Erwin Schoettle
Erwin Schoettle (* 18. Oktober 1899 in Leonberg; † 25. Januar 1976 in Baden-Baden) war ein deutscher Politiker der SPD und im Exil Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der gelernte Buchdrucker und Sohn eines Schuhmachers musste wegen der Armut seiner Eltern das Gymnasium vorzeitig verlassen, nahm ab 1917 als Soldat am Ersten Weltkrieg teil und besuchte von 1919 bis 1920 eine Kunstgewerbeschule. 1925 heiratete er Helene Schoettle (geb. Oßwald). Als SPD-Mitglied musste er 1933 aus Deutschland flüchten und hielt sich bis August 1939 in St. Gallen, danach in London im Exil auf. 1946 kam er als Mitherausgeber der Stuttgarter Nachrichten zurück nach Stuttgart und gab von 1946 bis 1949 die dort erscheinenden Sozialistischen Monatshefte heraus.
Er starb 76-jährig in Baden-Baden. Sein Grab befindet sich in Abteilung 20b auf dem Waldfriedhof Stuttgart.
Partei
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Schoettle trat 1919 der SPD bei und war nach 1920 Landesvorsitzender der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) in Württemberg und bei den Parteizeitungen Schwäbische Tagwacht und Esslinger Volkszeitung angestellt. Seit 1927 im Landesvorstand der württembergischen SPD, wurde er 1931 Parteisekretär in Stuttgart und arbeitete dort eng mit Kurt Schumacher zusammen. Im Exil leitete er von 1933 bis 1939 das Sopade-Grenzsekretariat für Südwestdeutschland vom schweizerischen St. Gallen aus, außerdem war er Mitglied der Gruppe Neu Beginnen, deren Londoner Gruppe er ab Ende 1939 vorstand. Schoettle spielte eine wichtige Rolle bei der Gründung der Union deutscher sozialistischer Organisationen in Großbritannien, deren Vorstand er angehörte. Von 1947 bis 1962 war er Landesvorsitzender der SPD in Württemberg-Baden bzw. ab 1952 in Baden-Württemberg, dem SPD-Bundesvorstand gehörte er von 1948 bis 1968 an, ab 1958 zusätzlich dem Parteipräsidium, später der Parteischiedskommission.
Abgeordneter
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Erwin Schoettle war 1933 Mitglied des letzten Württembergischen Landtags, an dessen einziger Sitzung am 8. Juni 1933 er nicht teilnahm, um einer Verhaftung zu entgehen.
Von 1946 bis 1947 gehörte Schoettle dem ersten Landtag von Württemberg-Baden an. Danach war er von 1947 bis 1949 Mitglied des Wirtschaftsrates der Bizone und dort SPD-Fraktionsvorsitzender sowie Vorsitzender des Hauptausschusses.
Bei der ersten Bundestagswahl wurde er in Stuttgart direkt ins Parlament gewählt und blieb bis 1972 Abgeordneter. Während er 1953 und 1957 über die Landesliste entsandt wurde, konnte er 1961 das Direktmandat in seinem Wahlkreis zurückerobern und wurde 1965 sowie 1969 im benachbarten Wahlkreis Stuttgart I direkt gewählt. Während seiner Parlamentszugehörigkeit war er von 1949 bis 1969 Vorsitzender des Haushaltsausschusses und anschließend bis 1972 des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung.
Vom 13. März 1951 bis 1957 und vom 3. März 1964 bis 1965 war er stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender und von 1953 bis 1961 auch Vorsitzender des Fraktionsarbeitskreises Haushalt und Finanzen. Vom 17. Oktober 1961 bis 20. Oktober 1969 amtierte er als stellvertretender Bundestagspräsident. 1961 bis 1965 war Schoettle Vorsitzender der Unterkommission Haushalt des Bundestagspräsidiums.
Schoettle gehörte neben Rudolf Vogel (CDU), Martin Blank (FDP), Wilfried Keller (GB/BHE) und Heinrich Schild (DP) zur ersten Besetzung des Vertrauensgremiums für die geheimen Haushaltspläne der Nachrichtendienste des Bundes, das am 22. Februar 1956 erstmals zusammenkam.[1]
Nach der Bundestagswahl 1972 schied Schoettle aus dem Parlament aus.
Veröffentlichungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Permanente Opposition oder echte Alternative. Das Problem der Sozialdemokratie. In: Die Gegenwart. 1953, Heft 196, S. 792–794.
Ehrungen und Auszeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1955 Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern, 1963 das Schulterband
- 1969 Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
- 1975 Ehrenbürger der Stadt Stuttgart
- 1975 Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg[2]
Nach Schoettle wurden der Erwin-Schoettle-Platz in Stuttgart-Heslach und die Erwin-Schöttle-Straße in seinem Geburtsort Leonberg benannt.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Walter Henkels: 99 Bonner Köpfe, durchgesehene und ergänzte Ausgabe, Fischer-Bücherei, Frankfurt am Main 1965, S. 223ff.
- Walter Nachtmann: Erwin Schöttle. Grenzsekretär der Sozialdemokraten für Württemberg. In: Michael Bosch (Hrsg.): Der Widerstand im deutschen Südwesten 1933–1945. Kohlhammer, Stuttgart 1984, Seite 153–161.
- Walter Nachtmann: 10000 Flugblätter aus der Schweiz.Erwin Schoettle und der sozialdemokratische Widerstand in Stuttgart. In: Ausstellungsreihe Stuttgart im Dritten Reich. Anpassung, Widerstand, Verfolgung. Die Jahre von 1933 bis 1939. Landeshauptstadt Stuttgart, Stuttgart 1984, S. 412–414.
- Frank Raberg: Biographisches Handbuch der württembergischen Landtagsabgeordneten 1815–1933. Im Auftrag der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Kohlhammer, Stuttgart 2001, ISBN 3-17-016604-2, S. 825.
- Olga Zimmermann: Erwin Schöttle und der Widerstand gegen das Naziregime. Online unter: https://zeitreise-bb.de/schoettle/pdf
- Schoettle, Erwin, in: Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Band 1: Politik, Wirtschaft, Öffentliches Leben. München : Saur 1980, S. 664
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Erwin Schoettle im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Elisabeth Skrzypek: Erwin und Helene Schoettle, publiziert am 19. April 2018 in: Stadtarchiv Stuttgart, Stadtlexikon Stuttgart
- Online-Findbuch Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Q 1/55 Erwin Schoettle
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Thomas Wolf: Die Entstehung des BND. Aufbau, Finanzierung, Kontrolle (= Jost Dülffer, Klaus-Dietmar Henke, Wolfgang Krieger, Rolf-Dieter Müller [Hrsg.]: Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945–1968. Band 9). 1. Auflage. Ch. Links Verlag, Berlin 2018, ISBN 978-3-96289-022-3, S. 356.
- ↑ Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg - Liste der Ordensträgerinnen und Ordensträger 1975–2023 (PDF; 307 KB). Staatsministerium Baden-Württemberg, 19. April 2024, S. 4
Personendaten | |
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NAME | Schoettle, Erwin |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (SPD), MdL, MdB |
GEBURTSDATUM | 18. Oktober 1899 |
GEBURTSORT | Leonberg |
STERBEDATUM | 25. Januar 1976 |
STERBEORT | bei Baden-Baden |
- Mitglied des Vertrauensgremiums
- Bundestagsvizepräsident (Deutschland)
- Ehrenbürger von Stuttgart
- Landtagsabgeordneter (Volksstaat Württemberg)
- Landtagsabgeordneter (Württemberg-Baden)
- Bundestagsabgeordneter (Baden-Württemberg)
- Mitglied des Haushaltsausschusses (Deutscher Bundestag)
- Person (Stuttgarter Nachrichten)
- Person der Sopade
- Person (Neu Beginnen)
- Parteivorsitzender der SPD Baden-Württemberg
- Träger des Bundesverdienstkreuzes (Großkreuz)
- Träger des Verdienstordens des Landes Baden-Württemberg
- Emigrant aus dem Deutschen Reich zur Zeit des Nationalsozialismus
- Person (Leonberg)
- Württemberger
- Person (Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes)
- SPD-Parteivorstand
- Deutscher
- Geboren 1899
- Gestorben 1976
- Mann