Eric von Hippel
Eric Arthur von Hippel (* 27. August 1941) ist ein US-amerikanischer Ökonom und seit 1973 Professor an der MIT Sloan School of Management. Er ist vor allem für seine Arbeiten zu „Nutzerinnovationen“ („user innovations“) bekannt – Innovationen, die von Nutzern und nicht von Produzenten der betrachteten Produkte ausgehen. Von Hippel und Koautoren zeigten, dass in manchen Branchen ein Großteil der Innovationen, vor allem radikaler Innovationen, von Nutzern ausgehen. Um das Phänomen zu beschreiben, prägte er 1986 den Begriff des „lead users“, der früher als das Gros des Marktes Bedarf an einer bestimmten Innovation hat und zudem erwartet, in besonderem Maße von einer Befriedigung dieses Bedarfs zu profitieren.
Die Arbeiten Eric von Hippels finden Anwendung im Innovationsmanagement und im Management von Open-Source-Software. Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Artikel und der Bücher The Sources of Innovation (1988), Democratizing Innovation (2005) und Free Innovation (2017).
Von Hippel wurden die Ehrendoktorwürden vierer Universitäten verliehen. Er wurde ausgezeichnet mit dem Humboldt-Forschungspreis, dem EU Innovation Luminary Award (2015), dem Schumpeter School Prize (2017) und der Portugal Medal of Science (2020). Von Hippel ist Beiratsmitglied von Patient Innovation, einer gemeinnützigen internationalen Plattform, auf der sich Patienten und Pflegende über Innovationsideen zu Therapien und Hilfsmitteln austauschen.[1]
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eric von Hippel ist der Sohn von Dagmar von Hippel, geb. Franck, und des Materialwissenschaftlers und Physikers Arthur Robert von Hippel, der ebenfalls Professor am MIT war.[2] Sein Großvater mütterlicherseits ist der Nobelpreisträger James Franck,[3] sein Großonkel war der deutsche Ophthalmologe Eugen von Hippel. Von Hippel wuchs in Weston (Massachusetts) mit seinen Eltern, drei Brüdern und einer Schwester auf.[3]
Ausbildung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Von Hippel besuchte zunächst eine öffentliche Schule, wechselte dann aber in die private und liberale Cambridge School of Weston.[4] Seinen Bachelor erlangte er an der Harvard-Universität im Bereich Ökonomie.[5] 1966 absolvierte er seinen Master of Science im Bereich Maschinenbau am MIT.[3] Anschließend gründete er ein eigenes Unternehmen, arbeitete als Strategieberater bei McKinsey und machte dann seinen Ph.D an der Carnegie Mellon University im Bereich Innovationsmanagement.[6] Seit 1973 ist er Professor an der MIT Sloan School of Management.[6]
Forschung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Von Hippel hat drei Bücher verfasst, die seine Forschungsprojekte zusammenfassen und in einen Gesamtzusammenhang stellen: The Sources of Innovation (1988);[7] Democratizing Innovation (2005);[8] und Free Innovation (2017).[9] Sie wurden unter der Creative-Commons-Lizenz publiziert, was bedeutet, dass sie kostenfrei öffentlich zugänglich sind. Ihre Schwerpunkte sind:
„Lead-User“-Innovation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Von einer Innovation durch Nutzer (user innovation) spricht man, wenn ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung durch Einzelpersonen oder Unternehmen entwickelt wurde, die sie für die eigene Nutzung benötigen.[10] Dies steht im Gegensatz zur Herstellerinnovation, bei der Unternehmen Produkte für den Verkauf am Markt entwickeln. Eric von Hippel war der erste, der dieses Phänomen eingehend erforschte.[11] Er prägte dabei den Begriff des „lead users“, der Bedürfnisse aufweist, die dem allgemeinen Markt in Bezug auf wichtige Trends voraus sind und der entsprechend einen hohen Nutzen von einer Innovation hat.[12]
Die durch von Hippel entwickelte „Lead-User-Methode“ ist eine wichtige und häufig eingesetzte Methode, mit deren Hilfe Unternehmen Innovationen identifizieren bzw. entwickeln können.[13] Das zentrale Suchverfahren heißt „Pyramiding“, wobei der Sucher nacheinander Experten kontaktiert und sie nach Lead Usern oder Personen befragt, die Lead User kennen. Üblicherweise gelangt man bereits in wenigen Schritten zu geeigneten Personen.[14]
„Free-Citizen“-Innovation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Von Hippel und seine Kollegen haben eine Reihe nationaler Befragungen durchgeführt, in denen Umfang und Bedeutung von Innovationen ermittelt wurden, die von Endverbrauchern für den eigenen Gebrauch entwickelt werden. Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Umfragen sind (1) dass diese Art von Innovationen einen Anteil aufweist, der höher ist als bisher angenommen (von 1,5 % in China über 5,2 % in den USA bis zu 9,6 % in Russland), (2) dass mehr als 90 % der Innovationsentwicklungen von Bürgern „frei“ sind – sie werden von ihren Entwicklern anderen Verbrauchern und auch kommerziellen Produzenten offengelegt (kein Schutz geistigen Eigentums),[9] (3) dass die Innovationsrate der Bürger sowohl mit Bildung als auch mit Einkommen positiv korreliert,[15] und (4) dass Benutzerinnovatoren generell andere Arten von Innovationen entwickeln als Produzenten.[16] Diese Art von Innovationen taufte von Hippel „Free-Citizen“-Innovationen.[17] Free-Citizen-Innovationen gewinnen gegenüber produzentenzentrierten Innovation immer mehr an Bedeutung.[18]
„Sticky Information“
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neben seiner Arbeit im Bereich der Nutzerinnovationen stellt von Hippel auch Verbindungen zu anderen Forschungsbereichen her. Dazu gehört die Entwicklung des Konzepts der „Sticky Information“ im Jahr 1994.[19] Von Hippels Forschung hat gezeigt, dass Endverbraucher tendenziell eher neuartige Innovationen und Produzenten eher inkrementelle Innovationen entwickeln.[16][20] Eine Erklärung für dieses Muster ist, dass Information „klebrig“ (sticky) sein kann – das heißt, dass es schwierig und aufwändig ist, sie von einem Ort auf den anderen zu übertragen. Information über neuartige Bedürfnisse widersetzt sich der Übertragung besonders. Hersteller verstehen oft nicht, welche Funktionalitäten den Nutzern fehlt.[19][21] Endverbraucher wissen mehr über ihre Bedürfnisse als Produzenten. Nutzerinnovatoren bauen auf diesen Informationen auf, wenn sie Innovationen entwickeln. Im Gegensatz dazu wissen Produzenten mehr über mögliche Lösungsansätze und -verfahren.[20]
Ehrungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ehrendoktor der Fakultät für Betriebswirtschaft der LMU München (2005)[22]
- Ehrendoktor der Copenhagen Business School (2007)[23]
- Ehrendoktor der Technischen Universität Hamburg-Harburg (2013)[3]
- Ehrendoktor der Universität Vaasa (2018)[24]
- Humboldt-Forschungspreis (2013)[5]
- EU Innovation Luminary Award (2015)[5]
- Schumpeter School Preis der Schumpeter School of Business and Economics, Wuppertal (2017)[25]
- Portugal Medal of Science (2020)[5]
Bibliographie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- The Sources of Innovation (1988) ISBN 0-19-504085-6, Creative Commons PDF
- Democratizing Innovation (2005) ISBN 0-262-22074-1, Creative Commons PDF
- Free Innovation (2017) ISBN 978-0-262-33546-1, Creative Commons PDF
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Eric von Hippels Homepage auf mit.edu
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Mannschaft, auf patient-innovation.com, abgerufen am 26. Dezember 2022
- ↑ Denise Brehm: Family, friends mark 100th birthday of Institute Professor Arthur von Hippel. Massachusetts Institute of Technology, 25. November 1998, abgerufen am 10. Juni 2022 (englisch).
- ↑ a b c d Martina Brinkmann: Ehrendoktor für Prof. Eric von Hippel. Technische Universität Hamburg, 9. April 2013, abgerufen am 6. Januar 2023.
- ↑ Our Alumni/ae. The Cambridge School of Weston, abgerufen am 6. Januar 2023.
- ↑ a b c d Eric Arthur von Hippel. MIT Sloan School of Management, abgerufen am 6. Januar 2023 (englisch).
- ↑ a b Eric von Hippel Curriculum Vitae. (PDF) Dezember 2012, abgerufen am 6. Januar 2023 (englisch).
- ↑ Eric von Hippel: The sources of innovation. Oxford University Press, New York 1988, ISBN 0-19-504085-6.
- ↑ Eric von Hippel: Democratizing innovation. MIT Press, Cambridge, Massachusetts 2005, ISBN 0-262-00274-4.
- ↑ a b Eric von Hippel: Free innovation. MIT Press, Cambridge, Massachusetts 2017, ISBN 978-0-262-33546-1.
- ↑ Marcel Bogers, Allan Afuah, Bettina Bastian: Users as Innovators: A Review, Critique, and Future Research Directions. In: Journal of Management. Band 36, Nr. 4, Juli 2010, ISSN 0149-2063, S. 857–875, doi:10.1177/0149206309353944 (sagepub.com [abgerufen am 6. Januar 2023]).
- ↑ Dietmar Harhoff, Karim R. Lakhani: Revolutionizing innovation: users, communities, and open innovation. Cambridge, Massachusetts 2016, ISBN 978-0-262-02977-3.
- ↑ Manfred Kirchgeorg: Definition: Lead User. In: Gabler Wirtschaftslexikon. Abgerufen am 6. Januar 2023.
- ↑ Vytaute Dlugoborskyte, Cornelius Herstatt: Identifying NBS innovations using the Lead User Method. In: Medium. 9. Juli 2020, abgerufen am 6. Januar 2023 (englisch).
- ↑ Christoph S. Stockstrom, René Chester Goduscheit, Christian Lüthje, Jacob Høj Jørgensen: Identifying valuable users as informants for innovation processes: Comparing the search efficiency of pyramiding and screening. In: Research Policy. Band 45, Nr. 2, 1. März 2016, ISSN 0048-7333, S. 507–516, doi:10.1016/j.respol.2015.11.002 (sciencedirect.com [abgerufen am 6. Januar 2023]).
- ↑ Jin Chen, Yu-Shan Su, Jeroen P.J. de Jong, Eric von Hippel: Household sector innovation in China: Impacts of income and motivation. In: Research Policy. Band 49, Nr. 4, Mai 2020, S. 103931, doi:10.1016/j.respol.2020.103931 (elsevier.com [abgerufen am 10. Juni 2022]).
- ↑ a b William Riggs, Eric von Hippel: Incentives to innovate and the sources of innovation: the case of scientific instruments. In: Research Policy. Band 23, Nr. 4, Juli 1994, S. 459–469, doi:10.1016/0048-7333(94)90008-6 (elsevier.com [abgerufen am 10. Juni 2022]).
- ↑ John Bessant: What is Free Innovation? In: Hype Innovation. 20. April 2017, abgerufen am 6. Januar 2023 (englisch).
- ↑ Jin Chen, Linghui Han, Guannan Qu: Citizen Innovation: Exploring the Responsibility Governance and Cooperative Mode of a “Post-Schumpeter” Paradigm. In: Journal of Open Innovation: Technology, Market, and Complexity. Band 6, Nr. 4, Dezember 2020, ISSN 2199-8531, S. 172, doi:10.3390/joitmc6040172 (mdpi.com [abgerufen am 6. Januar 2023]).
- ↑ a b Bob Van Limburg: How to deal with sticky information: a case study for knowledge management 1. 2008, doi:10.13140/2.1.3806.7841 (rgdoi.net [abgerufen am 6. Januar 2023]).
- ↑ a b Susumu Ogawa: Does sticky information affect the locus of innovation? Evidence from the Japanese convenience-store industry. In: Research Policy. Band 26, Nr. 7-8, April 1998, S. 777–790, doi:10.1016/S0048-7333(97)00047-4 (elsevier.com [abgerufen am 10. Juni 2022]).
- ↑ Eric von Hippel: “Sticky Information” and the Locus of Problem Solving: Implications for Innovation. In: Management Science. Band 40, Nr. 4, April 1994, ISSN 0025-1909, S. 429–439, doi:10.1287/mnsc.40.4.429 (informs.org [abgerufen am 10. Juni 2022]).
- ↑ Ehrendoktoren der LMU Munich School of Management. Ludwig-Maximilians-Universität München, abgerufen am 10. Juni 2022.
- ↑ User-Centred Innovation and Globalization. Copenhagen Business School, 7. März 2007, abgerufen am 10. Juni 2022 (dänisch).
- ↑ Honorary doctor, MIT professor Eric von Hippel visited the University of Vaasa. Universität Vaasa, 19. Oktober 2018, abgerufen am 10. Juni 2022 (englisch).
- ↑ Schumpeter School Preis: Preisträger 2017: Eric von Hippel. Bergische Universität Wuppertal, abgerufen am 6. Januar 2023.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Hippel, Eric von |
ALTERNATIVNAMEN | Hippel, Eric Arthur von |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanischer Ökonom |
GEBURTSDATUM | 27. August 1941 |