Emilie Winkelmann

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Emilie Winkelmann (* 8. Mai 1875 in Aken; † 4. August 1951 auf Gut Hovedissen) war die erste freiberufliche Architektin Deutschlands.

Ottilie-von-Hansemann-Haus (Mai 2013)
Leistikowhaus (März 2014)
1908 erbautes Landhaus in Berlin-Westend, Lindenallee 21 (März 2014)
Landhaus „Zankapfel“, Rosa-Luxemburg-Straße 13 in Potsdam-Babelsberg (Februar 2021)

Die Tochter eines Lehrers erlernte das Handwerk des Zimmerers und arbeitete bereits als junges Mädchen im Baugeschäft ihres Großvaters, wo sie unter anderem Um- und Neubauten projektierte. Später arbeitete sie in Berlin, Dortmund und Bochum in verschiedenen Architekturbüros. 1902 gelang es ihr, obwohl Frauen zu dieser Zeit in Preußen keinen Zugang zu Hochschulen hatten, ausnahmsweise eine Zulassung zur TH Hannover zu bekommen. Dazu hatte sie ihr Gesuch mit E. Winkelmann unterzeichnet. Ihr Studium, in dem sie offiziell nur als „Hospitantin“ galt[1] und ihren Lebensunterhalt finanzierte sie durch Arbeit in einem Zeichenbüro. 1906 wurde sie jedoch nicht zur Diplom-Prüfung zugelassen.

Winkelmann ging daraufhin nach Berlin, wo sie zunächst ein Jahr in einer Baukanzlei arbeitete. 1907 eröffnete sie als erste selbstständige Architektin Deutschlands ihr eigenes Büro. Im gleichen Jahr errang sie den 1. Preis in einem Architekturwettbewerb für ein Theatergebäude mit Festsaal in der Berliner Blumenstraße. Nach dem Bau des Theaters, der 1908 begonnen wurde, folgten Aufträge vermögender Bauherren für Villen und Landhäuser in Berlin, Babelsberg und Schleswig. Nach ihren Plänen wurde von 1909 bis 1910 in Charlottenburg ein großes städtisches Mietshaus, das Leistikowhaus[2] (heute in Berlin–Westend) errichtet.

Von 1910 bis 1912 führte sie zahlreiche Projekte auf ländlichen Herrensitzen in der Provinz Pommern aus, unter anderem in Wundichow im Kreis Stolp und in Karwitz im Landkreis Dramburg. In Wieck bei Gützkow wurde sie von der Familie von Lepel mit dem Umbau ihres Herrenhauses beauftragt, wofür ihr nach Fertigstellung 1912 in der Zeitschrift „Bauwelt“ Anerkennung gezollt wurde. In Klein Kiesow errichtete sie ein zwölfachsiges Gutshaus. Beim Wasserschloss Mellenthin baute sie 1912 die vorhandenen Pferde- und Rinderställe zu Wohn- und Wirtschaftsgebäuden im zeitgenössischen Stil um. Um 1906 entstand in Alt Necheln bei Brüel das Gutshaus für die Familie Booth.

1913 entwarf Emilie Winkelmann im Auftrag der „Genossenschaft für Frauenheimstätten“ Neu-Babelsberg-Nowawes das „Haus in der Sonne“. Das Gebäude in der heutigen Hermann-Maaß-Straße 18/20 in Babelsberg war gedacht für alleinstehende berufstätige Frauen, die in Rente gingen, aber weiterhin unabhängig leben wollten. 1914 entstanden für sie 14 moderne Wohnungen mit 1 bis 3 Zimmern, einer schmalen Küche, Toilette, beheizbarer Loggia, teilweise eigenem Bad und Zentralheizung. Durch den Ersten Weltkrieg wurde die weitere Bebauung des Areals unterbrochen und erst 1928 durch den Architekten Friedrich Lüngen weitergeführt.[3]

Zu Emilie Winkelmanns bedeutendsten Bauten zählt das zwischen 1914 und 1915, im Ersten Weltkrieg, errichtete „Viktoria-Studienhaus“. An der heutigen Otto-Suhr-Allee in Berlin-Charlottenburg gelegen, zitiert sein Äußeres die Architektur des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Heute Ottilie-von-Hansemann-Haus geheißen, steht es unter Denkmalschutz. Entstanden unter dem Protektorat der Kaiserin Auguste Viktoria, basierte das Konzept auf den Reformideen der Frauenbewegung. Die Verbindung zwischen gemeinsamen Lernen und Wohnen war damals, bei einem Projekt der Mädchen- und Frauenbildung, europaweit einzigartig.[4][5]

Bedingt durch eine seit 1916 schwere chronische Erkrankung des Gehörs litt sie später an Schwerhörigkeit und Desorientierung. Nach dem Ersten Weltkrieg gelang es ihr nicht, ihren früheren beruflichen Erfolg fortzusetzen. Das Neue Bauen in der Weimarer Republik stand nicht mit ihren Erfahrungen in Einklang. Vor allem mit Projekten im Kleinwohnungsbau versuchte sie, Anschluss an die Entwicklung zu gewinnen. Erst 1928 wurde sie in den Bund Deutscher Architekten aufgenommen. Da sie sich weder in den 1920er noch in den 1930er Jahren parteipolitisch betätigte, blieben öffentliche Aufträge aus. Wesentlichen Anteil an ihrer Arbeit nahm weiterhin die Modernisierung von Guts- und Herrenhäusern ein, aber auch der Neubau z. B. des in den 1920er Jahren errichteten Schloss Nieden der von Winterfeld bei Pasewalk. Von 1939 bis zu dessen Zerstörung 1945 arbeitete sie am Umbau von Schloss Grüntal bei Bernau bei Berlin.

Zum Kriegsende konnte sie bei einer ihrer Bauherrenfamilien auf Gut Hovedissen bei Bielefeld unterkommen. Dort widmete sie sich bis zu ihrem Tod dem Wiederaufbau des Gutes und der Unterbringung von Flüchtlingen und Vertriebenen. Emilie Winkelmann wurde im Familiengrab in Aken beigesetzt.

Die von ihr projektierten Villen und Landhäuser gelten auch heute noch als bemerkenswert modern und denen von berühmten Architekten wie Alfred Messel und Hermann Muthesius als ebenbürtig. Viele von ihr entworfene Gebäude, die meist den individuellen Bedürfnissen der Bewohner angepasst waren, stehen heute unter Denkmalschutz.[6]

In Babelsberg erinnert seit 2012 eine Tafel des Projektes FrauenOrte im Land Brandenburg vor dem von ihr entworfenen „Haus in der Sonne“ in der Hermann-Maaß-Straße 18/20, das heute dem Bauverein Babelsberg eG gehört, an Emilie Winkelmann.

  • Sonia Ricon Baldessani: Wie Frauen bauen. Architektinnen. Von Julia Morgan bis Zaha Hadid. AvivA Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-932338-12-X, S. 24–33.
  • Kerstin Dörhöfer: Pionierinnen in der Architektur. Eine Baugeschichte der Moderne. Wasmuth Verlag, Tübingen 2004, ISBN 3-8030-0639-2.
  • Hans-Georg Lippert: Emilie Winkelmann, Deutschlands erste Architektin. Emilie Winkelmann, Germany's First Woman Architect. In: Frau Architekt. Seit mehr als 100 Jahren: Frauen im Architekturberuf. Over 100 Years of Women in Architecture. Hg. von Mary Pepchinski u. a. Wasmuth, Tübingen, Berlin 2017, ISBN 978-3-8030-0829-9, S. 78–85.
  • Sophie Schleimer: Emilie Winkelmann, Berlin um 1914. In: Insitu 2024/2, S. 295–304.
  • Jürgen Schröder: Deutschlands erste Architektin. Emilie Winkelmann baute auch in Vorpommern. In: Heimatkurier, Beilage zum Nordkurier, 24. Juli 2006, S. 24.
  • Bettina Schröder-Bornkampf: Winkelmann, Louise Emilie. In: Eva Labouvie (Hg.): Frauen in Sachsen-Anhalt. Band 2: Ein biographisch-bibliographisches Lexikon vom 19. Jahrhundert bis 1945. Böhlau, Köln u. a. 2019, ISBN 978-3-412-51145-6, S. 442–445.
  • Wolfgang Voigt: Die erste deutsche Architektin und die bauende Lesbe als Zerrbild im homophoben Roman: Emilie Winkelmann und Blanka Wild. In: ders. / Uwe Bresan (Hg.) Schwule Architekten – Gay Architects. Verschwiegene Biografien vom 18. bis zum 20. Jahrhundert – Silent Biographies from 18th to 20th Century. Wasmuth & Zohlen, Berlin 2023, ISBN 978 3 8030 2378 0, S. 100–109.
  • Emilie Winkelmann. In: archINFORM.
  • Hainer Weißpflug: Winkelmann, Emilie. In: Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke (Hrsg.): Berliner Bezirkslexikon, Charlottenburg-Wilmersdorf. Luisenstädtischer Bildungsverein. Haude und Spener / Edition Luisenstadt, Berlin 2005, ISBN 3-7759-0479-4 (luise-berlin.de – Stand 7. Oktober 2009).
  • Emilie Winkelmann. FrauenOrte im Land Brandenburg
  • Emilie Winkelmann – Deutschlands erste Architektin. (Wiederholung am 18. Juli 2021). In: rbb. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 26. Juli 2021; abgerufen am 12. August 2023.

Einzelnachweise

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  1. Hans-Georg Lippert: Emilie Winkelmann, Deutschlands erste Architektin. In: Frau Architekt. Seit mehr als 100 Jahren: Frauen im Architekturberuf. Hrsg. von Mary Pepchinski u. a. Wasmuth, Tübingen, Berlin 2017. ISBN 978-3-8030-0829-9, S. 78.
  2. Leistikowhaus
  3. Genossenschaftsforum e. V. (Hrsg.): Weibliche Wege in Potsdamer Wohnungsgenossenschaften. edition arkadien, Berlin 2011, ISBN 978-3-930075-38-6, S. 10–11.
  4. Ottilie-von-Hansemann-Haus. In: archINFORM; abgerufen am 1. Dezember 2009.
  5. Berlins Wohnungsbauarchitek:innen: Deutschlands erste Frau ihrer Profession, in: Mietermagazin des Berliner Mietervereins, Heft 12/20213 (Dezember), S. 24–25
  6. Winkelmann weitergebaut – Sanierung und Erweiterung eines historischen Wohnhauses in Berlin von BSL Architekten. In: BauNetz. 21. Januar 2021, abgerufen am 23. Januar 2021.