Formierte Gesellschaft
Formierte Gesellschaft ist ein kontroverser Begriff und ein politisches Schlagwort, das von Ludwig Erhard in den 60er Jahren in die politische Diskussion eingeführt wurde. Es bezeichnet eine Gesellschaftsordnung, in der nicht mehr die Verbände und Parteien um ihre Interessen kämpfen, sondern alle Einzelinteressen dem „Gemeinwohl“ unterzuordnen sind. Unter „Gemeinwohl“ verstanden Erhard und seine Unterstützer, vor allem Rüdiger Altmann, den Wohlstand, den eine wachsende Wirtschaft hervorbringt.[1]
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Bezeichnung wurde von Erhard öffentlich erstmals 1965 auf dem Düsseldorfer Parteitag der CDU benutzt.[2] In einer Rede definierte Erhard den Begriff: Die formierte Gesellschaft besteht „[…] nicht mehr aus Klassen und Gruppen […], die einander ausschließende Ziele durchsetzen wollen, sondern dass sie, fernab aller ständestaatlichen Vorstellungen, ihrem Wesen nach kooperativ ist, das heißt, dass sie auf dem Zusammenwirken aller Gruppen und Interessen beruht.“[3]
Früherer Gebrauch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Bezeichnung wird erstmals 1790 von Friedrich Schiller verwandt; 1929 benutzte sie Friedrich Dessauer in einer Auseinandersetzung mit Franz Oppenheimer.[4]
Kritik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der öffentlichen Diskussion wiesen Kritiker vor allem auf den von ihnen wahrgenommenen „antidemokratischen und gewerkschaftsfeindlichen Charakter des Formierungsvorhabens“ hin.[2]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Rüdiger Altmann: Die Formierte Gesellschaft. Stuttgart 1965.
- Ralf Dahrendorf: Formierte oder offene Gesellschaft. In: Vortragsreihe des Instituts der Deutschen Wirtschaft, 25, 1965, Nr. 40, S. 1–5.
- Matthias Kranz: Die Formierte Gesellschaft. Ein Konzept wider der totalitären Ordnung? Eine Darstellung der Grundprinzipien der „Formierten Gesellschaft“ und ein Vergleich dieser Grundprinzipien mit der nationalsozialistischen Volksgemeinschaftsideologie. Göttingen 2002.
- Das Konzept der „Formierten Gesellschaft“ nach Ludwig Erhard. Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Aktenzeichen: WD 1 - 3000 - 016/19, 19. September 2019, Fachbereich: WD 1: Geschichte, Zeitgeschichte und Politik.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ bundestag.de (PDF; 204 kB)
- ↑ a b Die formierte Gesellschaft. In: Blätter für deutsche und internationale Politik. Nr. 12, 2011 (blaetter.de [abgerufen am 8. Mai 2022]).
- ↑ Peter Borowsky: Das Ende der „Ära Adenauer“. In: Archiv der Gegenwart. 1965, S. 11776. (bpb.de [abgerufen am 4. August 2022] Rede von Bundeskanzler Ludwig Erhard auf dem XIII. CDU-Parteitag im März 1965 in Düsseldorf).
- ↑ Formierte Gesellschaft. In: Geschichte der CDU. Konrad-Adenauer-Stiftung e. V., abgerufen am 8. Mai 2022.