Thiamazol

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Strukturformel
Strukturformel von Thiamazol
Allgemeines
Freiname Thiamazol
Andere Namen
  • Methimazol
  • Thiamazolum
  • 1,3-Dihydro-methyl-2H-imidazol-2-thion
Summenformel C4H6N2S
Kurzbeschreibung

weißes bis blassbraunes, kristallines Pulver[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 60-56-0
EG-Nummer 200-482-4
ECHA-InfoCard 100.000.439
PubChem 1349907
ChemSpider 1131173
DrugBank DB00763
Wikidata Q419663
Arzneistoffangaben
ATC-Code

H03BB02

Wirkstoffklasse

Thyreostatikum

Eigenschaften
Molare Masse 114,17 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

146–148 °C[2]

Siedepunkt

280 °C (Zersetzung)[2]

Löslichkeit

leicht löslich in Wasser und Dichlormethan, leicht löslich bis löslich in Ethanol 96 %[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]

Achtung

H- und P-Sätze H: 317​‐​361
P: 280[3]
Toxikologische Daten
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Thiamazol ist eine chemische Verbindung aus den Gruppen der Imidazoline und Thioharnstoffe. Die Verbindung hemmt die Funktion der Schilddrüse und wird daher in der Medizin als Arzneistoff (Thyreostatikum) zur Behandlung einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose, Feline Hyperthyreose) eingesetzt.

Wirkungsprinzip

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Thiamazol hemmt die Bindung von Iod an das Enzym Thyreoperoxidase und unterbindet so die Bildung der aktiven Schilddrüsenhormone Thyroxin und Triiodthyronin.

Kontraindikationen

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Beim Menschen ist das Mittel bei Leberschäden und vorausgegangenen Überempfindlichkeitsreaktionen (v. a. bei manifester Thrombozytopenie) kontraindiziert. Bei Katzen darf das Mittel auch nicht bei Diabetes mellitus eingesetzt werden, bei Menschen und Katzen sollte bei Schwangerschaft oder Laktation auf die Anwendung verzichtet werden.

Der Wirkstoff könnte den Schilddrüsenhormonspiegel beim Ungeborenen oder bei einem durch die Muttermilch ernährten Kleinkind negativ beeinflussen.

Die Nebenwirkungen sind dosisabhängig und treten deshalb vor allem bei Behandlungsbeginn auf, da hier mit höheren Dosen gearbeitet wird. Die Nebenwirkungen sind reversibel, verschwinden also mit Absetzen des Präparats wieder.

Beim Menschen häufig auftretende Nebenwirkungen sind allergische Reaktionen (wie Quaddeln, Hautausschlag und Juckreiz); gelegentlich kommt es zu Übelkeit und Erbrechen, Durchfall oder Agranulozytose (in 0,3 bis 0,6 % der Fälle[4]), selten zu Störungen beim Geschmacksempfinden oder Arzneimittelfieber. In Einzelfällen kann es zu Muskel- und Gelenkschmerzen, Gelbsucht, Gallestau, Lymphknotenerkrankungen, Speicheldrüsenschwellungen, Entzündungen der Leber, Nieren, oder Bauchspeicheldrüse, Gefäß- oder Nervenentzündung, Verminderung der Blutplättchen und Blutzellen, Nervenerkrankungen, Missempfindungen, Wassereinlagerungen im Gewebe, Haarausfall, Immunerkrankungen (Lupus erythematodes) oder schweren Überempfindlichkeitsreaktionen (Erythema exsudativum multiforme) kommen.[5][4]

Bei Katzen werden bei etwa 20 % der Patienten Nebenwirkungen beobachtet. Dabei können Erbrechen, Anorexie, Lethargie, schwerer Juckreiz und Hautläsionen an Kopf und Nacken auftreten. Eine erhöhte Blutungsneigung und Gelbsucht sowie Blutbildveränderungen können auftreten, weshalb das Blutbild regelmäßig kontrolliert werden muss.

Die Synthese von Thiamazol gelingt einfach in einer zweistufigen Synthese. Im ersten Schritt wird das Aminoacetaldehyddiethylacetal mit Methylisothiocyanat in einer Additionsreaktion umgesetzt. Das resultierende Thioharnstoffderivat wird dann mittels Schwefelsäure zur Zielverbindung unter Abspaltung von Ethanol cyclisiert.[6][2]

Chemische Eigenschaften

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Das Imidazol-Derivat Thiamazol ist ein weißes bis mattbraunes, kristallines Pulver mit charakteristischem Geruch. Der Siedepunkt liegt bei 280 °C (Zersetzung). Thiamazol ist löslich in Wasser, Ethanol und Chloroform, jedoch kaum löslich in Ether.[2] Thiamazol kann in zwei tautomeren Formen auftreten. Dabei ist die Thionstruktur gegenüber der Thiolstruktur energetisch begünstigt.[7]

Thiamazol tritt in zwei polymorphen Kristallformen auf, die sich hinsichtlich der Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Molekülen im Kristallgitter unterscheiden.[8] Die Form I kristallisiert im triklinen Kristallsystem mit der Raumgruppe P–1. Die farblosen Kristalle haben eine Dichte von 1,353 g·cm−1. Die Form II kristallisiert im monoklinen Kristallsystem mit der Raumgruppe P21/c. Die Kristalle sind gelb gefärbt und besitzen eine Dichte von 1,325 g·cm−1.[8]

Galenische Zubereitungen sind Injektionslösungen und Tabletten.

Monopräparate

Favistan (D), Methizol (D), Thyrozol (D), Generika (D, A)

Tiermedizin

Felimazole, Felidale, Thiamatab, Thyronorm, Apelka

  • Hans-Joachim Frercks: Stoffwechsel und Endokrinologie. In: Jörg Braun, Roland Preuss (Hrsg.): Klinikleitfaden Intensivmedizin. 9. Auflage. Elsevier, München 2016, ISBN 978-3-437-23763-8, S. 521–538, hier: S. 534–536 (Thyreostatika).
  • Eintrag zu Thiamazol bei Vetpharm, abgerufen am 21. November 2011.

Einzelnachweise

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  1. a b Eintrag THIAMAZOLE CRS beim Europäisches Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln (EDQM), abgerufen am 27. Juni 2009.
  2. a b c d e f Eintrag zu Thiamazol. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 10. November 2014.
  3. a b Datenblatt 2-Mercapto-1-methylimidazole bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 24. April 2011 (PDF).
  4. a b Arzneimittelinformationen Thiamazol 10mg Hexal Tabletten. (Memento vom 23. September 2015 im Internet Archive) Apotheken-Umschau, Stand Oktober 2013.
  5. Thianazol: Welche Nebenwirkungen kann Thiamazol haben? (Memento vom 23. November 2012 im Internet Archive) Onmeda.de, Stand 29. Oktober 2007.
  6. A. Kleemann, J. Engel, B. Kutscher, D. Reichert: Pharmaceutical Substances - Synthesis, Patents, Applications, 4. Auflage (2001) Thieme-Verlag Stuttgart, ISBN 978-1-58890-031-9.
  7. Hossein Roohi; A. Ebrahimi; Samira Habibi: Quantum mechanical study of tautomerism of methimazole and the stability of methimazole–I 2 complexes in J. Mol. Struct. THEOCHEM 710 (2014) 77–84, doi:10.1016/j.theochem.2004.09.005.
  8. a b Lodochnikova, O.A.; Bodrov, A.V.; Saifina,, A.F.; Nikitina, L.E.; Litvinov, I.A.: A new polymorph of methimazole: Single crystal and powder X-ray diffraction study in J. Struct. Chem. 54 (2013) 140–147.