Eesti Konservatiivne Rahvaerakond

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Eesti Konservatiivne Rahvaerakond
Estnische Konservative Volkspartei
Partei­vorsitzender Martin Helme
Gründung März 2012
Hauptsitz Toompuiestee 27
10142 Tallinn
Ausrichtung Nationalkonservatismus
EU-Skepsis
Nationalismus
Rechtspopulismus
Rechtsextremismus[1]
Farbe(n) Blau
Sitze Riigikogu
11 / 101 (10,9 %)
Mitglieder­zahl 10.023 (2021)[2]
Sitze EU-Parlament
0 / 7 (0 %)
Europapartei Patriots.eu
EP-Fraktion Patrioten für Europa
Website www.ekre.ee

Die Eesti Konservatiivne Rahvaerakond oder Estnische Konservative Volkspartei (EKRE) ist eine rechtspopulistische[3] bis rechtsextreme[1] Partei in der Republik Estland. Sie wird in deutschsprachigen Medien als rechtsnational,[4] rechtskonservativ,[5] rechtsradikal[6][7] oder auch rechtsextrem[8] bezeichnet.

Die EKRE entstand als Nachfolgepartei der Estnischen Volksunion (Eestimaa Rahvaliit). Mit ihrem politischen Niedergang ging die Volksunion, die seit 2011 nicht mehr im Parlament (Riigikogu) vertreten war, im März 2012 in der Estnischen Konservativen Volkspartei auf. Der Partei schloss sich die 2006 gegründete rechtskonservative Eesti Rahvuslik Liikumine (Estnische Nationale Bewegung) an.[9]

EKRE hat Verbindungen zu Gruppen, die in Deutschland als Neo-Nazis oder Neo-Faschisten bezeichnet werden würden, z. B. die Soldaten Odins,[10] die bei Veranstaltungen der Partei als Sicherheitskräfte auftreten.[11]

Nachdem die EKRE bei der Europawahl 2014 lediglich 4,0 % der Stimmen erringen konnte, gelang ihr bei der Parlamentswahl im folgenden Jahr mit 8,1 % der Einzug in das estnische Parlament. Mit 7 von 101 Abgeordneten stellt sie die kleinste der sechs Fraktionen im Riigikogu. Bei der darauf folgenden Parlamentswahl im März 2019 konnte die Partei ihr Wahlergebnis auf 17,8 % steigern und ist dadurch nun mit 19 der 101 Sitze vertreten.[12] Die EKRE wurde daraufhin erstmals an der Regierung beteiligt (Kabinett Ratas II) und auch die Europawahl 2019 konnte die Partei erfolgreich abschließen und einen Sitz in Brüssel erringen. Im EU-Parlament schloss sie sich der Fraktion Identität und Demokratie an.

Die Partei vertritt rechtspopulistische und rechtsextreme Positionen. Durch Ruuben Kaalep, den ehemaligen Vorsitzenden der Jugendorganisation Sinine Äratus, hat sie Verbindungen zur Identitären Bewegung sowie zur White Supremacy und Alt-Right-Bewegung in den Vereinigten Staaten.[13] Der Parteivorsitzende Martin Helme erklärte 2013: „Ich will, dass Estland ein weißes Land ist“ und forderte „If you‘re black, go back“. Diese Äußerungen bekräftigte er 2019 ausdrücklich, als er Finanzminister wurde.[14] Allerdings lehnt die Partei nicht nur außereuropäische Migranten und Flüchtlinge ab, sondern auch solche aus der Ukraine.[15]

Die Europäische Union lehnte Mart Helme als „Sowjetunion 2.0“ ab,[16] Ruuben Kaalep wirft der EU Kolonialismus vor. Sicherheitspolitisch steht EKRE für eine Abkehr vom westlichen Bündnis, die Partei strebt einen „dritten Weg“ unabhängig von NATO und Russland an.[17] Auch im Krieg zwischen Russland und der Ukraine erklärte Mart Helme 2022 eine neutrale Position.[15] NS-Kollaborateure wie die estnischen Freiwilligen und Wehrpflichtigen in der Waffen-SS verherrlicht EKRE als „Freiheitskämpfer“.[17] EKRE-Politiker beteiligten sich maßgeblich an Protesten gegen die – in Estland vergleichsweise liberalen – Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie.[18] EKRE-Politiker wie der Europaabgeordnete Jaak Madison behaupten die Verschwörung eines deep state im Sinne der QAnon-Ideologie.[19]

Der Politikwissenschaftler Florian Hartleb klassifiziert EKRE als „genuin rechtsextremistische Partei“.[15] Sie lediglich als rechtspopulistisch zu bezeichnen, sei verklärend.[20] Im Europäischen Parlament gehört die EKRE der Fraktion Patrioten für Europa (bis 2024: Identität und Demokratie) an. Dort sind rechtspopulistische, rechtsextreme und EU-skeptische Parteien aus Europa vertreten.

Die EKRE kritisiert und diffamiert die Medien Estlands als „Propaganda“. Martin Helme, Parteivorsitzender und Finanzminister Estlands, erklärte 2020 bei einer Veranstaltung, dass er das rassistische und national-konservative Weltbild seiner Partei über die Skandalisierung bestimmter Themen in den Mainstream einsickern lassen will. Daneben will die EKRE ein eigenes Mediensystem aufbauen.[21]

Die Partei übt Druck auf wichtige Zeitungen des Landes und öffentlich-rechtliche Rundfunk ERR aus. Als Regierungspartei machte die EKRE klar, dass oppositionellen Parteien in den Programmen des ERR weniger Raum eingeräumt werden soll.[21]

Ergebnisse bei den Parlamentswahlen
Jahr Stimmen Anteil Mandate Platz
2015 46.772 8,1 %
7/101
6.
2019 99.672 17,8 %
19/101
3.
2023 97.966 16,1 %
17/101
2.
Ergebnisse bei den Europawahlen
Jahr Stimmen Anteil Mandate Platz
2014 13.247 4,0 %
0/6
6.
2019 42.265 12,7 %
1/7
4.
2024 54.580 14,8 %
1/7
4.

Langjähriger Parteivorsitzender der EKRE war der estnische Historiker und ehemalige Botschafter in Moskau Mart Helme (* 1949), der 2005 nach nationalistischen Äußerungen aus der Estnischen Volksunion ausgeschlossen worden war. Der aktuelle Vorsitzende ist sein Sohn Martin Helme (* 1976), einer der schärfsten EU-Kritiker Estlands und Verfechter einer rassistisch motivierten Estland-zuerst-Politik.[22]

Langjähriger Ehrenvorsitzender der Partei war, bis zu seinem Austritt im Juni 2024, der ehemalige estnische Präsident Arnold Rüütel.[23]

  • Florian Hartleb: Estland: Rechtsradikale im Mainstream in: Blätter für deutsche und internationale Politik. Bd. 66 (2021), H. 3, S. 33–36.
  • Florian Hartleb: Der Aufstieg des parteiförmigen Rechtsextremismus in russischer Nachbarschaft. Der Fall Estland. In: ZRex. Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Band 3 (2023), Nr. 1, S. 35–51.
Commons: Eesti Konservatiivne Rahvaerakond – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Florian Hartleb: Der Aufstieg des parteiförmigen Rechtsextremismus in russischer Nachbarschaft: der Fall Estland. In: ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Band 3 (2023), Nr. 1, S. 35–51.
  2. EKRE surpasses 10,000 members vom 7. September 2021, abgerufen am 7. September 2021 (englisch)
  3. Rolf Winkelmann: Eesti Konservatiivne Rahvaerakond – Rechtspopulisten in Estland. In: Mitteilungen des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung, Nr. 1 (2018), S. 14–21.
  4. Rechtsnationale in Estland "Provozieren, eskalieren, Agenda kontrollieren" Von Keno Verseck, Der Spiegel 23. Dezember 2019
  5. Ekre-Hochburg Pärnu Wie es zum Wahlerfolg der Rechtskonservativen kam, Audio-Version von Frederik Rother, Deutschlandfunk 19. November 2019
  6. Estnische Aktivistin Lagle Parek, Audio-Version, von Frederik Rother, Deutschlandfunk 18. November 2019
  7. Rechtsradikale Ekre-Partei Estland den Esten, von Theresa Weiß, FAZ 19. August 2019
  8. Deutschlandfunk Europa Heute 14. Januar 2021, ganze Sendung als Audio, konkreter Beitrag erst am 15. Januar online
  9. Onlinemeldung auf balticworlds.com vom 9. März 2015, abgerufen am 9. Oktober 2018 (englisch)
  10. Rechte Bürgerwehr: Asylthema beschert "Soldaten Odins" immer mehr Zulauf - WELT. 4. Mai 2022, abgerufen am 23. Mai 2024.
  11. Slot Pragmatic: Demo Slot x1000: Demo Pragmatic Play & Slot Demo Zeus Anti Lag No Deposit. Abgerufen am 23. Mai 2024 (Id-ID).
  12. Liberale gewinnen in Estland, Rechtspopulisten drittstärkste Partei. Welt, 4. März 2019, abgerufen am 4. März 2019.
  13. Florian Hartleb: Der Aufstieg des parteiförmigen Rechtsextremismus in russischer Nachbarschaft: der Fall Estland. In: ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Band 3 (2023), Nr. 1, S. 35–51, hier S. 39.
  14. Florian Hartleb: Der Aufstieg des parteiförmigen Rechtsextremismus in russischer Nachbarschaft: der Fall Estland. In: ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Band 3 (2023), Nr. 1, S. 35–51, hier S. 41.
  15. a b c Florian Hartleb: Der Aufstieg des parteiförmigen Rechtsextremismus in russischer Nachbarschaft: der Fall Estland. In: ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Band 3 (2023), Nr. 1, S. 35–51, hier S. 46.
  16. Florian Hartleb: Der Aufstieg des parteiförmigen Rechtsextremismus in russischer Nachbarschaft: der Fall Estland. In: ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Band 3 (2023), Nr. 1, S. 35–51, hier S. 40.
  17. a b Florian Hartleb: Der Aufstieg des parteiförmigen Rechtsextremismus in russischer Nachbarschaft: der Fall Estland. In: ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Band 3 (2023), Nr. 1, S. 35–51, hier S. 43.
  18. Florian Hartleb: Der Aufstieg des parteiförmigen Rechtsextremismus in russischer Nachbarschaft: der Fall Estland. In: ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Band 3 (2023), Nr. 1, S. 35–51, hier S. 40, 42, 45.
  19. Florian Hartleb: Der Aufstieg des parteiförmigen Rechtsextremismus in russischer Nachbarschaft: der Fall Estland. In: ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Band 3 (2023), Nr. 1, S. 35–51, hier S. 45.
  20. Florian Hartleb: Der Aufstieg des parteiförmigen Rechtsextremismus in russischer Nachbarschaft: der Fall Estland. In: ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, Band 3 (2023), Nr. 1, S. 35–51, hier S. 48.
  21. a b NDR: Estland: Rechtspopulisten greifen Medien an. Abgerufen am 12. Januar 2021.
  22. ERR: Conservative Politician: If You're Black, Go Back. 29. Mai 2013, abgerufen am 23. Mai 2024 (englisch).
  23. ERR: Former President Arnold Rüütel turns 90. 10. Mai 2018, abgerufen am 23. Mai 2024 (englisch).