Färöische Küche
Die traditionelle färöische Küche hat sich über die Jahrhunderte unter den Bedingungen eines unwirtlichen Archipels im Nordatlantik entwickelt.
Grundlagen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wichtigste einheimische Nahrungsquellen für die traditionelle Küche sind die:
- Fischerei (sowohl Küstenfischerei als auch Binnenfischerei) samt Walfang, insbesondere Grindwale
- färöische Vogelwelt (insbesondere Papageitaucher, aber auch Trottellummen und Eissturmvögel)
- Schafe, aber auch Kühe (und deren Molkereiprodukte), Gänse und Hühner
- Kartoffeln, Steckrüben und Rhabarber als relativ leicht kultivierbare Pflanzen
Daneben werden auch Schneehasen gejagt, die sich seit 1855 wild vermehren. Da es aber nur schätzungsweise 5000 Exemplare auf den Färöern gibt, ist die Jagd limitiert und findet nur im November und Dezember statt.
Haltbarmachung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Selbst im Zeitalter der Tiefkühltruhe werden Fisch und Fleisch auf den Färöern traditionell im "Hjallur" (einem luftdurchlässigen Holzschuppen, in dem auch vorbereitete Gerichte kühl gehalten werden) haltbar gemacht, dann sind sie turrur (getrocknet). Je nach Dauer dieses Prozesses der Lufttrocknung werden verschiedene Stadien unterschieden:
- Ræstur (abgehangen, halbtrocken) ist das Fleisch oder der Fisch am Anfang der Gärung (bzw. Fermentierung).
- Skarpræstur (scharf abgehangen) sind diese Stücke nach sechs bis neun Monaten Lagerung. Sie haben dann einen sehr strengen Geschmack, der Außenstehenden befremdlich vorkommen mag.
- Bleytræstur bzw. visnað (nur kurz abgehangen, angetrocknet) – das genaue Gegenteil von skarpræstur und bezeichnet normalerweise nur einen Zustand des Fischs, während Schaf in der Regel mindestens ræstur sein sollte.
Aufgeschnittene Schafe werden meist in einem Stück aufgehängt. Vögel werden im Rücken aufgeschnitten und paarweise zusammengebunden. Auch Fisch hängt paarweise auf der Trockenstange (Stockfisch). Grind wird in Streifen geschnitten und um die Trockenstange gewunden.
Risiken bei der Lufttrocknung sind:
- Einbrechende Kälte – die gewünschte ræst-Stufe wird übersprungen.
- Ungewöhnliche Wärme – das Fleisch wird ranzig.
- Fliegen – ihre Maden verderben das Fleisch.
Eine andere Methode der Haltbarmachung ist das Pökeln, entweder in Salzlake oder trocken. Beides geschah in Fässern, doch Salz war früher eine Mangelware und wurde in erster Linie für die Verarbeitung des Klippfischs verwendet, der in den Export ging.
Schaf
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Färöer bieten von jeher Weideplatz für maximal 70.000 Schafe. Das wurde bereits im Schafsbrief von 1298 reglementiert. Die färöische Wolle war schon immer ein wichtiges Exportgut, während das Fleisch für die Versorgung der von ca. 1400 bis 1800 konstant 4000 bis 5000 Einwohner gereicht hat. Durch die Abschaffung des Handelsmonopols über die Färöer 1856 gewann die Hochseefischerei an Bedeutung und ermöglichte neben den Fortschritten in der Medizin ein signifikantes Bevölkerungswachstum (Verzehnfachung in 200 Jahren). Daher muss Schaffleisch heute importiert werden.
Schafe werden im Herbst geschlachtet, ausgenommen und hängen dann zum Trocknen im Hjallur. Dort können sie bis zu 9 Monate hängen und sind dann skarpræstur. Zu diesem Zeitpunkt gibt es wieder frisches Lammfleisch. Bekannteste Spezialität ist der seyðahøvd (Schafskopf). Ihm sieht man durchaus auch in den Tiefkühltruhen der Supermärkte „in die Augen“. Was den Touristen beim Anblick erschrecken mag, ist für den Einheimischen ein Festmahl für besondere Anlässe. Nachdem das Fell des Kopfes abgebrannt wurde, wird er gewaschen und entweder eingelagert oder gleich halbiert. Nach etwa einer halben Stunde Kochzeit wird er bis auf den Knochen verzehrt (siehe auch: Svið). Alltäglich ist das skerpikjøt (etwa 6–9 Monate luftgetrocknetes Schaffleisch). Die ausgewachsenen Schafe werden im Herbst geschlachtet. Gepökeltes Schaffleisch nennt man soltukjøt.
Schafe werden zu 100 % verwertet, und so sind skólpasúpan (Hodensuppe, heißt auch: eistnasúpan, nossasúpan, purrusúpan) und blóðpylsa (Blutwurst) völlig normal. Eine andere Wurst heißt sperðil, sie besteht aus Innereien und Schafstalg und ist ein typisches Weihnachtsessen.
Schafsfleisch heißt allgemein seyður (wie das Tier), ein Widder oder Schafsbock ist ein veðrur (auch Wappentier der Färöer) und ein Lamm nennt man lamb.
Gemüse
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Kartoffel (das epli) ist eines der Hauptprodukte des färöischen Ackerbaus. Sie wurde erst im 19. Jahrhundert eingeführt. Vorher dominierte die Steckrübe. Das färöische Wörterbuch widmet sich über eine Seite Dutzenden Stichwörtern, die mit Kartoffeln zu tun haben, darunter diversen Gerichten, die unter dem Begriff eplamatur (Kartoffelgericht) laufen. Genannt seien hier die eplasúpan (Kartoffelsuppe) und das eplasalat (Kartoffelsalat), neben der üblichen Funktion als Beilage zu Fleisch und Fisch. Sehr viele Familien auf dem Land versorgen sich mit Kartoffeln aus dem eigenen Feld, dem eplabøur. Die Erntezeit fällt in den August – jene Zeit, in der auch am meisten Grind zu erwarten ist.
Der färöische Rhabarber (die rabarba) spielt eine weitere wichtige Rolle. Er wird im rabarbugarður, dem heimischen Rhabarbergarten angebaut. Im Gegensatz zum Rhabarber auf dem Kontinent ist er weitgehend frei von Oxalsäure. Rabarbugreytur (Rhabarbergrütze) ist ein beliebtes Dessert, und rabarbusúltutoy (Rhabarberkonfitüre) gehört auf den färöischen Frühstückstisch. Eine Rhabarbersuppe heißt rabarbusuppa, und es gibt sogar einen rabarbuvín (Rhabarberwein).
Fisch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Freilich kann Fisch neben den oben genannten Stockfisch-Stadien, als Klippfisch trocken gepökelt oder als Salzfisch in einer Lake gepökelt, auch feskur sein, also fangfrisch. Ihn findet man in färöischen Lebensmittelgeschäften aber kaum, da er direkt vom Kutter weg am Hafen verkauft oder aber im Familienkreis verschenkt wird.
Der fangfrische Fisch der färöischen Hochseeflotte hingegen wird an Bord der Trawler oder in den Fischfabriken an Land verarbeitet (filetiert und tiefgekühlt) und ist für den Export bestimmt.
Fiskaknettir sind Fischklößchen, die mit frischem Schellfisch und Schaf-Talg zubereitet werden. Eine besondere Spezialität sind die rognaknettir aus Rogen.
Aus den Fischklößchen wird auch eine Suppe gekocht, die knettasúpan genannt wird. Eine Suppe aus fangfrischem Fisch heißt fisksúpan.
Daneben gibt es Fischfrikadellen, die frikadellur oder fiskabolli heißen.
Die fiskakøka ist ein Fischkuchen bzw. -pudding.
Folgende Arten von Fischen sind auf den Färöern üblich: hýsa (Schellfisch), høgguslokkur (Tintenfisch, auch Lieblingsspeise des Grindwals), kalvi (Heilbutt), kongafiskur (Rotbarsch), laksur (Lachs), makrelur (Makrele), seiður (Köhler), sild (Hering), toskur (Dorsch) und tunga (Rotzunge). Gängige Krustentiere sind hummar (Hummer) und rækja (Garnelen).
Grind
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Grindwal war schon immer eine der bedeutendsten Nahrungsquellen der Insulaner. Das Grindadráp (die Grindwaljagd) wird von Außenstehenden oft als barbarisch betrachtet.
Tvøst og Spik (Grindwalfleisch und -speck, auch Robbenspeck) gelten als besonders nahrhaft und vitaminreich – gleichzeitig als eines der preiswertesten Produkte, da der Grind in der Regel nicht gehandelt, sondern nach einem uralten Schlüssel in der Bevölkerung verteilt wird. Entsprechend findet man ihn kaum in Supermärkten, sondern meist nur in Tiefkühltruhen (oder dem Hjallur) der etwa 16.000 Privathaushalte.
Saltgrind ist gekochtes und gesalzenes Grindwalfleisch, das meist zusammen mit Kartoffeln und Senf serviert wird.
Grindabúffur ist ein Grindwal-Steak mit weißer Soße und Kartoffeln.
V. U. Hammershaimb schrieb 1891 in seiner Anthologie:
„Diese Wale sind von größtem Wert für die Einwohner. Die großen Mengen an Fleisch ergeben reichlich Nahrung im frischen, getrockneten und gesalzenen Zustand, sodass man in einem guten Grindjahr jeden Tag eine Mahlzeit davon hat. Es ist ein gesundes und nahrhaftes Essen, das einem nie langweilig wird.“
Weiter beschreibt er, wie alle Teile des Wales verwertet werden, der Speck nicht nur getrocknet und gesalzen wird, sondern auch zu Tran eingeschmolzen, der als Brennstoff für die Öllampen in der fensterlosen Roykstova diente. Aus dem Magen stellte man den sogenannten kýkur her, einen Beutel zur Aufbewahrung des Trans, während aus der Finne Lederriemen gefertigt wurden, die zur Befestigung der Ruder im typischen Färöboot dienten.
Ein Grind ist aber immer Zufall und lässt sich nicht vorhersagen, zumal die Färinger ihn nicht im offenen Meer aufspüren, sondern warten, bis einmal eine Schule in einen Fjord schwimmt und alle Bedingungen eintreffen. Grind hatte (und hat noch heute) die Funktion einer willkommenen kostenlosen Nahrungsergänzung, während man sich auf die reichhaltigen Fisch- und Seevogelbestände, das eigene Vieh und den Acker sicherer verlassen kann.
Seevögel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Traditionell werden heute noch Seevögel mit der fleygastong („Vogelfang-Stange“) in den Vogelbergen gefangen. Am beliebtesten und schmackhaftesten ist der Lundi (Papageitaucher).
Fyltur lundi ist der mit einem Mehlteig und Rosinen gefüllte Lundi. Ebenso finden sich aber der havhestur (Eissturmvogel) und lomvigi (Trottellumme) in der färöischen Küche.
Hinzu kommen die Eier der Seevögel, die durch Nestplünderung gewonnen werden.
Mahlzeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wie in anderen Ländern auch, gibt es auf den Färöern drei Hauptmahlzeiten
- Morgunmatur (Lunch) um etwa 9 bis 10 Uhr. Früher wurde dazu ein rundes ungesäuertes Brot drýlur in der roykstova gebacken. Dazu werden oft Stücke des abgehangenen Schaffleischs gereicht, die in feine Scheiben geschnitten werden. Vor dem Lunch gibt es für die arbeitende Bevölkerung das ábit (Frühstück) mit Brot und Milch und häufig auch den Resten vom Abendessen des Vortages.
- Døgurði (warmes Mittagessen) um etwa 14 bis 15 Uhr. In der Regel gibt es dann gekochten Fisch, tvøst und spik, oder Seevögel. Seit Einführung der Kartoffeln gehören sie als Beilage dazu.
- Náturði (Abendessen) nach 21 Uhr. Zwischen Mittag und Abendessen kommt noch das millummáli (Zwischenmahlzeit, früher mit einer Scheibe Brot, heute Kaffee und Kuchen). Das Abendessen bestand früher meist aus Schleimsuppe. Wenn eine Kuh gekalbt hatte, gab es kalvedans, einen Pudding aus dem Kolostrum. Brot gab es zum Abendessen nicht, stattdessen verzehrte man Trockenfisch zur Suppe.
Von der täglichen Menge her sprach man früher vom mannsverður (Mannwert): die Tagesration für einen Erwachsenen. Sie entspricht einem der 20 Teile eines Schafes, oder einer Trottellumme, zwei Tordalken, oder auch drei Papageitauchern. Für Mädchen galt als verður 2 Papageitaucher oder ein halbes Stück vom Zwanzigstel eines Schafs. Die erste färöische Feministin Helena Patursson setzte sich Ende des 19. Jh. dafür ein, dass Mädchen genauso gutes Essen bekommen wie Jungen.
Im Tagebuch der Maria-Expedition von 1854 heißt es:
„Mr. Müller informierte uns, dass die Färinger üblicherweise zweimal täglich Fisch oder Fleisch essen und es als Härte empfinden, wenn sie es mal nicht können.“
Folgende Saisons für Frischfleisch kennt man auf den Färöern:
- Kalbzeit (Neujahr bis Frühling)
- Vogelzeit
- Lammzeit
- Schlachtzeit (der Schafe im Herbst)
„Guten Appetit“ heißt væl gagnist (wörtl. ‚wohl bekomm’s‘). Man sagt es grundsätzlich auch, wenn man einen Raum betritt, wo Menschen speisen. Am Ende einer Mahlzeit bedankt man sich mit manga takk (‚vielen Dank‘). Als Antwort hierauf hört man wieder ein væl gagnist.
Geschirr
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Jeder Haushalt hatte üblicherweise mindestens zwei Töpfe zur Essenszubereitung:
- einen für traniges und fettiges Fleisch
- einen für alle anderen Speisen
Gegessen wurde aus drei verschiedenen Trögen:
- Fischtrog
- Fleischtrog
- Snyktrog bzw. grindatrog für Grind und andere fettige, tranige Speisen
In der Roykstova gab es daneben noch große Schöpflöffel oder Kochlöffel (sleiv), Schaumkellen (soðspón) und sonstige Stöcke zum Umrühren von Brei (greytarsneis) und zum Schlagen von Milch oder Sahne – Schneebesen (tyril).
Eine Besonderheit der neufäröischen Sprache ist die Ableitung des Wortes tyrla aus ebendiesem tyril. Es bedeutet Hubschrauber.
Gastronomie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es gibt auf den Färöern keine große Tradition, essen zu gehen, zumal man sich selber versorgt. Restaurants gab es früher im Wesentlichen nur in den Hotels der Färöer. Für ihre färöischen Spezialitäten sind in Tórshavn heute noch das Hotel Hafnia und das Hotel Føroyar bekannt. Auch das Hotel Norð in Viðareiði gilt als führend bei Papageitauchergerichten. In den letzten Jahren machten auch immer mehr eigenständige Restaurants auf, die neben den Imbissen aber eher internationale/dänisch-französische Küche anbieten. 2017 wurde das Restaurant Koks in Leynavatn mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet.[1] Im Angebot der Schnellrestaurants gibt es färöische Besonderheiten. Der Hot Dog wird beispielsweise mit Rotkohl serviert, worauf in Dänemark grundsätzlich verzichtet wird.
Für Touristen werden sogenannte „Färöerabende“ veranstaltet, wo es neben folkloristischen Darbietungen auch typisch färöisches Essen gibt. Einige private Haushalte bieten Touristen nach dem Vorbild britischer Supper Clubs die bezahlte Teilnahme an Abendessen im Familienkreis an, sogenannte „heimablídni“ (Heimbewirtung).[1] Außerhalb der Färöer gibt es nur die Färöerhäuser in Kopenhagen und Aarhus mit färöischer Küche, die sich in erster Linie an die eigenen Landsleute richtet.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Súsanna Helena Patursson: Matreglur fyri hvørt hús, 1909 ("Essen für jedes Haus" – Pionierwerk, Zusammenstellung der Rezepte aus ihrer Zeitung Oyggjarnar)
- Óluva Skaale: Matur og matgerð (Zeichnungen von Ingálvur av Reyni) 5. Ausgabe. Tórshavn: Grønalíð, 1990. (251 S. "Essen und Essenszubereitung")
- Jonhild Henriksen: Góðaráð. Klaksvík: Góðaráð, 1991. (136 S. "Guter Rat" – färöisches Standardkochbuch)
- Jens Sofus Thomsen et al.: Góður matur úr sjónum Tórshavn: Føroya lærarafelag, 2001. (189 S. "Gutes Essen aus dem Meer")
- Guðmundur Guðmundsson: Okkara kokkur. Tórshavn: Føroya lærarafelag, 2002. (164 S. "Unsere Küche")
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Michael Becker: Färingische Rezepte. ( vom 25. Oktober 2019 im Internet Archive)
- Georges Desrues: Was die Färöer so stark macht: Der Kick aus der Küche. derStandard.at, 12. Oktober 2013
- Die Speisekammer des Gourmets. Faroe Islands Tourist Guide, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 2. April 2015; abgerufen am 25. November 2017.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b NationalGeographic.co.uk: Where to eat in the Faroe Islands. Abgerufen am 4. April 2020.