Doppelgänger

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How They Met Themselves von Dante Gabriel Rossetti, 1864

Ein Doppelgänger (älter auch Doppeltgänger[1]) ist eine Person, die einer bestimmten anderen Person im Aussehen so stark ähnelt, dass es zu Verwechslungen ihrer Identität kommen kann.[2] Es kann sich dabei um eine reale Person handeln oder auch um eine „Erscheinung der eignen Person“ im Sinne einer übersinnlichen Vision.[3]

Eine Autoskopie (Doppelgängererlebnis) als Halluzination kann ein Symptom einer psychischen Erkrankung sein.

Das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm gibt zwei Definitionen des Begriffs:

  1. „jemand von dem man wähnt er könne sich zu gleicher zeit an zwei verschiedenen orten zeigen“;
  2. „der einem andern so ähnlich ist dasz er leicht mit ihm verwechselt wird“.[1]

Wenn die erste Definition an den Glauben an eine wie auch immer geartete Transzendenz, das Übernatürliche oder Paranormale gebunden ist, so bildet die zweite Variante gleichsam deren naturalistische Erklärung.

Das deutsche Wort Doppelgänger wird auch in vielen anderen Sprachen (meist in den Formen doppelgänger oder doppelganger) verwendet, z. B. im Englischen, Französischen, Italienischen, Portugiesischen und Spanischen, aber auch im Chinesischen, Japanischen, Russischen und Thai, zurückzuführen auf die weltweite Wirkung der deutschen Romantik. Im Englischen ist die Verwendung des deutschen Begriffs oft mit Gefahr und Bedrohung belegt und wird häufig, auch in der Umgangssprache (dann aber oft ironisch gemeint), mit evil twin (dt. bösartiger Zwilling) gleichgesetzt.

In der Realität kommen Doppelgänger in Gestalt eineiiger Zwillinge sowie neuerdings als Klone vor. Mit dem literarischen und geisteswissenschaftlichen Motiv des Doppelgängers haben sie allerdings nur bedingt etwas zu tun, da sich die Fragen nach Identität des Individuums hier nicht stellen.

Begrifflich zu unterscheiden ist der Doppelgänger vom Double. Während das Double den Versuch einer gezielten Kopie der äußeren Erscheinung eines Menschen (auch unter Zuhilfenahme von Masken usw.) darstellt, ist ein Doppelgänger ein Mensch, der einem anderen von Natur aus zum Verwechseln ähnlich sieht, so dass es tatsächlich zu Zweifeln an seiner Identität kommen kann (was bei einem Double nicht möglich ist).

  • Politiker und Schauspieler verwenden Doubles gelegentlich aus Sicherheits- und Zeitgründen, so seinerzeit der irakische Diktator Saddam Hussein. Über Doubles weiterer Politiker wird immer wieder spekuliert.
  • Doubles agieren bei Events als Blickfang und als prominente Gäste oder in Werbefilmen.
  • Stuntmen spielen als Doubles eines Darstellers körperlich gefährliche Filmszenen.
  • Körperdoubles springen z. B. auch bei Nacktszenen ein.

Das Motiv des Doppelgängers in Literatur, Musik und Film

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Das Interesse der Künste am Doppelgängermotiv hat philosophische und psychologische Hintergründe, so die Frage nach der Realität und Ontologie des Individuums und seiner Identität. Eine Rolle spielen dabei auch kunsttheoretische Fragen wie die nach der Natur der künstlerischen Fiktion, die in besonderer Weise dazu geeignet scheint, Doppelgänger zu erschaffen.

Literatur und klassische Musik

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Das Doppelgängermotiv war ein häufiges Motiv in bildender Kunst und Literatur, besonders in der Romantik und in der Stummfilmzeit.[4] Der Doppelgänger wird in der Romantik meist mit dem Verlust der eigenen Identität assoziiert und beschreibt eine zentrale Angst der bürgerlichen Gesellschaft. Bekannte frühe Beispiele finden sich in den Romanen Siebenkäs (1796) von Jean Paul und Die Elixiere des Teufels (1815/16) von E. T. A. Hoffmann sowie Franz Schuberts Kunstlied Der Doppelgänger aus dem Liederzyklus Schwanengesang (1828), das auf ein unbetiteltes Gedicht aus Heinrich Heines Buch der Lieder zurückging. In Jean Pauls Siebenkäs wird der Begriff in supernaturalistischer Weise definiert („die Doppelgänger, so heißen die leute die sich selbst sehen“) und mit dem Unheimlichen verbunden.[5] Bei Hoffmann finden sich dagegen schon die realistischen und naturalistischen Analoga des Doppelgänger-Motivs („und beide, sich nicht nur gleichend, nein, einer des andern doppeltgänger in antlitz, wuchs, gebärde, blieben vor entsetzen in den boden festgewurzelt stehen“)[6]. Das Doppelgängermotiv taucht auch in Märchen Der Schatten (1847) von Hans Christian Andersen auf.

Edgar Allan Poes Erzählung William Wilson (1839) thematisiert die Angst des Individuums vor dem Selbstverlust anhand des Doppelgängermotivs.[4] Im Schaffen Annette von Droste-Hülshoffs zieht sich das Motiv durch eine Reihe von Einzelwerken: Im Winter 1841/42 entstand das Gedicht Das Spiegelbild; im Jahr 1842 erschien die berühmte Kriminalerzählung und Milieustudie Die Judenbuche, 1844 das Gedicht Doppeltgänger.[7] Der Erzählung Edgar Allan Poes ähnelt der 1846 erschienene Roman Der Doppelgänger von Fjodor Dostojewski. 1886 erschienen zudem die Novellen Ein Doppelgänger von Theodor Storm. In Oscar Wildes Roman Das Bildnis des Dorian Gray (1890/91) gibt es einen gemalten Doppelgänger.

Am Anfang des 20. Jahrhunderts griff Franz Kafka das Motiv in mehreren Werken auf. Jens Heimreich spielt in Die Teufelsbrücke (1943) mit dem teuflischen Widerpart des idealistischen Romanhelden auf zeitgenössische Größen des Dritten Reiches an. Vom Ende des 20. Jahrhunderts ist u. a. der Roman Die weiße Festung von Orhan Pamuk (1985) und der Roman Der Doppelgänger von José Saramago (2002) zu nennen. In der Erzähl-Collage Reisende auf einem Bein (1989) von Herta Müller erkennt die traumatisierte Protagonistin Irene auf einem Foto von sich nur eine andere Irene; in ihrem poetologischen Essays mit dem Titel Der Teufel sitzt im Spiegel. Wie Wahrnehmung sich erfindet (1991) vertiefte Müller diese Thematik. Die Sterntagebücher (1957 bis 1971) des polnischen Autors Stanisław Lem thematisierten unter anderem Begegnungen dieser Art. Der Horrorroman Stark – The Dark Half von Stephen King, zu dem es eine 1993 erschienene Verfilmung gibt, behandelt ebenfalls das Doppelgängermotiv. Der Roman Just nu är jag här (2017) der schwedischen Autorin Isabelle Ståhl ist im Zeitalter von Tinder angesiedelt.

Auch im Film fand das Motiv des Doppelgängers breite Verwendung, so schon im Film des deutschen Expressionismus sowie im Film noir. In Alfred Hitchcocks Film Der unsichtbare Dritte (USA, 1959) wird der Protagonist Roger Thornhill zum Opfer einer Geheimoperation der CIA und schlüpft wider Willen nach und nach in die Rolle eines inexistenten Geheimagenten, der so gleichsam zu seinem Doppelgänger wird. Eine ähnliche Verwechslung lag bereits dem Drehbuch zu Der Mann, der zuviel wusste (GB, 1934; Remake von 1956, USA) und den 39 Stufen (GB, 1935) nach dem Roman The Thirty-Nine Steps (1915) von John Buchan und Eine Dame verschwindet (GB, 1938) zugrunde. In der britischen Horrorkomödie Bloodbath at the House of Death mit Schauspieler Vincent Price von 1984 fallen in einem mysteriösen Spukhaus rot gewandete Mönche einer okkulten Sekte über Wissenschaftler des Paranormalen her, die in dem verlassenen Haus für Forschungszwecke einziehen, indem die satanischen Mönche jeweils die Gestalt der eingedrungenen Personen annehmen.

In jüngerer Zeit bot das Science-fiction-Genre die Möglichkeit künstlich erzeugter Personen (Androide), Personen, die ihr Aussehen verändern können (Gestaltwandler), und solcher, die in einer Computerwelt (virtuelle Realität) leben, so etwa schon in Filmen wie Westworld (USA, 1973) oder dem Kinderfilm Der elektronische Doppelgänger (UdSSR, 1979).

Weiteres Vorkommen

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In vielen Kulturen und Religionen spielen doppelgängerartige Wesen als Schatten eine wichtige Rolle. In der Form einer Schutzgottheit gilt es als Ebenbild des Menschen in Pflanzen- oder Tiergestalt. Mensch und Gott sind hier stark verbunden. So in der westafrikanischen Religion der Akan und in der mittelamerikanischen Aztekenkultur (Nagual).

In Psychoanalyse und Psychologie ist der Begriff des Doppelgängers meist negativ belegt. Sigmund Freud spricht vom Doppelgänger als dem „verdrängten Anteil im Ich“. C. G. Jung spricht vom „dunklen Doppelgänger“ oder „Schatten“. Den letzteren Begriff übernahm Jung aus der Mythologie.

Wer das seltene Capgras-Syndrom hat, glaubt, jemand aus dem engen Familienkreis sei durch einen Doppelgänger ersetzt. Bei der dissoziativen Identitätsstörung hat ein Mensch mehrere Identitäten, die sich jedoch selbst nicht als Doppelgänger erleben und anderen nicht als solche präsentieren.

Eine intensive Beschäftigung mit Doppelgängermotiven fand in der Esoterik, im Spiritismus sowie in der Anthroposophie Rudolf Steiners statt[8], was Einflüsse auf die Gedankenwelt der Neoromantik und der frühen Science-Fiction hatte.[4]

In der Radiästhesie (auch Geopathologie) gilt der Doppelgänger (auch bioplasmatischer Körper, Fluidalkörper oder Ätherkörper) als energetische Erscheinungsform des Menschen, die Krankheiten wahrnimmt, bevor sie messbar werden.

Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR („Stasi“) schuf zehntausendfach Doppelgänger zu Spionagezwecken. Man kopierte die Reisepässe von Westdeutschen, die in oder (im Transit) durch die DDR reisten, ließ diese in Fälscherwerkstätten fälschen und montierte Fotos und Unterschriften von Spionen (ähnlichen Alters und ähnlicher Größe) in die gefälschten Dokumente. Das ARD-Fernsehmagazin Kontraste machte diese Praxis Anfang 2012 publik. Sogar die Identität eines Bundestagsabgeordneten wurde so gestohlen.[9]

Laut Bayerischem Landesamt für Verfassungsschutz nutzt die aus Russland gesteuerte Desinformationskampagne „Doppelgänger“ seit Mai 2023 die Imitierung seriöser Nachrichtenportale zur Verbreitung pro-russischer Narrative.[10]

  • Gerald Bär: Das Motiv des Doppelgängers als Spaltungsphantasie in der Literatur und im deutschen Stummfilm. Editions Rodopi, Amsterdam und New York, NY 2005, ISBN 978-90-420-1874-7.
  • Ingrid Fichtner (Hrsg.): Doppelgänger. Von endlosen Spielarten eines Phänomens (= Facetten der Literatur, Band 7). Haupt, Bern, Stuttgart und Wien 1999, ISBN 3-258-06000-2.
  • Christof Forderer: Ich-Eklipsen. Doppelgänger in der Literatur seit 1800. Metzler, Stuttgart und Weimar 1999, ISBN 3-476-45209-3.

Einzelnachweise

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  1. a b Doppelgänger. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Hirzel, Leipzig 1854–1961 (woerterbuchnetz.de, Universität Trier).
  2. Ursula Hermann et al.: Das deutsche Wörterbuch. Lexikographisches Institut, München 1985, S. 279.
  3. Eintrag „Doppelgänger“, in: Meyers Großes Konversations-Lexikon. Band 5. Sechste Auflage, Leipzig 1906, S. 125 (online).
  4. a b c Gerald Bär, Das Motiv des Doppelgängers als Spaltungsphantasie in der Literatur und im deutschen Stummfilm, Rodopi, Amsterdam 2005.
  5. Zitiert nach Doppelgänger. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Hirzel, Leipzig 1854–1961 (woerterbuchnetz.de, Universität Trier).
  6. E. T. A. Hoffmann: Schriften 11, 59, zitiert nach Doppelgänger. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Hirzel, Leipzig 1854–1961 (woerterbuchnetz.de, Universität Trier).
  7. Vgl. den Kommentar der Herausgeber zu Annette von Droste-Hülshoff: Sämtliche Werke in zwei Bänden, herausgegeben von Bodo Plachta und Winfried Woesler. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main, 1994, ISBN 3-618-62000-4, ISBN 3-618-62005-5.
  8. Rudolf Steiner: Der „elektronische Doppelgänger“ und die Entwicklung der Computertechnik. Eine Zusammenfassung von Vorträgen gehalten im November 1917, herausgegeben von Andreas Neider. Futurum Verlag, Basel 2012.
  9. Kontraste 2012
  10. Großangelegte russische Desinformationskampagne „Doppelgänger“ – Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz deckt technische Details auf. In: Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz. Abgerufen am 22. August 2024.
Wiktionary: Doppelgänger – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen