchgekommen wären, mit der sie in die 1689er Verhandlungen von Nerchinsk eingetreten sind ("alles östlich des Baikalsees ist China"). Vermutlich war das aber nur Taktik, da sie wußten, daß es erstens sowieso nicht durchzusetzen war und zweitens sie auch nicht wirklich ernsthaft einen derartigen historischen Anspruch hätten erheben können. Nur eben die Gebiete die 1858/1860 an Rußland gefallen sind und die z.B. in der englischen Wikipedia zurecht als "Äußere Mandschurei" bezeichnet werden, die sind halt etwas anderes. Was die von mir geschilderten Erinnerungen angeht, so bin ich im Prinzip auch Deiner Meinung. Natürlich sind die subjektiv und auch politischen Einflüssen unterworfen. Aber wie so oft sind sie deswegen auch wiederum nicht total erfunden oder gelogen. Man muß da schon genau zuhören. Nur ein Mißverständnis muß ich noch aufklären: Alle meine Feldforschungen haben in China stattgefunden, ich habe also von Ewenken, Oroqen, Daur, Hezhen und Qiakala-Udehe gesprochen, die Bürger Chinas sind und deren Vorfahren aus den genannten Gebieten flüchten mußten. Ich spreche leider kein Russisch und habe die heute russischen Gebiete noch nie selbst besucht. Aus der Literatur ist mir aber durchaus bekannt, daß die dortigen Vertreter sibirischer Völker auf die bösen Chinesen schimpfen. Nunja, soweit sogut. Herzlicher Gruß, --Ingochina 19:14, 28. Jul. 2007 (CEST)
Sprachlogik?
[Quelltext bearbeiten]Hm, auf einer anderen Ebene der Sprachlogik (der, nun ja, unideologischen) dürfte da nun gerade nicht stehen „werden konnte“, denn das ist auch interpretierbar als „es Bestand die Möglichkeit (...die aber nicht wahrgenommen wurde)“. Was erst recht unlogisch bzgl. des ersten Satzteils und nicht der Fall ist, denn die Werträge wurden ja China aufgezwungen (= das ist tatsächlich passiert). Aber mir isses fast egal. -- SibFreak 13:17, 28. Mai 2010 (CEST)
- Lieber SibFreak, der Satz war ja - soweit ich das sehe - nicht von Dir, sondern von einer IP. Und natürlich war meine Korrektur völlig unideologisch. Es geht tatsächlich nur um die Logik. Dein Argument, was "werden konnte" auch noch bedeuten kann, zählt nicht, denn es geht in dem Artikel ja gerade darum, dass es tatsächlich "wurde". Was sprachlich (und faktisch) unlogisch war, war in der alten Version die Verwendung des "aufgrund". Denn der Vertrag wurde China nicht aufgezwungen weil es schwach war, sondern weil Russland expandierte. Dass Russland diesen Vertrag China allerdings aufzwingen konnte, das lag nun tatsächlich daran, dass China schwach und im Niedergang befindlich war. Chinas Zustand wollte ich aber gern stehen lassen, denn damit hatte die IP ja Recht. Also ging es nur im die Wiederherstellung der Logik. Herzlicher Gruß, --Ingochina 15:47, 28. Mai 2010 (CEST)
- So gesehen hast du recht. -- SibFreak 16:24, 28. Mai 2010 (CEST)
- Lieber SibFreak, der Satz war ja - soweit ich das sehe - nicht von Dir, sondern von einer IP. Und natürlich war meine Korrektur völlig unideologisch. Es geht tatsächlich nur um die Logik. Dein Argument, was "werden konnte" auch noch bedeuten kann, zählt nicht, denn es geht in dem Artikel ja gerade darum, dass es tatsächlich "wurde". Was sprachlich (und faktisch) unlogisch war, war in der alten Version die Verwendung des "aufgrund". Denn der Vertrag wurde China nicht aufgezwungen weil es schwach war, sondern weil Russland expandierte. Dass Russland diesen Vertrag China allerdings aufzwingen konnte, das lag nun tatsächlich daran, dass China schwach und im Niedergang befindlich war. Chinas Zustand wollte ich aber gern stehen lassen, denn damit hatte die IP ja Recht. Also ging es nur im die Wiederherstellung der Logik. Herzlicher Gruß, --Ingochina 15:47, 28. Mai 2010 (CEST)