Ekkehard Tertsch

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Ekkehard Tertsch (* 3. August 1906 in Triest, Österreich-Ungarn; † 30. August 1989 in Madrid) war ein österreichischer Journalist. Er begann 1940 seine Karriere im deutschen diplomatischen Dienst als Pressereferent und überzeugter Nationalsozialist. Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 stand er im Verdacht von dem Plan Hitler zu töten gewusst zu haben, wurde verhaftet und blieb bis Kriegsende im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Anschließend war er in Spanien journalistisch tätig und beriet auch die österreichische Regierung über spanische Fragen.

Leben und Karriere

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Ekkehard Tertsch studierte ab 1924 Geisteswissenschaften in Wien und promovierte 1928 zum Dr. phil. Parallel dazu absolvierte er von 1926 bis 1928 eine Ausbildung an der Konsularakademie Wien. Anschließend arbeitete er als Journalist.[1]

Schon zum 22. März 1933 trat er in Wien der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 1.528.409).[2][3] Nach dem Verbot der Partei in Österreich im Juni 1933 arbeitete er für deutsche Organisationen als Informant. Allerdings glaubte die Gestapo, dass er für einen Geheimdienst oder die österreichische Polizei arbeiten würde. Bis 1936 war er Sekretär des Wiener Bankiers und Industriellen Hermann Oppenheim. Zeitweise lebte Tertsch in London als Vertreter für österreichisches Kunstgewerbe.[1] Nach dem Anschluss Österreichs kehrte er nach Wien zurück. Dort trat er im April 1938 der SA-Reiterstandarte bei, zunächst als Obertruppführer, 1943 wurde er SA-Sturmführer.[4]

Im Jahr 1940 begann er seine Karriere im deutschen diplomatischen Dienst als überzeugter Nationalsozialist. Das Auswärtige Amt beschäftigte Tertsch als Pressereferent in Berlin, Vichy und Zagreb.[3] 1943 wurde er stellvertretender Pressechef an der deutschen Botschaft in Madrid. Er war ein enger Mitarbeiter von Josef Hans Lazar, ebenfalls ein österreichischer Diplomat und Journalist, und galt als wichtiger NS-Propagandist in Spanien während des Zweiten Weltkriegs.[5][6][7][8]

Nach dem erfolglosen Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 geriet Tertsch ins Visier des deutschen Polizeiattachés in Madrid und SS-Sturmbannführers Paul Winzer. Es kamen Zweifel an seiner Zuverlässigkeit auf. Er stand im Verdacht von dem Plan Hitler zu töten gewusst zu haben.[3] Der Grund waren laut dem Historiker Stefan A. Müller seine Kontakte zu Graf Josef von Ledebour, einem Österreicher im Dienste des Abwehramtes, der sich vor dem Attentat bei Tertsch in Madrid aufgehalten hatte. Auch galten beide als Sympathisanten für eine österreichische Unabhängigkeitsbewegung.[9] Das Auswärtige Amt bestellte Tertsch im August 1944 unter einem Vorwand und größer Geheimhaltung nach Berlin. Dort nahm man ihm den Pass ab, die Gestapo verhaftete ihn und er wurde im Zellengefängnis Lehrter Straße inhaftiert. In den anschließenden Verhören belastete er seinen Vorgesetzten Lazar, der ebenfalls von dem Attentat gewusst haben soll. Lazar konnte sich entlasten und entging einer Inhaftierung.[3] Tertsch jedoch wurde nach einem Luftangriff, der das Gefängnis beschädigt hatte, am 20. Februar 1945 mit 17 anderen politischen Gefangenen in den Zellenbau im KZ Sachsenhausen gebracht,[10] wo er bis zur Evakuierung des Lagers Ende April 1945 inhaftiert blieb.[11]

Nach dem Krieg floh er als Priester verkleidet nach Spanien. Für ehemalige österreichische Nationalsozialisten wurde nach 1945 das franquistische Spanien ein sicherer Zufluchtsort. Tertsch gab ab 1946 das Wirtschaftsbulletin Spanish Economic News Service (SENS)[12] heraus, das der österreichischen Botschaft für politische Berichte diente. Auf Englisch, Französisch oder Deutsch enthielt es Informationen aus Industrie, Handel und Wirtschaftspolitik.[13] Auch war er als Korrespondent für verschiedene österreichische Zeitungen tätig und wurde 1949 Berater der diplomatischen Vertretungen Österreichs in Spanien. Ab 1959 war er unbesoldeter Korrespondent für das österreichische Bundespresseamt.[9] In der Endphase der Franco-Diktatur schrieb Tertsch zwischen 1970 und 1975 für Die Presse über einige aufsehenerregende politische Ereignisse in Spanien, darunter 1970 die „Prozesse von Burgos“ gegen 16 Mitglieder der baskischen Untergrundorganisation ETA sowie 1973 das Attentat auf Luis Carrero Blanco und den anschließenden Prozess.[14]

Seine Eltern waren der Mineraloge und Landesschulinspektor Hermann Tertsch und Stephanie Tertsch, geborene Maras. Er war katholisch. In zweiter Ehe heiratete er 1955 Felisa Maria de Iciar del Valle Lersundi y del Valle. Einer ihrer beiden Söhne ist der spanische Journalist und Politiker Hermann Tertsch.[1]

  • Studien zur Quellengeschichte des mittelhochdeutschen Gedichts vom Grafen Rudolf. Wien 1928[1]
  • Winfried Meyer: Ekkehard Tertsch. In: ders. (Hrsg.): Verschwörer im KZ. Hans von Dohnanyi und die Häftlinge des 20. Juli 1944 im KZ Sachsenhausen. Edition Hentrich, Berlin 1999, ISBN 978-3-89468-251-4, S. 357–360.
  • Tertsch, Ekkehard. In: Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945, Band 5: T–Z, Nachträge. Herausgeber: Auswärtiges Amt – Historischer Dienst, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2014, ISBN 978-3-506-71844-0, S. 13–14.
  • Rudolf Agstner: Vom Ballhausplatz zur Wilhelmstraße - Österreicher und Österreicherinnen im Dienste des Auswärtigen Amtes des Deutschen Reiches 1938-1945, in: ders: Handbuch des Österreichischen Auswärtigen Dienstes, Teil: Bd. 1., 1918 - 1938 - Zentrale, Gesandtschaften und Konsulate. Lit Verlag, Wien/Münster 2015, ISBN 978-3-643-50685-6, S. 351.

Einzelnachweise

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  1. a b c d Tertsch, Ekkehard. In: Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871-1945, Band 5: T-Z, Nachträge. Herausgeber: Auswärtiges Amt – Historischer Dienst, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2014, ISBN 978-3-506-71844-0, S. 13–14.
  2. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/44260031
  3. a b c d Sebastian Weitkamp: Kooperativtäter – die Beteiligung des Auswärtigen Amts an der NS-Gewaltpolitik jenseits der „Endlösung“. 6. Das Auswärtige Amt gegen sich selbst – Die Fälle Erich Heberlein und Ekkehard Tertsch. In: Johannes Hürter und Michael Mayer (Hrsg.): Das Auswärtige Amt in der NS-Diktatur. De Gruyter Oldenbourg, Berlin 2014, ISBN 978-3-486-78139-7, S. 210–211.
  4. Stefan A. Müller: Die Beziehungen Österreichs zu Spanien 1945-1978. In: Stefan A. Müller, David Schriffl, Adamantios T. Skordos (Hrsg.): Heimliche Freunde. Die Beziehungen Österreichs zu den Diktaturen Südeuropas nach 1945: Spanien, Portugal, Griechenland. Wien. Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2016. ISBN 978-3-205-20101-4. S. 27
  5. Marc Pons: El régimen franquista pasea al dirigente nazi Thomsen por Barcelona. In: Elnacional.cat. 19. April 2019 (spanisch, elnacional.cat).
  6. Mercedes Peñalba-Sotorrío: Hans Lazar, Master of Propaganda, S. 3. Universidad Complutense Madrid, abgerufen am 14. Januar 2022.
  7. Josef Hans Lazar, bei gatopardo (Liste der von Spanien protegierten Nazis).
  8. Peter Longerich: Propagandisten im Krieg: Die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes unter Ribbentrop. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1987, Seite 202
  9. a b c Stefan A. Müller: Die Beziehungen Österreichs zu Spanien 1945-1978. In: Stefan A. Müller, David Schriffl, Adamantios T. Skordos (Hrsg.): Heimliche Freunde. Die Beziehungen Österreichs zu den Diktaturen Südeuropas nach 1945: Spanien, Portugal, Griechenland. Böhlau Verlag, Wien u. a. 2016, ISBN 978-3-205-20101-4, S. 27
  10. Johannes Tuchel: "...und ihrer aller wartet der Strick" Das Zellengefängnis Lehrter Straße 3 nach dem 20. Juli 1944. Lukas-Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-86732-178-5, S. 156.
  11. Winfried Meyer: Terror und Verfolgung nach dem 20. Juli 1944 und das KZ Sachsenhausen. In ders. (Hrsg.): Verschwörer im KZ. Hans von Dohnanyi und die Häftlinge des 20. Juli 1944 im KZ Sachsenhausen. Edition Hentrich, Berlin 1999, ISBN 978-3-89468-251-4, S. 22
  12. José Apezarena: Periodismo al oído. Los confidenciales: de las cartas manuscritas a Internet. Random House Mondadori, Barcelona 2005, ISBN 978-84-8306-638-6 (spanisch, google.com).
  13. Stefan A. Müller: Die Beziehungen Österreichs zu Spanien: 1945-1978. In: Stefan A. Müller, David Schriffl, Adamantios T. Skordos (Hrsg.): Heimliche Freunde. Die Beziehungen Österreichs zu den Diktaturen Südeuropas nach 1945: Spanien, Portugal, Griechenland, Böhlau Verlag, Wien u. a. 2016, ISBN 978-3-205-20101-4, S. 115.
  14. Alexandra Schiep: Die Darstellung der Endphase der Diktatur in Spanien in den österreichischen Medien. Ein Blick auf die politischen Beziehungen zwischen Spanien und Österreich in den Jahren 1970 bis 1975. Diplomarbeit, Universität Wien 2015, Volltext zum Herunterladen, S. 38, S. 63