Dorfkirche Reinickendorf

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Dorfkirche Reinickendorf

Basisdaten
Ort Berlin-Reinickendorf,
Alt-Reinickendorf, 13407 Berlin, Deutschland
Koordinaten 52° 34′ 30,1″ N, 13° 21′ 8,5″ OKoordinaten: 52° 34′ 30,1″ N, 13° 21′ 8,5″ O
Vorlage:Infobox Kirchengebäude/Wartung/Funktion und Titel fehltVorlage:Infobox Kirchengebäude/Wartung/Konfession fehltVorlage:Infobox Kirchengebäude/Wartung/Widmung oder Patrozinium fehlt

Die Dorfkirche Reinickendorf aus unverputzten Feldsteinen ist eine der über 50 Dorfkirchen in Berlin. Sie stammt aus dem 15. Jahrhundert. Der Glockenturm wurde erst am Anfang des 18. Jahrhunderts erbaut. Das Innere der Kirche wurde mehrfach verändert, insbesondere bei der Restaurierung zwischen 1936 und 1938. Sie befindet sich in der Straße Alt-Reinickendorf unweit des U-Bahnhofs Paracelsus-Bad und steht unter Denkmalschutz.

Das um 1230 gegründete Angerdorf Reinickendorf wird zwar erst im Jahr 1397 urkundlich als Kirchdorf mit vier Pfarrhufen erkennbar, wird aber schon kurz nach der Gründung eine Holzkirche auf dem Anger, der in der Umgebung der Kirche auch als Friedhof diente, besessen haben. Über ihr Aussehen ist nichts bekannt, sie wird aber wohl im 14. Jahrhundert durch eine qualitativ bessere Fachwerkkirche ersetzt worden sein. Wohl schon vor 1375 gehörte das Gut Reinickendorf als Kämmereidorf dem Rat der Stadt Berlin, denn es wird zwar im Ortsverzeichnis des Landbuchs Karls IV. (1375) aufgeführt, jedoch ohne nähere Angaben zum Dorf (Hufenzahl usw.), weil keinerlei Abgabeverpflichtung gegenüber dem Markgrafen besteht. Diese Abgaberechte hatte der Rat vom Markgrafen erworben, so dass die Abgaben des Dorfs nach Berlin flossen. 1632 verkaufte Berlin das Dorf an den Handelsmann Engel, um es dann 1680 erneut zu erwerben (bis 1872).

Die wohl von städtischen Bauleuten errichtete spätgotische Kirche war wie ihre Vorgängerbauten von Anfang an eine Gemeindekirche (seit der Reformation 1539 evangelisch). Die Bauzeit wird zwar durch keine Urkunde belegt, das Dachwerk wird aber auf 1488 (Waldkante) datiert, so dass ihr Bau offenbar im Jahre 1488 abgeschlossen wurde. Dazu passt, dass auf der heute noch erhaltenen Bronzeglocke sich die Jahreszahl 1491 befindet. Da zu diesem Zeitpunkt noch kein Turm vorhanden war, wird angenommen, dass neben der Kirche bis ins 18. Jahrhundert ein freier Glockenträger gestanden hat, bevor der heutige verputzte Ziegelturm 1713 vor die Kirche gesetzt wurde.[1] Die Kirche war für die Bevölkerung eines mittelalterlichen Dorfs gebaut worden. 1734 hatte es erst 114 Einwohner. Die Kirche genügte nicht mehr dem Platzbedarf, nachdem die Landgemeinde Reinickendorf ab 1871 in den Sog der Großstadt Berlin geraten war. Die Einwohnerzahl wuchs bis 1890 durch neue Siedlungen auf über 10.000, aber erst die größere Segenskirche an der Auguste-Viktoria-Allee, die 1892 gebaut wurde, schuf eine Entlastung. Reinickendorf hatte bereits über 40.000 Einwohner, als es 1920 vom Kreis Niederbarnim nach Berlin kam.

Während der Kirchenrenovierung 1936–1938 wurde unterhalb des Daches ein Sgraffitoband mit Bibelsprüchen angebracht. Die altbäuerlich aussehende Bemalung der flachen Holzbalkendecke entstammt ebenfalls den Renovierungsarbeiten. Drei Eisernen Grabkreuze des seit dem Mittelalter bis etwa 1870 bestehendem Dorfkirchenfriedhof sind erhalten geblieben. Sie verzeichnen die Eheleute Kerkow und der Caroline Klamann.[2]

Dorfkirche Reinickendorf

Die steinerne Dorfkirche besteht aus Feldsteinmauerwerk, nämlich aus Findlingen unterschiedlicher Größe und Bearbeitung. Die größeren Steine sind gespalten worden, um eine glatte Außenfläche zu erzielen. Bis zu den Fensterbänken sind sie in unterschiedlich hohen Schichten verlegt; zwischen den Fenstern und darüber löst sich die Regelhaftigkeit auf. Zur Einpassung der Fenster sind zum Teil Bruchstücke von Backsteinziegeln verwendet worden. Diese Art von Mauerwerk ist typisch für das späte Mittelalter. Die Seitenwände des Langhauses gehen unmittelbar in einen halbkreisförmigen Abschluss des Chores über. Diese spezielle Art eines schiffsbreiten Polygonalchors[3] ist in Berlin einmalig und auch sonst in Brandenburg selten. Das Satteldach auf dem 18 Meter langen und gut neun Meter breiten Kirchenschiff läuft daher über dem Chor in einen halbkegeligen Walm aus. Auf der Südwand der Kirche befindet sich eine überformte Tür, die wohl zunächst in kleinerem Format als Priestertür diente. Die Kirche hatte ursprünglich ein zweischiffiges Kreuzrippengewölbe,[4] gestützt durch zwei Pfeiler in der Mitte des Kirchenraumes, immer noch erkennbar im Innenraum durch große Spitzbogenblenden.

Im Jahr 1713 wurde der Kirche ein eingezogener quadratischer Westturm aus verputztem Ziegelmauerwerk vorgesetzt. In seiner Glockenstube hängen zwei Glocken.

Gießer Gieß­jahr Material Schlag­ton Gewicht
(kg)
Durch­messer
(cm)
Höhe
(cm)
Krone
(cm)
Inschrift
unbekannt 1491 Bronze gis 376 090 72 14 XPE BEM. CUM. PACE. ANNO. DM. M. CCC. LXXXXI. O REX GLORIE.
J. F. Weule 1922 Gussstahl e 437 100 84 keine Krone WAS DER KRIEG IN BRONZE UNS NAHM GAB DER FRIEDEN IN EISEN ZURÜCK.

Das Turmdach zeigt die für das 18. Jahrhundert typische Form; das gilt auch für die Kupferspitze mit Knauf, Windfahne und Stern. Die Windfahne zeigt die Jahreszahl 1713. Bei dieser Gelegenheit wurde auch das gesamte Gebäude nach barockem Brauch verputzt. Das Innere der Kirche erwies sich im Laufe des 19. Jahrhunderts infolge starken Wachstums der Bevölkerung als zu klein. Einem neuen Gestühl und dem Bau von Emporen standen aber die Pfeiler des Gewölbes im Wege. Sie und die Gewölbedecke wurden deshalb 1828 entfernt. Bei der Instandsetzung in den Jahren 1936 bis 1938 blieb das äußere Erscheinungsbild des Baus gewahrt. Dabei wurde ein Fries mit Maßwerk unter der Dachtraufe, der wahrscheinlich im 19. Jahrhundert angebracht wurde, durch ein Sgraffito-Schriftband ersetzt. Der Innenraum wurde, um den dörflichen Bezug zu wahren, stilistisch so hergestellt, wie er im 17. Jahrhundert gewirkt hat. Die Kanzel und das heutige Taufbecken wurden 1938 aufgestellt, auch die Orgel, deren Werk inzwischen erneuert wurde, stammt aus dieser Zeit.

Im Jahr 1891 erhielt die Dorfkirche eine Orgel von Ferdinand Dinse. Diese wurde 1920 durch einen Neubau der Firma Alexander Schuke Potsdam Orgelbau (II+P, 11 Register) ersetzt. Die heutige Orgel der Dorfkirche wurde im Jahr 1970 von der Firma Karl Schuke Berliner Orgelbauwerkstatt unter Verwendung des Prospekts von 1891 erbaut (Opus 272).

I Hauptwerk C–g3
1. Gedackt 08′
2. Principal 04′
3. Spitzflöte 04′
4. Waldflöte 02′
5. Mixtur IV
II Nebenwerk C–g3
06. Rohrflöte 08′
07. Blockflöte 04′
08. Principal 02′
09. Sesquialtera II
10. Sifflöte 0113
Tremulant
Pedal C–f1
11. Subbass 16′
12. Gemshorn 08′

Literatur (chronologisch)

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  • Günther Kühne, Elisabeth Stephani: Evangelische Kirchen in Berlin. Berlin 1978.
  • Klaus-Dieter Wille: Die Glocken von Berlin (West). Geschichte und Inventar. Berlin 1987.
  • Renate und Ernst Oskar Petras (Hrsg.): Alte Berliner Dorfkirchen. Die Zeichnungen Heinrich Wohlers, Berlin 1988.
  • Hans-Jürgen Rach: Die Dörfer in Berlin. Berlin 1990.
  • Matthias Hoffmann-Tauschwitz: Alte Kirchen in Berlin. Berlin 1991.
  • Markus Cante: Kirchen bis 1618, in: Berlin und seine Bauten, Teil VI: Sakralbauten. Hrsg.: Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin, Berlin 1997, S. 349f.
  • Matthias Friske: Die mittelalterlichen Kirchen auf dem Barnim. Geschichte – Architektur – Ausstattung, Lukas-Verlag, Berlin 2001 (Kirchen im ländlichen Raum, Bd. 1), ISBN 3-931836-67-3
  • Christel Wollmann-Fiedler, Jan Feustel: Alte Dorfkirchen in Berlin. Berlin 2001
  • Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Band Berlin. München/Berlin 2006.
Commons: Dorfkirche Reinickendorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Eine zweite Glocke erhielt die Kirche 1610; sie musste im Ersten Weltkrieg für Rüstungszwecke abgeliefert werden.
  2. Klaus Schlickeiser: Teil 1: Alt-Reinickendorf und Residenzstraße. In: Förderkreis für Bildung, Kultur und internationale Beziehungen Reinickendorf e. V. (Hrsg.): Spaziergänge in Reinickendorf. Berlin 2006, ISBN 3-927611-25-5, S. 6.
  3. Der Kreis ist die Extremform eines Polygons.
  4. Möglicherweise aber auch erst eine Ergänzung aus der Zeit um 1600.