Eliezer Tsafrir
Eliezer (Ge'isi) Tsafrir (hebräisch אליעזר "גייזי" צפריר; * 1933 im Iran) ist ein israelischer Autor kurdischer Abstammung. Er war Mitarbeiter des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad und wurde durch verschiedene Aussagen und Berichte zu geheimen Aktivitäten des Mossad im Nordirak und Iran bekannt. Er gilt als Experte zur Frage der Haltung des iranischen Volkes gegenüber dem Iran-Israel-Konflikt und dem iranischen Atomprogramm.[1][2]
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eliezer Tsafrir wurde nach eigenen Angaben und verschiedenen Medienberichten sowie nach Darstellung in mehreren Sachbüchern als junger Offizier vom Mossad im kurdischen Nordirak eingesetzt. Tsafrir, der selbst kurdischer Abstammung ist, soll dabei mit Hilfe des iranischen Nachrichtendienstes SAVAK den Irak vom Iran her infiltriert haben.[3][4][5] Er soll in den 1960er und 1970er Jahren als Leiter einer Mossad-Delegation im Iran und Irak sowie vor allem im „irakischen Kurdistan“ tätig gewesen sein.[6] In den späten 1970er Jahren, noch während der letzten Regierungszeit des iranischen Schahs Mohammad Reza Pahlavi, soll Tsafrir als Nachfolger von Merhav der letzte Mossad-Chef in Teheran gewesen sein.[4][7]
Nachdem es in Israel im September 1986 zu einem Amtswechsel nach dem israelischen Modell gekommen und Ministerpräsident Schimon Peres von Jitzchak Schamir abgelöst worden war, wurde einige Zeit später Tsafrir vom neuen Ministerpräsidenten Schamir, der ihn aus früherer gemeinsamer Tätigkeit beim Mossad kannte, als Berater für arabische Angelegenheiten hinzugezogen.[8] Einer der Schwerpunkte von Tsafrirs Arbeit lag darin, die Ausbreitung der Intifada im israelischen Gebiet in den Grenzen von 1967 zu verhindern.[9]
1992 ging Tsafrir in den Ruhestand. Er lebt in einem Vorort von Tel Aviv.[10]
Autor, Interviewpartner, Referent
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst veröffentlichte Tsafrir mehrere, teils autobiografische Bücher sowie einen Roman, in denen er seine Erlebnisse verarbeitete sowie sich zudem mit zeitgeschichtlichen Themen wie dem Libanonkrieg 1982 befasste. Die Veröffentlichungen „des ehemaligen Mossad-Agenten und Regierungsberaters Tsafrir“ als „Zeuge von dramatischen geschichtlichen Ereignissen“ (Haaretz[11]) stießen auf öffentliches Interesse; sie erfuhren teils weitere Ausgaben und wurden teils zusätzlich als E-Book veröffentlicht. Seine 2002 erschienene Biografie Śaṭan gadol, Śaṭan ḳaṭan. mahpekhah u-miluṭ be-Iran (dt. Großer Satan, kleiner Satan. Revolution und Flucht im Iran) wurde u. a. von der israelischen Tageszeitung Haaretz ausführlich rezensiert (Rezensionszitat: engl. „this book is fascinating, and is recommended reading for anyone who is interested in Israeli-Iranian relations on the eve of the revolution“) sowie im gleichen Jahr im Rahmen eines Seminars am Begin-Sadat-Center for Strategic Studies (BESA) an der Bar-Ilan-Universität in Tel Aviv zur Diskussion gestellt.[11][12]
Darüber hinaus gab Tsafrir seither zahlreiche Interviews und Kommentare in israelischen und ausländischen Medien.[13] So wurde Tsafrir z. B. 2008 von dem Journalisten Matti Friedman für Associated Press (AP) interviewt; der (englischsprachige) AP-Bericht über das Interview und Tsafrirs Aussagen erschien u. a. in der US-amerikanischen Tageszeitung USA Today.[10] Nach einem Bericht im deutschsprachigen Programm des staatlich iranischen Nachrichtensenders IRIB vom Juli 2010, der sich auf Interviewaussagen von Tsafrir im israelischen Armeerundfunk bezieht, soll Tsafrir inzwischen die „Spionage für Israel im Irak vor allem im Norden des Landes zugegeben“ haben.[14]
Im Februar 2012 berichtete das Schweizer Fernsehen (SF) in einem Beitrag in der regelmäßigen Informationssendung 10vor10 über den Konflikt zwischen Iran und Israel sowie über das iranische Atomprogramm, indem u. a. folgendes Statement von Tsafrir zitiert wurde:[1]
„Es sind mehrere Organisationen aktiv im Iran, so aktiv wie nur möglich! Der Mossad, der britische MI6, die amerikanische CIA. Für ihre Zwecke nutzen sie vor allem die Minderheit der Kurden!“
Ebenfalls im Februar 2012 wurde Tsafrir zum Iran-Israel-Konflikt und zum iranischen Atomprogramm vom israelischen Radiosender Arutz Sheva interviewt. Das Radio-Interview mit Tsafrir, über das der Sender später auch in seinem Webauftritt berichtete, erfolgte im Vorfeld einer Fachtagung am Truman Institut an der Hebräischen Universität Jerusalem, an der Tsafrir dann als Referent teilnahm und zur Frage der Haltung des iranischen Volkes Stellung bezog. Laut Online-Bericht von Arutz Sheva sagte Tsafrir u. a., er glaube, dass es letztlich keine andere Wahl geben werde, als einen Militärschlag gegen die iranischen Atomanlagen auszuüben:[2]
“Former Mossad official Eliezer Tsafrir, who was the last person to serve in the agency's office in Iran, said […] he believes there will ultimately be no choice other than to launch a military strike on Iran’s nuclear facilities.”
Darüber hinaus wurde Tsafrir zu verschiedenen Foren, Tagungen und wissenschaftlichen Konferenzen in Israel und dem Ausland als Referent eingeladen. Außerdem ist Tsafrir als wissenschaftlicher Mitarbeiter am International Institute for Counter-Terrorism (ICT) an der israelischen Privatuniversität Interdisciplinary Center (IDC) in Herzlia sowie als Berater von Sicherheitsdiensten tätig.[13]
Publikationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- „אנא כורדי. 75 שנות מולא מוצטפה ועוד 4000. רומן מלחמה ומילוט בכורדיסטאן“ (hebr.: Ana Kurdi. 75 shenot Mula Mutsṭafah ṿe-ʻod 4000. roman milḥamah u-miluṭ be-Kurdisṭan). הוצאת הד ארצי/Hed Arzi Publishing House, Or Jehuda 1999, LCCN 99-426830 (hebräisch; Roman; ebenfalls 1999 im gleichen Verlag auch als E-Book in hebräischer Sprache erschienen, vgl. Angaben zu den verschiedenen Ausgaben bei WorldCat).
- „שטן גדול, שטן קטן. מהפכה ומילוט באיראן“ (hebr.: Śaṭan gadol, Śaṭan ḳaṭan. mahpekhah u-miluṭ be-Iran). ספרית מעריב/Sifriyat Maʻariv, Or Jehuda 2002, LCCN 2003-546710 (hebräisch; Biografie; ebenfalls 2002 im gleichen Verlag auch als E-Book in hebräischer Sprache erschienen, vgl. Angaben zu den verschiedenen Ausgaben bei WorldCat; engl. Rezension in der Haaretz).
- „פלונטר. ״שוטר תנועה״ בסבך הלבנוני“ (hebr.: Plonter: „shoṭer tenuʻah“ ba-sevakh ha-levanoni). Miśkal/Yedioth Acharonoth Books, Tel Aviv 2006, ISBN 965-482-214-8;
eine weitere Ausgabe erschien 2006 bei הוצאת כרמל/Carmel Publishing, Jerusalem (hebräisch; Erlebnisbericht über den Libanonfeldzug 1982; ebenfalls 2006 bei Yedioth auch als E-Book in hebräischer Sprache erschienen, vgl. Angaben zu den verschiedenen Ausgaben bei WorldCat). - zusammen mit Farnūsh Rām: persisch شيطان بزرگ، شيطان کوچک. خاطرات آخرين نماينده اطلاعات موساد در ايران Shayṭān-i buzurg, shayṭān-i kūchak. khāṭirāt-i ākharīn namāyandah-i iṭṭilāʻātī-i Mūsād dar Īrān. Shirkat-i Kitāb, Los Angeles 2007, ISBN 978-1-59584-053-0 (erweiterte, persischsprachige Ausgabe von Śaṭan gadol, Śaṭan ḳaṭan. mahpekhah u-miluṭ be-Iran, Or Jehuda 2002).
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Trita Parsi: Treacherous Alliance. The Secret Dealings of Israel, Iran, and the United States. Yale University Press, New Haven 2007, ISBN 978-0-300-13806-1, u. a. S. 53–55, 77–79, 129, 288, 294, 300, 310, 360 (englisch).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Werke von Eliezer Tsafrir bei Open Library
- Associated Press (AP)-Interview mit Elizier Tsafrir in USA Today vom 19. Februar 2008 (englisch)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c Vgl.: Achille Casanova: «10vor10»-Beitrag «Israel sieht grosse Gefahr im Iran» war sachgerecht (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.. Abschlussbericht der Ombudsstelle der SRG Deutschschweiz vom 30. April 2012 zu einer Eingabe gegen den 10vor10-Beitrag Israel sieht grosse Gefahr im Iran (Sendung vom 23. Februar 2012). Abgerufen am 24. April 2013.
- ↑ a b c Elad Benari: Expert: There Will be No Choice, Other than to Attack Iran. Im Webauftritt von Arutz Sheva vom 27. Februar 2012; englisch, abgerufen am 1. Mai 2013.
- ↑ Trita Parsi: Treacherous Alliance. The Secret Dealings of Israel, Iran, and the United States. Yale University Press, New Haven 2007, ISBN 978-0-300-13806-1, S. 49–60, 77–81 (englisch; Auszug bei Google Bücher).
- ↑ a b Yossi Melman, Meir Javedanfar: The Nuclear Sphinx of Tehran. Mahmoud Ahmadinejad and the State of Iran. Basic Books, New York 2008, ISBN 978-0-7867-2106-1, S. 79–80 (Zitat: „‚To a certain degree, we were the masters of SAVAK‘, says Eliezer Tsafrir. As a young officer Tsafrir served as a Mossad liaison to the Kurdish headquarters in the mountainous northern region of Iraq. He arrived there by infiltrating Iraq from Iran with the help of SAVAK. A decade later he was the last chief of the Mossad station in Theran, in the Sha's last days.“) (englisch; Auszug bei Google Bücher).
- ↑ Philip H. J. Davies, Kristian C. Gustafson: Intelligence Elsewhere. Spies and Espionage Outside the Anglosphere. Georgetown University Press, Washington 2013, ISBN 978-1-58901-957-7, S. 155–156, Anmerkung 57 (Zitat: „Eliezer Tsafrir, who had been a senior Mossad official, revealed that Israeli-Kurdish relations were so good that Israel had military advisers in Iraqi Kurdish regions during the period 1963–75 and the Kurds had assisted in the movement of Jews from the areas to Israel as far back as the 1950s. Reuters February 21, 1999.“)(englisch; Auszug bei Google Bücher).
- ↑ Trita Parsi: Treacherous Alliance. The Secret Dealings of Israel, Iran, and the United States. Yale University Press, New Haven 2007, ISBN 978-0-300-13806-1, S. 288, Fußnote 29 (englisch; Auszug bei Google Bücher).
- ↑ Ronen Bergman: The secret war with Iran. The 30-year covert struggle for control of a „Rogue“ state. Oneworld, Oxford 2008, ISBN 978-1-85168-622-3, S. 18 (englisch; Auszug bei Google Bücher).
- ↑ Julia Brauch: Nationale Integration nach dem Holocaust. Israel und Deutschland im Vergleich (= Campus Forschung, Band 876). Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-593-37622-9, S. 210, Fußnote 48 (zugleich Dissertation, Freie Universität Berlin 2004).
- ↑ Ori Stendel: The Arabs in Israel. Sussex Academic Press, 1996, ISBN 1-898723-24-9, S. 33 (englisch; Auszug bei Google Bücher).
- ↑ a b Matti Friedman (Associated Press (AP)): Mossad man remembers slain militant. In: USA Today vom 19. Februar 2008; englisch, abgerufen am 1. Mai 2013.
- ↑ a b David Arbel: Just minutes before midnight. In: Haaretz vom 30. August 2002; englisch, abgerufen am 2. Mai 2013.
- ↑ Winds of Change in Iran? ( des vom 10. Juni 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. . In: BESA Bulletin Nr. 15 vom Februar 2003, hrsg. vom Begin-Sadat-Center for Strategic Studies (BESA) an der Bar-Ilan-Universität, Tel Aviv; englisch, abgerufen am 2. Mai 2013.
- ↑ a b Angaben zu Eliezer Tsafrir beim International Institute for Counter-Terrorism (ICT) an der israelischen Privatuniversität Interdisciplinary Center (IDC) in Herzlia; abgerufen am 2. Mai 2013.
- ↑ (IRIB): Israel spioniert im Nordirak. Bericht vom 5. Juli 2010 im deutschen Programm des staatlich iranischen Nachrichtensenders IRIB. Abgerufen am 24. April 2013.
Personendaten | |
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NAME | Tsafrir, Eliezer |
ALTERNATIVNAMEN | Tsafrir, Ge'isi |
KURZBESCHREIBUNG | israelischer Autor und Mossad-Mitarbeiter |
GEBURTSDATUM | 1933 |
GEBURTSORT | Iran |