Flachplatten-Stirlingmotor
Der Flachplatten-Stirlingmotor ist eine Bauform des Stirlingmotors mit diskontinuierlicher Steuerung des Regenerators. Die Kraft und der Hub wird durch eine Membran übertragen. Der Motor funktioniert bereits bei niedriger Temperaturdifferenz.
Überblick
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Diese Variante ist recht einfach im Aufbau und mit wenigen Bauteilen herstellbar. Der „Verdrängerkolben“ ist als Rekuperator ausgeführt, wodurch der Totraum praktisch eliminiert wird. Toträume (oder auch Schadräume) sind alle mit Arbeitsgas gefüllten Räume, die nicht aktiv am Prozess teilnehmen. Der „Arbeitskolben“ ist als Membran oder Balg gasdicht ausgeführt. Das Flachplattensystem hat im Verhältnis zum Volumen eine große Übertragungsfläche für Erwärmung und Kühlung. Die Vorderwand wird beheizt (z. B. Sonneneinstrahlung, Warmwasser oder Heissgas) und die Rückwand gekühlt. Durch die diskontinuierliche Steuerung des Verdrängers wird die von der Kurbelwelle herrührende sinusförmige Bewegung in zwei ruckartige Bewegungen des Regenerators aufgeteilt. Dadurch wird der Kreisprozess in den Ecken besser ausgefahren. Die beiden p-V-Diagramme (Druck-Volumen-Diagramme) zeigen diesen Sachverhalt auf. Die gelb markierten Flächen stellen die Nutzarbeit des Prozesses dar. Wie man der Formel
entnehmen kann, müssen Temperaturdifferenz und Volumenverhältnis möglichst groß gemacht werden. Ersetzt man den Regenerator durch einen simplen Verdränger, verringert diese Vereinfachung die Temperaturdifferenz und damit die Nutzarbeit. Mögliche Energiequellen für Niedrig-Temperatur-Anwendungen sind direkte Sonneneinstrahlung, heißes Wasser aus Flachkollektoren, geothermisch erhitztes Wasser und industrielle Abwärme.
Funktionsweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Flachplatten-Stirlingmotor nach Ivo Kolin[1] besteht im Wesentlichen aus folgenden Bauteilen:
- Schwungrad
- Arbeitskammer
- Verdränger / Regenerator
- Warme Platte (Heizseite)
- Kalte Platte (Kühlseite)
- Arbeitshebel
- Schubstange zu Kurbelwelle
- Schubstangengelenk
- Arbeitskurbel
- Verdrängerkurbel
- Halterung Verdrängerschubstange
- Verstellbare Anschläge
- Antriebshebel für Verdränger
- Verdrängerschubstange
- Dämpfungsfedern
- Drehgelenk für kalte Platte
- Drehgelenk Arbeitshebel
- Kurbelwelle
In der gasdicht geschlossenen Arbeitskammer bewegt sich nur eine Platte, der sogenannte Verdränger (3), der an ein Schwungrad (1) mittels Antriebshebel (13) gekoppelt ist, mit dem mechanische Arbeit verrichtet werden kann. Der Verdränger hat zugleich auch Regeneratorfunktion (Wärmespeicher).
Der Arbeitslauf des Motors kann in 4 Prozesse (Phasen 1 bis 4) unterteilt werden. Die folgende Beschreibung bezieht sich auf die unten angegebene Bilderfolge.
Phase 1 ⇒ 2
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Arbeitsgas (Luft, Wasserstoff, Helium usw.) im Arbeitsraum wird beim Hereindrücken der Arbeitsplatte (Membran, kalte Seite) verdichtet. Der Verdränger/Regenerator verharrt dicht an der heißen Plattenseite.
Phase 2 ⇒ 3
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei kleinem Gasvolumen klappt der Verdränger/Regenerator von der heißen Seite auf die kalte Seite um. Das Arbeitsgas strömt durch den porösen Verdränger/Regenerator von der kalten Seite zur warmen Seite und nimmt die gespeicherte Wärme auf.
Phase 3 ⇒ 4
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das erwärmte Gas dehnt sich aus und drückt die Arbeitsplatte/Membran nach außen. Diese Hubbewegung wird auf das Schwungrad übertragen und ist der Arbeitstakt.
Phase 4 ⇒ 1
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei großem Gasvolumen klappt der Verdränger von der kalten auf die warme Seite um. Das Arbeitsgas strömt durch den porösen Verdränger/Regenerator und gibt Wärme an ihn ab (Druckreduktion).
Theoretische Erklärung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Arbeitsmedium wird in einem Kreisprozess aus zwei Isothermen und zwei Isochoren periodisch expandiert und komprimiert. Im p-v-Diagramm ist die vom Graphen umschlossene Fläche (gelb) die von der Maschine verrichtete Arbeit.
Takt 1 ist eine isotherme Ausdehnung, bei der Arbeit vom Gas verrichtet wird und Takt 2 eine isochore Abkühlung. Takt 3 ist eine isotherme Kompression und Takt 4 eine isochore Erwärmung.
Das Prinzip dieser Maschine beruht auf dem so genannten Stirlingschen Kreisprozess. Die Maschine arbeitet zwischen der hohen Temperatur Tmax und der niedrigen Temperatur Tmin. Dabei ist die Differenz dieser beiden Temperaturen entscheidend für den Wirkungsgrad, der die Effizienz der Maschine beschreibt.
Vorteile
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gegenüber den mit Kolben betriebenen Stirlingmotoren bietet die Membranabdichtung eine wesentlich einfachere Abdichtung des Gasraumes (keine Kolbenringe, weniger Reibungsverluste). Darüber hinaus ermöglichen flache Gehäuse dank dünner Verdränger die Verwendung von mehr Arbeitsgas und die Vergrößerung der Wärmeaustauschfläche. Dieser „Low-Tech“-Motor kann mit wenig Aufwand selbst nachgebaut werden, im Gegensatz zu anderen Stirlingmotoren.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit 1970 baute Professor Ivo Kolin (* 23. September 1924 in Zagreb; † 2007, Professur an der Universität Zagreb[2]) 16 Versuchsmotoren. 1983 erreichte er mit Motor Nr. 16 erstmals einen Betriebsbereich mit einer Temperaturdifferenz von 16 Kelvin. 1989 referierte Kolin in San Francisco über seine Entwicklungen auf der 19. Intersociety Energy Conversion Engineering Conference (IECEC).
Dr. James Senft, Professor an der University of Wisconsin-River Falls, entwickelte Kolins Design weiter, indem er zunächst die Fertigungsgenauigkeit verbesserte und später etwas thermodynamische Effizienz zugunsten mechanischer Effizienz aufgab. Damit erreichte er ein Modell, welches mit einer Temperaturdifferenz von 0,5 Kelvin funktioniert.[3]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ivo Kolin: Stirling motor: history, theory, practice. contributions to the 5th International Stirling Engine Conference. Inter University Center, 1991.
- Walter Kufner: Stirlingmaschinen einfacher Bauart. Hergensweiler 1995.
- Brad Ross (Hrsg.): Stirling Maschine World. USA.
- F. Schmelz: Die Leistungsformel des Stirlingmotors. 2. Auflage. Polygon-Verlag, Buxheim 1994, ISBN 3-928671-07-3.
- F. Steimle: Stirling-Maschinen-Technik. C. F. Müller Verlag, ISBN 3-7880-7583-X.
- M. Werdich, K. Kübler: Stirling-Maschinen. Grundlagen – Technik – Anwendung. 9. Auflage. Ökobuch-Verlag, 2003, ISBN 3-922964-96-6.
- Dieter Viebach: Der Stirlingmotor einfach erklärt und leicht gebaut. 9. Auflage. Ökobuch-Verlag, 2010, ISBN 978-3-936896-54-1.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ivo Kolin, Sonja Koscak-Kolin, Miroslav Golub: Geothermal Electricity Production by Means of the Low Temperature Difference Stirling Engine. (PDF; 348 kB)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Ivo Kolin: Stirling motor: history, theory, practice. contributions to the 5th International Stirling Engine Conference. Inter University Center, 1991.
- ↑ ivokolin.com ( vom 11. November 2014 im Internet Archive)
- ↑ Low-Temperature Difference Stirling Engines. Abgerufen am 21. Mai 2024.