Fahrradschlauch
Ein Fahrradschlauch ist ein luftdichter Schlauch, der bei der Bereifung von Fahrrädern als Luftbehälter dient. Er besteht meist aus Butyl, seltener aus Latex oder thermoplastischem Polyurethan und früher auch aus Gummi.
Seit etwa 2010 finden auch schlauchlose Fahrradreifen („tubeless“) Verbreitung. Bei diesen bilden Reifen und Felge eine dichte Luftkammer und ein herkömmlicher Schlauch wird nicht mehr benötigt.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]John Boyd Dunlop gilt als Erfinder des Luftreifens und somit auch des Fahrradschlauchs. Er hat den luftgefüllten Gummireifen am 7. Dezember 1888 zum Patent angemeldet, Édouard Michelin hat 1889 den austauschbaren Gummireifen mit Luftschlauch für Fahrräder entwickelt (Dunlop erfand nur einen Hilfsreifen für das Dreirad seines Sohnes). Die Vulkanisation des Kautschuks sowie der Hartgummi als Grundlage für die spätere Fahrradbereifung wurden bereits 1839 von Charles Goodyear erfunden. 1845 ließ sich der Schotte Robert William Thomson luftgefüllte Tierdärme als Reifen patentieren.
Fahrradschläuche sind entlang beliebter (Fern-)Radwege und an Fachgeschäften auch aus speziellen Automaten erhältlich.
Aufbau
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein Schlauch besteht aus einem luftdichten Material, das bei modernen Fahrradschläuchen in der Regel in einem Stück gefertigt oder nahtlos verschweißt wird.[1][2] Er verfügt über ein Ventil, über das Druck abgelassen oder mittels Pumpe oder Kompressor erhöht werden kann.
Der Schlauch liegt auf der Außenseite der Felge auf und wird vom Mantel umschlossen, der den Kontakt mit der Straße herstellt und den Schlauch vor Beschädigungen schützt. Ein Felgenband beugt Durchstichen durch die Speichennippel vor.[3] Um ein Verkleben der Außenwände mit dem Fahrradmantel oder dem Felgenband und der Innenwände mit sich selbst zu verhindern, sind Butyl- und Latexschläuche innen und außen mit Talkum versehen.
Bei Rennrädern kommen manchmal Schlauchreifen zum Einsatz, bei denen Schlauch und Mantel als Einheit verbunden werden, indem der Mantel rund um den Schlauch gelegt und vernäht wird.
Selbstdichtende Schläuche sind mit einer Latexemulsion („Dichtmilch“) gefüllt, welche Löcher selbstständig verschließen soll.[4] Diese kann, wenn der Ventilkern entfernbar ist, auch in einen handelsüblichen Schlauch eingefüllt werden.[3]
Materialien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Butyl
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Butylkautschuk ist das gängigste Material für Fahrradschläuche. Butylschläuche sind günstig in der Anschaffung, langlebig und verlieren nur langsam Luft. Mit etwa 100 g (Rennradschlauch) sind sie schwerer als solche aus Latex oder TPU, und Leichtversionen (etwa 75 g) sind weniger langlebig. Aufgrund vergleichsweise geringer Elastizität kommt es zu mehr Reibung zwischen Schlauch und Mantel als bei anderen Materialien, dies erhöht den Rollwiderstand.[3][5]
Latex
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Latex ist flexibler als Butyl oder TPU und weist dadurch den geringsten Rollwiderstand auf.[6] Luft kann durch das Material vergleichsweise gut entweichen, sodass Latexschläuche häufig, bei hohen Luftdrücken in der Regel vor jeder Fahrt, aufgepumpt werden müssen. Sie sind etwas leichter als Butylschläuche. Aufgrund des vergleichsweise hohen Preises und Wartungsaufwands werden Latexschläuche fast ausschließlich im Straßenrennsport verwendet.[5]
TPU
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Thermoplastisches Polyurethan wird seit etwa 2017 als Material für Fahrradschläuche verwendet.[7][8] TPU-Schläuche wiegen mit ca. 25 bis 40 g (Rennradschlauch) nur etwa ein Viertel bis die Hälfte von kautschukbasierten Alternativen und weisen ein deutlich geringeres Packmaß auf, sind aber dennoch stabiler und luftundurchlässiger.[5] Der Rollwiderstand liegt zwischen Butyl und Latex.[6] Nachteilig werden die zwei- bis dreimal so hohen Anschaffungskosten im Vergleich zum Butylschlauch sowie die Notwendigkeit spezieller Flicken zur Reparatur gesehen.[9][10]
Größen und Bauformen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein Schlauch muss auf Reifendurchmesser und -breite abgestimmt werden. Aufgrund der Dehnbarkeit der Materialien decken Schläuche in der Regel Bandbreiten von je etwa 20 mm in Durchmesser und Breite ab.[11] Ein zu kleiner Schlauch überdehnt und wird luftdurchlässiger und pannenanfälliger, ein zu großer Schlauch kann Falten werfen und zwischen Mantel und Felge eingeklemmt werden.[3]
Seit ca. 2013 gibt es Fahrradschläuche mit zwei Enden. Diese Bauform ermöglicht einen Schlauchwechsel ohne das Laufrad auszubauen.[12]
Beschädigungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Durch Durchstiche, Einklemmungen, Alterung, falscher Luftdruck oder Beschädigungen des Ventils kann ein Schlauch undicht werden und einen „Platten“ verursachen.
Kleinere Löcher in Schläuchen können in der Regel mittels Flickzeug repariert werden.[3] Für Butyl- und Latexschläuche werden dafür Butyl-Flicken verwendet, TPU-Schläuche benötigen speziellen Kleber und TPU-Flicken.[5]
Nicht reparierbare Fahrradschläuche sind Restmüll. Diverse Hersteller bieten Recycling-Programme an, bei denen defekte Schläuche kostenlos abgegeben werden können.[13]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Fritz Winkler, Siegfried Rauch: Fahrradtechnik Instandsetzung, Konstruktion, Fertigung. 10. Auflage, BVA Bielefelder Verlagsanstalt GmbH & Co. KG, Bielefeld, 1999, ISBN 3-87073-131-1.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Fahrradschlauch. In: Schwalbe. Abgerufen am 2. Juni 2023 (deutsch).
- ↑ Im Test: Tubolito Schläuche - Die Quadratur des Kreises?! In: BikeComponents. Abgerufen am 2. Juni 2023.
- ↑ a b c d e Calvin Jones: Big Blue Book of Bicycle Repair. 4. Auflage. Park Tool Company, 2019, ISBN 978-0-9765530-6-9.
- ↑ Mat Brett: Butyl v latex v TPU inner tubes: which should you choose? In: road.cc. 1. September 2022, abgerufen am 2. Juni 2023 (englisch).
- ↑ a b c d Ken Avery: White Paper - Bicycle Inner-tubes Materials and Applications. Vittoria, Juli 2022 (vittoria.com [PDF]).
- ↑ a b Jarno Biermann: TPU Inner Tubes Test. In: Bicycle Rolling Resistance. 22. Dezember 2022, abgerufen am 2. Juni 2023 (englisch).
- ↑ From smart phones to smart inner tubes — how Tubolito has revolutionised the bicycle inner tube. In: road.cc. 6. März 2023, abgerufen am 2. Juni 2023 (englisch).
- ↑ Florian Storch: Eurobike 2017: extraleichte Tubolito-Thermoplast-Schläuche. In: Velomotion. 15. September 2017, abgerufen am 2. Juni 2023 (deutsch).
- ↑ Wie gut sind leichte Rennrad-Schläuche? - Ultra-leichte Schläuche im TOUR-Test. In: Tour. Abgerufen am 2. Juni 2023.
- ↑ Moritz Pfeiffer, Moritz Schwertner: Tubeless, Schlauch oder Leicht-Schlauch?: Schlauch- und Tubeless-Setups fürs Rennrad im Test. In: Roadbike. 17. März 2022, abgerufen am 2. Juni 2023.
- ↑ Michael Sinner: Fahrradreifen und -Schlauchgrößen. In: velonerd.cc. 24. Mai 2017, abgerufen am 2. Juni 2023 (deutsch).
- ↑ Gaadi Fahrradschlauch Test - Das Ding des Jahres - Fahrradschlauch mit zwei Enden. Abgerufen am 3. Dezember 2021 (deutsch).
- ↑ So entsorgst du alte Fahrradteile richtig! In: bikes.de. 7. September 2021, abgerufen am 2. Juni 2023 (deutsch).