Fluormayenit

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Fluormayenit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

2013-019[1]

IMA-Symbol

Fmy[2]

Chemische Formel Ca12Al14O32[□4F2][3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)

IV/A.07-028[4]
Ähnliche Minerale Fluorkyuygenit[3]
Kristallographische Daten
Kristallsystem kubisch
Kristallklasse; Symbol hexakistetraedrisch; 43m
Raumgruppe I43d (Nr. 220)Vorlage:Raumgruppe/220[3]
Gitterparameter a = 11,9894 (natürlich); synthetisch: 11,970[5] Å[3]
Formeleinheiten Z = 2[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 5,5 – 6[3]
Dichte (g/cm3) berechnet: 2,745[3]
Spaltbarkeit keine[3]
Farbe farblos, selten blass grün oder gelb[3]
Strichfarbe weiß[3]
Transparenz transparent[3]
Glanz Glasglanz[3]
Radioaktivität -
Magnetismus -
Kristalloptik
Brechungsindex n = 1,612[3]
Doppelbrechung keine, isotrop[3]

Das Mineral Fluormayenit ist ein selten vorkommendes Oxid aus der Mayenit-Obergruppe mit der Endgliedzusammensetzung Ca12Al14O32F2. Es kristallisiert im kubischen Kristallsystem mit der Struktur von Chlormayenit.[3]

Fluormayenit entwickelt nur sehr kleine, farblose Kristalle oder rundliche Körner von unter 0,1 mm Größe. Die Kristalle zeigen, soweit ausgebildet, Flächen des Triakistetraeder {211}.[3]

Gebildet wird Fluormayenit bei niedrigen Druck und hohen Temperaturen bei der Umwandlung von calciumreichen Sedimenten durch ein fluorreiches Fluid. Bei niedrigeren Temperaturen und Anwesenheit von Wasser wird Fluormayenit in Fluorkyuygenit umgewandelt.[3]

Etymologie und Geschichte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist ein kubisches Calciumaluminat bekannt, für das damals die Zusammensetzung 5CaO * 3Al2O3 angegeben wurde.[6] Da Calciumaluminate wichtige Verbindungen von Zementklinkern sind, wurden sie seither intensiv untersucht.

Die Struktur dieser Verbindung wurde 1936 von W. Büssem und A. Eitel am Kaiser-Wilhelm-Institut für Silikatforschung in Berlin-Dahlem aufgeklärt. Im Zuge der Strukturaufklärung korrigierten sie die Zusammensetzung zu 12CaO * 7Al2O3, C12A7 in der Zementchemische Notation.[7]

Die ersten Funde eines natürlichen, kubischen Calciumaluminats wurden 1963 von L. Heller in einem Sprurritfels im Nalhal Ayalon-Aufschluss der Hatrurim-Formation in Israel gemacht. Es ist ein gängiges Mineral in vielen Aufschlüssen der pyromethamorphen Hatrurim-Formation.[8]

Als neues Mineral beschrieben wurde es ein Jahr später von Gerhard Hentschel zusammen mit Brownmillerit in Kalksteineinschlüssen aus Laven des Ettringer Bellerberges mit der Zusammensetzung Ca12Al14O33. Er benannte das neue Mineral nach der nahe gelegenen Stadt Mayen Mayenit.[9]

Das Fluoranalog von Mayenit, die Verbindung 11CaO * 7Al2O3 * CaF2, wurde 1973 von P. P. Williams vom D.S.I.R in Petone, Neuseeland, synthetisiert und die Struktur untersucht.[5]

Im Zuge der Neudefinition der Mayenit-Obergruppe seit 2010 wurden Mayenite verschiedener Fundorte erneut untersucht. Alle natürlich vorkommenden Mayenite enthalten Fluor oder Chlor und die von Hentschel angegebene Zusammensetzung konnte in keinem Fall bestätigt werden. Mayenit wurde daraufhin als Mineralname verworfen, neue Namen eingeführt und neue Minerale der Mayenitgruppe entdeckt, darunter auch Fluormayenit:[10]

  • Chlormayenit für Mayenite mit der Zusammensetzung Ca12Al14O32[□4Cl2], z. B. vom Ettringer Bellerberg[11]
  • Chlorkyuygenit für hydratisierten Chlormayenit (Ca12Al14O32[(H2O)4Cl2])[12]
  • Fluormayenit für Mayenite mit der Zusammensetzung Ca12Al14O32[□4F2], z. B. vom Jebel Harmun der Hatrurim-Formation in Palästina[3]
  • Fluorkyuygenit für hydratisierten Fluormayenit (Ca12Al14O32[(H2O)4F2])[3]

In der strukturellen Klassifikation der International Mineralogical Association (IMA) gehört Fluormayenit zusammen mit Chlormayenit, Chlorkyuygenit und Fluorkyuygenit in der Mayenit-Obergruppe zur Mayenitgruppe mit weniger als 4 Cl und 2 Si pro Formeleinheit.[10][3]

Da der Fluormayenit erst 2013 als eigenständiges Mineral anerkannt wurde, ist er in der zuletzt 1977 überarbeiteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz noch nicht verzeichnet.

In der zuletzt 2018 überarbeiteten Lapis-Systematik nach Stefan Weiß, die formal auf der alten Systematik von Karl Hugo Strunz in der 8. Auflage basiert, erhielt das Mineral die System- und Mineralnummer IV/A.07-028. Dies entspricht der Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort der Abteilung „Oxide mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : Sauerstoff = 1 : 1 und 2 : 1 (M2O, MO)“, wo Fluormayenit zusammen mit Bitikleit, Brownmillerit, Chlormayenit, Chlorkyuygenit, Dzhuluit, Elbrusit, Fluorkyuygenit, Shulamitit, Srebrodolskit, Tululit und Usturit eine unbenannte Gruppe mit der Systemnummer IV/A.07 bildet.[4]

Die bis 2009 von der International Mineralogical Association (IMA) aktualisierte 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik kennt den Fluormayenit ebenfalls noch nicht.[13]

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana führt den Fluormayenit noch nicht auf. Er würde zusammen mit Mayenit in die unbenannte Gruppe 07.11.03 der Abteilung der „Mehrfachen Oxide“ eingruppiert werden.

Fluormayenit mit der Endgliedzusammensetzung [X]Ca12[T]Al3+14O32[W][□4F2] ist das Fluor-Analog von Chlormayenit ([X]Ca12[T]Al3+14O32[W][□4Cl2]), wobei [X], [T] und [W] die Positionen in der Mayenitstruktur sind und □ (Leerstelle) für eine unbesetzte Gitterposition steht.[10][3]

Die empirische Zusammensetzung aus der Typlokalität ist

  • [X](Ca11,951Na0,037)[T](Al13,675Fe3+0,270Mg0,040Si0,009P0,005S6+0,013)O31,503(OH)1,492[W][□4,581F1,375Cl0,044][3]

Die Abweichungen von der idealen Zusammensetzung gehen im Wesentlichen auf zwei Mischkristallreihen zurück. Zum einen wird Fe3+ auf den [T]-Positionen eingebaut, entsprechend der Austauschreaktion

  • [T]Al = [T]Fe3+ (hypothetisches Fe-Analog von Fluormayenit),

zum anderen führt die Mischung mit dem hypothetischen (OH)- Analog [X]Ca12[T]Al3+14O30(OH)6[W][□6] zum Austausch von Sauerstoff (O2-) und Fluor (F-) durch 3 (OH) entsprechend der Reaktion

  • [O2]O2- + 3[O2a]□ + [W]F- = [O2]□ + 3[O2a](OH)- + [W]□.[3]

Kristallstruktur

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fluormayenit kristallisiert mit kubischer Symmetrie in der Raumgruppe I43d (Raumgruppen-Nr. 220)Vorlage:Raumgruppe/220 mit 2 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Der natürliche Mischkristall aus der Typlokalität hat dem Gitterparameter a = 11,9894 Å.[3]

Die Struktur ist die von Chlormayenit. Aluminium (Al3+) besetzt die zwei tetraedrisch von 4 Sauerstoffionen umgebenen Z-Positionen.[3] Sie bilden ein Tetraedergerüst, das miteinander verbundene Käfige umschließt. Jeder dieser Käfige ist mit zwei Calcium (Ca2+)-Ionen besetzt, die von 6 Sauerstoffen unregelmäßig umgeben sind.[7] In ihrem Zentrum zwischen den Calciumionen enthalten 1/3 der Käfige ein Fluorion (F-).[10][3]

Die Substitution eines Sauerstoffes der O2-Position und eines Fluorions der W-Position durch drei OH-Gruppen auf der ansonsten unbesetzten O2a-Position führt zu einer Erhöhung der Koordinationszahl des benachbarten Aluminiums einer T1-Position von 4 auf 6. Im Fluormayenit von der Typlokalität sind auf diese Weise rund 11 % der Aluminiumionen auf T1 oktaedrisch von 6 Sauerstoffen koordiniert.[3]

Bildung und Fundorte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fluormayenit bildet sich pyrometamorph bei niedrigen Druck und hohen Temperaturen bei der Umwandlung von calciumreichen Sedimenten durch ein fluorreiches Fluid. Durch wasserreiche Fluide kann Fluormayenit umgewandelt werden in Fluorkyuygenit und Katoit-Grossular-Mischkristalle.[3]

Fluormayenit ist bislang (2018) nur in zwei Aufschlüssen der Hatrurim-Formation in Palästina und Jordanien nachgewiesen worden. In seiner Typlokalität, dem Jebel Harmun der Hatrurim-Formation unweit des Dorfes Nabi Musa, Westjordanland in Palästina, tritt Fluormayenit als Einschluss in Ye’elimit auf oder füllt Zwischenräume zwischen Larnit, Brownmillerit und Fluorellestadit. Weitere Begleitminerale sind Fluorapatit, Srebrodolskit, Shulamitit, Harmunit, Spinell, Magnesioferrit, Gehlenit, Periklas, Ternesit, Nabimusait, Oldhamit, Baryt, Vorlanit, Vapnikit, Chalkosin und Covellin.[3]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2024. (PDF; 3,6 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2024, abgerufen am 1. September 2024 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z aa ab Evgeny V. Galuskin, Frank Gfeller, Thomas Armbruster, Irina O. Galuskina, Yevgeny Vapnik, Mateusz Dulski, Mikhail Murashko, Piotr Dzierzanowsky, Viktor V. Sharygin, Sergey V. Krivovichev and Richard Wirth: Mayenite supergroup, part III: Fluormayenite, Ca12Al14O32[〈4F2], and fluorkyuygenite, Ca12Al14O32[(H2O)4F2], two new minerals from pyrometamorphic rocks of the Hatrurim Complex, South Levant. In: European Journal of Mineralogie. Band 27, 2015, S. 123–136 (researchgate.net [PDF; 689 kB; abgerufen am 28. Juli 2018]).
  4. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  5. a b P. P. Williams: Refinement of the structure of 11CaO.7Al2O3.CaF2. In: Acta Crystallographica Section B. B29, 1973, S. 1550–1551, doi:10.1107/S0567740873004942.
  6. Ernest Stanley Shepherd and G. S. Rankin: The binary systems of alumina with silica, lime, and magnesia; with optical study by Fred. Eugene Wright. In: American Journal of Science. Band 28, 1909, S. 293–333, doi:10.2475/ajs.s4-28.166.293.
  7. a b W. Büssem, A. Eitel: Die Struktur des Pentacalciumtrialuminats. In: Zeitschrift für Kristallographie. Band 95, 1936, S. 175–188 (rruff.info [PDF; 628 kB; abgerufen am 22. Juli 2018]).
  8. S. Gross: The mineralogy of the Hatrurim formation, Israel. In: Geol. Surv. Isr. Bull. Band 70, 1977, S. 1–80 (rruff.info [PDF; 5,7 MB; abgerufen am 29. Juli 2018]).
  9. Michael Fleischer: New Mineral Names - Mayenit. In: The American Mineralogiste. Band 50, 1965, S. 2096–2111 (rruff.info [PDF; 1,3 MB; abgerufen am 29. Juli 2018]).
  10. a b c d Evgeny V. Galuskin, Frank Gfeller, Irina O. Galuskina, Thomas Armbruster, Radu Bailau and Viktor V. Sharygin: Mayenite supergroup, part I: Recommended nomenclature. In: European Journal of Mineralogie. Band 27, 2014, S. 99–111 (cnmnc.main.jp [PDF; 802 kB; abgerufen am 29. April 2020]).
  11. E. V. GALUSKIN, J. KUSZ, T. ARMBRUSTER, R. BAILAU, I. O. GALUSKINA, B. TERNES AND M. MURASHKO: A reinvestigation of mayenite from the type locality, the Ettringer Bellerberg volcano near Mayen, Eifel district, Germany. In: Mineralogical Magazine. Band 76, 2012, S. 707–716 (rruff.info [PDF; 388 kB; abgerufen am 29. Juli 2018]).
  12. E. V. Galuskin, I. O. Galuskina, J. Kusz, F. Gfeller, T. Armbruster, R. Bailau, M. Dulski, V. M. Gazeev, N. N. Pertsev, A. E. Zadov, P. Dzierzanowski: Mayenite supergroup, part II: Chlorkyuygenite from northern Caucasus Kabardino-Balkaria, Russia, a new microporous mayenite supergroup mineral with ‘‘zeolitic’’ H2O. In: European Journal of Mineralogie. Band 27, 2015, S. 123–136, doi:10.1127/ejm/2015/0027-2419 (researchgate.net).
  13. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom Original am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).